T 1625/22 29-02-2024
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Auszugssicherung von Werkzeugen aus Werkzeughaltern mit einer Werkzeugaufnahme
Körfer, Thomas
MST Corporation
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Verletzung des rechtlichen Gehörs (nein)
Wesentlicher Verfahrensmangel - (nein)
Wesentlicher Verfahrensmangel - angefochtene Entscheidung ausreichend begründet (ja)
Wesentlicher Verfahrensmangel - Gelegenheit zur Stellungnahme (ja)
Änderung des Vorbringens - Änderung im Sinne des Art. 12 (4) VOBK 2020
Änderung des Vorbringens - Änderung zugelassen (ja)
I. Die Beschwerdeführer (Einsprechender 1 und Einsprechende 2) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 343 144 in geänderter Fassung aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.
Die Einspruchsabteilung stellte fest, dass der geltend gemachte Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(c) in Verbindung mit Artikel 123(2) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegen stehe, und dass die Hilfsanträge 1 bis 8 den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ nicht genügten. Das Patent wurde auf Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 8a aufrechterhalten. Die Neuheit und das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrags 8a wurden unter Berücksichtigung des folgenden Standes der Technik anerkannt:
D1: FR 1 272 885 A
D4: DE 3939423 A1
D34: JP-A-2002355717
D35: Deutsche Übersetzung von D34
D40: JP-A-09011007
D41: Deutsche Übersetzung von D35
II. In einer am 8. November 2023 versandten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar.
Eine mündliche Verhandlung fand am 29. Februar 2024 vor der Kammer statt.
III. Die Beschwerdeführer (Einsprechender 1 und Einsprechende 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents. Der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) beantragte zudem die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, gleichbedeutend mit der Aufrechterhaltung des Patents wie von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 10a, 11a oder 12a wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
IV. Der unabhängige Produktanspruch 1 in aufrechterhaltener Fassung gemäß Hilfsantrag 8a lautet wie folgt (Merkmalsgliederung gemäß der angefochtenen Entscheidung):
M1.1 "System aus Werkzeughalter (1) und Werkzeug (2),
M1.2 wobei der Werkzeughalter ein Spannfutter mit einer zylindrischen Werkzeugaufnahme (7) aufweist
M1.3 und darin der zylindrische Schaft (11) des Werkzeugs (2), insbesondere Rotationswerkzeugs aufgenommenen ist,
M1.4 wobei das System eine ein durch Schwingung bedingtes axiales Auswandern des Werkzeugs sperrende Auszugssicherung aufweist,
M1.5 welche mindestens ein Sperrelement (4,19) und mindestens eine dazu korrespondierende und das Sperrelement aufnehmende Sperrnut (12,13) umfasst,
M1.6 wobei die Sperrnut von der Stirnseite aus beginnend in der Umfangsflache des Schafts des Werkzeugs und das Sperrelement im Spannfutter angeordnet ist,
M1.7 das Werkzeug wahrend des Betriebes durch das Spannfutter drehmomentfest mit Presssitz und durch die Auszugssicherung axial bezüglich der Drehachse (3) festgehalten wird,
M1.8 dass die Sperrnut (12,13) einen Sperrnutverlauf aufweist, welcher schraubenförmig, kurvenförmig oder aus zusammengesetzten abschnittsweise geradlinigen und kurvenförmigen Zylinderflachenbahnen gebildet ist,
M1.9 wobei sich dieser zumindest über einen Teilabschnitt des Schafts (11) erstreckt,
M.10 dass Sperrnut und Sperrelement formschlüssig zusammenwirken,
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.11 das Werkzeug mindestens zwei, besonders bevorzugt vier Sperrnuten aufweist,
M1.12 und wobei das Spannfutter ein Schrumpffutter ist."
Artikel 123(2) EPÜ: Offenbarung der Änderungen
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in aufrechterhaltener Fassung genügt den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ:
1.1 Bezüglich der beanstandeten unzulässigen Erweiterung machte der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) in seiner Beschwerdebegründung lediglich sein ursprüngliches Vorbringen aus dem Einspruchsschriftsatz vom 9. September 2019 geltend, und zwar zu denjenigen Punkten, zu welchen die Einspruchsabteilung in Rahmen der Diskussion des Hauptantrags seinem Vorbringen nicht folgen konnte. Es handelt sich hier um die strittige Offenbarung des Merkmals M1.9 des Anspruchs 1, wonach "sich dieser [der Sperrnutverlauf, vgl. Merkmal M1.8] zumindest über einen Teilabschnitt des Schafts (11) erstreckt". Während der mündlichen Verhandlung hielten beide Beschwerdeführer an ihrer Auffassung fest, dass dieses Merkmal nur in Zusammenhang mit einer "Sperrnut" und nicht mit einem "Sperrnutverlauf" in der ursprünglichen Anmeldung, insbesondere im ursprünglichen Anspruch 7, offenbart sei, und dass - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - ein Sperrnutverlauf etwas anderes als eine Sperrnut und diese Begriffe daher nicht äquivalent seien. Zu der von der Beschwerdegegnerin unter Artikel 12(3) VOBK beanstandeten fehlenden Substanziierung dieses Einwandes in der Beschwerdebegründung führte der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) aus, dass diese gerechtfertigt sei, da die angefochtene Entscheidung zu diesem Punkt auch nur eine bloße Aussage enthalte und eine Begründung vermissen lasse.
1.2 Unabhängig von einer möglichen Nichtzulassung dieses Einwands unter Artikel 12(3) VOBK - wie von der Beschwerdegegnerin beantragt - überzeugt dieser in der Sache nicht:
Merkmal M1.9 beschreibt die Erstreckung des im vorherigen Merkmal M1.8 definierten Sperrnutverlaufes der Sperrnut. Denn Merkmal M1.9 ist insoweit in Zusammenhang mit Merkmal M1.8 wonach "die Sperrnut einen Sperrnutverlauf aufweist" zu lesen. Der Verlauf einer Sperrnut beschreibt in der Tat ihre Erstreckung über den Bereich, in dem die Nut ausgebildet ist, so dass diese Begriffe - zumindest in dem konkreten Kontext des Anspruchs 1 - als Synonyme zu verstehen sind. Merkmal M1.9 ist somit dem ursprünglichen abhängigen Anspruch 7 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Artikel 83 EPÜ: Ausführbarkeit
2. Das Patent in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung erfüllt die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
2.1 In seiner Beschwerdebegründung sowie während der mündlichen Verhandlung hielt der Beschwerdeführer (Einsprechende 1) an seiner Auffassung fest, dass die Lehre des Streitpatents die Fachperson nicht in die Lage versetze, einen Presssitz gemäß Merkmal M1.7 ohne weiteres zu realisieren. Auch die in Anspruch 1 des aufrechterhaltenen Hilfsantrags 8a eingeführte Konkretisierung des beanspruchten Presssitzes (Merkmal M1.7) mittels eines Schrumpffutters (Merkmal M1.12) lasse sich ohne Angabe der Parameter des Schrumpfprozesses, z.B. des Temperaturprofils während der Erhitzung und Abkühlung des Schrumpffutters, und konkreter konstruktiven Maßnahmen nicht ohne weiteres realisieren. Zu der strittigen Frage, ob dieser Einwand vor der ersten Instanz auch hinsichtlich des Hilfsantrags 8a erhoben und aufrechterhalten wurde, kritisierten beide Beschwerdeführer das Vorgehen der Einspruchsabteilung. In der mündliche Verhandlung habe die Einspruchsabteilung die Parteien dazu angefordert, ihre Ausführungen zu erfinderischen Tätigkeit zu präsentieren, ohne den Beschwerdeführern die Gelegenheit zu geben, diesen schriftlich erhobenen Einwand zu erörtern.
2.2 Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) betonte, dass es widersprüchlich sei, einerseits Merkmal M1.7 als für die Fachperson aufgrund ihres Wissens ausführbar zu erachten und anderseits das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit durch das Vorhandensein eben dieses Merkmals zu begründen, wie es bei der Einschätzung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Kombination von D1 mit D40/D41 seitens der Einspruchsabteilung der Fall gewesen sei.
2.3 Unabhängig von einer möglichen Nichtzulassung, wie sie von der Beschwerdegegnerin beantragt wurde, überzeugt der Einwand in der Sache nicht:
Das Streitspatent beschreibt in Absatz [0011] ausführlich, wie das Rotationswerkzeug des patentgemäßen Systems mittels eines Schrumpffutters in der Werkzeugaufnahme der Bearbeitungsmaschine drehmomentfest und mit Presssitz festgehalten werden kann. Schrumpffutter und deren Betrieb sind seit langem bekannt, so dass auch die Auswahl der an die spezifischen Spannanforderungen angepassten Parameter des Schrumpfprozesses keine Schwierigkeit für eine Fachperson im technischen Gebiet der Drehmaschinen bereitstellt.
Artikel 52(1) und 54 EPÜ: Neuheit
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in aufrechterhaltener Fassung ist neu im Sinne der Artikel 52(1) und 54 EPÜ.
Zulassung des Neuheitseinwandes
3.1 Mit seiner Beschwerdebegründung führte der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) aus, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 von D34/D35 neuheitsschädlich getroffen sei und gab zunächst an, dass dieser Einwand bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhoben worden sei. Diese Aussage wurde zutreffend von der Beschwerdegegnerin unter Verweis auf Punkt 8.2 der Niederschriften der mündlichen Verhandlung, die von den Beschwerdeführern nie beanstandet wurden, bestritten. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte daher, diesen verspäteten Einwand nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
3.2 Der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) gab während der mündlicher Verhandlung vor der Kammer zu, dass der Neuheitsangriff bezüglich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 8a in der Tat erstmals mit der Beschwerdebegründung präsentiert wurde. Triftige Gründe dafür seien, dass die Einspruchsabteilung - trotz sehr verspäteter Einreichung und Zulassung des Hilfsantrags 8a, seinen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung abgelehnt habe. Aufgrund fehlender Vorbereitungszeit, die von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden 2) bereits während der mündlichen Verhandlung beanstandet wurde (vgl. Punkt 8.3.2 der Niederschriften), sei es den beiden Beschwerdeführern in der kurzen Unterbrechung von 15:00 Uhr bis 16:00 (vgl. Niederschriften, Punkt 6.) nicht möglich gewesen, nach dem neuen Gegenstand des Anspruchs 1, insbesondere nach dem neu eingeführten Merkmal M1.12 zu recherchieren und auf die neue überraschende Antragslage angemessen zu reagieren. Die Beschwerdegegnerin merkte dagegen an, dass die Einführung des Merkmals M1.12 nicht als überraschend betrachtet werden könne, weil dieses Merkmal Bestandteil des ursprünglichen unabhängigen Anspruchs 5 sei.
3.3 Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Umstände des erstinstanzlichen Verfahrens und in Ausübung des Ermessens gemäß Artikel 12(4) VOBK entscheidet die Kammer, den Neuheitseinwand ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Neuheit gegenüber D34/D35
3.4 Zur Neuheit gegenüber D34/35 verwiesen die Parteien auf ihr schriftliches Vorbringen. Zur Debatte steht die Auslegung des Begriffes "Sperrnut" in dem technischen Kontext des Anspruchs 1, und ob die Merkmale M1.6, M1.8 und M1.11 - vor dem Hintergrund dieser Auslegung und entgegen der Einschätzung der Einspruchsabteilung - in Dokument D34/D35 mitzulesen sind, wie vom Beschwerdeführer (Einsprechender 1) behauptet.
3.5 Nach Auffassung der Kammer versteht die zuständige Fachperson, nämlich ein durchschnittlicher Baumaschineingenieur, unter "Nut" "eine rinnenförmige Vertiefung verschiedenen Querschnitts an der Oberfläche eines Bauteils oder Maschinenteils, die z.B. zur Führung und/oder Arretierung eines anderen Teils dienen kann. Wie zutreffend von der Beschwerdegegnerin ausgeführt wurde, liefert der Wortlaut des Anspruchs 1 selbst eine präzise strukturelle und funktionelle Definition des Begriffes "Sperrnut" im Sinne des Streitspatents, die im Einklang mit der oben gegebenen Definition ist. Bei einer Sperrnut im Sinne des Anspruchs 1 handelt es sich offensichtlich um eine Vertiefung auf der Umfangfläche des Schaftes des Werkzeuges (vgl. Merkmal M1.6), die im Betrieb mit einem korrespondierenden Sperrelement (vgl. Merkmal M1.5) formschlüssig zusammenwirkt (vgl. Merkmal M1.10). Durch das formschlüssige Zusammenwirken des Sperrelement mit der Sperrnut wird ein durch Schwingung bedingtes axiales Auswandern des Werkzeuges verhindert und dieses damit gesperrt (daraus ergibt sich die Spezifizierung der Nut als "Sperrnut"). Die Kammer schließt sich den Ausführungen der Beschwerdegegnerin an, dass die Fachperson, die die technische Lehre des Dokuments D34/D35 analysiert, keinen Zweifel daran hat, dass das einzige Element des bekannten Systems, das strukturell und funktionell die oben angegeben Definition erfüllt, die Bolzen-Eingriffsnut (10) ist, mit welcher der Verriegelungsbolzen (8) im Betrieb formschlüssig in Eingriff kommt, um ein axiales Auswandern des Werkzeuges (6) innerhalb des Werkzeughalters zu verhindern (vgl. Figur 5). Die Bolzen-Eingriffsnut (10) des aus dem D34/D35 bekannten Systems entspricht daher - sowohl strukturell als auch funktionell - der "Sperrnut (12,13)" des Anspruchs 1. Die Flachfläche(9) dient dagegen lediglich dem leichten Einsetzen des Schaftes des Werkzeugs in die Werkzeugaufnahme des Spannfutters (vgl. Übersetzung D35, Seite 2, erster Absatz) und kann - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (Einsprechenden 1) - keinesfalls als Bestandteil der Bolzen-Eingriffsnut (10) angesehen werden. Im Betrieb ergibt sich auch kein formschlüssiges Zusammenwirken zwischen der Flachfläche (9) und dem Verriegelungsbolzen (8), wie dies aber von Anspruch 1 verlangt wird (vgl. Merkmale M1.8 und M1.10). Die sich rein geradlinig und senkrecht zur Werkzeugachse erstreckende Bolzen-Eingriffsnut (10) des aus D34/D35 bekannten Systems, erfüllt daher offensichtlich nicht Merkmale M1.6 und M1.8 des Anspruchs 1, die somit - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (Einsprechenden 1) dieser Entgegenhaltung nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen sind. Darüber hinaus ist am Schaft des Werkzuges des Systems gemäß D34/D35 zweifellos eine einzige Sperrnut/Eingriffsnut (10) vorgesehen, so dass auch Merkmal M1.11 in diesem Stand der Technik nicht offenbart ist.
3.6 Da keine weiteren Neuheitsangriffe vorgelegt wurden, steht die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Streitpatents in aufrechterhaltener Fassung nicht in Frage.
Artikel 52(1) und 56 EPÜ: Erfinderische Tätigkeit
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in aufrechterhaltener Fassung beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52(1) und 56 EPÜ.
Ausgehend von D34/D35 alleine oder in Kombination mit D40
4.1 Der Vortrag der Beschwerdeführer (Einsprechender 1 und Einsprechenden 2) zu mangelnder erfinderischen Tätigkeit basiert auf der unkorrekten Annahme, dass Merkmale M1.6 und M1.8 in Dokument D34/D35 offenbart seien (vgl. Punkte 3.4 und 3.5 oben) und geht somit ins Leere.
Ausgehend von D1 in Kombination mit D40/D41
4.2 Entgegen der Einschätzung der Einspruchsabteilung hielten die Beschwerdeführer daran fest, dass Merkmal M1.7 des Anspruchs 1, wonach das Werkzeug während des Betriebes durch das Spannfutter drehmomentfest "mit Presssitz" festgehalten wird, in D1 offenbart sei, so dass die einzigen Unterschiede gegenüber dem Offenbarungsgehalt von D1 in den Merkmalen M1.11 (mindest zwei Sperrnuten) und M1.12 (Schrumpffutter) zu sehen seien.
4.3 Dies ist im Ergebnis überzeugend. In Anbetracht der Angaben auf Seite 1, Spalte 2 des Dokuments D1, dritter Absatz von unten, "Il est précisé toutefois que l'entraînement circulaire de la fraise 1 est assuré à la façon connue par suite de la rétreinte diamétrale de la noix...." ist festzustellen, dass ein Presssitz im Sinne des Merkmals M1.7 des Anspruchs 1 auch in diesem bekannten System offenbart ist.
4.4 Unabhängig davon und von der Frage, ob D1 aufgrund des unterschiedlichen Sperrkonzepts einen technisch nachvollziehbaren nächstliegenden Stand der Technik als Ausgangspunkt einer Prüfung nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz darstellt, was von der Beschwerdegegnerin bestritten wurde, ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Kombination von D1 mit D40/D41 nicht nahegelegt wird.
4.5 Die Beschwerdeführer vertraten die Auffassung, dass - entgegen der Einschätzung der Einspruchsabteilung - Merkmal M1.12 dem D1 implizit zu entnehmen sei, so dass das einzige unterscheidende Merkmal in der Verwendung von mindest zwei Sperrnuten zu sehen sei (Merkmal M1.11). Hierzu führten sie aus, dass die Fachperson der Schnittdarstellung in Figur 4 von D1, in welcher das Spannfutter im Querschnitt nicht segmentiert erscheint - wie dies dagegen bei einem spannzangeartigen Spannfutter der Fall sein müsste - ohne weiteres entnimmt, dass das in Spalte 2, vorletzter Absatz allgemein beschriebene Spannfutter (vgl. Textstelle "..ou encore par tout autre moyen de serrage connu ..") nicht anders als ein Schrumpffutter gemäß Merkmal M1.12 sein könne. Auf jeden Fall stelle die Auswahl eines Schrumpffutters für die Ausgestaltung des Spannfutters des aus D1 bekannten Systems für die Fachperson eine reine naheliegende Auswahl dar. Hinsichtlich des einzigen verbleibenden unterscheidenden Merkmals M1.11 führten die Beschwerdeführer aus, dass das Vorhandensein von mindestens zwei Sperrnuten statt einer einzigen Sperrnut, mit Blick auf Dokument D40 bzw. auf Dokument D4 (Ausführungsbeispiel in Figur 4), eine naheliegende bauliche Änderung ohne besondere technische Wirkung darstelle, die nicht als erfinderisch betracht werden könne.
4.6 Die Kammer ist aus folgenden Gründen nicht überzeugt:
Hinsichtlich der behaupteten Offenbarung des Merkmals M1.12, schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass ein Schrumpffutter dem D1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Dem Fehlen einer Segmentierung in der Schnittdarstellung der Figur 4 kann der Fachmann nicht schlüssig entnehmen, dass das Spannfutter nicht als Spannzange, sondern als Schrumpffutter ausgestaltet sein muss.
Gegen ein Schrumpffutter und für ein auf einer Spannzange basierendes Spannfutter spricht die Erwähnung des sich verjüngenden Durchmessers der Nuss ("la rétreinte diamétrale de la noix") in der oben zitierten Passage. Eine derartige Verjüngung ist in den Figuren 2 und 3 nur an der Außenseite der Nuss zu sehen und könnte dort zur Erzeugung einer Spannwirkung mit der nicht gezeigten Innenseite des oben in Figur 1 gezeigten Rings zusammenwirken, während sowohl die Innenseite der Nuss als auch die Außenseite des Fräsers in den Figuren zylindrisch erscheinen. Wie in der mündlichen Verhandlung diskutiert, würde ein verjüngender Durchmesser im Inneren der Nuss (auch im Zusammenhang mit einem Schrumpffutter) wenig Sinn ergeben, da dieses sonst eine zylindrische Fräse nicht vollflächig umschließen könnte, sondern mit dieser nur einen in axialer Richtung sehr begrenzten ringförmigen Anlagebereich gemein hätte.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die Einzelheiten der Einspannung nicht genannt werden, und daher auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle diesbezüglichen Details in den Figuren dargestellt sein müssten, bildet das Fehlen einer Segmentierung in der Schnittdarstellung der Figur 4 jedenfalls keine Basis für eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung eines Schrumpffutters.
Daher kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, dass darüber hinaus Spannfutter in der Form einer segmentierten Spannzange allgemein bekannt sind, bei welchen sich die Schlitze nicht bis zu der maschinenseitigen Stirnseite des Spannfutters erstrecken. In einem solchen Fall wären auch keine Schlitze in der Querschnittdarstellung entlang der Ebene a-b in Figur 3 sichtbar. Auch der geriffelte Bereich des Spannfutters in Figur 1 des Dokuments D1 deutet darauf hin, dass es sich um ein spannzangeartiges Spannfutter handelt, das von Hand - wie bei jedem herkömmlichen Bohrer, gedreht und verspannt wird.
4.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in aufrechterhaltener Fassung unterscheidet sich daher vom Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung D1 durch die Merkmale M1.11 und M1.12. Auch wenn - wie von den Beschwerdeführern ausgeführt - diese unterscheidenden Merkmale keine besondere technische Wirkung erreichen, so dass die zu lösende technische Aufgabe nur in der Bereitstellung eines alternativen Systems aus einem Werkzeug und einem Werkzeughalter zu sehen wäre, ist die beanspruchte alternative Lösung nicht naheliegend. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen der Beschwerdegegnerin an, dass für die Fachperson kein technischer Grund und somit keine Motivation besteht, zusätzliche Sperrnuten in dem aus D1 bekannten Werkzeug vorzusehen. Eine Sperrnut reicht vollkommen aus, um ein mögliches axiales Auswandern des Werkzeuges zu vermeiden. Gegen die in den Unterscheidungsmerkmalen zum Ausdruck kommende Änderung spricht auch die von der Beschwerdegegnerin betonte Problematik, dass die für den Presssitz verbleibende Umfangfläche durch die Verdoppelung der Sperrnuten reduziert würde, was die Stabilität der drehmomentfesten Haltung des Werkzeuges in dem Werkzeughalterung negativ beeinträchtigten würde. Darüber hinaus müsste der Fachmann hierzu in einem ersten Schritt das Spannfutter der D1 als Schrumpffutter ausbilden (diese ist keinesfalls die einzige Lösung, die der Fachperson zur Verfügung steht, um einen Presssitz zu realisieren) und es ist nicht ersichtlich, warum der Fachmann genau bei dieser Ausbildung den zweiten Schritt vornehmen würde, eine zweite Nut vorzusehen.
Ausgehend von D40 in Kombination mit D34
4.8 Diese Angriffslinie wurde erstmals mit dem Schreiben des Beschwerdeführers (Einsprechenden 1) vom 15. Februar 2024 vorgebracht. Der Zulassung dieser neuen Angrifflinie ist die Beschwerdegegnerin unter Berufung auf Artikel 13(2) VOBK entgegengetreten.
4.9 Der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) vertritt die Auffassung, dass diese Angrifflinie im Ergebnis nicht neu sei, weil sie sich aus einer bloßen Umkehrung des Ausgangspunkts der bereits vorgelegten Kombination von D34 mit D40 ergibt. D40 offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1 bis Merkmal M1.12 und die Ausführung des Spannfutters als Schrumpffutter stelle eine wohlbekannte und somit naheliegende Möglichkeit in Hinblick auf D34 dar.
4.10 Unabhängig von einer möglichen Nichtzulassung dieser Angrifflinie, die aufgrund des neuen Ausgangspunkts als neuer Vortrag zu betrachten ist, sowie der Frage der ausreichenden Substanziierung, überzeugt sie in der Sache nicht:
4.11 Wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend angemerkt, ist es zumindest fraglich, ob auch die Einführungsrille (2a) und nicht ausschließlich das Arretierteil (3) der Sperrnut (2) funktionell als eine Sperrnut im Sinne des Anspruchs 1 angesehen werden kann, so dass Merkmal M1.6 erfüllt ist. Selbst wenn dies jedoch der Fall wäre, wäre es zudem fragwürdig, ob die Einführungsrille (2) formschlüssig mit dem Sperrelement (d.h. mit einer einer Kugel) zusammenwirkt, wie von Anspruch 1 verlangt. Darüber hinaus ist es Ziel des Dokuments D40, einen schnellen und einfacheren Austausch des Werkzeugs, möglicherweise mit nur einem Handgriff (vgl. Absatz [0006] der Übersetzung D41) zu gewährleisten. Mit dieser technischen Aufgabe vor Augen würde die Fachperson eine Ausgestaltung des Spannfutters als Schrumpffutter gemäß D34 gar nicht in Betracht ziehen, weil das Spannen des Werkzeugs im Werkzeughalter mittels eines Schrumpffutters bekannterweise einer bestimmten Erwärmungs- und Abkühlungszeit unterliegt. Ein Schrumpffutter ist somit nicht kompatibel mit der Zielsetzung des Dokuments D40/D41 und würde somit von einer Fachperson, die dieses bekannte System weiterentwickeln möchte, gar nicht berücksichtigt.
4.12 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in aufrechtgehaltener Fassung wird somit vom Stand der Technik nicht nahegelegt, wie von der Einspruchsabteilung festgestellt wurde.
Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz - Rechtliches Gehör
5. Die Kammer erkennt keinen wesentlichen Verfahrensfehler in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Antrag des Beschwerdeführers (des Einsprechenden 1) auf Durchführung der mündlichen Verhandlung in Präsenz zurückzuweisen, die eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz rechtfertigen könnte.
6. Der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) kritisierte, dass die mündliche Verhandlung ohne seine Zustimmung per Videokonferenz durchgeführt wurde. Das habe den Beschwerdeführer (Einsprechenden 1) bei der Debatte über erfinderische Tätigkeit davon abgehalten, die Auslegung des Offenbarungsinhalts des Dokuments D2 mit der Hilfe eines Modells zu untermauern. Der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) erklärte, dass er nicht näher auf das D2 in der mündlichen Verhandlung eingegangen sei, weil die Einspruchsabteilung aufgrund der Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz die angekündigte Vorführung des Modells vereitelt habe. Hätte er das Modell präsentieren können, hätte die Einschätzung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit seitens der Einspruchabteilung eine andere sein können. Daher sei sein rechtliches Gehör dadurch unzulässigerweise eingeschränkt worden. Der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) betonte, dass nach der Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer G1/21 "good reasons" vorliegen müssen, aufgrund derer, trotz entsprechendem Antrag einer Partei, die mündliche Verhandlung nicht in Präsenzform durchgeführt werden kann. Eine solche triftige Begründung sei in der angefochtenen Entscheidung nicht zu finden. Der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) verwies darauf hin, dass der Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland die pandemische Notlage für COVID-19 Erkrankungen in der Bundesrepublik bereits Ende November 2021 für beendet erklärt hatte. Somit hätte die im Januar 2022 durchgeführte mündliche Verhandlung auch in Präsenz stattfinden können.
6.1 Dieser Vortrag kann nicht überzeugen:
Am Ende der mündlichen Verhandlung und auf Frage des Vorsitzenden haben die Parteien bestätigt, dass die Verhandlung technisch gut verlaufen sei (vgl. Protokoll, Punkt 11). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs könnte daher nur dadurch entstanden sein, dass das gewählte Format für die beantragte Vorführung eines Modells zur Auslegung des D2 nicht geeignet war und der Beschwerdeführer hierdurch maßgeblich in seinem Vortragsrecht beeinträchtigt wurde. Die Kammer merkt an, dass die Vorführung des Models - nach Angabe des Beschwerdeführers (Einsprechenden 1) - ausschließlich und im Allgemeinen das Merkmal "Presssitz" in Zusammenhang mit dem Offenbarungsgehalt des Dokuments D2 hätte betreffen sollen. Weitere Details bezüglich was genau vorgeführt werden sollte und warum die Vorführung des Models für den Vortrag so wichtig sei, lagen und liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es an Darlegung, was über den Inhalt von D1 hinaus mit dem Modell hätte gezeigt werden können und warum nicht auch im Rahmen einer Videokonferenz ein gefertigtes Modell gezeigt werden konnte, sei es in Echtzeit vor der Kamera oder durch Teilen eines davon gefertigten Videos oder von Bildern aus verschiedenen Blickwinkeln auf das Modell. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum die Einschätzung der Einspruchsabteilung im Fall einer mündlichen Verhandlung in Präsenz anders hätte sein sollen - wie vom Beschwerdeführer (Einsprechenden 1) behauptet. Dass sich der Beschwerdeführer (Einsprechender 1) entschied, während der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit gar nicht auf das Dokument D2 einzugehen, lag letztlich in seinem Belieben und hat mit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zu tun. Eine Präsenzverhandlung dürfte angesichts der oben geschilderten möglichen Darstellungsvarianten sicher nicht die einzige Möglichkeit darstellen, um bestimmte Eigenschaften des Modells in Zusammenhang mit D2 zu präsentieren. In Anbetracht dessen ist die Kammer der Auffassung, dass die Einspruchsabteilung bei der Entscheidung, dem Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung in Präsenz nicht nachzukommen, ihre Ermessen in angemessener Weise ausgeübt hat, und dass keine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers (Einsprechenden 1) aus dieser Ermessungsentscheidung entstand.
Der Verweis auf die Entscheidung G 1/21 überzeugt erst recht schon deswegen nicht, weil die G1/21 sich ausschließlich auf das Verfahren vor der Beschwerdekammer bezieht (siehe Entscheidungsformel) und nicht unmittelbar auf das erstinstanzliche Verfahren angewendet werden kann.
Ausübung des Ermessens seitens der Einspruchsabteilung
7. Die Beschwerdeführer vertraten der Auffassung, dass die Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung ihr Ermessen mehrfach einseitig und nur zu Gunsten der Beschwerdegegnerin ausgeübt habe. Dies sei sowohl bei der Zulassung der verspäteten Hilfsanträge 7 bis 12 und 8a als auch bei der Entscheidung, dem Antrag des Beschwerdeführers (Einsprechenden 1) auf Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht nachzukommen, geschehen. Der Kritik der Beschwerdeführer an der Ermessungsausübung der Einspruchsabteilung wurde von Seiten der Beschwerdegegnerin widersprochen.
Zulassung der Hilfsanträge 7 bis 12 und 8a
7.1 Die Kammer ist der Auffassung, dass der Einspruchsabteilung bei der Zulassung der im Laufe der mündlichen Verhandlung eingerichteten Hilfsanträge 7 bis 12 sowie des Hilfsantrags 8a eine Fehlgebrauch ihres Ermessens nicht zur Last gelegt werden kann.
7.1.1 Wie von der Beschwerdegegnerin hervorgehoben, wich die Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung grundlegend von ihrer vorläufigen Einschätzung hinsichtlich des Artikels 123(2) EPÜ ab und stellte für die Beschwerdegegnerin etwas überraschend fest, dass die Merkmale M1.2, M1.3, M1.8 des Anspruchs 1 Artikel 123(2) EPÜ doch verletzten. Zusätzlich wurden auch das Merkmal M1.7 sowie die abhängigen Ansprüche 2, 3, 6-8, 11, 15 und 16 unter Artikel 123(2) EPÜ beanstandet. Diese grundlegend geänderte Einschätzung wirkte sich gravierend auch auf die Erfolgschancen der bereits vorliegenden und fristgemäß eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6 aus. Unter diesen Umständen ist die Kammer der Auffassung, dass die Einreichung der neuen Hilfsanträge 7 bis 12 im Laufe der mündlichen Verhandlung als gerechtfertigte Reaktion auf die grundlegende Änderung der vorläufigen Auffassung der Einspruchsabteilung betrachtet werden durfte und dass - vor diesem Hintergrund - die Ermessungsentscheidung der Einspruchsabteilung, diese verspäteten Anträge im Einspruchsverfahren zuzulassen, aufgrund der richtigen Kriterien und in der Sache nicht willkürlich getroffen wurde.
7.1.2 Bei der inhaltlichen Überprüfung der neu eingereichten Hilfsanträge stellte die Einspruchsabteilung sodann unter anderen fest, dass der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 den Erfordernissen des Artikels 123(2) genügte. Sie sah aber Probleme mit dem unabhängigen Anspruch 2 (Anspruch 3 wie erteilt). Die einzige Änderung in dem unmittelbar danach eingereichten Hilfsantrag 8a bestand lediglich in der Streichung des abhängigen Anspruchs 2. Die Beschwerdeführer argumentierten, dass Veranlassung für die Patentinhaberin bestanden hätte, bereits bei der Ausarbeitung der Hilfsanträge 7 bis 12 auch den Einwand hinsichtlich des abhängigen Anspruchs 2 aufzugreifen, welcher gemäß der Niederschrift der mündlichen Verhandlung im Punkt 3.4 bereits am Vormittag angeblich bekannt war und behandelt wurde.
7.1.3 Die Kammer gibt insoweit aber zu Bedenken, dass die Beschwerdegegnerin erst am Tag der mündlichen Verhandlung mit einer Vielzahl von neuen Einwänden der Einspruchsabteilung unter Artikel 123(2) EPÜ unerwartet konfrontiert wurde, wobei es ihr erstmals in der mündlichen Verhandlung möglich war, darauf zu reagieren. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Beschwerdegegnerin bei der Ausarbeitung der neuen Hilfsanträge 7 bis 12 - aufgrund der zahlreichen neuen Beanstandungen - das Problem betreffend den abhängigen Anspruch 2 des Hilfsantrags 8 hat übersehen können. Die seitens des Beschwerdeführers (Einsprechenden 1) erhobenen Vorwürfe eines verfahrensmissbräuchlichen Verhaltens der Beschwerdegegnerin sind daher nicht gerechtfertigt. Im wesentlichen war die Zulassung des Hilfsantrags 8a zudem bereits dadurch gerechtfertigt, dass die einzige Änderung lediglich in der Streichung des Anspruchs 2 im Hilfsantrag 8 bestand, was an sich keine komplexe Änderung darstellte, sondern nur eine Beschränkung des zu erörternden Gegenstands, sodass die Änderung eine gesonderte Reaktion seitens der Beschwerdeführer nicht erwarten ließ.
7.1.4 Es sind somit keine von der Kammer zu korrigierende Fehler der Einspruchsabteilung bei ihrer - unter den oben angegebenen Umständen der mündlichen Verhandlung getroffenen Ermessensentscheidung, die neuen Hilfsanträge 7 bis 12 und 8a zuzulassen, ersichtlich. Der Antrag auf Aufhebung der beanstandeten Zulassungsentscheidung ist damit nicht gerechtfertigt.
Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung
7.2 Die Beschwerdeführer führten aus, dass sie durch die Zulassung der Hilfsanträge 7 bis 12 sowie 8a in eine schwierige und gegenüber der Beschwerdegegnerin nachteilige Position gebracht worden seien. Die unvorhersehbare Einführung des Merkmals M1.12 aus der Beschreibung in den unabhängigen Anspruch 1 sei vollkommen unerwartet und somit überraschend gekommen. In der von der Einspruchsabteilung genehmigten einstündigen Pause sei es ihnen nicht möglich gewesen, den neuen beanspruchten Gegenstand zu recherchieren und einen umfassenden Vortrag zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit vorzubereiten. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) betonte, dass verschiedene Unterbrechungen von der Einspruchsabteilung gewährt wurden, und zwar nicht nur zu Gunsten der Beschwerdegegnerin. Darüber hinaus sei das Merkmal M1.12 - entgegen der Aussage der Beschwerdeführer - bereits im ursprünglichem Anspruch 5 enthalten.
7.2.1 Die Frage, ob die Einspruchsabteilung bei der Zurückweisung des Antrags auf Vertagung der mündlicher Verhandlung bzw. auf Gewährung einer längeren Unterbrechung am Tag der Verhandlung ihr Ermessen noch in angemessener Form ausgeübt hat, kann im Ergebnis offen bleiben, weil die Ermessungsentscheidung der Einspruchsabteilung keine ersichtliche Auswirkung auf das Ergebnis des Einspruchsverfahrens hatte. Wie von der Beschwerdegegnerin angemerkt wurde, enthalten die Beschwerdebegründungen der Beschwerdeführer dieselben Ausführungen zu mangelnder erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D34/D35 oder D40/D41, die im Einspruchsverfahren vorgelegt wurden. Es wurde in der Zeit zwischen der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und der Ausarbeitung der Beschwerdebegründungen kein neuer Stand der Technik ermittelt und auch kein neuer Vortrag zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit vorgelegt. Die Verweigerung der längeren Unterbrechung bzw. Vertagung der Verhandlung hat daher entgegen der Rüge der Beschwerdeführer vorliegend im Ergebnis nicht dazu geführt, dass diesen ein möglicher neuer Angriff betreffend die erfinderische Tätigkeit abgeschnitten wurde, der im Falle einer Unterbrechung hätte vorgetragen und bei der Einspruchsentscheidung berücksichtigt werden können. Mit der Beschwerdebegründung des Beschwerdeführers (des Einsprechenden 1) wurde lediglich ein neuer Neuheitsangriff präsentiert, der sich aber auf ein bereits im Verfahren befindliches Dokument (D34/D35) unter Auslegung von Merkmalen (betreffend die Sperrnut), die bereits im erteilten Anspruch enthalten waren, stützt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Einspruchsabteilung eine Vertagung bzw. eine längere Unterbrechung hätte genehmigen sollen, da es nicht ersichtlich ist, inwiefern sie das Ergebnis des Einspruchsverfahrens hätte beeinflussen können.
Angebliche Mängel in der Entscheidung
8. Die Beschwerdeführer beanstandeten, dass sich die angefochtene Entscheidung nicht mit der Frage der Ausführbarkeit auseinandersetzt habe. Dieser Einwand sei auch gegenüber dem Hilfsantrag 8a aufrechterhalten, aber bei der Diskussion des Hilfsantrags 8a nicht erörtert worden, weil die Einspruchsabteilung, nach der Beratung über Artikel 123(2) EPÜ, den Beschwerdeführern keine Gelegenheit gegeben habe, zu diesem Punkt Stellung zu nehmen.
8.1 Wie in der mündlichen Verhandlung diskutiert, hätten die Beschwerdeführer bis zur Schließung der Debatte und Bekanntgabe der Entscheidung die Gelegenheit gehabt, ihren Vortrag zu diesem Punkt vorzulegen oder wenigstens darauf hinzuweisen, dass der gegen den Hauptantrag erhobene Einwand auch gegen den neu eingereichten Hilfsantrag 8a geltend gemacht werde. Das ist nicht erfolgt. Es kann nicht Pflicht der Einspruchsabteilung sein, Einwände in die Debatte einzuführen und zu erörtern, die von den Einsprechenden nicht erhoben wurden und die die Einspruchsabteilung als nicht gerechtfertigt betrachtet. Die Einspruchsabteilung musste - im Hinblick auf die Umstände des schriftlichen Einspruchsverfahrens (siehe insbesondere die fehlende Reaktion der Einsprechenden auf die vorläufige positiven Beurteilung des Hauptantrags im Hinblick auf Artikel 83 EPÜ) und auf den Vortrag der Parteien während der mündlichen Verhandlung - nicht davon ausgehen, dass dieser Einwand nach Einreichung des Hilfsantrags 8a (mit dem neu in Anspruch 1 eingefügten Merkmal M.12) auch implizit gegen diesen Hilfsantrag erhoben und weiterverfolgt werden sollte. Die Tatsache, dass sich die angefochtene Entscheidung mit der Frage der Ausführbarkeit nicht auseinandergesetzt hat, stellt somit keinen wesentlichen Mangel der Entscheidung dar, der eine Zurückverweisung an die erste Instanz rechtfertigen würde. Darüber hinaus ist dieser Einwand in der Substanz nicht überzeugend (siehe Punkte 2. bis 2.3 oben)
9. Im Ergebnis greift also keine der Rügen betreffend einen geltend gemachten wesentlichen Verfahrensfehler durch und eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an die erste Instanz ist nicht veranlasst.
Rückzahlung der Beschwerdegebühr
10. Da die Beschwerden der Beschwerdeführer aus den oben angegebenen Gründen zurückzuweisen sind, bestehen die in Regel 103(1) (a) EPÜ angegebenen Voraussetzungen für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.