T 0122/13 09-12-2016
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PLEUEL FÜR EINEN VERBRENNUNGSMOTOR UND VERFAHREN ZUR BESCHICHTUNG SEINER GLEITLAGERFLÄCHEN
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 843 860 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt und diese begründet.
II. Mit dem Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) war das Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit) und im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ (unzureichende Offenbarung) angegriffen worden.
III. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung zwar neu sei, aber keine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehre der D1 (WO 96/04485 Al) mit dem allgemeinen technischen Fachwissen aufweise.
IV. Im Beschwerdeverfahren hatte die Beschwerdeführerin zunächst mit ihrer Beschwerdebegründung einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag (ursprünglicher Hauptantrag und Hilfsantrag 1) gestellt.
In ihrer Mitteilung vom 15. September 2016 (Ladungsbescheid) teilte die Kammer den Parteien ihre im Wesentlichen negative Beurteilung der Erfolgsaussichten der Beschwerde betreffend diese ursprünglichen Anträge der Beschwerdeführerin mit.
Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin mit Schriftsatz vom 8. November 2016 geänderte und mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2016 korrigierte Anträge (geänderter Hauptantrag und geänderte Hilfsanträge 1 und 2) ein.
V. Am 9. Dezember 2016 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wegen der Einzelheiten deren Verlaufs wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Die Beschwerdeführerin beantragte nach Rücknahme ihres Hauptantrages und Umnummerierung der Hilfsanträge abschließend,
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2016 als Hilfsantrag 2 (neuer Hauptantrag) und als Hilfsantrag 1 eingereichten Anspruchssätze.
Die Beschwerdegegnerin beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde.
Die beiden Ansprüche des Hauptantrages lauten wie folgt:
"1. Pleuel (1) für einen Verbrennungsmotor, mit einem mit einer Gleitlagerfläche (4) versehenen kleinen Pleuelauge (2) zur Aufnahme eines Kolbenbolzens und einem mit einer Gleitlagerfläche (5) versehenen großen Pleuelauge (3), welches einen Kurbelzapfen umschließt, wobei,
zumindest eine der Gleitlagerflächen (4,5) eine direkt mit dem Pleuelmaterial verbundene selbstschmierende Beschichtung (9) aus einem thermisch ausgehärteten Harz mit darin eingelagerten Festschmierstoffpartikel aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass im kleinen Pleuelauge (2) mittig eine Schmierölbohrung (7) angebracht ist,
dass die Beschichtung (9) im kleinen Pleuelauge aus Polyamidimid als Grundharz aufgebaut ist und als Festschmierstoff Graphit mit einer Partikelgröße von 1 bis 3 µm enthält, und
dass die Beschichtung (9) im Bereich der Schmierölbohrung (7) in Form einer radial umlaufenden Schmierrille ausgespart ist".
"2. Pleuel (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine oder mehrere parallel zur Achse der Pleuelaugen (2) verlaufende Schmierrillen vorgesehen sind".
Die beiden Ansprüche des einzigen Hilfsantrag 1 (Hilfsantrages) lauten wie folgt:
"1. Pleuel (1) für einen Verbrennungsmotor, mit einem
mit einer Gleitlagerfläche (4) versehenen kleinen Pleuelauge (2) zur Aufnahme eines Kolbenbolzens und einem mit einer Gleitlagerfläche (5) versehenen großen Pleuelauge (3), welches einen Kurbelzapfen umschließt, wobei,
zumindest eine der Gleitlagerflächen (4,5) eine direkt mit dem Pleuelmaterial verbundene selbstschmierende Beschichtung (9) aus einem thermisch ausgehärteten Harz mit darin eingelagerten Festschmierstoffpartikel aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Harz ein Polyamidimid ist, und die Festschmierstoffpartikel jeweils aus einem oder einer Mischung von zwei der Materialien Graphit, Molybändisulfid [sic], Wolframdisulfid, hexagonales Bornitrid oder PTFE bestehen,
dass die Beschichtung der Gleitlagerfläche 50 bis 60 Gewichts-% Festschmierstoffpartikel enthält, wobei die Festschmierstoffpartikel einer Partikelgröße von 1 bis 3 µm aufweisen,
dass die Schichtdicke der Beschichtung 10-15 µm beträgt, und
dass die Toleranz der Schichtdicke max. +/- 1 µm beträgt".
"2. Pleuel (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die das kleine Pleuelauge (2) umfassende obere Hälfte des Pleuels (1) eine ca. 5 µm dicke Eisen-Mangan-Phosphat-Schicht aufweist, die im kleinen Pleuelauge (2) der Haftgrundlage für die Beschichtung (9) dient, wobei diese Beschichtung (9) als Festschmierstoff eine Mischung aus Molybdänsulfid und Graphit mit einer Partikelgröße von 1 bis 3 µm enthält".
Die Beschwerdeführerin hat zur entscheidungserheblichen Frage der Zulassung ins Verfahren sowohl des Hauptantrages als auch des Hilfsantrages im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Einreichung der neuen Anträge sei die Reaktion der Beschwerdeführerin auf den Ladungsbescheid der Kammer gewesen, in dem diese u.a. den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit vorläufig für begründet erachtet hätte.
Die Beschwerdeführerin dürfe immer zur Überwindung eines Einwands betreffend mangelnde erfinderische Tätigkeit den Ansprüchen aus der Beschreibung entnommene Merkmale hinzuzufügen.
Sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag dürften daher weder die Kammer noch die Beschwerdegegnerin überrascht haben.
Da es für die Beschwerdeführerin offensichtlich sei, dass die in den geänderten Ansprüchen nach dem Hauptantrag wie auch nach dem Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen alle in der angefochtenen Entscheidung wie auch im Ladungsbescheid der Kammer erhobenen Einwände, hier insbesondere den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, überwänden, erachte die Beschwerdeführerin es nicht als notwendig, schriftlich oder mündlich Argumente in Bezug auf die Gewährbarkeit der geänderte Ansprüche vorzulegen.
Die der Beschreibung entnommenen Merkmale seien zwar amtlich nicht recherchiert worden, es sei aber trotzdem der Beschwerdegegnerin zuzumuten gewesen, innerhalb des Zeitraums von einem Monat zwischen der Einreichung des Hauptantrages und des Hilfsantrages und der mündlichen Verhandlung selbst eine Recherche betreffend die geänderten Ansprüche durchzuführen und anschließend sowohl die Kammer und als auch die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung mit dem Ergebnis einer solchen Recherche zu konfrontieren.
Die Beschwerdegegnerin hat zur vorgenannten entscheidungserheblichen Frage im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag stellten jeweils eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar, welches nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung ohne jegliche Substantiierung oder Begründung für die Verspätung eingereicht worden sei.
Die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung in die Ansprüche dieser Anträge erfordere die Durchführung einer zusätzlichen Recherche, welche nur durch eine Verlegung der mündlichen Verhandlung möglich wäre.
Die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung in die Ansprüche dieser Anträge würfen zudem neue Fragen in Bezug auf die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 84 EPÜ sowie in Bezug auf Regel 80 EPÜ auf. Die Behandlung dieser Frage erstmals während der mündlichen Verhandlung sei weder der Kammer noch der Beschwerdegegnerin zuzumuten.
Die vorgelegten Anträge seien zudem nicht konvergent.
Die Beschwerdeführerin habe keine Gründe angegeben, warum die geänderten Ansprüche prima facie gewährbar seien.
Die Kammer solle daher diese Anträge nicht ins Verfahren zulassen.
1. Entscheidungserheblich ist allein die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Hauptantrag und der Hilfsantrag ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
1.1 Zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdeführerin zwei als (ursprünglicher) Hauptantrag und als (ursprünglicher) Hilfsantrag 1 bezeichnete Anspruchssätze eingereicht.
Der (ursprüngliche) Hauptantrag enthielt einen unabhängigen Anspruch 1, welcher dem Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung zusammen mit einem dem Anspruch 2 des Patents in der erteilten Fassung entnommenen Merkmal entsprach, und fünf abhängige Ansprüche 2 bis 6, welche den entsprechend angepassten abhängigen Ansprüchen 2 bis 6 des Patents in der erteilten Fassung entsprachen.
Der (ursprüngliche) Hilfsantrag 1 enthielt einen unabhängigen Anspruch 1, welcher der Kombination der Ansprüche 1 und 2 des Patents in der erteilten Fassung entsprach, und vier abhängige Ansprüche 2 bis 5, welche, den angepassten abhängigen Ansprüchen 3 bis 6 des Patents in der erteilten Fassung entsprachen.
Unter den Punkten 3 bis 6 des Ladungsbescheides teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit, wonach der Anspruch 1 des (ursprünglichen) Hauptantrages die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfülle, die Gegenstände des Anspruchs 1 sowohl gemäß (ursprünglichem) Hauptantrag als auch gemäß (ursprünglichem) Hilfsantrag 1 keine erfinderische Tätigkeit aufwiesen, der Anspruch 3 des (ursprünglichen) Hauptantrages und der Anspruch 2 des (ursprünglichen) Hilfsantrages 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllten, und die in den abhängigen Ansprüchen sowohl des (ursprünglichen) Hauptantrages als auch des (ursprünglichen) Hilfsantrages 1 vorgenommenen Änderungen gemäß Regel 80 EPÜ unzulässig zu sein schienen. Zudem wurde auf Artikel 13 VOBK hingewiesen.
1.2 Mit Schriftsatz vom 8. November 2016, mithin einen Monat vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, reichte die Beschwerdeführerin neben dem später zurückgenommenen geänderten Hauptantrag zwei als Hilfsantrag 1 und als Hilfsantrag 2 bezeichnete geänderte Anspruchssätze ein.
Der als Hilfsantrag 1 bezeichnete Anspruchsatz enthielt einen unabhängigen Anspruch 1, welcher der Kombination der Ansprüche 1 bis 5 des Patents in der erteilten Fassung entsprach, und einen abhängigen Anspruch 2, dessen zusätzliche Merkmale der Beschreibung entnommen waren.
Der als Hilfsantrag 2 bezeichnete Anspruchsatz enthielt einen unabhängigen Anspruch 1, welcher dem Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung zusammen mit der Einfügung von der Beschreibung entnommenen Merkmalen entsprach, und einen abhängigen Anspruch 2, dessen zusätzliche Merkmale ebenfalls der Beschreibung entnommen wurden.
Inhaltlich beschränkte sich der Vortrag der Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf die Angabe einiger Offenbarungsstellen in der Patentschrift.
1.3 Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2016, welcher keinen patentrechtlichen Vortrag enthielt, reichte die Beschwerdeführerin korrigierte Reinschriften der o.g. Anträge (geänderter Hauptantrag und geänderte Hilfsanträge 1 und 2) ein.
1.4 Im Termin zur mündlichen Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin den vorgenannten geänderten Hauptantrag zurück und machte den vorgenannten geänderten Hilfsantrag 2 zu ihrem (neuen) Hauptantrag sowie den vorgenannten geänderten Hilfsantrag 1 zu ihrem (einzigen) Hilfsantrag (siehe Punkt V. oben).
1.5 Gemäß Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen.
Und nach Artikel 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn diese Änderungen Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der Verhandlung nicht zuzumuten ist.
Demnach steht die Zulassung sowohl der Hauptantrages als auch des Hilfsantrages im Ermessen der Kammer nach Artikel 13 (1) und 13 (3) VOBK.
Weder das schriftliche noch das mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin enthielt substantiierende Ausführungen dazu, was mit den in den Ansprüchen des Hauptantrages und des Hilfsantrages vorgenommenen Änderungen bezweckt werden sollte und in welcher Weise dadurch den im o.g. Ladungsbescheid von der Kammer erhobenen Einwänden bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit begegnet werden sollte. Es wurden lediglich Angaben dazu gemacht, aus welchen der erteilten abhängigen Ansprüche Merkmale sowie aus welchen Teilen der Patentbeschreibung Merkmale in die jeweiligen Ansprüche aufgenommen worden seien.
Aufgrund des Fehlens jeglicher begleitender Kommentare war in diesen, verschiedene Aspekte betreffenden Merkmalszusammenfügungen der beiden Anträge auch kein (konvergierender) Ansatz der eingereichten Anspruchssätze erkennbar.
1.7 Im vorliegenden Fall konfrontierte die Beschwerdeführerin die Kammer wie auch die Beschwerdegegnerin durch die Vorlage von neuen und unsubstantiierten Anträgen mit einem neuen Sachverhalt.
In dieser Verfahrenssituation einen Monat vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung konnte es weder von der Kammer noch von der Beschwerdegegnerin erwartet werden, dass sie ihrerseits ergründen, welche Absichten die Beschwerdeführerin mit den verschiedenen Änderungen bezweckt haben könnte und aufgrund welcher argumentativer patentrechtlicher Erwägungen diese Änderungen von der Beschwerdeführerin für geeignet betrachtet worden sein könnten, sämtliche in der angefochtenen Entscheidung, im Vorbringen der Beschwerdegegnerin sowie im Ladungsbescheid der Kammer erhobenen patentrechtlichen Einwände auszuräumen, darunter insbesondere betreffend die Frage, warum die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche dieser Anträge nach Meinung der Beschwerdeführerin auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen sollten.
Zu den fehlenden Erwägungen bezüglich der erfinderischen Tätigkeit hätten zudem noch Überlegungen hinsichtlich der formalen Erfordernisse des EPÜ, insbesondere im Hinblick auf die Artikel 84, 123 (2) EPÜ und Regel 80 EPÜ, angestellt und mit Argumenten untermauert werden müssen, was aufgrund der Tatsache, dass bei diesen Anträgen Merkmale aus der Beschreibung in die Ansprüche aufgenommen wurden, mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wäre.
1.8 Zudem unterscheiden sich die nunmehr relativ kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Anträge entscheidend von den Anspruchssätzen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren.
Deshalb führte deren Zulassung in das Beschwerdeverfahren zu einem grundsätzlich anderen sachlichen und patentrechtlichen Streitstoff, der eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung nach sich zöge. Hierdurch verlängerte sich die Dauer des Verfahrens und wäre die Rechtssicherheit sowohl für die Parteien als auch für die Öffentlichkeit über die Gültigkeit des Streitpatentes beeinträchtigt, was nicht mit dem Grundsatz der Verfahrensökonomie vereinbar wäre.
1.9 Für die Kammer, in Übereinstimmung mit ihrer in einer anderen Besetzung getroffenen Entscheidung T 1732/10 (im ABl. EPA nicht veröffentlicht, Entscheidungsgrund Nr. 1.3), gelten nicht substantiierte Anträge, welche nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht werden, in der Regel erst zum Zeitpunkt des Nachreichens der sie stützenden Begründung als eingereicht.
Mit anderen Worten, der Zeitpunkt der formellen Einreichung von nicht substantiierten Anspruchssätzen, auch wenn dieser wie vorliegend einen Monat vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung liegt, ist grundsätzlich jedenfalls dann nicht maßgebend, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Anträge aus sich heraus nicht selbsterklärend sind.
1.10 Ein solches Verhalten der Beschwerdeführerin kann kaum als förderlich für die prozessuale Effizienz für die Kammer oder für die Beschwerdegegnerin angesehen werden, wie sie in den Artikeln 12 (2), 13 (1) und (3) VOBK zum Ausdruck kommt.
1.11 Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument, wonach es ihr als beschwerdeführender Patentinhaberin erlaubt sein sollte, in jedem Stadium des Beschwerdeverfahrens, d.h. auch nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder sogar nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung, beliebig geänderte Anträge ohne jegliche Substantiierung einzureichen, da diese als Rückfallpositionen für die Beschwerdeführerin dienten, kann die Kammer nicht gelten lassen. Eine solche Vorgehensweise liefe dem in den Artikeln 12 und 13 VOBK verankerten Gebot der Verfahrensökonomie zuwider.
1.12 Die weiteren Argumente der Beschwerdeführerin, dass der Ladungsbescheid der Kammer als Diskussionsgrundlage verstanden und die wichtigsten Argumente bzw. Begründungen betreffend die Patentierbarkeit bereits in der Beschwerdebegründung vorgebracht worden wären, bzw. die Gewährbarkeit der geänderten Ansprüche selbsterklärend wäre, überzeugen die Kammer nicht.
Die Beschwerdeführerin verkennt dabei nämlich, dass diese früher im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente andere Anspruchsfassungen nach dem ursprünglichen Hauptantrag und Hilfsantrag 1 betrafen. Da sich die nunmehr mehr zur Entscheidung gestellten neuen Anträge (Hauptantrag und Hilfsantrag) aufgrund der darin vorgenommenen Änderungen maßgeblich von den früheren Anträgen unterscheiden, können die "alten" Argumenten auf die neue Antragslage nicht mehr zutreffen.
Vielmehr hätte es eines substantiierten neuen Vortrages der Beschwerdeführerin bedurft, weshalb die die ursprünglichen Anträge betreffenden Einwände, wie sie im Ladungsbescheid der Kammer aufgeführt sind, gerade nicht mehr für die neuen Anträge zutreffend bzw. durch die Änderungen überwunden sein sollten. Hierauf ist die Beschwerdeführerin im Termin zur mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf den Orientierungssatz zur Entscheidung T 253/06 vom 24. Juni 2008 (im ABl. EPA nicht veröffentlicht) hingewiesen worden. Einen entsprechenden Vortrag hat die Beschwerdeführerin aber gleichwohl zu keinem Zeitpunkt nachgeholt, so dass es an der erforderlichen Substantiierung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung mangelte.
Im Übrigen ist es im Hinblick auf die Effizienz des Beschwerdeverfahrens generell nicht hilfreich, allfällige wichtige Argumente der Beschwerdeführerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorzubringen (vgl. T 1836/12, im ABl. EPA nicht veröffentlicht, Entscheidungsgründe Nr. 1.3 und 1.4).
Darüber hinaus versetzt dieses Verhalten der Beschwerdeführerin sowohl die Beschwerdegegnerin als auch die Kammer in eine Lage, in der sie diese Anträge nicht ohne weiteres behandeln können, dies jedenfalls nicht ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung und/oder Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung.
Beide Alternativen werden in Artikel 13 (3) VOBK als Gründe für die Nichtzulassung neuer Anträge genannt.
1.14 Hinzu kommt, dass in die Ansprüche nach den neuen Anträgen Merkmale aus der Beschreibung aufgenommen wurden. In einem solchen Fall - und auch vorliegend - kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass die ursprüngliche Recherche auch die Gegenstände dieser geänderten Ansprüche mitumfasst hat.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin obliegt es weder der Beschwerdegegnerin noch der Kammer, eine zusätzliche Recherche durchzuführen. Vielmehr macht die Einführung von Merkmalen aus der Beschreibung in die Anspruchsfassungen nach dem Haupt- und Hilfsantrag regelmäßig eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung, einschließlich einer etwaig erforderlichen Nachrecherche, notwendig. Dies wäre auch im vorliegenden Fall so gewesen, mit der Folge einer erheblichen Verfahrensverzögerung.
1.15 Aus den o.g. Gründen werden der neue Hauptantrag und der Hilfsantrag als nicht substantiiert und als nach dem in Artikel 13 (3) VOBK genannten Zeitpunkt eingereicht nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
2. Da keine ins Verfahren zugelassene Anträge vorliegen, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.