T 0886/21 (Geräteparametrierung/SIEMENS) 05-09-2023
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Verfahren, Recheneinrichtung, Benutzer-Einheit und System zum Parametrieren eines elektrischen Gerätes
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 3, 4 und 5 (nein): Juxtaposition von naheliegenden Maßnahmen
Zulassung von mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträgen - Hilfsanträge 2, 5a und 7 (nein): "neuer Sachverhalt"
Zulassung von bereits im Einspruchsverfahren eingereichter, aber nicht behandelter Anträge - Hilfsantrag 6 (nein): nicht in "zulässiger Weise" im Einspruchsverfahren eingereicht
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des vorliegenden europäischen Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines "Hilfsantrags 5".
II. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) reichte mit der Beschwerdebegründung Hilfsanträge 1 bis 5 und mit einer späteren Beschwerdeerwiderung Hilfsanträge 5a, 6 und 7 ein und beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der folgenden Anspruchssätze zu erteilen:
- Hauptantrag, oder hilfsweise
- Hilfsanträge 1 bis 5, 5a, 6 und 7 (Hilfsantrag 5 entspricht dem "Hilfsantrag 5", der von der Einspruchsabteilung in der Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet wurde).
III. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin II) beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
IV. Der folgende Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:
D2: EP 2 527 936 A1 und
D3: Susan Morrow: "Chapter 23: Data Security in the
Cloud"; Cloud Computing: Principles and
Paradigms, Hrsg.: Rajkumar Buyya, James Broberg,
Andrzej M. Gaseinski; Wiley; 2011.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre negative vorläufige Meinung zur erfinderischen Tätigkeit mit.
VI. Am 5. September 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende die Entscheidung der Kammer verkündet wurde.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut (Merkmalsgliederung von der Kammer hinzugefügt):
a) "Verfahren zum Parametrieren eines elektrischen Gerätes (11a-h), bei dem
b) - eine Kommunikationsverbindung zwischen einer Benutzer-Einheit (32) und einer Rechen-einrichtung (13) aufgebaut wird,
c) wobei von der Recheneinrichtung (13) ein Parametrierprogramm zum Parametrieren des elektrischen Gerätes (11a) bereitgestellt wird;
d) - mittels der Benutzer-Einheit (32) benutzerseitig vorgenommene Einstellungen, die das elektrische Gerät (11a-h) betreffen, erfasst werden; und
e) - unter Verwendung der erfassten Einstellungen Einstellwerte zur Parametrierung des elektrischen Gerätes (11a-h) gebildet und
f) eine die Einstellwerte enthaltene Parametrierdatei für das elektrische Gerät (11a-h) erzeugt wird;
g) wobei das Parametrierprogramm zum Parametrieren des elektrischen Gerätes (11a-h) von der Recheneinrichtung (13) aus[ge]führt wird,
h) wobei eine Bedienoberfläche für das Parametrierprogramm mittels der
Benutzer-Einheit (32) angezeigt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
i) - in der Benutzer-Einheit (32) ein dem Betreiber des elektrischen Gerätes (11a-h) zugeordneter eindeutiger digitaler Betreiber-Schlüssel gespeichert ist und
j) die Benutzer-Einheit (32) den Schlüssel an die Recheneinrichtung (13) sendet; und
k) - die Recheneinrichtung (13) unter Verwendung des Betreiber-Schlüssels die Einstellwerte und/oder die Parametrierdatei und/oder weitere auf das elektrische Gerät (11a-h) bezogene Informationen und/oder von dem elektrischen Gerät (11a-h) im Betrieb empfangene Daten verschlüsselt abspeichert; oder
l) - die Recheneinrichtung (13) die Einstellwerte
und/oder die Parametrierdatei und/oder weitere auf das elektrische Gerät (11a-h) bezogene Informationen und/oder von dem elektrischen Gerät (11a-h) im Betrieb empfangene Daten in einem unter Verwendung des Betreiber-Schlüssels zugriffsgeschützten Bereich abspeichert."
VIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 ist identisch zu Anspruch 1 des Hauptantrags.
IX. Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass unmittelbar nach Merkmal h) folgendes Merkmal hinzugefügt wurde (Merkmalsgliederung und Unterstreichung zur Hervorhebung von der Kammer):
m) "die Recheneinrichtung (13) in einer
Datenverarbeitungs-Cloud bereitgestellt wird, die mit mehreren Anlagen unterschiedlicher Betreiber mit jeweiligen elektrischen Geräten in Verbindung steht, wobei die Recheneinrichtung zumindest zwei voneinander getrennte Datenbereiche aufweist, die den unterschiedlichen Betreibern zugeordnet sind;"
und dadurch, dass die Merkmale i), k) und l) jetzt wie folgt lauten (Merkmalsgliederung und Unterstreichung von hinzugefügten Merkmalen von der Kammer):
i') "in der Benutzer-Einheit (32) ein dem jeweiligen
Betreiber des elektrischen Geräts (11a-h) zugeordneter eindeutiger digitaler
Betreiber-Schlüssel, der den Betreiber des jeweiligen elektrischen Geräts (11a-h) identifiziert, gespeichert ist,"
k') "die Recheneinrichtung (13) unter Verwendung des
Betreiber-Schlüssels die Einstellwerte und/oder die Parametrierdatei und/oder weitere auf das elektrische Gerät (11a-h) bezogene Informationen und/oder von dem elektrischen Gerät (11a-h) im Betrieb empfangene Daten derart in dem dem jeweiligen Betreiber zugeordneten Datenbereich verschlüsselt abspeichert, dass sie nur von dem Betreiber des jeweiligen elektrischen Geräts bei Kenntnis seines Betreiber-Schlüssels gelesen und bearbeitet werden können; oder
l') die Recheneinrichtung (13) die Einstellwerte
und/oder die Parametrierdatei und/oder weitere auf
das elektrische Gerät (11-h) bezogene Informationen
und/oder von dem elektrischen Gerät (11a-h) im
Betrieb empfangene Daten derart in dem dem
jeweiligen Betreiber zugeordneten Datenbereich
unter Verwendung des Betreiber-Schlüssels
zugriffsgeschützt abspeichert, dass sie nur von
dem Betreiber des jeweiligen elektrischen Geräts
bei Kenntnis seines Betreiber-Schlüssels gelesen
und bearbeitet werden können."
X. Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt wurde (Merkmalsgliederung und Unterstreichung zur Hervorhebung von der Kammer):
n) "- nach Abschluss der Parametrierung des
elektrischen Geräts (11a-h) die Benutzer-Einheit (32) von der Recheneinrichtung (13) eine
Software-Information abruft, die einen Versionsstand einer aktuellen Gerätsoftware für das elektrische Gerät (11a-h) angibt und
- die Benutzer-Einheit (32) die
Software-Information anzeigt und auf benutzerseitigen Befehl oder automatisch eine Aktualisierungs-Aufforderung an die Recheneinrichtung (13) versendet, um die Recheneinrichtung zum Übertragen der aktuellen Gerätsoftware an das elektrische Gerät (11a-h) zu veranlassen".
XI. Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt wurde (Merkmalsgliederung und Unterstreichung zur Hervorhebung von der Kammer):
o) "wobei
- bei einer Anschaffung eines neuen elektrischen
Geräts (11a-h) durch den Betreiber die Recheneinrichtung (13) eine Identifizierungsinformation des neuen elektrischen Geräts (11a-h) mit einem Betreiber-Schlüssel des Betreibers verknüpft und abspeichert und
- bei einer Parametrierung des neuen elektrischen Geräts (11a-h) die Recheneinrichtung (13) nur solche Einstellungen für das neue elektrische Gerät (11a-h) akzeptiert, die von einer
Benutzer-Einheit (32) stammen, die über denselben Betreiber-Schlüssel verfügt".
XII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt wurde (Merkmalsgliederung und Unterstreichung zur Hervorhebung von der Kammer):
p) "wobei
- nach Abschluss der Parametrierung des
elektrischen Geräts (11a-h) für den Fall, dass das elektrische Gerät (11a-h) durch ein anderes elektrisches Gerät (11a*) zu ersetzen ist, die Benutzer-Einheit (32) an die Recheneinrichtung (13) eine Identifizierungsinformation des elektrischen Geräts (11a-h) und eine Identifizierungsinformation des anderen elektrischen Geräts (11a*) sendet; und
- die Recheneinrichtung (13) die Einstellwerte des elektrischen Geräts (11a-h) als Einstellwerte für das andere elektrische Gerät (11a*) übernimmt".
XIII. Anspruch 1 von Hilfsantrag 5a unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 dadurch, dass Merkmal p) wie folgt lautet (Merkmalsgliederung und Unterstreichung von hinzugefügten Merkmalen von der Kammer):
p') "wobei
- nach Abschluss der Parametrierung des
elektrischen Geräts (11a-h) für den Fall, dass das elektrische Gerät (11a-h) durch ein anderes elektrisches Gerät (11a*) zu ersetzen ist, die Benutzer-Einheit (32) an die Recheneinrichtung (13) eine Identifizierungsinformation des elektrischen Geräts (11a-h) und eine Identifizierungsinformation des anderen elektrischen Geräts (11a*) sendet, wodurch das elektrische Gerät (11a-h) bei der Recheneinrichtung (13) abgemeldet und das andere elektrische Gerät (11a*) bei der Recheneinrichtung angemeldet wird; und
- die Recheneinrichtung (13) die Einstellwerte des elektrischen Geräts (11a-h) als Einstellwerte für das andere elektrische Gerät (11a*) übernimmt".
XIV. Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt wurde (Merkmalsgliederung und Unterstreichung zur Hervorhebung von der Kammer):
q) "wobei
mit der Benutzer-Einheit (32) mittels eines optischen Sensors eine Identifizierungsinformation des elektrischen Gerätes (11a-h) in Form eines optisch erfassbaren Codes erfasst wird;
- die Identifizierungsinformation des elektrischen Gerätes (11a-h) von der Benutzer-Einheit (32) an die Recheneinrichtung (13) übertragen wird; und
- die Recheneinrichtung (13) das Parametrierprogramm unter Verwendung der Identifizierungsinformation derart anpasst, dass es zum Parametrieren des Geräts (11a-h) geeignet ist, oder aus einer Mehrzahl von Parametrierprogrammen ein zum Parametrieren des Gerätes (11a-h) geeignetes auswählt".
XV. Anspruch 1 von Hilfsantrag 7 unterscheidet sich von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 dadurch, dass am Ende folgendes Merkmal hinzugefügt wurde:
r) "und
- die Recheneinrichtung (13) unter Verwendung der Identifizierungsinformation weitere auf das elektrische Gerät (11a-h) bezogene Informationen ermittelt, die den Gerätetyp, eine Gerätedokumentation, verfügbare Funktionen des Geräts, einen Hersteller des Geräts oder
Online-Verknüpfungen zu Support und Updatedateien für das Gerät angeben".
1. Gegenstand des Streitpatents
Anspruch 1 des Patents betrifft die Parametrierung eines elektrischen Geräts, insbesondere einer Automatisierungsanlage, das mit einer Recheneinrichtung und einer "Benutzer-Einheit", beispielsweise einem mobilen Computer oder einem mobilen Kommunikationsgerät, eine Verbindung aufbauen kann. Ein "Parametrierprogramm" für das elektrische Gerät wird von der Recheneinrichtung zur Verfügung gestellt und dort ausgeführt. Anhand der durch die Benutzer-Einheit eingegebenen Einstellungen werden Einstellwerte und eine "Parametrierdatei" für das elektrische Gerät erzeugt. Zusätzlich wird ein in der Benutzer-Einheit gespeicherter digitaler Schlüssel an die Recheneinrichtung gesendet. Diesen verwendet die Recheneinrichtung, um die Einstellwerte bzw. andere auf das elektrische Gerät bezogene Daten in verschlüsselter Form oder in einem mit dem Schlüssel zugriffgeschützten Bereich abzuspeichern.
2. Hauptantrag (Anspruch 1) - erfinderische Tätigkeit
Auch wenn das Streitpatent als technischen Vorteil offenbart, dass die Einstellwerte bzw. Daten "auf der Recheneinheit vor unbefugten Zugriffen geschützt werden" (Absatz [0012]), ist der Abspeicherort in keinem Anspruch des Hauptantrags näher spezifiziert. So heißt es in Absatz [0035] des Streitpatents selbst, dass die Einstellwerte auch auf der "Recheneinrichtung" gespeichert sein können.
2.1 Vorbemerkungen zu den Begriffen "Betreiber" und "Betreiber-Schlüssel"
Als "Betreiber" des elektrischen Geräts wird eine natürliche oder juristische Person verstanden, die dem elektrischen Gerät prinzipiell zugeordnet werden kann. Da dies bei jedem Gerät möglich ist und es zudem einen nicht-technischen Aspekt darstellt, schränkt der Begriff "Betreiber" den Gegenstand von Anspruch 1 nicht weiter ein. Der "Betreiber-Schlüssel" wird einfach als "digitaler Sicherheitsschlüssel" verstanden.
2.2 Dokument D2 ist unstreitig ein geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und beschreibt ebenso ein System zur Parametrierung eines elektrischen Geräts ("Automatisierungsgerät") mittels einer Recheneinrichtung ("Konferenzserver"), bei dem eine Benutzer-Einheit ("Programmiergerät") nicht mit dem elektrischen Gerät, sondern mit der Recheneinrichtung verbunden ist bzw. eine Kommunikationsverbindung dazu aufbaut (Zusammenfassung, Absatz [0002] und Fig. 1; vgl. Merkmale a) und b)).
Die Recheneinrichtung ("Konferenzserver" zusammen mit "Rechenzentrum") stellt ein Parametrierprogramm ("virtuelle Maschine" mit "Engineeringsoftware") zur Verfügung und führt es aus, wobei die Recheneinrichtung auf das elektrische Gerät bezogene Daten ("Engineeringdaten") an das elektrische Gerät übermittelt, um von dem Parametrierprogramm erzeugte Projektierungsdaten in das elektrische Gerät "zu laden", d. h. dort zu speichern (Zusammenfassung; Absatz [0018], erste Hälfte;vgl. Merkmale c) und g)).
Ferner stellt die "Recheneinrichtung" eine virtuelle Verbindung zwischen dem Parametrierprogramm und der Benutzer-Einheit ("Bediengerät") her, um Einstellungen ("Eingabedaten") zu erfassen, wobei implizit aus den erfassten Einstellungen Einstellwerte zur Parametrierung gebildet und die erfassten Daten in Form einer Datei verarbeitet werden (Absatz [0018], zweite Hälfte). Außerdem dient die virtuelle Verbindung dazu, Bilddaten zu übertragen, um eine Bedienoberfläche für das Parametrierprogramm ("Bildschirmanzeige der Engineeringsoftware") auf der Benutzer-Einheit anzuzeigen (ibid.) (vgl. Merkmale d), e), f) und h)).
Es können hierbei mehrere Parametrierprogramme vorgesehen sein ("mindestens eine virtuelle Maschine 28, 30, 32", Absatz [0036], Fig. 1). Damit können verschiedene Versionen von "Engineeringsoftware" abhängig von der jeweiligen Automatisierungslösung vorgehalten werden (Absätze [0007] und [0008]). Absatz [0016] beschreibt, dass die Verbindung zwischen der Benutzer-Einheit ("Programmiergerät") und dem elektrischen Gerät ("Automatisierungssystem") über das Rechenzentrum laufenden Parametrierprogramm ("virtuelle Maschine" mit "Engineeringsoftware") folgende Vorteile aufweist:
"[...] Die Art des Verbindungsaufbaus gewährleistet hierbei, dass nur autorisierte Benutzer und Einheiten, also automatisierungssystemseitige Automatisierungsgeräte, miteinander verbunden werden können. Ebenso wird hierbei eine Multimandantenfähigkeit einer solchen Lösung vom Konferenzserver sichergestellt."
2.3 Nach Ansicht der Kammer impliziert der gesicherte Zugriff von autorisierten Benutzer-Einheiten auf die Recheneinrichtung die Übertragung eines digitalen Schlüssels, selbst wenn es nur eine Netzwerkadresse der Benutzer-Einheit sein sollte. (vgl. Merkmal j))
Die Patentinhaberin bestritt in diesem Zusammenhang, dass Merkmal j) aus D2 bekannt sei, und argumentierte, dass in D2 kein Schlüssel genannt sei und es außerdem eine Vielzahl von Möglichkeiten für Datensicherheit gebe, wie es sich auch aus D3, erste Seite, letzter Absatz ergebe.
Die Kammer ist von dem Argument nicht überzeugt und folgt in diesem Punkt der Ansicht der Einsprechenden, dass allein der Umstand, dass in D2 eine verschlüsselte Verbindung stattfindet, bereits die Übersendung eines Schlüssels impliziert. Dabei ist festzuhalten, dass "Schlüssel" jegliche Information bezeichnet, die von der Benutzer-Einheit an die Recheneinrichtung gesendet wird und zur Herstellung der Datensicherheit verwendet werden kann. Der Austausch einer solchen Information muss auch bei der in Absatz [0016] von D2 genannten Situation angenommen werde, in der verschiedene Benutzer sich zu erkennen geben müssen, um einen geschützten Zugang zu ihren Daten zu erhalten.
2.3.1 Dokument D2 offenbart somit ein Verfahren mit den Merkmalen a) bis h) und j).
2.3.2 Das Verfahren von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von der Offenbarung von D2 dadurch, dass
- der Schlüssel auf der "Benutzer-Einheit" gespeichert ist (Merkmal i))
- die Recheneinrichtung unter Verwendung des Schlüssels die Einstellwerte und/oder die Parametrierdatei und/oder weitere auf das elektrische Gerät bezogene Informationen und/oder von dem elektrischen Gerät im Betrieb empfangene Daten (im Folgenden "Gerätedaten") verschlüsselt oder in einem unter Verwendung des
Betreiber-Schlüssels zugriffsgeschützten Bereich abspeichert (Merkmale k) und l)).
2.3.3 Der technische Effekt dieser Unterschiede besteht nun darin, dass
i) der Schlüssel bereits in der
Benutzer-Einheit vorgehalten und nicht vom Benutzer eingegeben werden muss, so dass die Authentifizierung erleichtert wird
ii) die gespeicherten Gerätedaten auch in den Fällen geschützt sind, in denen es
nicht-autorisierten Benutzern gelingt, eine Verbindung aufzubauen.
Beide Wirkungen sind nicht synergetisch miteinander verbunden und erlauben mithin die Definition von zwei Teilaufgaben.
2.3.4 Die zugrunde liegenden objektiven Teilaufgaben könnten daher darin gesehen werden, (i) "den sicheren Zugriff der Benutzer-Einheit auf die Recheneinrichtung für den Benutzer zu vereinfachen" und (ii) "die Sicherheit der gespeicherten Gerätedaten zu erhöhen".
2.3.5 Bezüglich der Teilaufgabe (i) ist festzuhalten, dass es für eine Fachperson auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik zum Anmeldezeitpunkt eigentlich nur zwei praktikable Optionen zur Vereinfachung eines sicheren Zugriffs der Benutzer-Einheit auf die Recheneinrichtung verfügbar gewesen wären, nämlich entweder (1) die Eingabe durch den Benutzer oder (2) die Vorabspeicherung des entsprechenden Sicherheitsschlüssels. Im Lichte dieser gleichwertigen Optionen mit ihren hinreichend bekannten Vor- und Nachteilen wäre es somit für die Fachperson eine naheliegende Variante gewesen, einen digitalen Schlüssel für die Autorisierung in der zugreifenden Benutzer-Einheit zu speichern, damit der Benutzer ihn nicht immer wieder neu eingeben müsste.
Bezüglich der Teilaufgabe (ii) ist es zum Anmeldezeitpunkt der dem Patent zugrunde liegenden Anmeldung durchaus bekannt gewesen, gespeicherte Daten mit einem Schlüssel abzusichern, sei es durch verschlüsselte Speicherung oder durch Abspeicherung in einem mit einem Schlüssel zugriffsgesicherten Bereich (siehe z. B. Dokument D3, Seite 585, "Level 2: Access control to the file itself, but without encryption of the content", "Level 3: Access control (including encryption of the content of a data object"). Zur Lösung der objektiven Aufgabe (ii) hätte die Fachperson zudem in naheliegender Weise auch diese Maßnahme implementiert, da im System von D2 der Zugriff auf die Recheneinrichtung bereits geschützt ist und als weitere Möglichkeit zur Erhöhung der Sicherheit nur noch die Sicherung der Daten selbst auf der Recheneinrichtung verbleibt.
2.3.6 Ausgehend von D2 und vor die oben genannten Teilaufgaben gestellt, hätte die Fachperson durchaus vorgesehen, dass der Schlüssel in der Benutzer-Einheit gespeichert wird und die Gerätedaten mit dem Schlüssel verschlüsselt oder dass sie in einem mit dem Schlüssel zugriffsgesicherten Bereich abgespeichert werden. Somit wäre die Fachperson ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht daher, ausgehend von D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen einer Fachperson auf dem Gebiet der Automatisierungstechnik, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) i.V.m. 56 EPÜ).
2.4 Artikel 100 a) i.V.m. 56 EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Streitpatents wie erteilt entgegen.
3. Hilfsantrag 1 (Anspruch 1) - erfinderische Tätigkeit
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist identisch zu Anspruch 1 des Hauptantrags und daher aus den vorgenannten Gründen ebenso nicht erfinderisch.
3.2 Auch Hilfsantrag 1 ist daher nicht nach Artikel 56 EPÜ gewährbar.
4. Hilfsantrag 2 - Zulassung
4.1 Die in Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags vorgenommenen Änderungen werden wie folgt zusammengefasst:
- die Recheneinrichtung wird in einer "Datenverarbeitungs-Cloud" bereitgestellt, die mit mehreren Anlagen unterschiedlicher Betreiber verbunden ist, und weist zumindest zwei voneinander getrennte jeweils einem Betreiber zugeordnete Datenbereiche auf (Merkmal m))
- in der Benutzer-Einheit ist ein einem Betreiber zugeordneter Schlüssel gespeichert (Merkmal i')),
- die Recheneinrichtung speichert die Gerätedaten so in den Datenbereichen ab, dass sie nur vom jeweiligen Betreiber gelesen und bearbeitet werden können (Merkmale k') und l')).
4.2 Die Kammer weist darauf hin, dass im Gegensatz zu den höherrangigen Anträgen der Abspeicherort der Gerätedaten jetzt eingeschränkt ist, nämlich auf Datenbereiche in der Recheneinrichtung. Die auf einen Betreiber bzw. einen zugeordneten Schlüssel bezogenen Merkmale reduzieren sich hingegen darauf, dass mehrere Anlagen und mehrere Schlüssel existieren, die den Schreib/Lese-Zugriff auf die Gerätedaten in einem dem jeweiligen Schlüssel zugeordneten Datenbereich der Recheneinrichtung autorisieren, da die bloße Zuordnung zu einem Betreiber keine technische Einschränkung darstellt (vgl. Punkt 2.1 oben).
4.3 Die Patentinhaberin argumentierte, dass Hilfsantrag 2 auf dem "Hilfsantrag 2" aus dem Einspruchsverfahren basiere und nur geringfügige Änderungen enthalte.
4.4 Die Kammer ist aus den folgenden Gründen nicht davon überzeugt:
Hilfsantrag 2, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, enthielt zwar bereits die Merkmale, dass die Recheneinrichtung in einer "Cloud" bereitgestellt wird und zwei voneinander getrennte Datenbereiche aufweist, allerdings nicht das Merkmal, dass die Gerätedaten auch in diesen Datenbereichen abgespeichert werden. Letztgenanntes Merkmal stellt somit einen Aspekt dar, der in keinem anderen der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruchssätze in irgendeiner Weise behandelt wurde. Dieser Hilfsantrag stellt daher einen neuen Sachverhalt ("fresh case") dar, der zu einer erhöhten Verfahrenskomplexität führen kann (Artikel 12 (4), Satz 4, VOBK 2020). Außerdem hätte er schon früher eingereicht werden sollen (Artikel 12 (6), Satz 2, VOBK 2020).
4.5 Aus diesen Gründen übt die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK dahin aus, Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (2), (4) und (6) VOBK 2020).
5. Hilfsantrag 3 (Anspruch 1) - erfinderische Tätigkeit
5.1 Das in Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags hinzugefügte Merkmal n) betrifft die Aktualisierung der Software auf dem elektrischen Gerät.
5.2 Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung verschiedene Interpretationen des ersten Absatzes des hinzugefügten Merkmals n) angeführt und ist ohne Bezugnahme auf eine konkrete Interpretation zum Schluss gekommen, dass das hinzugefügte Merkmal durch das System von D2 nahegelegt sei (Gründe 10.4).
5.3 Die Kammer versteht den ersten Absatz von Merkmal n) dahingehend, dass die "Benutzer-Einheit" von der Recheneinrichtung die Software-Information abruft und zwar nach Abschluss der Parametrierung. Außerdem ist die Kammer der Ansicht, dass die Aktualisierung einer Software auf dem elektrischen Gerät und die Durchführung im Rahmen der Parametrierung, bei der ohnehin gerade eine Verbindung zwischen dem elektrischen Gerät und der Benutzer-Einheit aufgebaut ist, naheliegendes Handeln der Fachperson darstellt. Ebenso ist es im Zusammenhang mit der Nutzerfreundlichkeit naheliegend, einen Benutzer zuerst über eine installierte Softwareversion zu informieren und die Aktualisierung nur auf Anforderung durchzuführen.
5.4 Die Patentinhaberin argumentierte, dass kein Dokument des Standes der Technik eine Softwareaktualisierung zeige und dass bei üblichen Firmware-Updates eine direkte Verbindung vorliege.
Die Kammer ist davon nicht überzeugt. Software-Updates waren der Fachperson zum Anmeldezeitpunkt als allgemeines Fachwissen wohlbekannt, um Fehler einer bereits installierten Software beheben oder sie aktualisieren zu können (siehe z. B. die "Service Pack" genannten Updates von Windows 2000 aus dem Jahr 2000 oder die laufenden Updates der Betriebssysteme von Smartphones, die auch seit wenigstens 2010 bekannt sind). Dieses bekannte Verfahren auch auf die im elektrischen Gerät installierte Software anzuwenden, war zum Anmeldezeitpunkt für die Fachperson naheliegend. Zur Art der Verbindung zwischen dem elektrischen Gerät und der Benutzer-Einheit wird angemerkt, dass D2 bereits eine indirekte Verbindung offenbart und die Fachperson zum Zwecke einer Softwareaktualisierung diese bereits eingerichtete indirekte Verbindung durchaus nutzen würde.
Zudem hat die Patentinhaberin vorgebracht, dass es keine Hinweise auf die hinzugefügten Merkmale in D2 oder D3 gebe. Auch dieses Argument überzeugt nicht. Die Aufgabe, Software aktuell zu halten, besteht grundsätzlich und unabhängig vom technischen Gebiet des betroffenen Geräts und die Fachperson benötigt keine Anregung bzw. keinen Hinweis aus dem Stand der Technik, um das allgemeine Fachwissen zur Lösung diese Aufgabe einzusetzen.
5.5 Hilfsantrag 3 ist daher wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
6. Hilfsantrag 4 (Anspruch 1) - erfinderische Tätigkeit
6.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen durch einen Sicherheitsmechanismus für die Parametrierung eines (neuen) elektrischen Geräts (vgl. Merkmal o)).
6.2 Der Zeitpunkt einer Anschaffung eines Geräts sowie der Umstand, ob das Gerät neu oder gebraucht ist, sind keine technischen Einschränkungen und können daher unberücksichtigt bleiben. Der Begriff "einem
Betreiber-Schlüssel" mit unbestimmtem Artikel wird dahingehend verstanden, dass er sich auf den "Betreiber-Schlüssel" aus Merkmal i) richtet.
6.3 Merkmal o) reduziert sich somit darauf, dass die "Recheneinrichtung" eine Identifikationsnummer des elektrischen Geräts mit dem Betreiber-Schlüssel verknüpft und für das zu parametrierende elektrische Gerät nur Einstellungen, d. h. Einstellhandlungen eines Benutzers, akzeptiert, die von einer Benutzer-Einheit mit entsprechendem Betreiber-Schlüssel stammen.
6.4 Diese hinzugefügten Merkmale bewirken, dass ein Benutzer an der Benutzer-Einheit keine Einstellungen für fremde Geräte vornehmen kann. Diese Wirkung resultiert jedoch unabhängig von den Teilaufgaben, die für die anderen Unterscheidungsmerkmale formuliert wurden (vgl. Punkt 2.3.4 oben). Die zugehörige objektive technische Aufgabe könnte nun darin gesehen werden, die "Gefahr von Fehlbedienungen im System von D2 zu verringern".
6.5 Diese Aufgabe dadurch zu lösen, dass Einstellungen nur angenommen werden, wenn das zu parametrierende Gerät dem Betreiber zugeordnet ist, dessen Schlüssel auch auf der "Benutzer-Einheit" gespeichert ist, stellt sicherlich eine naheliegende Maßnahme dar, die schon zum Anmeldezeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen gehörte und nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen kann.
6.6 Auch Hilfsantrag 4 ist daher wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
7. Hilfsantrag 5 (Anspruch 1) - erfinderische Tätigkeit
7.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags im Wesentlichen dadurch, dass beim Ersetzen eines bereits parametrierten elektrischen Geräts dessen Einstellwerte für das neue elektrische Gerät übernommen werden (vgl. Merkmal p)).
7.2 Wie die Einsprechende zutreffend argumentiert, ist Merkmal p) nicht auf eine automatische Erkennung eines neuen elektrischen Geräts eingeschränkt, sondern umfasst auch den Fall, dass die Identifizierungsinformationen der zwei beteiligten elektrischen Geräte manuell vom Benutzer eingegeben werden. Die Recheneinrichtung übernimmt daraufhin die Einstellwerte des einen elektrischen Geräts für das andere elektrische Gerät.
7.3 Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit stellt sich die Frage nach dem technischen Effekt, der sich zwingend und glaubhaft aus den Einschränkungen ergibt. Da Merkmal p) jedoch keine weiteren Aussagen zu den beiden beteiligten elektrischen Geräten macht und insbesondere die Frage offen bleibt, ob die Einstellwerte des alten Geräts überhaupt für das neue Gerät geeignet sind, kann die Kammer hier keinen zwingenden technischen Effekt bzw. Vorteil erkennen. Es ist hier nicht ausgeschlossen, dass vollkommen ungeeignete Einstellwerte für die Parametrierung des neuen elektrischen Geräts verwendet werden, in welchem Fall sicher kein sinnvoller technischer Effekt resultieren würde. Dem Merkmal p) kann damit auch kein Beitrag zu einer erfinderischen Tätigkeit zugeschrieben werden.
7.4 Die Patentinhaberin argumentierte, dass die Einschränkung von Merkmal p) die Parametrisierung eines neuen Geräts vereinfache, da es in der Cloud sofort erkannt werden würde.
Die Kammer ist davon nicht überzeugt, da aufgrund der Unbestimmtheit der elektrischen Geräte die Vereinfachung der Parametrisierung des neuen Geräts eben nicht sichergestellt ist. Auch kann nicht zwingend angenommen werden, dass das neue Gerät erkannt werden würde, da es offengelassen ist, wie die richtige Identifikationsinformation tatsächlich eingegeben wird.
7.5 Aber selbst wenn man zugunsten der Patentinhaberin annimmt, die beiden elektrischen Geräte wären soweit identisch, dass sich die Einstellwerte übertragen ließen, wäre es für die Fachperson naheliegend, bereits vorhandene Einstellwerte für ein neues elektrische Gerät zu verwenden und dazu die entsprechenden Identifikationsinformationen an die Recheneinrichtung zu übertragen, da andernfalls eine Zuordnung nicht möglich wäre.
7.6 Hilfsantrag 5 ist daher wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
8. Hilfsanträge 5a und 7 - Zulassung
8.1 In Anspruch 1 von Hilfsantrag 5a wurde in Merkmal p) hinzugefügt wird, dass das elektrische Gerät bei der Recheneinrichtung abgemeldet und das andere elektrische Gerät bei der Recheneinrichtung angemeldet wird.
8.2 In Anspruch 1 von Hilfsantrag 7 wurde Merkmal r) hinzugefügt, wonach die Recheneinrichtung unter Verwendung der Identifizierungsinformation weitere auf das elektrische Gerät bezogene Informationen ermittelt.
8.3 Keiner der im Einspruchsverfahren behandelten Anträge enthält in einem Anspruch die oben genannten hinzugefügten Merkmale. Sie sind vielmehr ausschließlich der Beschreibung entnommen (vgl. Seite 16, letzter Absatz bzw. Seite 12, erster Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung). Es handelt sich somit um Merkmale, die zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren erörtert werden müssten.
8.4 Der primäre Zweck des Beschwerdeverfahrens ist jedoch die gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung (Artikel 12 (2) VOBK 2020). Die Hilfsanträge 5a und 7 stellen aber der Kammer einen "neuen Sachverhalt" zur Prüfung, worüber die Einspruchsabteilung nicht entscheiden konnte. Es bestand auch kein spezifischer Anlass, diese Anspruchssätze, die neue Merkmale aufweisen, erst im Beschwerdeverfahren einzureichen. Die betreffenden Anträge hätten daher schon früher eingereicht werden können und sollen. Aus diesen Gründen hat die Kammer die Hilfsanträge 5a und 7 nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 (2), (4) und (6) VOBK 2020).
9. Hilfsantrag 6 - Zulassung
9.1 Das in Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 hinzugefügte Merkmal q) umfasst, zusammengefasst, die zwei Teilaspekte, dass
- eine Identifikationsinformation mittels eines optischen Sensors erfasst wird und somit nicht vom Benutzer eingegeben werden muss, und
- die Identifikationsinformation an die Recheneinrichtung gesendet wird, worauf diese das Parametrierprogramm an das zu parametrierende Gerät anpasst.
9.2 Hilfsantrag 6 ist identisch zu Hilfsantrag 6 des Einspruchsverfahrens, der wiederum einem früheren Hilfsantrag 3 entspricht (vgl. Sachverhalt und Anträge, Punkt X). Der frühere Hilfsantrag 3 wurde nämlich am 27. November 2020 in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht und später umnummeriert.
9.3 Im Einspruchsverfahren wurde dieser Antrag jedoch nie behandelt, da für den höherrangigen Hilfsantrag 5 bereits festgestellt wurde, dass er den Erfordernissen des EPÜ genüge. Die angefochtene Entscheidung basierte somit nicht auf diesem Hilfsantrag im Sinne von Artikel 12 (2) VOBK 2020.
9.4 Gemäß Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2020 steht es jedoch im Ermessen der Kammer, Anträge nicht zuzulassen, die der angefochtenen Entscheidung nicht zugrunde lagen und nicht "in zulässiger Weise" vorgebracht wurden.
9.5 Im vorliegenden Fall schränkte im Einspruchsverfahren Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 nicht den Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 weiter ein, sondern den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags. Keiner der Ansprüche 1 der höherrangigen Anträge 1, 1a und 2 bis 5 im Einspruchsverfahren wurde mithin durch das Merkmal q) konvergent weiterentwickelt. Dies gilt sowohl für den ersten als auch für den zweiten Teilaspekt. Hilfsantrag 6 entsprach vielmehr einer alternativen Einschränkung in eine andere, divergierende Richtung, die auch rückblickend nicht geeignet erscheint, das Verfahren zu einem Abschluss zu bringen. Die Frage der Konvergenz eines neuen Anspruchssatzes stellt zudem ein gültiges Kriterium bei der Ausübung des Ermessens einer Einspruchsabeilung dar und sprach im vorliegenden Fall gegen die Zulassung des Antrags. Darüber hinaus ist ein wesentlicher Teil des hinzugefügten Merkmals, nämlich die Erfassung der Identifikationsinformation mittels eines "optischen Sensors", ausschließlich der Beschreibung (siehe z. B. Seite 10, letzter Absatz und Seite 11, erster Absatz) zu entnehmen und wurde möglicherweise nicht vollständig recherchiert.
9.6 Die Kammer ist daher der Ansicht, dass unter Anwendung der oben genannten Kriterien der Antrag "nicht in zulässiger Weise" im Einspruchsverfahren eingereicht wurde.
9.7 Die Patentinhaberin argumentiert, dass die "Zulässigkeit" von Hilfsantrag 6 im Einspruchsverfahren nicht bestritten worden und er somit zuzulassen sei.
Die Kammer ist davon nicht überzeugt, da die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung keinerlei Aussagen zur Zulassung dieses Antrags gemacht hat und hierzu auch keine Veranlassung hatte. Aus dem Nichtbestreiten der Zulassung im Einspruchsverfahren kann mithin nicht abgeleitet werden, dass der Antrag zuzulassen war.
9.8 Aus diesen Gründen hat die Kammer Hilfsantrag 6 nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 (2) und (4) VOBK 2020).
10. Da kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, ist das Streitpatent zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.