T 1523/17 09-02-2021
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FESTSTELLBREMSANLAGE FÜR NUTZFAHRZEUGE UND BETRIEBSVERFAHREN FÜR EINE FESTSTELLBREMSANLAGE
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 1 (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 2 (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2 (ja)
Änderungen - Zwischenverallgemeinerung
Änderungen - Hilfsantrag 2 (nein)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag 2 (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag 2 (ja)
Patentansprüche - Stützung durch die Beschreibung
Patentansprüche - Hilfsantrag 2 (ja)
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 2 in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte wie folgt entschieden:
a) Der Gegenstand des damaligen Hauptantrags (Patent wie erteilt) ist nicht neu gegenüber D4 (Artikel 54 EPÜ).
b) Der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte und zum Verfahren zugelassene damalige Hilfsantrag 1 beansprucht einen Gegenstand, der nicht neu ist gegenüber D6 (Artikel 54 EPÜ).
c) Der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte und zum Verfahren zugelassene damalige Hilfsantrag 2 erfüllt die Voraussetzung der Klarheit (Artikel 84 EPÜ), beruht auf zulässigen Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ), ist ausführbar (Artikel 83 EPÜ), ist neu (Artikel 54 EPÜ) und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
d) Zudem lehnte die Einspruchsabteilung den Antrag der Einsprechenden ab, das Verfahren zu vertagen, um der Einsprechenden eine weitere Gelegenheit zu eröffnen, zum Sachverhalt der in der Verhandlung neu vorgelegten Hilfsanträge 1 und 2 eine zusätzliche Recherche nach relevantem Stand der Technik durchzuführen.
III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
a) Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 6 wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
b) Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Die vorliegende Entscheidung beruht auf den folgenden, von den Parteien im Einspruchsverfahren bereits vorgelegten Dokumenten:
D1: DE-A-196 53 264
D2: DE-A-10 2005 026 342
D3: DE-A-103 36 611
D4: WO-A-2008/101592
D5: EP-A-1 785 325
D6: EP-A-1 923 284
D7: EP-A-1 366 964
D8: US-B-4 900 098
D9: US-B-4 586 584
D10: WO-A-91/16223
D11: EP-A-0 207 275
D12: DE-T-602 08 804
D13: DE-A-197 52 147
D14: EP-A-0 268 045
D15: DE-A-34 44 639
D16: Auszug aus Bosch, Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, Vieweg Verlag, 2007, ISBN: 978-3-8348-0138-8, Seiten 870 bis 909
D17: Robert Bosch GmbH, Druckluftanlagen für Nutzfahrzeuge 1 - Grundlagen, System und Pläne, Robert Bosch GmbH, 1998, Ed. 3. Auflage, ISBN: 3-934584-10-1.
V. Der unabhängige Produktanspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Feststellbremsanlage für ein mit einem Anhänger pneumatisch koppelbares Nutzfahrzeug, mit einer Steuereinheit (10), die eine Steuerelektronik (12), mindestens eine erste und eine zweite von der Steuerelektronik ansteuerbare Ventileinrichtung (14, 16, 18), die jeweils mindestens zwei Schaltzustände aufweisen, einen mit einer Druckluftquelle koppelbaren Drucklufteingang (20), mindestens einen ersten und einen zweiten Druckluftarbeitsausgang (22, 24) und einen Entlüftungsausgang (26) umfasst,
wobei ein Relaisventil (28) vorgesehen ist, das einen durch die erste Ventileinrichtung (14) der Steuereinheit zur Verfügung gestellten Steuerdruck empfängt und in Abhängigkeit des Steuerdruckes mindestens einen Federspeicherzylinder (30) be- oder entlüftet,
wobei eine Anhängerbremsanlage in Abhängigkeit eines von der zweiten Ventileinrichtung (16) zur Verfügung gestellten und durch einen Drucksensor (32) erfassbaren Steuerdruckes be- oder entlüftbar ist und
wobei die zweite Ventileinrichtung (16) in einem ersten ihrer mindestens zwei Schaltzustände ohne Zwischenschaltung des Relaisventils (28) mit dem Drucklufteingang (20) der Steuereinheit (10) gekoppelt ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die zweite Ventileinrichtung (16) in einem zweiten ihrer mindestens zwei Schaltzustände ohne Zwischenschaltung des Relaisventils (28) mit dem Entlüftungsausgang (26) der Steuereinheit gekoppelt ist."
Der unabhängige Verfahrensanspruch 5 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Verfahren zum Steuern und/oder Regeln des Betriebs einer Feststellbremsanlage für ein mit einem Anhänger pneumatisch koppelbares Nutzfahrzeug, wobei die Feststellbremsanlage eine Steuereinheit (10) aufweist, die eine Steuerelektronik (12), mindestens eine erste und eine zweite von der Steuerelektronik ansteuerbare Ventileinrichtung (14, 16, 18), die jeweils mindestens zwei Schaltzustände aufweisen, einen mit einer Druckluftquelle koppelbaren Drucklufteingang (20), mindestens einen ersten und einen zweiten Druckluftarbeitsausgang (22, 24) und einen Entlüftungsausgang (26) umfasst,
wobei ein Relaisventil (28) vorgesehen ist, das einen durch die erste Ventileinrichtung (14) der Steuereinheit zur Verfügung gestellten Steuerdruck empfängt und in Abhängigkeit des Steuerdruckes mindestens einen Federspeicherzylinder (30) be- oder entlüftet,
wobei eine Anhängerbremsanlage in Abhängigkeit eines von der zweiten Ventileinrichtung (16) zur Verfügung gestellten und durch einen Drucksensor (32) erfassbaren Steuerdruckes be- oder entlüftet wird und
wobei die zweite Ventileinrichtung (16) in einem ersten ihrer mindestens zwei Schaltzustände ohne Zwischenschaltung des Relaisventils (28) mit dem Drucklufteingang der Steuereinheit (10) gekoppelt ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die zweite Ventileinrichtung (16) in einem zweiten ihrer mindestens zwei Schaltzustände ohne Zwischenschaltung des Relaisventils (28) mit dem Entlüftungsausgang (26) der Steuereinheit gekoppelt ist."
VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags 1 unterscheiden sich vom Hauptantrag dahingehend, dass zusätzlich das folgende Merkmal verlangt wird:
"wobei die zweite Ventileinrichtung (16) mit dem Entlüftungsausgang (26) über eine Entlüftungsleitung (70) verbunden ist".
VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags 2 verlangen zusätzlich zum Hilfsantrag 1, dass die zweite Ventileinrichtung "über eine Versorgungsleitung und ein Rückschlagventil mit dem Drucklufteingang der Steuereinheit in Verbindung steht".
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Der Widerruf des erteilten Patentes sei falsch gewesen, da der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 gemäß Hauptantrag entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung neu sei gegenüber D4.
b) Der Hilfsantrag 1 sei zum Verfahren zuzulassen. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 gemäß Hilfsantrag 1 sei zudem neu gegenüber D4 - D6, D9, D14, D16 und D17. Er werde auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
c) Der Hilfsantrag 2 sei zulässig, da er im Einspruchsverfahren bereits zugelassen wurde und Grundlage der Entscheidung der Einspruchsabteilung war. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 gemäß Hilfsantrag 2 sei zudem neu gegenüber sowohl D4 als auch D6, und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Ansprüche 1 und 5 seien zudem weder unzulässig geändert worden, noch enthielten sie unklare Formulierungen. Außerdem seien sie ausführbar.
IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 gemäß Hauptantrag sei nicht neu gegenüber den aus D4 und D6 jeweils bekannten Bremsanlagen, sowie dem Verfahren zu deren Betrieb.
b) Der Hilfsantrag 1 sei bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt, dann aber wieder zurückgenommen worden, so dass die Einspruchsabteilung nicht über ihn habe entscheiden können. Diesen Hilfsantrag jetzt erneut vorzulegen, sei daher gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern unzulässig. Zudem sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 aber auch nicht neu gegenüber D4, sowie gegenüber D6.
c) Bei der Zulassung des Hilfsantrags 2 (im Einspruchsverfahren als "Hilfsantrag 1" bezeichnet) zum Verfahren habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen falsch ausgeübt. Die Ansprüche 1 und 5 seien zudem unzulässig geändert und unklar, die damit definierte Erfindung zudem nicht ausführbar. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags 2 sei außerdem nicht neu gegenüber D4, D5, D6, D9, D14 bzw. D17, sowie nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D9 mit D1, D2 oder D8, einer Kombination von D14 mit dem allgemeinen Fachwissen, einer Kombination von D15 mit D8 oder D17, einer Kombination von D3 mit D13 sowie einer Kombination von D8 mit D2.
Hauptantrag
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu gegenüber Dokument D4.
1.1 Das Dokument D4 - ein Dokument, das unbestritten Stand der Technik unter Artikel 54(3) EPÜ darstellt - offenbart in Figur 1 eine schematische Skizze einer Feststellbremsanlage für ein mit einem Anhänger pneumatisch koppelbares Nutzfahrzeug. Diese Feststellbremsanlage weist - zwischen den Parteien unbestritten - eine Steuereinheit (10), die eine Steuerung (28), eine erste und eine zweite von der Steuerung (28) ansteuerbare Ventileinrichtung (64, 66), sowie ein Relaisventil (44) umfasst, auf, wobei die Ventileinrichtungen über einen Drucklufteingang (48) mit einer Druckluftquelle (24) verbunden sind. Die Feststellbremsanlage weist ferner einen ersten und einen zweiten Druckluftarbeitsausgang (52, 54) und eine Entlüftung (74) auf. Das Relaisventil empfängt dabei einen von der ersten Ventileinrichtung (64) zur Verfügung gestellten Steuerdruck (Eingang 58 am Relaisventil) und be- oder entlüftet einen Federspeicherzylinder (12) in Abhängigkeit dieses Steuerdrucks. Die Anhängerbremsanlage (22) wird in Abhängigkeit des von der zweiten Ventileinrichtung (66) zur Verfügung gestellten und durch einen Drucksensor (32) erfassbaren Steuerdrucks be- und entlüftet. Dabei ist die zweite Ventileinrichtung (64) in einem ihrer Schaltzustände ohne Zwischenschaltung des Relaisventils (44) mit dem Drucklufteingang (48) der Steuereinheit (10) gekoppelt, während sie im anderen Schaltzustand ohne Zwischenschaltung des Relaisventils mit dem Entlüftungsausgang (74) gekoppelt ist.
1.2 Zwischen den Parteien ist jedoch strittig, ob
a) die Steuerung (28) der D4 eine Steuerelektronik aufweist, die die beiden Ventileinrichtungen (64, 66) ansteuert;
b) der Drucklufteingang (48) mit der Druckluftquelle (24) koppelbar ist;
c) die Entlüftung (74) ein Entlüftungsausgang der Steuereinheit an sich ist.
1.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass in der Beschreibung nicht beschrieben sei, dass die Steuerung (28) der D4 eine Steuerelektronik aufweisen würde. Zudem würde auch nicht beschrieben, dass die beiden Ventileinrichtungen durch eine Steuerelektronik angesteuert würden.
1.3.1 Das Vorliegen einer Steuerelektronik ist jedoch implizit offenbart, da der Beschreibung der D4 auf Seite 8, Zeilen 29 und 30, worauf die Beschwerdegegnerin zutreffend hinweist, zu entnehmen ist, dass die Steuerung (28) mittels eines Datenbusses mit Datenleitungen (42) zum Datenaustausch mit weiteren Komponenten verbunden ist. Dies setzt zwingend elektronische Komponenten in der Steuerung (28), d. h. eine Steuerelektronik voraussetzt.
1.3.2 Die Steuerung (28) verarbeitet dabei auch die Signale mehrerer Drucksensoren zur Messung des Drucks an den Druckluftausgängen (52, 54) und weist hierzu Druck/Spannungs-Wandler (32, 62) als integralen Bestandteil der Steuerung (28) auf. Auch aus diesem Grund kann es sich bei der Steuerung (28) nicht um eine nur elektrisch arbeitende Steuerung handeln, sondern die Steuerung (28) muss zwingend elektronische Komponenten aufweisen, die auch bei der Ansteuerung der beiden Ventileinrichtungen (64, 66) zwangsläufig involviert werden, da die Steuerung die Druckmessung an den Druckluftausgängen berücksichtigt (siehe Seite 15, Zeilen 2 - 5).
1.3.3 Die in D4 offenbarte Steuerung (28) ist daher implizit als Steuerelektronik im Sinne des Streitpatents anzusehen.
1.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert ferner, dass das Feststellbremsmodul (10) der D4 keinen koppelbaren Drucklufteingang aufweise.
1.4.1 Die Kammer teilt jedoch das Verständnis der Beschwerdegegnerin, die den auf Seite 9, Zeile 2 genannten und in der Figur 1 gezeigten Anschluss (48) für den Druckluftvorratsbehälter (24) als "koppelbaren Drucklufteingang" im Sinne des Streitpatents ansieht.
1.4.2 In Figur 1 wird durch die strichpunktierte Abgrenzung des Feststellbremsmoduls (10) die Begrenzung des Moduls angedeutet. Die Verbindungsleitung zur Druckluftquelle weist dabei genau auf der strichpunktierten Abgrenzung einen Punkt auf, der mit dem Bezugszeichen "48" versehen ist und als "Anschluss für den Druckluftvorratsbehälter" bezeichnet wird. Dieser Punkt dient also dazu, die Leitung (26) vom Druckluftvorratsbehälter (24) an das Modul anzuschließen, was eine Koppelbarkeit zwingend voraussetzt.
1.4.3 Somit wird in D4 auch offenbart, dass der Drucklufteingang mit der Druckluftquelle koppelbar ist.
1.5 Schließlich argumentiert die Beschwerdeführerin noch, dass in D4 zwar Entlüftungen an den Ventileinrichtungen vorgesehen seien, diese Entlüftungen jedoch keinen Entlüftungsausgang der Steuereinheit an sich darstellen würden.
1.5.1 Die Kammer folgt auch hier jedoch dem Verständnis der Beschwerdegegnerin, dass die Entlüftung (74) mit einem zentralen Entlüftungsausgang der Steuereinheit verbunden ist, da auf Seite 9, Zeilen 10 - 14 der Beschreibung der D4 beschrieben wird, dass die Entlüftung (56) des Relaisventils mit den weiteren Entlüftungen der weiteren Ventile (und damit auch mit der Entlüftung (74) des fraglichen Ventils) mit einer gemeinsamen Entlüftungseinrichtung verbunden ist, über welche die Druckluft dann zentral in die Atmosphäre entweichen kann. Diese zentrale (nur in den Figuren nicht gezeigte) Entlüftungseinrichtung stellt somit aus Sicht der Kammer den Entlüftungsausgang der Steuereinheit im Sinne des Streitpatents dar.
1.5.2 D4 offenbart daher auch die strittigen Merkmale a) - c) und nimmt somit den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neuheitsschädlich vorweg.
1.6 Analog zeigt D4 auch das korrespondierende Verfahren zum Steuern und/oder Regeln des Betriebs einer analog zu Anspruch 1 aufgebauten Feststellbremsanlage, so dass auch der Gegenstand des Anspruchs 5 nicht neu gegenüber D4 ist (Artikel 54 EPÜ).
Hilfsantrag 1
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist nicht neu gegenüber Dokument D4.
2.1 D4 offenbart auch das im Vergleich zum Hauptantrag zusätzlich verlangte Merkmal "zweite Ventileinrichtung ist mit dem Entlüftungsausgang über eine Entlüftungsleitung verbunden". Wie bereits zum Hauptantrag schon ausgeführt, wird auf Seite 9, Zeilen 10 - 14 der D4 beschrieben, dass alle Entlüftungen der Steuereinheit mit einer gemeinsamen Entlüftungseinrichtung verbunden sind, über welche die Druckluft dann zentral in die Atmosphäre entweichen kann.
Eine solche Anordnung impliziert dabei, dass die Entlüftungen der einzelnen, beabstandet zueinander angeordneten Ventile mit der zentralen Entlüftungseinrichtung verbunden sind, was implizit eine Entlüftungsleitung zwischen den diversen Ventilen und der gemeinsamen, zentralen Entlüftungseinrichtung voraussetzt.
2.2 Die Kammer kann hierbei der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht folgen, dass es auch denkbar wäre, dass die Entlüftungen in das die Steuereinheit umschließende Gehäuse entlüften würden und dann der erhöhte Innendruck im Gehäuse über eine zentrale Entlüftungseinrichtung an die Atmosphäre abgegeben würde. D4 erwähnt kein die Steuereinheit vollständig umschließendes Gehäuse, geschweige denn ein druckdichtes Gehäuse, das dazu geeignet wäre, den Belastungen des durch die Entlüftung einer der beiden Druckluftausgänge entstehenden Überdrucks standzuhalten.
2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist somit bereits aus D4 bekannt.
3. Nachdem das Streitpatent bereits aufgrund der fehlenden Neuheit nicht auf Basis des Hilfsantrags 1 aufrechterhalten werden kann, darf es dahingestellt bleiben, ob der im Einspruchsverfahren zurückgenommene und mit der Beschwerdebegründung erneut vorgelegte Hilfsantrag 1 auch gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht zum Verfahren hätte zugelassen werden können.
Hilfsantrag 2
Zulässigkeit (Artikel 12(2) und (4) VOBK 2007)
4. Der Hilfsantrag 2 wurde im Verlauf der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereicht und von der Einspruchsabteilung zum Verfahren zugelassen. Die Kammer kann hierbei der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht folgen, dass die Einspruchsabteilung bei der Zulassungsentscheidung ihr Ermessen falsch ausgeübt hätte.
4.1 Die Einspruchsabteilung hatte die prima facie-Gewährbarkeit des Antrags geprüft und war dabei zum Schluss gekommen, dass die im Vergleich zum Hauptantrag vorgenommenen Änderungen der Behebung eines Einspruchsgrund dienten und weder offensichtliche Klarheitsprobleme, noch prima facie eine offensichtlich unzulässige Änderung zur Folge hätten (siehe Abschnitt 3.3 der Entscheidung der Einspruchsabteilung). Zudem sah die Einspruchsabteilung es nicht als unzumutbar an, sich mit dem neuen Antrag zu beschäftigen, da die Änderungen einfacher Natur gewesen seien (siehe Absatz 3.3.4) und es aufgrund der Abweichung der Entscheidung zum Hauptantrag von der mit der Ladung kommunizierten vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung nur fair sei, der Patentinhaberin eine Chance zu geben, auf diese Änderung der Meinung der Einspruchsabteilung zu reagieren (siehe Absatz 3.3.2).
4.2 Die Einspruchsabteilung hat daher aus Sicht der Kammer bei ihrer Entscheidung, den damaligen Hilfsantrag 1 zuzulassen, weder ein falsches Kriterium verwendet, noch ein richtiges Kriterium falsch angewendet. Die Zulassung des damaligen Hilfsantrags 1 zum Verfahren ist daher nicht zu beanstanden.
4.3 Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass auch die Argumente der Einsprechenden zur etwaigen Notwendigkeit einer Vertagung der mündlichen Verhandlung (um eine Nachrecherche zu ermöglichen) von der Einspruchsabteilung bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt wurden (siehe Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung). Die Einspruchsabteilung hat eine Nachrecherche und somit eine Vertagung aufgrund der "einfachen Natur" der Änderungen als nicht veranlasst angesehen und vor diesem Hintergrund den neuen Antrag zugelassen. Zuletzt ist anzumerken, dass die Beschwerdegegnerin die Gelegenheit zur Nachrecherche spätestens in der Frist zur Erwiderung auf die Beschwerdebegründung gehabt, aber keinen weiteren Stand der Technik aufgeworfen hat, so dass auch a posteriori die Frage der Nachrecherche keine Rolle spielt.
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
5. Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 wurde in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart.
5.1 Die den ursprünglich eingereichten unabhängigen Ansprüchen hinzugefügten Merkmale "zweite Ventileinrichtung ist mit dem Entlüftungsausgang über eine Entlüftungsleitung verbunden" und "zweite Ventileinrichtung steht über eine Versorgungsleitung und ein Rückschlagventil mit dem Drucklufteingang der Steuereinheit in Verbindung" sind auf Seite 7 der ursprünglich eingereichten Beschreibung in den Zeilen 30 - 34 offenbart.
5.2 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass im Wortlaut des Anspruchs 1 durch die Formulierung "wobei die zweite Ventileinrichtung..."verlangt würde, dass die zweite Ventileinrichtung zugleich (im Sinne von gleichzeitig) sowohl mit dem Entlüftungsausgang der Steuereinheit gekoppelt sein, als auch mit dem Drucklufteingang in Verbindung stehen müsse. Dies sei nicht ursprünglich offenbart.
5.3 Die Kammer teilt jedoch dieses Verständnis des Anspruchswortlauts nicht, da das dem Ausdruck "wobei die Ventileinrichtung..." folgende Merkmal nicht als gleichzeitig geltende Bedingung zum vorstehend genannten Merkmal zu verstehen ist, sondern eine Aufzählung ohne chronologischen Zusammenhang darstellt. Es ist in Patentschriften durchaus üblich, in einem Anspruch eine Aufzählung mehrerer (unabhängiger) Merkmale dadurch zu verdeutlichen, dass die einzelnen Merkmale jeweils mit "wobei" eingeleitet werden. Nicht zuletzt erfolgt dies auch schon im Oberbegriff des Anspruchs selbst so.
5.4 Die Beschwerdegegnerin macht ferner geltend, dass das Kennzeichen der Ansprüche 1 und 5 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung des in der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels darstelle. Dabei werde in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 7, Zeilen 30 - 34 eine Entlüftungsleitung nur in Kombination mit der Verwendung eines bistabilen 3/2-Wege-Magnetventils als zweite Ventileinrichtung offenbart. Da die zweite Ventileinrichtung in den unabhängigen Ansprüchen aber nicht auf ein bistabiles 2/3-Wege-Magnetventil beschränkt sei, stelle dies eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.
5.5 Die Kammer sieht jedoch keine untrennbare funktionale Verbindung zwischen der Entlüftungsleitung bzw. dem Rückschlagventil in der Zuleitung einerseits und dem bistabilen 3/2-Wege-Ventil andererseits. Der für die zweite Ventileinrichtung verwendete Ventiltyp hat keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Entlüftung der zweiten Ventileinrichtung, insbesondere nicht darauf, ob die Entlüftung der zweiten Ventileinrichtung über eine Entlüftungsleitung mit dem Entlüftungsausgang der Steuereinheit verbunden ist. Daher kann die Entlüftungsleitung unabhängig von der Wahl des Ventiltyps angeordnet werden, so dass es zulässig ist, die Passage in Spalte 6, Zeilen 37 - 42 dahingehend zu verallgemeinern, dass der Ventiltyp in den unabhängigen Ansprüchen nicht weiter definiert wird. Gleiches gilt für die Anordnung eines Rückschlagventils in der Versorgungsleitung.
Klarheit (Artikel 84 EPÜ) und Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
6. Der Wortlaut der Ansprüche 1 und 5 ist ausreichend klar und die in den Ansprüchen 1 und 5 definierte Erfindung auch ausführbar.
6.1 Unter ihrem vorstehend dargelegtem Verständnis des Anspruchswortlauts argumentiert die Beschwerdegegnerin, dass bei einer gleichzeitigen Verbindung der zweiten Ventileinrichtung mit dem Drucklufteingang und dem Entlüftungsausgang der Drucklufteingang mit dem Entlüftungsausgang kurzgeschlossen sei und daher überhaupt kein Druck in der Feststellbremsanlage aufgebaut werden könne. Eine derartige Feststellbremsanlage sei dann aber nicht ausführbar, insbesondere nicht im Zusammenhang mit einer Streckbremsung wie im abhängigen Anspruch 8 definiert. Zudem führe dies zu einem unklaren Wortlaut des Anspruchs.
6.2 Dieses Verständnis des Anspruchswortlauts kann aus den vorstehenden bereits zur Frage der Offenbarung ausgeführten Gründen nicht geteilt werden, da der Anspruch nicht verlangt, dass die zweite Ventileinrichtung gleichzeitig mit Drucklufteingang und Entlüftungsausgang fluidisch verbunden ist.
6.3 Die beiden Merkmale "zweite Ventileinrichtung steht in Verbindung mit dem Drucklufteingang" und "zweite Ventileinrichtung ist mit dem Entlüftungsausgang gekoppelt" implizieren zudem nicht, dass es eine direkte Verbindung zwischen Drucklufteingang und Entlüftungsausgang geben muss. Ganz im Gegenteil wird aus der Beschreibung und insbesondere aus der Figur 2 des Streitpatents deutlich, dass hier Bezug genommen wird auf die beiden Eingänge des 3/2-Wegeventils, wobei wahlweise entweder der Drucklufteingang oder aber der Entlüftungsanschluss mit dem Ausgang des Ventils in Richtung des Druckluftausgangs zum Anhänger verbunden wird. Eine direkte Verbindung von Drucklufteingang und Entlüftungsanschluss ist somit ausgeschlossen, da beide eingangsseitig des Ventils angeordnet sind.
6.4 Der Drucklufteingang wird somit entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin gerade nicht mit dem Entlüftungsausgang kurzgeschlossen, so dass an der Ausführbarkeit der Erfindung kein Zweifel besteht. Zudem ist in diesem Verständnis des Anspruchs auch keine Unklarheit zu erkennen.
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
7. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist neu.
8. Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, dass jedes der Dokumente D5, D6, D9, D14 und D17 neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 sei.
8.1 Das Dokument D5 offenbart in Figur 2 - zwischen den Parteien unbestritten - den Oberbegriff des unabhängigen Anspruchs 1. Das als zweite Ventileinrichtung angesehen Ventil (30) ist in einem ersten Schaltzustand (der in der Figur 2 dargestellt ist) ohne Zwischenschaltung des Relaisventils (41) mit dem Drucklufteingang (6) gekoppelt. Im zweiten Schaltzustand der zweiten Ventileinrichtung koppelt die zweite Ventileinrichtung aber nicht wie vom Kennzeichen des Anspruchs 1 verlangt mit der Entlüftung (23), die von der Beschwerdegegnerin als Entlüftungsausgang im Sinne des Streitpatents verstanden wird. Stattdessen verbindet die zweite Ventileinrichtung im zweiten Schaltzustand die Leitungen (32) und (33), so dass eine Entlüftung des Druckluftausgangs (9) zum Anhänger (11) allenfalls über die Entlüftung (43) des Relaisventils (41) erfolgen kann.
8.1.1 Anspruch 1 verlangt aber, dass eine Entlüftung der zweiten Ventileinrichtung in ihrem zweiten Schaltzustand erfolgt, wobei dies "ohne Zwischenschaltung des Relaisventils" erfolgen muss - was in D5 gerade nicht der Fall ist.
8.1.2 D5 ist daher nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.
8.2 Das Dokument D6 - ein Dokument, das unbestritten Stand der Technik unter Artikel 54(3) EPÜ darstellt - offenbart in Figur 2 eine weitere Feststellbremsanlage. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin sowie der Entscheidung der Einspruchsabteilung offenbart das Dokument D6 aber nicht, dass die zweite Ventileinrichtung über eine Entlüftungsleitung mit dem Entlüftungsausgang verbunden ist. In der Figur 2 ist zwar an der zweiten Ventileinrichtung (11) eine Entlüftung vorgesehen - der schematischen Zeichnung ist aber nicht unmittelbar und eindeutig eine Entlüftungsleitung zwischen zweiter Ventileinrichtung und dem Entlüftungsausgang zu entnehmen.
8.2.1 Die graphische Darstellung der Entlüftung mittels eines aus einem Dreieck und einem Strich gebildeten Pfeils kann nicht - wie von der Beschwerdegegnerin behauptet - nur dahingehend verstanden werden, dass das Dreieck einen Entlüftungsausgang darstellt, der über ein kurzes Leitungsstück, das durch den kurzen Strich zum Entlüftungsausgang dargestellt wird, mit der zweiten Ventileinrichtung verbunden ist. Stattdessen scheint es wahrscheinlicher, dass es sich lediglich um ein graphisches Symbol für eine Entlüftung handelt, deren konkrete Ausgestaltung nicht näher spezifiziert ist.
8.2.2 In Abwesenheit einer zusätzlichen Beschreibung einer Entlüftungsleitung zwischen zweiter Ventilanordnung und dem Entlüftungsausgang kann daher allein auf Basis der schematischen Darstellung in der Figur nicht unmittelbar und eindeutig auf das Vorhandensein einer Entlüftungsleitung geschlossen werden.
8.2.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert hierzu zwar ferner, dass jeder Kanal in Form einer Öffnung durch das Gehäuse einer Ventileinrichtung als Entlüftungsleitung verstanden werden könne und auch die aus D6 bekannte Ventileinrichtung zwangsläufig einen derartigen Kanal haben müsse, da das Innere der Ventileinrichtung mit der die Ventileinrichtung umgebenden Atmosphäre verbunden sein muss.
8.2.4 Dem ist nicht zu folgen. Der Anspruchswortlaut verlangt, dass die Entlüftungsleitung die zweite Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang verbindet. Ein Kanal im Gehäuse der Ventileinrichtung stellt aber einen Teil der Ventileinrichtung dar und kann somit nicht die Ventileinrichtung (also quasi sich selbst) mit einem anderen Bauteil verbinden.
8.2.5 D6 ist daher nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.
8.3 Das Dokument D9 zeigt in Figur 2 eine Druckluftanlage für ein Zugfahrzeug mit Anhänger, wobei Zugfahrzeug und Anhänger druckluftgebremst sind. Die Anlage weist hierfür eine erste Ventileinrichtung (254) auf, über die mit Hilfe eines Relaisventils (12) das Zugfahrzeug gebremst wird. Über eine zweite Ventileinrichtung (256) wird am Anhänger (122) Druckluft bereitgestellt. Die Anlage wird mit einer Steuerung (24) gesteuert, wobei die Steuerung unter anderem eine Kontrollleuchte (86) aufweist, die über einen Druckschalter (241) bestromt wird, wenn im Anhängerdruckluftkreis Druck vorhanden ist.
8.3.1 Abgesehen davon, dass der Druckschalter (241) entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht als Drucksensor verstanden werden kann, werden die Ventileinrichtungen (254, 256) nicht über eine Steuerelektronik gesteuert. In der Steuerung (24) der D9 sind hierfür nur je zwei Schalter (82, 84, 88, 90) für Be- und Entlüftung der Druckluftkreise der Bremsen von Anhänger und Zugmaschine vorgesehen, die jedoch nur einfache elektrische Bauteile sind und daher keine Steuerelektronik darstellen, wie sie Anspruch 1 bzw. 5 verlangen. Daran ändert sich auch nichts aufgrund der Bezeichnung der Steuerung als "central controller" in Spalte 2, Zeile 27 der Beschreibung, da eine zentrale Steuerung nicht zwingend eine Steuerelektronik sein muss.
8.3.2 Zudem sind an beiden Ventileinrichtungen zwar Entlüftungen angeordnet, die jedoch keine Entlüftungsleitungen zu einem davon beabstandeten Entlüftungsausgang aufweisen. Auch hierzu argumentiert die Beschwerdegegnerin, dass bereits eine Bohrung im Gehäuse der Ventileinrichtung eine Entlüftungsleitung darstelle. Der Anspruchswortlaut verlangt jedoch, wie zum Dokument D6 bereits ausgeführt, eine Entlüftungsleitung als separates Bauteil, das die zweite Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang verbindet, so dass ein in der Ventileinrichtung selbst ausgebildeter Kanal nicht als Entlüftungsleitung im Sinne des Streitpatents angesehen werden kann.
8.3.3 D9 ist daher nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.
8.4 Das Dokument D14 offenbart in Figur 1 eine weitere Bremsanlage, bei der die Beschwerdegegnerin das Steuerventil 14 als zweite Bremseinrichtung im Sinne des Streitpatents versteht. Die Entlüftung des Ventils (14) erfolgt dabei über einen direkt am Ventil angeordneten Entlüftungsausgang, wobei der Entlüftungsausgang entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht über eine Entlüftungsleitung mit der zweiten Ventilanordnung verbunden ist; auf die zu Dokument D9 schon ausgeführten Gründe kann verwiesen werden.
8.4.1 Zudem ist in D14 der mit der zweiten Ventileinrichtung zur Verfügung gestellte Steuerdruck der Anhängerbremsanlage nicht durch einen Drucksensor erfassbar. Die Beschwerdegegnerin argumentiert hierzu, dass der Wortlaut des Anspruchs nicht verlange, dass ein Drucksensor tatsächlich verbaut sei. Der Anspruch verlange nur, dass an einer beliebigen Stelle der Anhängerbremsanlage der Steuerdruck prinzipiell ermittelt werden könne, wobei diese prinzipiell mögliche Druckbestimmung mit Hilfe eines Drucksensors durchführbar sein solle; der Drucksensor müsse aber dort nicht tatsächlich verbaut sein. Da aber an jeder beliebigen Stelle einer Rohrleitung der Druck mit einem Drucksensor bestimmt werden kann, stelle dieses Merkmal keine Einschränkung dar.
8.4.2 Eine derartige Auslegung würde das Merkmal jedoch jedes eigenständigen technischen Sinns berauben; der Fachmann wird ein Merkmal aber nur dann als redundant ansehen, wenn ihm schlechterdings kein technisch vernünftiger Sinn beigemessen werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Wortlaut des Anspruchs 1 bzw. 5 ist vielmehr so zu lesen, dass ein Drucksensor zwingend vorhanden sein muss, der dann, wenn ein Steuerdruck anliegt, diesen erfassen kann. Mit anderen Worten muss die zweite Ventileinrichtung einen Steuerdruck zur Verfügung stellen und mit einem Drucksensor erfassen können, wobei dieser Steuerdruck aber nur dann, wenn er tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, von einem dort angebrachten Drucksensor detektiert wird - was durch die Formulierung "Druck wird zur Verfügung gestellt und ist erfassbar" verdeutlicht wird.
8.4.3 D14 ist daher nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.
8.5 Das Dokument D17 wurde von der Beschwerdegegnerin ursprünglich als Nachweis des Fachwissens eingereicht, wird aber von ihr in ihrer Argumentation ausschließlich als druckschriftlicher Stand der Technik verwendet.
8.5.1 D17 offenbart auf Seite 47 in Bild 1 ein Bremssystem, bei der die Beschwerdegegnerin das Steuerventil 8 als zweite Bremseinrichtung im Sinne des Streitpatents ansieht. Zudem stellt aus ihrer Sicht das Ventil 10 zugleich die erste Ventileinrichtung und das Relaisventil dar.
8.5.2 Diese Sichtweise ist nicht zu teilen, da dem Wortlaut der unabhängigen Ansprüche folgend das Relaisventil einen Steuerdruck der ersten Ventilanordnung empfangen muss. Das als "Druckregelmodul" bezeichnete Ventil wird näher auf Seite 52 in Bild 5 gezeigt, wobei hieraus deutlich wird, dass das Druckregelmodul keine erste Ventileinrichtung aufweist, die ein Relaisventil pneumatisch steuert, sondern dass das Relaisventil direkt elektrisch angesteuert wird.
8.5.3 Zudem weist auch D17 keine Entlüftungsleitung auf, die den Entlüftungsausgang mit der zweiten Ventileinrichtung verbinden würde.
8.5.4 Des Weiteren stellt die gezeigte Bremsanlage keine Feststellbremsanlage dar, sondern dient dazu, als Betriebsbremsanlage den Bremsdruck bei Zugfahrzeug und Anhänger zu steuern. Die Beschwerdegegnerin argumentiert hierzu zwar, dass man die Anlage auch als Feststellbremse verwenden könne, doch ist diese Möglichkeit in D17 nicht erwähnt.
8.5.5 Schließlich offenbart D17 auch kein Rückschlagventil in der Versorgungsleitung, auch wenn die Beschwerdegegnerin dies als nahegelegt ansieht durch die schematische Darstellung auf Seite 47, in der in der Leitung vom obersten Drucktank (1) zum Ventil (8) ein Pfeil abgebildet ist. Dies ist aber aus Sicht der Kammer kein eindeutiger und unmittelbarer Nachweis für ein Rückschlagventil, sondern zeigt nur die Fließrichtung der Druckluft an, so wie dies auch in diversen weiteren Leitungen der schematischen Darstellung der Fall ist. Wie diese Richtung sichergestellt wird, bleibt in D17 aber offen.
8.5.6 D17 ist daher ebenfalls nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.
8.6 Nachdem Anspruch 5 die Verwendung einer analog zu Anspruch 1 ausgebildeten Feststellbremsanlage definiert, trifft das Vorstehende auch auf Anspruch 5 zu, so dass auch der Gegenstand des Anspruchs 5 neu gegenüber D5, D6, D9, D14 und D17 ist.
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
9. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
9.1 Die Beschwerdegegnerin argumentiert in diversen Argumentationslinien: ausgehend von D3 in Kombination mit D13, ausgehend von D8 in Kombination mit D2, ausgehend von D9 in Kombination mit D1, D2 bzw. D8, ausgehend von D14 mit dem allgemeinen Fachwissen, und ausgehend von D15 in Kombination mit D8 bzw. D17.
9.2 Das Dokument D3 als ein möglicher nächstkommender Stand der Technik offenbart in Figur 2 eine Feststellbremsanlage mit Steuereinheit. Aus Sicht der Beschwerdegegnerin entspricht das Ventil (213) der ersten Ventileinrichtung und das Ventil (228) der zweiten Ventileinrichtung. Das Ventil (228) werde dabei über die Entlüftungsleitung (234) und die Entlüftung (209) entlüftet, d. h. ohne Zwischenschaltung des Relaisventils (224).
9.2.1 Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen, da die Leitung (234) vom Ventil (228) zum Ventil (213) nicht der Entlüftung dient, sondern eine Steuerdruckleitung zum Standsicherheitsventil (210) ist, wobei die Steuerdruckleitung (234) nicht mit der Entlüftung (209) des Standsicherheitsventils verbunden ist. Der Druckluftausgang (207) zum Anhänger wird - wie in Absatz [0078] beschrieben wird - in der in der Figur 2 gezeigten Schaltstellung des Ventils (228) über die Entlüftung des Relaisventils (224) entlüftet.
9.2.2 Zudem kann der Druck im Druckluftausgang (207) zum Anhänger nicht mit einem Drucksensor erfasst werden. Der Drucksensor (226) misst vor der zweiten Ventileinrichtung und damit nicht den von der zweiten Ventileinrichtung zur Verfügung gestellten Steuerdruck.
9.2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der aus D3 bekannten Feststellbremsanlage dadurch, dass
a) der von der zweiten Ventileinrichtung zur Verfügung gestellte Steuerdruck durch einen Drucksensor erfassbar ist; und
b) die Kopplung der zweiten Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang ohne Zwischenschaltung des Relaisventils erfolgt.
9.2.4 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass D13 es nahelege, den Druckluftausgang zum Anhänger ohne Zwischenschaltung des Relaisventils zur Steuerung des Bremsdrucks des Zugfahrzeugs zu entlüften.
9.2.5 D13 zeigt eine Bremsanlage eines Anhängers, die gänzlich von der Bremsanlage des Zugfahrzeugs entkoppelt ist. Entsprechend erfolgt die Entlüftung des Druckluftausgangs zum Anhänger unabhängig vom Relaisventil, das den Bremsdruck im Druckluftausgang zum Zugfahrzeug steuert. Diese Trennung der beiden Bremsanlagen kann aber nicht ohne weiteres auf die aus D3 bekannte Bremsanlage übertragen werden, insbesondere nicht ohne eine Vielzahl zusätzlicher Anpassungen.
9.2.6 Der Fachmann würde daher ausgehend von D3 das Dokument D13 nicht berücksichtigen. Doch selbst wenn er sich näher mit D13 beschäftigen würde, würde er nicht nur das Merkmal b) isoliert aus der Lehre der D13 abstrahieren, sondern allenfalls zwei völlig unabhängige Bremsanlagen für Zugfahrzeug und Anhänger verwenden. So würde er aber nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
9.2.7 Nachdem eine Kombination von D3 mit D13 schon nicht das Merkmal b) nahelegen kann, darf offen bleiben, ob der Fachmann es in Betracht ziehen würde, einen Drucksensor im Druckluftausgang der zweiten Ventilanordnung zum Anhänger anzuordnen, sodass Merkmal a) nahegelegt wäre.
9.3 Das Dokument D8 als ein anderer möglicher nächstkommender Stand der Technik offenbart eine weitere Feststellbremsanlage mit Steuereinheit, bei der die Parteien übereinstimmend das Ventil (92) als zweite Ventileinrichtung im Sinne des Streitpatents verstehen.
9.3.1 Aus Sicht der Beschwerdegegnerin wird in Figur 1A am Ventil (92) zudem eine kurze, ausgehend vom Ventil nach links abragende Entlüftungsleitung zum Entlüftungsausgang gezeigt. Wie bei der im Zusammenhang mit der Neuheit diskutierten Darstellung der Entlüftung im Dokument D6 handelt es sich auch hier nur um eine schematische Darstellung; dem Verständnis der Beschwerdeführerin ist insoweit zuzustimmen. Daher kann aus der Figur 1A nicht zweifelsfrei abgeleitet werden, dass es sich hierbei um ein Leitungsstück handelt, das das Ventil mit einem Entlüftungsausgang verbindet.
9.3.2 Die Kammer folgt auch der Sicht der Beschwerdeführerin, wonach D8 weder ein Rückschlagventil in der Druckluftversorgungsleitung, noch ein Relaisventil zur Steuerung des Drucks im zum Federspeicherbremszylinder des Zugfahrzeugs führenden Druckluftausgang zeigt. Zudem kann die Kammer auch keinen Drucksensor im Druckluftausgang zum Anhänger erkennen.
9.3.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert zwar weiter, dass D8 auch keine Steuerelektronik als Steuerung zeigen würde. Die Steuerung (34) wird jedoch in D8 wiederholt explizit als "control eletronic" bezeichnet, sodass insoweit kein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegeben ist.
9.3.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von der aus D8 bekannten Bremsanlage dadurch, dass
a) in der Steuereinheit ein Relaisventil vorgesehen ist, das den durch die erste Ventileinrichtung zur Verfügung gestellten Steuerdruck empfängt und den Federspeicherzylinder be- oder entlüftet;
b) der von der zweiten Ventileinrichtung zur Verfügung gestellte Steuerdruck durch einen Drucksensor erfassbar ist;
c) in der Versorgungsleitung ein Rückschlagventil angeordnet ist; und
d) die zweite Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang über eine Entlüftungsleitung verbunden ist.
9.3.5 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass D2 es nahelege, die Entlüftungen der Ventile (92, 94) über jeweils eine Entlüftungsleitung mit einem gemeinsamen Entlüftungsausgang der Steuereinheit zu verbinden.
Bei der aus D2 bekannten Anlage sind die diversen Ventile in einem Gehäuse (14) angeordnet, so dass es hier sinnvoll ist, die diversen Entlüftungen der Ventile im Inneren des Gehäuses aus dem Gehäuse nach außen zu führen. In D8 umgibt die Ventile (92, 94) aber kein umschließendes Gehäuse, so dass es keine Veranlassung für den Fachmann gibt, die Entlüftungen der Ventile (92, 94) über Entlüftungsleitungen zur Außenseite eines (nicht vorhandenen) Gehäuses zu führen, da sie direkt am jeweiligen Ventil angeordnet werden können, um dieses unmittelbar in die Atmosphäre zu entlüften.
9.3.6 Überdies legt D2 es auch nicht nahe, ein Relaisventil zur Be- und Entlüftung der Federspeicherzylinder zu verwenden und gleichzeitig - ohne Zwischenschaltung dieses Relaisventils - die zweite Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang zu koppeln.
Die Verwendung eines pneumatisch gesteuerten Relaisventils zur Aussteuerung des Arbeitsdrucks eines Federspeicherbremszylinders mag Teil des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns sein, aber der unabhängige Anspruch verlangt aufbauend auf dieser Wahl zusätzlich auch, dass dieses Relaisventil nicht bei der Entlüftung der zweiten Ventileinrichtung involviert ist. Das Merkmal a) in Kombination mit dem Merkmal "zweite Ventileinrichtung ist ohne Zwischenschaltung des Relaisventils mit dem Entlüftungsausgang gekoppelt" kann daher nicht als nahegelegt angesehen werden.
9.3.7 Daher kann offen bleiben, ob der Fachmann ein Rückschlagventil in der Versorgungsleitung der D8 anordnen würde und ob der Steuerdruck im Druckluftausgang zum Anhänger mit einem Drucksensor gemessen wird. Der Fachmann hat bereits keine Veranlassung, die Merkmale a) und d) umzusetzen.
9.4 Das Dokument D9 stellt nach Ansicht der Beschwerdegegnerin einen weiteren möglichen nächstkommenden Stand der Technik dar. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich - wie bereits zur Neuheit ausgeführt - von der aus D9 bekannten Feststellbremsanlage dadurch, dass
a) der von der zweiten Ventileinrichtung zur Verfügung gestellte Steuerdruck durch einen Drucksensor erfassbar ist;
b) die Steuerung eine Steuerelektronik ist; und
c) die zweite Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang über eine Entlüftungsleitung verbunden ist.
9.4.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Fachmann aus Figur 2 der D1 die Lehre erhalte, dass es vorteilhaft sei, die Entlüftung des Ventils (53) über eine Entlüftungsleitung mit einem vom Ventil beabstandeten Entlüftungsausgang zu verbinden. In D1 wird allerdings kein Vorteil dieser beabstandeten Anordnung des Entlüftungsausgangs genannt und auch die Beschwerdegegnerin argumentiert lediglich, dass dies der Lehre der D1 entsprechend grundsätzlich möglich sei.
Aus Sicht der Kammer fehlt hier aber ein nachvollziehbarer Grund, warum der Fachmann die aus D1 bekannte beabstandete Anordnung auch bei D9 umsetzen sollte. Der Fachmann kann dies aus technischer Sicht sicherlich, doch hat er keinen konkreten Grund, dies tatsächlich auch zu tun (could-would). Daher kann D1 es nicht nahelegen, auch in D9 eine Entlüftungsleitung zwischen der zweiten Ventilanordnung und dem Entlüftungsausgang anzuordnen.
9.4.3 Auch durch D2 wird keine anspruchsgemäße Entlüftungsleitung nahegelegt, da in D9 (analog zur Argumentation zu D8) kein die Ventile umschließendes Gehäuse beschrieben wird. Entsprechend können beide Ventile der D9 direkt am Ventil gegen Atmosphärendruck entlüftet werden.
9.4.4 Die Beschwerdegegnerin argumentiert zudem, dass auch D8 in Figur 1A eine Entlüftungsleitung zwischen Ventil und Entlüftungsausgang nahelegen würde. Wie jedoch bereits ausgeführt, kann der schematischen Darstellung der Figur 1A aber nicht unmittelbar und eindeutig eine Belüftungsleitung entnommen werden und diese daher auch nicht bei D9 nahegelegt sein.
9.4.5 Nachdem somit bereits das Merkmal c) nicht nahegelegt ist, kann offen bleiben, ob der Fachmann die Merkmale a) und/oder b) aufgrund seines Fachwissens oder der Lehre weiterer Dokumente auch bei D9 vorsehen würde.
9.4.6 Die Argumentationslinie zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D9 als nächstkommendem Stand der Technik wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht und die Beschwerdeführerin beantragte, sie nicht zum Verfahren zuzulassen. Nachdem die Argumentationslinie aber in der Sache nicht durchgreift, kann offen bleiben, ob ausreichende Gründe vorgelegen hätten, sie in dieser späten Phase noch zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13(2) VOBK 2020).
9.5 In einer weiteren, in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen Argumentationslinie zur erfinderischen Tätigkeit geht die Beschwerdegegnerin von Dokument D14 als nächstkommendem Stand der Technik aus.
9.5.1 Wie bereits zur Neuheit ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der aus D14 bekannten Bremsanlage dahingehend, dass
a) der von der zweiten Ventileinrichtung zur Verfügung gestellte Steuerdruck durch einen Drucksensor erfassbar ist; und
b) die zweite Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang über eine Entlüftungsleitung verbunden ist.
9.5.2 Nachdem auch D14 kein die Ventile umschließendes Gehäuse beschreibt, hat der Fachmann analog zur Argumentation ausgehend von D9 als nächstkommenden Stand der Technik keine Veranlassung, die Entlüftung mittels einer Entlüftungsleitung zu einem beabstandeten Entlüftungsausgang zu verlegen.
9.5.3 Auch hier kann daher offen bleiben, ob der Fachmann den Druck im Druckluftausgang zum Anhänger mit einem Drucksensor misst, da bereits Merkmal b) für den Fachmann nicht nahegelegt wird.
9.5.4 Nachdem auch diese Argumentationslinie inhaltlich nicht durchgreift, kann offen bleiben, ob ausreichende Gründe vorgelegen hätten, die erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren vorgetragene Argumentationslinie zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13(2) VOBK 2020).
9.6 Zudem argumentiert die Beschwerdegegnerin ausgehend von Dokument D15 als nächstkommenden Stand der Technik. Dabei sieht sie das Ventil (1) als äquivalent zur ersten Ventilanordnung und das Ventil (19) als äquivalent zur zweiten Ventileinrichtung an.
9.6.1 Die aus D15 bekannte Bremsanlage ist jedoch vollständig pneumatisch gesteuert und weist daher keine Steuerelektronik auf.
9.6.2 Zudem zeigt zwar Figur 2 die zweite Ventilanordnung im Detail, doch kann der Auffassung der Beschwerdegegnerin, der Kanal (64) stelle eine Entlüftungsleitung im Sinne des Anspruchs dar, nicht gefolgt werden. Die Belüftung ist auch hier Teil der zweiten Ventileinrichtung, so dass D15 keine Entlüftungsleitung von der zweiten Ventileinrichtung zum Entlüftungsausgang zu entnehmen ist.
9.6.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert zudem, dass die aus D15 bekannte Bremsanlage keinen Drucksensor am Druckluftarbeitsausgang zum Anhänger aufweise. Auch wenn er nicht in Figur 1 gezeigt ist, wird dieser auf Seite 16, Zeilen 7 - 9 doch ausdrücklich beschrieben.
9.6.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der aus D15 bekannten Bremsanlage dahingehend, dass
a) eine Steuerelektronik die erste und zweite Ventileinrichtung ansteuert;
b) in der Versorgungsleitung ein Rückschlagventil angeordnet ist; und
c) die zweite Ventileinrichtung mit dem Entlüftungsausgang über eine Entlüftungsleitung verbunden ist.
9.6.5 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Fachmann die pneumatische Steuerung naheliegenderweise durch eine elektronische Steuerung ersetzen würde. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde es aber nicht dazu führen, dass sowohl die erste, als auch die zweite Ventileinrichtung dann von dieser Steuerelektronik gesteuert würden. Stattdessen führt eine Ansteuerung des in D15 händisch betätigten Ventils (1) durch eine Steuerelektronik dazu, dass auch das Ventil (3) mit der pneumatischen Steuerleitung zum Relaisventil ersetzt werden müsste durch eine Steuerelektronik. Dann würde aber das Relaisventil (23) nicht mehr den Steuerdruck der ersten Ventilanordnung erhalten, sondern durch ein elektrisch gesteuertes Relaisventil ersetzt werden.
9.6.6 Zudem kann entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin auch nicht ohne konkreten Grund davon ausgegangen werden, dass der Fachmann an der in Figur 2 der D15 gezeigten Entlüftung eine Entlüftungsleitung anordnen würde, um die Entlüftungsöffnung beabstandet von der Ventileinrichtung anzuordnen.
9.6.7 Entsprechend kann es offen bleiben, ob der Fachmann ein Rückschlagventil in der Versorgungsleitung anordnen würde, da bereits die Merkmale a) und c) nicht nahegelegt werden.
9.7 Zusammenfassend kann daher keine der vorgetragenen Argumentationslinien zur erfinderischen Tätigkeit den Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nahelegen.
9.8 Nachdem Anspruch 5 die Verwendung einer analog zu Anspruch 1 ausgebildeten Feststellbremsanlage definiert, trifft das Vorstehende auch auf Anspruch 5 zu, so dass auch der Gegenstand des Anspruchs 5 nicht nahegelegt wird.
Anpassung der Beschreibung (Regel 42 EPÜ)
10. Die Beschreibung erfüllt die Erfordernisse der Regel 42 EPÜ.
10.1 Die Beschwerdegegnerin bemängelt, dass der Anspruchswortlaut des Hilfsantrags 2 sich von dem, von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Antrag unterscheidet und daher zwangsläufig eine Anpassung der Beschreibung vorzunehmen sei.
10.2 Die Kammer kann aber keinen Widerspruch zwischen der Beschreibung und den Ansprüchen des Hilfsantrags 2 erkennen und auch die Beschwerdegegnerin war trotz expliziter Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht im Stande, einen solchen Widerspruch aufzuzeigen.
10.3 Folglich steht keine der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Argumentationslinien der Aufrechterhaltung des Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags 2 entgegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 des zweiten Hilfsantrags wie eingereicht mit der Beschwerdebegründung, sowie der Beschreibung und der Zeichnungen wie im erteilten Patent aufrecht zu erhalten.