T 0153/88 09-01-1991
Download und weitere Informationen:
Warmband oder Grobblech aus einem denitrierten Stahl und Verfahren zu seiner Herstellung
1) Thyssen Stahl AG
2) Hoesch AG
Inventive step (yes) - Disclosure
Erfinderische Tätigkeit (bejaht) - bei langem
Zeitraum zwischen einem Vortrag und dessen druck-
schriftlicher Wiedergabe kein zwingender Schluß auf
Inhaltsgleichheit statthaft
I. Das europäische Patent Nr. 0 030 309 wurde am 13. Februar 1985 auf die am 22. November 1980 mit deutscher Priorität vom 6. Dezember 1979 und 8. August 1980 eingereichte Anmeldung Nr. 80 107 296.8 erteilt. Seine unabhängigen Ansprüche 1, 5 und 11 haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung von Warmband oder Grobblech mittels einer thermomechanischen Behandlung, bei der eine starke Verformung des Stahls in einem Temperaturbereich um den Umwandlungspunkt Ar3 erfolgt, aus einem denitrierten Stahl bestehend aus Kohlenstoff 0,04 bis 0,16 %, Mangan 1,25 bis 1,90 %, Silizium 0,02 bis 0,55 %, Phosphor 0,004 bis 0,020 %, Schwefel 0,002 bis 0,015 %, Aluminium 0,02 bis 0,08 %, Niob 0,02 bis 0,08 %, Rest Eisen und etwaige Verunreinigungen, wobei das Warmband oder Blech beim Warmwalzen das letzte Fertiggerüst mit einer Temperatur von 750°C bis 820°C verläßt und mit einer Abkühlgeschwindigkeit von 2 bis 10°C/s auf eine Zwischentemperatur abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Zwischentemperatur zwischen 450°C und 570°C liegt und daß das Warmband oder Blech danach im Haspel oder im Stapel an Luft langsam auf Raumtemperatur abkühlt, wodurch ein ferritisch-perlitisches Gefüge erzeugt wird.
5. Verfahren zur Herstellung von Warmband oder Grobblech mittels einer thermomechanischen Behandlung, bei der eine starke Verformung des Stahls in einem Temperaturbereich um den Umwandlungspunkt Ar3 erfolgt, aus einem denitrierten Stahl bestehend aus Kohlenstoff 0,04 bis 0,16 %, Mangan 1,25 bis 1,90 %, Silizium 0,02 bis 0,55 %, Phosphor 0,004 bis 0,020 %, Schwefel 0,002 bis 0,015 %, Aluminium 0,02 bis 0,08 %, Niob 0,02 bis 0,08 % sowie Zusätzen von Molybdän 0,15 bis 0,35 %, von Chrom 0,10 bis 0,30 % und/oder Nickel 0,30 bis 0,90 % allein oder in Kombination, Rest Eisen und etwaige Verunreinigungen, wobei das Warmband oder Blech beim Warmwalzen das letzte Fertiggerüst mit einer Temperatur von 750°C bis 850°C verläßt und mit einer Abkühlgeschwindigkeit von 2 bis 10°C/s auf eine Zwischentemperatur abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Zwischentemperatur zwischen 450 und 620°C liegt und daß das Warmband oder Blech danach im Haspel oder im Stapel an Luft langsam auf Raumtemperatur abkühlt, wodurch ein ferritisch-perlitisches Gefüge erzeugt wird.
11. Warmband oder Grobblech, hergestellt nach einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10."
II. Am 8. und (durch ordnungsgemäß schriftlich bestätigtes Fernschreiben) am 13. November 1985 wurde von den Einsprechenden 1 und 2 aufgrund des Artikels 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Art. 54 EPÜ) und/oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) Einspruch eingelegt. Von den 12 Entgegenhaltungen, die im Einspruchsverfahren zur Diskussion standen, hat die Einspruchsabteilung sich im wesentlichen mit folgenden fünf Druckschriften auseinandergesetzt:
(1) JP-A-54-71714
(2) US-A-3 849 209
(3) DE-A-2 605 160
(4) Transactions ISIJ, Bd. 22, 1982, Seiten 608 bis 616
(12) ein Abkühlungsdiagramm mit Gefügebildern, vorgelegt von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens.
III. Mit ihrer in der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 1987 getroffenen und am 17. Februar 1988 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung die Einsprüche mit der Begründung zurück, daß die Entgegenhaltungen für die Erfindung weder neuheitsschädlich seien, noch deren erfinderische Tätigkeit in Frage stellten. Sie kam zu dem Ergebnis, daß (2) und (3) das dem Streitpatent zugrundeliegende Problem der Separationen nicht ansprächen, wenn auch mindestens das Verfahren nach (2) dem des Streitpatents sehr ähnlich sei. Dokument (1) könne nicht weiterhelfen, da aus ihm der letzte, für die Ausbildung des Gefüges entscheidende Abkühlschritt nicht herzuleiten sei. Nach (4), insbesondere dem Zeit-Temperatur-Umwandlungs(ZTU)-Schaubild von Fig. 6, würden höhere Abkühlgeschwindigkeiten auf Zwischentemperaturen von 450 bis 570° C offensichtlich zu einem Bainitgefüge führen, was aber nach dem Streitpatent gerade vermieden werden solle. Die Patentinhaberin habe auch durch (12) das Erzielen eines ferritisch-perlitischen Gefüges nach dem Verfahren des Streitpatents eindrucksvoll belegt. Dies könne nur bedeuten, daß das ZTU-Schaubild aus (4) entweder nicht richtig sei oder nicht für thermo-mechanisch behandelte Bleche gemäß dem Streitpatent gelte.
Deshalb hat die Einspruchsabteilung, die die Ansprüche auch als für das Verständnis des Fachmannes hinreichend deutlich ansah, das Patent in unveränderter Form aufrechterhalten.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende am 13. April 1988 Beschwerde eingelegt. Gleichzeitig hat sie die Beschwerdegebühr entrichtet und am 18. Juni 1988 die Beschwerdebegründung eingereicht. Die Einsprechende 2 nahm weder an der vorausgegangenen mündlichen Verhandlung, noch am Beschwerdeverfahren teil.
V. In ihrem schriftlichen Vorbringen und während der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 1991 stützte sich die Beschwerdeführerin im wesentlichen auf die Entgegenhaltung (1). Sie brachte vor, daß nicht nur die Zusammensetzungen der betreffenden Legierungen im wesentlichen gleich seien, sondern auch die Aufgabenstellung, nämlich die Verhinderung von Separationen, sowie der Lösungsvorschlag, der darin bestehe, zunächst im Temperaturbereich um den Umwandlungspunkt Ar3 zu arbeiten, anschließend rasch auf eine Zwischentemperatur abzukühlen, die nach der Entgegenhaltung (1) zwischen 500 und 650°C (im Streitpatent zwischen 450 und 570°C) liege, und schließlich langsamer auf Zimmertemperatur abkühlen zu lassen. Obwohl (1) keine ausdrückliche Lehre über den letzten Abkühlungsprozeß ab der Zwischentemperatur enthalte, sei eine langsame Abkühlung an dieser Stelle allgemein üblich und in der Entgegenhaltung (2) ausdrücklich mit Beispielen belegt.
VI. Die Beschwerdegegnerin trug hierzu vor, die Erfindung stelle einen wichtigen technischen Beitrag dar, der von einer grundlegend anderen Beurteilung des Verhaltens der betreffenden Stähle als der zum Prioritätszeitpunkt üblichen ausgehe. Damals sei man allgemein, wie sich dies auch aus veröffentlichten ZTU-Diagrammen wie z. B. dem der Abbildung 6 von (4) ergebe, davon ausgegangen, daß sich durch eine im Anschluß an die Bearbeitung im Ar3-Bereich stattfindende rasche Abkühlung des Stahls ein Bainitanteil bilde, was zu einer Sprödigkeit des Stahls führe. Im Gegensatz dazu habe sie, die Beschwerdegegnerin, festgestellt, daß die Stähle sogar auf niedrigere Zwischentemperaturen als die bisher in Betracht gezogenen abgekühlt werden könnten und dennoch der Bainit-Bereich des ZTU-Diagramms gemieden werden könne, sofern die weitere Abkühlung auf Zimmertemperatur nur langsam genug vor sich gehe; auf diese Weise erhalte man zähe und separationsfreie Stähle. Das tatsächliche Verhalten des Stahls sei gutachtlich (12) zu entnehmen. Was die Entgegenhaltung (1) anbelange, so werde darin zwar behauptet, man habe das Separationsproblem gelöst; tatsächlich zeigten die Ergebnisse jedoch, daß die erzielte Verbesserung, nämlich die Verringerung der Zahl der Separationen, auf Kosten der Zähigkeit gehe, was sich aus den Kerbschlagproben in den Tabellen 2 und 3 ergebe. Obwohl die Zahl der Separationen, die sich in der Regel nachteilig auf die Zähigkeit auswirkten, verringert worden sei, habe der Fachmann aus der Lehre dieses Dokuments keinen Nutzen ziehen können, weil die resultierenden Stähle trotz der kleineren Zahl von Separationen eine noch geringere Zähigkeit aufwiesen als diejenigen mit mehr Separationen. Außerdem hätten die Bezugnahmen in (1) auf eine Anwendung dieser Lehre auf etwa 20 mm dicke Platten den Fachmann zu der Annahme veranlassen müssen, daß die Abkühlung - wie bei Platten üblich - in einem Kühlbett erfolge und eben nicht in einem - eine verlangsamte Abkühlung bewirkenden - Stapel. Daß eine langsame Abkühlung unerwünscht sei, wenn es gelte, Separationen zu vermeiden, sei in
(8) Transactions ISIJ, Band 19 (1979), Seiten 324 bis 330 sogar ausdrücklich offenbart worden.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 30 309; die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Das Gebiet der Erfindung
2.1. Es wird laufend nach Stählen geforscht, die ein Höchstmaß erwünschter mechanischer Eigenschaften, wie Festigkeit, Zähigkeit und Sprödbruchfestigkeit bei niedrigen Temperaturen, mit einem Mindestmaß an Kosten für die Zugabe relativ teurer Legierungszusätze verbinden. In jüngerer Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die mechanischen Eigenschaften im allgemeinen dadurch verbessert werden können, daß der Stahl im Temperaturbereich zwischen der Rekristallisationstemperatur und dem Ar3-Punkt einer erheblichen plastischen Verformung unterzogen wird.
2.2. Bei dieser Arbeitsweise ist jedoch ein ganz neues Phänomen aufgetreten, das im Englischen als "separation" oder "splitting" bezeichnet wird. Dieses Phänomen läßt sich bei Kerbschlagproben beobachten. Dabei treten Risse in Walzrichtung auf, die einen erheblichen Zähigkeitsverlust insbesondere bei niedrigen Temperaturen bewirken. Dies ist vor allem bei Stählen von Bedeutung, die für den Bau von Erdölleitungen verwendet werden sollen. Mit dieser Problematik befaßt sich die Erfindung.
3. Nächster Stand der Technik
3.1. Die Entgegenhaltung (1) ist nach Auffassung der Kammer der nächste Stand der Technik. Dort geht es - ebenso wie in dem Streitpatent - um die Problematik der Separationsbildung bei schwachlegierten niobhaltigen Stählen, die bei Temperaturen zwischen dem Rekristallisationspunkt von Austenit und dem Ar3-Punkt bis zu 30 % und mehr warmgewalzt und anschließend bei einer Abkühlgeschwindigkeit von mindestens 3°C pro Sekunde rasch auf eine Temperatur zwischen 500 und 650°C abgekühlt worden sind. Im Gegensatz zu dieser breiten allgemeinen Definition wird der Stahl in Beispiel 1 konkret um 9°C pro Sekunde auf 600°C abgekühlt, während die Abkühlung auf die gleiche Temperatur nach Beispiel 2 mit einer Geschwindigkeit von 5°C/s erfolgt. Abgesehen von der obigen breiten Definition gibt es keinen Hinweis auf die Verwendung einer Zwischentemperatur im Bereich zwischen 500 und 600°C.
3.2. Obwohl die Vergleichszahlen in den Tabellen 2 und 3 von (1) zeigen, daß eine erhebliche Verbesserung des Wertes für Ismax, dem Maßstab für die Separationsbildung, eintritt (in Tabelle 2 sinkt dieser Wert von 0,39 auf 0,01 und in Tabelle 3 von 0,11 auf 0), wird diese Verbesserung mit einer verringerten Kerbschlagzähigkeit (Parameter vEo) erkauft; nach Beispiel 1 geht diese von 17,2 auf 14,0 und nach Beispiel 2 von 11,4 auf 9,4 zurück. Wenn man bedenkt, daß durch die Unterbindung der Separationsbildung ja gerade eine verbesserte Zähigkeit bei niedrigen Temperaturen erreicht werden soll, so sind diese Verluste als erheblich einzustufen und zeigen, daß die Lehre von (1) keine brauchbare Lösung für die Separationsproblematik bietet.
3.3. Dokument (1) sagt nichts darüber aus, auf welche Weise die Abkühlung auf Zimmertemperatur erfolgt. In den dortigen Beispielen geht es jedoch um Platten mit einer Dicke von 20 oder 25 mm, die man in der Regel an der Luft abkühlen läßt, also nicht in einem eine verlangsamte Abkühlung bewirkenden Stapel. Die Kammer folgt der durch (12) glaubhaft gestützten Darstellung der Beschwerdegegnerin, wonach der in (1) zu beobachtende Zähigkeitsverlust auf die Bildung von Bainit zurückzuführen sein dürfte, mit der bei Abkühlung auf Zimmertemperatur mit normaler Geschwindigkeit zu rechnen sei.
4. Aufgabenstellung
4.1. Ausgehend von (1) ist die objektive Aufgabenstellung der vorliegenden Erfindung darin zu sehen, die mit der Verringerung der Separationsbildung erzielte Verbesserung zu wahren, ohne gleichzeitig einen Zähigkeitsverlust der unter 3.2 genannten Art in Kauf nehmen zu müssen.
5. Lösung
5.1. Erfindungsgemäß soll die genannte Aufgabe im wesentlichen dadurch gelöst werden, daß eine rasche Abkühlung auf eine Temperatur zwischen 450 und 570°C (450 bis 620°C bei Stählen, die kleine Mengen Nickel, Chrom und/oder Molybdän enthalten; siehe Anspruch 5) erfolgt, an die sich eine langsame Abkühlung auf Zimmertemperatur anschließt.
5.2. Dieser Lösungsvorschlag unterscheidet sich in zweifacher Hinsicht von der Arbeitsweise nach (1): Erstens wird der Stahl auf eine jedenfalls tendenziell niedrigere Zwischentemperatur als die nach (1) abgekühlt; zweitens erfolgt die anschließende Kühlung ab der Zwischentemperatur im Haspel oder im Stapel, um die Abkühlungsgeschwindigkeit in diesem Temperaturbereich herabzusetzen. Unter Bezugnahme auf (12) hat die Beschwerdegegnerin dargelegt, daß bei Einhaltung dieser Schrittkombination der Bereich, in dem Bainit entsteht, gemieden wird, was zu einer Verbesserung der Zähigkeit des Stahls führt.
5.3. Das Streitpatent enthält rund 70 Beispiele und Vergleichsbeispiele untersuchter Stähle. Die Ergebnisse, die mit 67 dieser Stähle erzielt wurden, sind in Tabelle 5 dargestellt. Aus den in Fig. 4 bis 7 aufgeführten Ergebnissen geht hervor, daß ein durch den Parameter Cvmax/Cv100 ausgedrückter niedriger Separationswert bei guter Kerbschlagzähigkeit erzielt wird, wenn die Haspel- oder Stapeltemperatur hinreichend niedrig ist. Aufgrund dieser Ergebnisse ist es nach Auffassung der Kammer glaubhaft, daß mit der vorgeschlagenen Merkmalskombination die bestehende technische Aufgabe tatsächlich gelöst wird. Anders als bei den Ergebnissen nach (1), wo eine Verringerung der Separationsbildung mit einer verminderten Kerbschlagzähigkeit einhergeht, ist bei den hier vorliegenden Beispielen festzustellen, daß eine weitestgehende Verhinderung von Separationsbildung in Verbindung mit verbesserter Kerbschlagzähigkeit auftritt.
6. Neuheit
6.1. Die Neuheit wurde von der Beschwerdeführerin zuletzt nicht mehr bestritten. Da die Entgegenhaltung (1) weder ausdrücklich, noch im Lichte des allgemeinen Fachwissens eine verlangsamte Abkühlung von der Zwischen-auf Zimmertemperatur lehrt und die übrigen Entgegenhaltungen noch weiter wegliegen, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1. Es ist zu untersuchen, ob es für den Fachmann, dem sich als Ausgangspunkt die Offenbarung von (1) anbot, angesichts der bestehenden Aufgabe nahelag, die Lösung dieser Aufgabe in einer Kombination aus beschleunigter Abkühlung auf eine tendenziell niedrigere Zwischentemperatur mit anschließender verlangsamter Abkühlung auf Zimmertemperatur zu suchen. Die Kammer räumt der Beschwerdeführerin zwar selbstverständlich ein, daß verlangsamtes Abkühlen im Haspel oder Stapel an sich bekannt ist und häufig verwendet wird; im Zusammenhang mit der Entgegenhaltung (1) fehlt es jedoch nicht nur an einer Lehre, die eine langsame Abkühlung auf Zimmertemperatur zum Gegenstand hätte (vgl. oben unter 3.3), sondern es ist diesem Dokument auch keine Anregung dafür zu entnehmen, zur Vermeidung von Separationen in Verbindung mit verbesserter Kerbschlagzähigkeit die Abkühlung auf Zimmertemperatur zu verlangsamen. Ganz im Gegenteil ist dem Dokument (8), Seite 330, Punkt 6 die Lehre zu entnehmen, daß verlangsamtes Abkühlen im Haspel das Auftreten von Separationen fördert, was eindeutig in die Gegenrichtung weist.
7.2. Die Entgegenhaltung (2) enthält zwar Angaben über eine langsame Abkühlung ausgehend von einer Zwischentemperatur, die durch beschleunigte Abkühlung nach der thermomechanischen Behandlung erreicht worden ist, doch erfolgt diese Aussage im Zusammenhang mit ganz anderen Stählen, für die sich das Problem der Separationen nicht stellt, weil sie im Temperaturbereich um den Umwandlungspunkt Ar3 nicht einer erheblichen Verformung ausgesetzt worden sind; vielmehr geht die dortige Lehre dahin, daß es vorzuziehen sei, die Hauptverformung bei höheren Temperaturen durchzuführen. In Spalte 12, Zeilen 53 bis 58 heißt es außerdem, daß zur Erhöhung der Zähigkeit das Haspeln vorzugsweise bei über 700°C erfolgen solle. Nach Auffassung der Kammer zeigt diese Entgegenhaltung lediglich, daß verschiedene Möglichkeiten eines verlangsamten oder beschleunigten Abkühlens auf Zimmertemperatur bekannt waren, ohne jedoch einen Hinweis auf die Lösung der Aufgabe des Streitpatents mittels langsamen Abkühlens nach tendenziell niedrigerer Zwischentemperatur zu geben.
7.3. Auch die Entgegenhaltung (3) befaßt sich mit der Herstellung hochfester Stahlbleche mit hoher Zähigkeit bei niedrigen Temperaturen. Dort ist ebenfalls eine rasche Abkühlung mit 3 bis 5° C/sec. auf eine Zwischentemperatur von 580 bis 620° C bzw. mit 10° C/sec. auf 400° C vorgesehen, mit anschließender Luftabkühlung. Die Möglichkeit der verzögerten Abkühlung wird jedoch nicht angesprochen; auch fehlen Angaben zur Stärke der Verformung um den Ar3-Punkt, so daß (3) keine Hinweise für die dem Streitpatent zugrundeliegende Erfindung zu entnehmen waren.
7.4. Wie aus II ersichtlich, weist die Entgegenhaltung (4) ein Veröffentlichungsdatum auf, das geraume Zeit nach dem Prioritätsdatum des Streitpatents liegt. Aus dem Titelblatt des betreffenden Artikels geht zwar hervor, daß sein Inhalt bereits im Oktober 1979 auf der 98. ISIJ-Tagung an der Universität von Nagoya vorgetragen worden war, also vor dem Prioritätstag; die Einspruchsabteilung hat jedoch zu Recht festgestellt, daß nicht mit Sicherheit angenommen werden könne, daß das 1979 Offenbarte mit dem Inhalt eines volle drei Jahre später verfaßten Artikels identisch sei, es sei denn, die Einsprechende, die diesen Artikel entgegenhalte, hätte überzeugende Belege hierfür vorweisen können. Auch wenn man in der Regel bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen kann, daß ein Vortrag und seine kurze Zeit später erfolgte schriftliche Wiedergabe inhaltsgleich sind, so kann dies im vorliegenden Fall, wo zwischen beiden ein Zeitraum von 3 Jahren liegt, nicht mehr ohne weiteres unterstellt werden. Somit kann der Inhalt von (4) dem Streitpatent nicht mehr als Stand der Technik entgegengehalten werden, obwohl seine wissenschaftliche Aussage gutachtlich dafür herangezogen werden kann zu erläutern, welche Mikrostruktur zu erwarten ist, wenn eine bestimmte Legierung einer bestimmten Kombination thermomechanischer Behandlungen unterworfen wird. Vor allem aber unterscheidet sich die Lehre des nachveröffentlichen Dokuments (4) auch nicht nennenswert von derjenigen nach (1). Es ergibt sich nämlich aus (4), insbesondere dessen Fig. 6, daß, wie schon die Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt hat, höhere Abkühlgeschwindigkeiten auf Zwischentemperaturen von 450 bis 570° C offensichtlich ein Bainitgefüge entstehen lassen, was gemäß dem Streitpatent aber gerade vermieden werden soll. Die in (4) beschriebenen höheren Abkühlgeschwindigkeiten können deshalb dem Fachmann, der ein perlitisch-ferritisches Gefüge erzielen will, keinen zielführenden Hinweis geben. Im Gegenteil bestand die Leistung der Patentinhaberin gerade darin, sich über die in Fig. 6 von (4) wiedergegebene Ansicht, daß erhöhte Abkühlgeschwindigkeiten unweigerlich ein Bainitgefüge zur Folge haben, hinweggesetzt zu haben.
7.5. Nach allem ist die Kammer davon überzeugt, daß es für den Fachmann nicht naheliegend war, zur Lösung der bestehenden Aufgabe die Verfahrensschritte nach Anspruch 1 oder 5 vorzuschlagen.
8. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ; die Ansprüche sind daher gewährbar. Das gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 10. Anspruch 11 stellt einen unabhängigen Product-by-process-Anspruch dar, dessen Rechtsbeständigkeit daraus folgt, daß das Erzeugnis an sich (aufgrund seines unterschiedlichen Gefüges) neu und im Hinblick auf das zu den Verfahrensansprüchen Gesagte auch erfinderisch ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.