T 0668/99 (Antrag auf Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Kostenfestsetzung der Geschäftsstelle) 14-09-2004
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Einziger Antragsteller
Verbot der reformatio in peius (bejaht)
Rechtskraft Entscheidung Einspruchsabteilung über Kostenverteilung
I. Mit Entscheidung vom 20. Dezember 1993 wies die Einspruchsabteilung den Einspruch der Einsprechenden 2, im folgenden Beschwerdeführerin, gegen das Patent Nr. 0 150 745 zurück - die Einsprechende 1 hatte vor Erlaß der Entscheidung ihren Einspruch zurückgezogen - und legte der Beschwerdeführerin die Kosten auf, die der Patentinhaberin, im folgenden Beschwerdegegnerin, dadurch entstanden waren, daß diese die stattgefundene mündliche Verhandlung vorbereiten und an ihr teilnehmen mußte. Die Kostenentscheidung wurde damit begründet, daß die Beschwerdeführerin der mündlichen Verhandlung ohne vorherige entsprechende Information der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin ferngeblieben war. Aufgrund der in einem Bescheid geschilderten Sachlage wäre die mündliche Verhandlung überflüssig gewesen, wenn die Beschwerdeführerin ihre Absicht, nicht an ihr teilzunehmen, vorher bekannt gegeben hätte, und der Beschwerdegegnerin wären keine zusätzlichen Kosten für die mündliche Verhandlung entstanden.
II. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung griff sie nicht an. Mit Entscheidung vom 13. September 1995 wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Mit Datum vom 1. Oktober 1996 setzte die Geschäftsstelle der Einspruchsabteilung gemäß Artikel 104 (2) Satz 1 i. V. m. Regel 63 (1) Satz 2 und (2) Satz 2 EPÜ die der Beschwerdegegnerin zu erstattenden Kosten fest. Aus dem von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Kostenfestsetzungsantrag von insgesamt DM 16 192,91 erkannte sie nur die eigenen Aufwendungen der Beschwerdegegnerin, die als GmbH die mündliche Verhandlung selbst durch ihren Geschäftsführer wahrgenommen hatte, an. Diese beliefen sich auf DM 3 622,50 und setzten sich wir folgt zusammen:
Eigene Aufwendungen für die Vorbereitung:
Durcharbeitung der benannten Entgegenhaltungen
10 Arbeitsstunden à DM 80,- =.....................DM 800,-
An- und Abreise zur mündlichen Verhandlung
350 km à DM 0,90..................................DM 315,-
1 Tagesspesensatz pauschal........................DM 35,-
8 Arbeitsstunden des Geschäftsführers anläßlich der mündlichen Verhandlung à DM 250,-............................DM 2 000,-
Zwischensumme.....................................DM 3 150,-
Mehrwertsteuer 15% hierauf........................DM 472,50
..................................................DM 3 622,50
Die Kostenrechnungen der Patentanwälte Czowalla, Matschkur et al vom 25. Februar, 30. Oktober und 11. November 1992 in einer Gesamthöhe von DM 4 649,38 wurden als nicht unmittelbar mit der mündlichen Verhandlung vom 23. November 1993 in Zusammenhang stehend angesehen und nicht anerkannt. Ebensowenig wurden die für den amerikanischen Erfinder, der der mündlichen Verhandlung beigewohnt hatte, geltend gemachten Reisekosten von DM 7 921,03 als erstattungsfähig anerkannt, da dessen Anwesenheit aus verfahrenökonomischer Sicht nicht notwendig gewesen sei.
IV. Mit Schriftsatz vom 4. November 1996, eingegangen am gleichen Tag, stellte die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Entrichtung der Kostenfestsetzungsgebühr Antrag auf Entscheidung der Einspruchsabteilung (Artikel 104 (2), Satz 2 i. V. m. Regel 63 (3) EPÜ). Sie begründete ihren Antrag damit, daß für die eigenen Aufwendungen der Patentinhaberin entgegen den Erfordernissen nach Regel 63 (2) EPÜ keine Belege beigefügt worden seien und auch nicht anderweitig glaubhaft gemacht worden sei, daß diese Aufwendungen entstanden und auch tatsächlich abgerechnet worden seien. Insbesondere stellten die Arbeitsstunden des Geschäftsführers keinen Kostenfaktor für eine Kostenerstattung dar, da sie mit dem Gehalt abgegolten würden. Auch gehöre die deutsche Mehrwertsteuer nicht zu den Kosten, da sie beim Finanzamt als Vorsteuer geltend gemacht werde und somit bei der Patentinhaberin als Kostenfaktor nicht zu Buche schlage.
V. Die Beschwerdegegnerin machte geltend, daß ihr Geschäftsführer nicht festangestellt sei, sondern nach Aufwand arbeite und abrechne. Sie fügte seine seinerzeitige Abrechnung bei, die sich auf DM 3 150,- belief und eine Mehrwertsteuer in Höhe von damals 15 %, somit einen Betrag von DM 472,50 nicht geltend machte. Die im Antrag auf Kostenfestsetzung geltend gemachten 8 Arbeitsstunden des Geschäftsführers à DM 250,- anläßlich der mündlichen Verhandlung sind in der Rechnung des Geschäftsführers aufgeteilt in 5 Stunden für die Verhandlung und 3 Stunden für die organisatorische Versorgung des US-Erfinders.
VI. Mit Mitteilung vom 24. April 1998 faßte die Einspruchsabteilung ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage zusammen und wies darauf hin, daß sie, was die Arbeitsstunden des Geschäftsführers für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung anbelange, diese für angemessen halte. Dagegen sei die für die organisatorische Versorgung des US-Erfinders aufgewendete Zeit für die inhaltliche Vorbereitung der mündlichen Verhandlung irrelevant. Die geltend gemachte Stellung des Geschäftsführers widerspreche jeglicher Lebenserfahrung und sei deshalb mit entsprechenden Unterlagen zu belegen. Davon hänge auch die Einbeziehung der Mehrwertsteuer ab. Die Reise- und Aufenthaltskosten des Erfinders hielt die Einspruchsabteilung für die Dauer von 5. Tagen (nicht wie ursprünglich geltend gemacht für 7 Tage) für erstattungsfähig, da die Einbeziehung des Erfinders als für die zweckentsprechende effiziente Wahrung der angefochtenen Rechte notwendige Maßnahme anerkannt werde.
VII. Die Beschwerdegegnerin legte daraufhin einen geänderten Antrag auf Kostenfestsetzung vor, bei dem die Arbeitsstunden anläßlich der mündlichen Verhandlung von 8 auf 6 Stunden und der Stundensatz von DM 250,- auf DM 125,- reduziert wurden und sich somit unter Einbeziehung von nunmehr 16 % Mehrwertsteuer (DM 304,-) für die eigenen Aufwendungen ein Betrag von DM 2 204,- ergab. Zusätzlich wurden nunmehr als Forderungen des Erfinders das Flugticket in Höhe von DM 1 089,45 sowie 5. Reisetage zu dem von der Einspruchsabteilung aufgezeigten Pauschalsatz von DM 293,- geltend gemacht, so daß sich die Gesamtsumme gegenüber dem von der Geschäftsstelle festgesetzten Betrag von DM 3 622,50 auf DM 4 785,45 erhöhte.
Zum Nachweis der Stellung des Geschäftsführers wurde die Betätigung einer Steuerberatungsgesellschaft vom 12. Mai 1998 vorgelegt, daß der Geschäftsführer der Beschwerdegegnerin keinem Anstellungsvertrag unterliege, sondern als Freiberufler "seine Leistungen nach Anfall abrechne und sie mit dem jeweils gültigen Mehrwertsteuersatz, z. Zt. 16 %, versehen" seien.
VIII. Hierauf machte die Beschwerdeführerin zum ersten Mal mit Schriftsatz vom 15. Januar 1999, eingegangen am 28. Januar 1999, geltend, daß ihr Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung am 23. November 1993 auf einem Büroversehen, nämlich einer falschen Notierung des Termins, beruht habe und der Termin mit etwas Verspätung hätte wahrgenommen werden können, wenn die Einspruchsabteilung ihrerseits die gebotene Sorgfaltspflicht hätte walten lassen und sich telefonisch nach der Ursache des Fernbleibens erkundigt hätte. Es sei auch fraglich, ob die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Kostenverteilung überhaupt rechtskräftig geworden sei. Denn die Beschwerdekammer habe in ihrer Entscheidung die Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung mit keinem Wort erwähnt, obwohl Beschwerde gegen deren Beschluß und damit auch gegen die Kostenentscheidung eingelegt worden sei.
Was den Aufwand des Geschäftsführers der Beschwerdegegnerin für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung betreffe, so seien 10 Stunden überzogen, zumal die Einspruchsabteilung klargestellt gehabt habe, daß das Patent den Anforderungen des EPÜ genüge und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich wäre.
Auch sei ihr nicht klar, wie 6 Stunden für die mündliche Verhandlung veranschlagt werden könnten, wenn diese nicht einmal eine Stunde gedauert habe.
Bezüglich der Kosten des Erfinders sei festzustellen, daß dieser nicht geladen gewesen sei und daß in Anbetracht der von der Einspruchsabteilung klar zum Ausdruck gebrachten Beurteilung des Patents seine Anwesenheit zur zweckentsprechenden Wahrung der Rechte der Beschwerdegegnerin auch nicht erforderlich gewesen sei.
Die Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer hänge nicht vom Arbeitsstatus des Geschäftsführers ab, sondern von der Stellung des Rechnungsempfängers gegenüber dem Finanzamt. Sei dieser zum Vorsteuerabzug berechtigt, bekomme er die Mehrwertsteuer vom Finanzamt erstattet. Dies sei bei einer GmbH regelmäßig der Fall. Eine doppelte Erstattung komme aber nicht in Betracht.
Ganz abgesehen davon genüge die Rechnung des Geschäftsführers nicht den Anforderungen an einen ordentlichen Beleg, da sie weder einen Eingangs- noch einen Buchungsstempel oder etwas Entsprechendes aufweise. Ein Nachweis über die tatsächliche Bezahlung aller geltend gemachten Beträge sei bisher nicht erfolgt.
Abschließend warf die Beschwerdeführerin die Frage auf, ob die Einspruchsabteilung angesichts des Umstandes, daß nur sie, die Beschwerdeführerin, Antrag auf Entscheidung der Einspruchsabteilung gestellt habe, überhaupt eine sie, die Beschwerdeführerin, gegenüber der Kostenfestsetzung durch die Geschäftsstelle schlechter stellende Entscheidung erlassen könne.
IX. Mit Entscheidung vom 22. April 1999 legte die Einspruchsabteilung den der Beschwerdegegnerin zu erstattenden Betrag deren Antrag folgend auf DM 4 758,45 fest.
Die Begründung der Entscheidung entsprach im wesentlichen der Mitteilung vom 24. April 1998. Auf die von der Einsprechenden neu aufgeworfenen Fragen zur Rechtskraft der Kostenentscheidung sowie zum Verbot der reformatio in peius wurde nicht eingegangen.
X. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 23. Juni 1999 unter gleichzeitiger Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde ein und begründete diese am 2. August 1999. Die Begründung wiederholt das mit Schriftsatz vom 15. Januar 1999 vor der Einspruchsabteilung geltend Gemachte.
Die Beschwerdeführerin hat beantragt,
"1) die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben,
2) hilfsweise mündliche Verhandlung anzuberaumen."
XI. Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und auf ihren bisherigen Sachvortrag verwiesen.
Zur Glaubhaftmachung der ihr entstandenen Kosten hat sie eine Kopie der Rechnung ihres Geschäftsführers vom 13. Dezember 1993 sowie eine Bestätigung der Steuerberatungsgesellschaft Feucht mbH vom 12. Mai 1998 vorgelegt, daß der Geschäftsführer als Freiberufler seine Tätigkeit nach Anfall abrechnet.
XII. Mit Mitteilung vom 25. Juli 2000 hat die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage zur Kenntnis gebracht und die Beschwerdeführerin auf die Unvollständigkeit ihres Antrags hingewiesen sowie auf die Bestimmungen der Regeln 63 (4) und 66 (1) EPÜ, wonach im vorliegenden Fall die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen werde.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1. Die Beschwerde entspricht gemäß Regel 65 (1) EPÜ den Artikeln 106 bis 108 sowie Regeln 1 (1) und Regel 64 b) EPÜ und erfüllt somit an sich die üblichen Zulässigkeitserfordernisse.
Allerdings ist der Antrag nicht ganz eindeutig - die Beschwerdeführerin hat ihn trotz Hinweises auch nicht weiter präzisiert - weil nicht angegeben worden ist, was an die Stelle der angefochtenen Entscheidung nach deren Aufhebung treten soll. Aus den Akten des erstinstanzlichen Verfahrens und zwar aus dem letzten Schriftsatz vom 15. Januar 1999, entnimmt die Kammer jedoch, daß die Beschwerdeführerin die Rechtskraft der Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Kostenverteilung bestreitet und offensichtlich die Aufhebung dieser Entscheidung erstrebt mit der Folge, daß jede der Beteiligten die ihr erwachsenen Kosten selbst tragen soll. Für die Erfüllung der Erfordernisse nach Regel 64 b) EPÜ reicht es nach der Rechtssprechung der Beschwerdekammern aus, wenn der Umfang des Antrags der Beschwerdeführerin sich aus ihrem gesamten Vorbringen ergibt (vgl. Singer/Stauder, EPÜ, Artikel 108 Rdnr 20).
1.2. Gemäß Artikel 106 (5) EPÜ i. V. m. Artikel 11 GebO ist ferner eine Entscheidung über die Festsetzung des Betrags der Kosten im Einspruchsverfahren mit der Beschwerde nur anfechtbar, wenn der Betrag die Beschwerdegebühr übersteigt.
Dies ist hier ohne Zweifel der Fall, da nach der Einlassung der Beschwerdeführerin der gesamte von der Einspruchsabteilung festgesetzte Betrag von DM 4 758,45 angegriffen wird.
1.3. Somit ist die Beschwerde zulässig.
2. Rechtskraft der Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung
2.1. Die Beschwerdeführerin bezweifelt die Rechtskraft der Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung, da sie mit ihrer Beschwerde die gesamte Entscheidung der Einspruchsabteilung angegriffen habe und damit auch deren Kostenentscheidung.
Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß sie gegen "die" Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 20. Dezember 1993 Beschwerde eingelegt hat. Ihr mit der Beschwerde gestellter Antrag ging allerdings dahin, "die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das angegriffene Patent im beantragten Umfang zu widerrufen." Dieser Antrag änderte sich auch nicht im Verlauf des gesamten Beschwerdeverfahrens, in dem die Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung nicht ein einziges Mal von der Beschwerdeführerin auch nur erwähnt wurde.
Deshalb kann kein Zweifel bestehen, daß die Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung mangels hiergegen gerichteter Beschwerde mit Ablauf der Beschwerdefrist in Rechtskraft erwachsen ist. Denn angesichts des eindeutigen Sachantrags im Beschwerdeverfahren, der auch nicht durch eine Kritik der Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung relativiert wurde, kann auch nicht von einer impliziten Anfechtung der Kostenentscheidung ausgegangen werden.
Dies bedeutet, daß die Beschwerdeführerin mit ihrem nunmehrigen Vorbringen, daß ihr Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung auf einem büromäßigen Versehen beruht habe, nicht mehr gehört werden kann. Dieses Vorbringen hätte, um gewürdigt zu werden, im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 20. Dezember 1993 erfolgen müssen.
2.2. Auch der Umstand, daß die Kostenentscheidung gemäß Artikel 104 (1) EPÜ ggfs. von Amts wegen zu treffen ist, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Denn anders als bei den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach einhelliger Überzeugung jederzeit auch im Beschwerdeverfahren zu überprüfen sind, bedeutet der Erlaß einer Kostenentscheidung von Amts wegen nicht notwendigerweise, daß diese Entscheidung auch von Amts wegen zu überprüfen ist. Denn zur Überprüfung einer Entscheidung in der höheren Instanz bedarf es der Beschwerde eines Verfahrensbeteiligten, und der Beschwerdeführer legt durch seinen Antrag fest, in welchem Umfang er die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung anstrebt. Hinzu kommt in diesem Fall, daß die Beschwerdekammer prima facie zu einer Überprüfung von Amts wegen im Hinblick auf die für die Kostenentscheidung gegebene Begründung auch keinen Anlaß hatte.
2.3. Somit hat die Kostenentscheidung der Einspruchsabteilung Bestand.
3. Verbot der reformatio in peius
3.1. Das Verbot der reformatio in peius oder Verschlechterungsverbot hat keine unmittelbare Grundlage im Text des Europäischen Patentübereinkommens, sondern wurde durch die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer entwickelt, die sich in drei Entscheidungen grundlegend mit diesem Problem auseinandergesetzt hat (G 0009/92, G 0004/93, ABl. EPA 1994, 875; G 0003/99, ABl. EPA 2002, 347). Danach bedeutet dieses Prinzip bisher, daß die Beschwerdekammer die von einem einzigen Beschwerdeführer angegriffene Entscheidung der ersten Instanz nicht zu dessen Ungunsten abändern darf.
3.2. Im vorliegenden Fall stellt sich nun die Frage, ob das Verbot auch gilt, wenn das Verfahren nicht in eine höhere Instanz verlagert, sondern innerhalb der gleichen Instanz weitergeführt wird, wie es bei dem Rechtsbehelf gegen die Kostenfestsetzung durch die Geschäftsstelle der Einspruchsabteilung der Fall ist. Gemäß Artikel 104 (2) Satz 2 EPÜ ist gegen die Kostenfestsetzung der Geschäftsstelle der Einspruchsabteilung der Antrag auf Entscheidung durch die Einspruchsabteilung innerhalb einer in der Ausführungsordnung vorgeschriebenen Frist zulässig. Diese Frist beträgt gemäß Regel 63 (3) Satz 1 EPÜ einen Monat nach Zustellung der Kostenfestsetzung. Dieselbe Bestimmung schreibt auch vor, daß der Antrag schriftlich einzureichen und zu begründen ist. Ferner gilt der Antrag erst als gestellt, wenn die Kostenfestsetzungsgebühr entrichtet worden ist (Regel 63 (3) Satz 2 EPÜ). Die Anforderungen entsprechen somit im wesentlichen denen der Beschwerde.
Hervorzuheben ist zudem, daß die Überprüfung der von der Geschäftsstelle vorgenommenen Kostenfestsetzung durch die Einspruchsabteilung nicht von Amts wegen erfolgt, sondern auf Antrag, der allen Beteiligten offensteht. Auch ist der Suspensiveffekt, der den Eintritt der formellen Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung aufschiebt, ebenso vorhanden wie bei der Beschwerde. Der Devolutiveffekt, der aufgrund des Rechtsbehelfs das Übergehen der Angelegenheit auf die höhere Instanz beinhaltet, ist zwar im eigentlichen Sinne nicht gegeben. Aber der Antrag hat zumindest eine vergleichbare Wirkung, nämlich daß das Verfahren von der Geschäftsstelle auf die Abteilung, also eine höhere Stelle, wenngleich innerhalb derselben Instanz, übergeht.
Schließlich darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Antrag gemäß Artikel 104 (2) Satz 2 EPÜ die einzige in jedem Fall zur Verfügung stehende Möglichkeit der Überprüfung der Kostenfestsetzung durch die Geschäftsstelle darstellt. Denn die Beschwerde wird im Hinblick auf die Regelung in Artikel 106 (5) EPÜ i. V. m. Artikel 11 GebO, wonach der in Rede stehende Betrag die Beschwerdegebühr übersteigen muß, in einer Anzahl von Fällen nicht zulässig sein.
3.3. Angesichts des Umstandes, daß die Gemeinsamkeiten zwischen Beschwerde und Antrag auf Entscheidung durch die Einspruchsabteilung bei weitem überwiegen und somit die Position des einzigen Antragsstellers der des einzigen Beschwerdeführers vergleichbar ist, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, daß das Verbot der reformatio in peius auch für den Antrag gemäß Artikel 104 (2) Satz 2 EPÜ zu gelten hat.
4. Entfallende Kosten
4.1. Die von der Einspruchsabteilung entgegen der Kostenfestsetzung durch die Geschäftsstelle zusätzlich veranschlagten Kosten für den Erfinder von insgesamt DM 2 554,45 würden die Beschwerdeführerin schlechter stellen als sie durch die von der Geschäftsstelle erfolgte Kostenfestsetzung stehen würde. Sie haben deshalb bereits allein auf Grund des Verschlechterungsverbots zu entfallen. Die Frage, ob und inwieweit diese Kosten zur zweckentsprechenden Wahrung der Rechte der Beschwerdegegnerin notwendig waren (Regel 63 (1) Satz 2 EPÜ), kann nicht mehr geprüft werden.
4.2. Die Beschwerdegegnerin hat selbst den Posten "Arbeitsstunden des Geschäftsführers anläßlich der mündlichen Verhandlung" von acht auf sechs Arbeitsstunden reduziert und den pro Arbeitsstunde ursprünglich veranschlagten Betrag von DM 250,- auf DM 125,- verringert, so daß sich für diesen Posten nunmehr ein Gesamtbetrag von DM 750,- ergibt.
Somit stehen unter Einbeziehung der übrigen von der Geschäftstelle anerkannten unter Punkt III aufgeführten Aufwendungen DM 1 900,- zur Überprüfung, wozu von der Beschwerdegegnerin noch nunmehr 16 % (gegenüber den von der Geschäftsstelle veranschlagten 15 %) Mehrwertsteuer geltend gemacht werden, also DM 304,-.
5. Mehrwertsteuer
In seiner der Beschwerdegegnerin übermittelten Rechnung vom 13. Dezember 1993 hat der Geschäftsführer keine Mehrwertsteuer geltend gemacht. Deshalb stellt sich das Problem der Mehrwertsteuer hier nicht. Denn die Beschwerdegegnerin kann nicht mehr verlangen als ihr selbst in Rechnung gestellt wird.
6. Glaubhaftmachung
Gemäß Regel 63 (2) EPÜ sind dem Antrag auf Kostenfestsetzung Belege beizufügen und die Kosten sind glaubhaft zu machen. Die hierzu von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände sind im wesentlichen nicht berechtigt.
Die Kammer hat lediglich zu prüfen, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, ob die Rechnung zum Schein gestellt wurde. Nachdem die Beschwerdegegnerin eine Bestätigung ihrer Steuerberatungsgesellschaft vorgelegt hat, die bestätigt, daß ihr Geschäftsführer als Freiberufler seine Leistungen nach Anfall abrechnet und der Geschäftsführer laut Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. November 1993 auch tatsächlich die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung wahrgenommen hat, sieht die Kammer zu Zweifeln keinen Anlaß. Der Umstand, daß die Rechnung keinen Eingangsstempel trägt, ist ein formaler Fehler, der als Beweisanzeichen für eine Scheinrechnung im Hinblick auf die anderen Umstände nicht ausreicht. Auch ist ein Beleg für die Bezahlung der Rechnung hier nicht erforderlich, da es hierauf nicht ankommt. Ist die Rechnung noch offen, handelt es sich insoweit für die Beschwerdegegnerin um einen Sollposten.
Bezüglich der Frage, ob 10 Stunden für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung angemessen sind, ist zu berücksichtigen, daß sich immerhin 18 Entgegenhaltungen im Verfahren befanden. Außerdem konnte die Beschwerdegegnerin - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht mit Sicherheit davon ausgehen, daß der Einspruch zurückgewiesen werden würde. Die vorläufige Beurteilung der Sachlage durch die Einspruchsabteilung hätte sich in der mündlichen Verhandlung ändern können. Um mögliche Angriffe von Seiten der Beschwerdeführerin parieren zu können, mußte der Geschäftsführer der Beschwerdegegnerin den Inhalt der Entgegenhaltungen präsent haben. Unter diesen Umständen hält die Kammer eine Vorbereitungszeit von 10. Stunden für angemessen. Allerdings hat die Beschwerdegegnerin es trotz eines Hinweises der Kammer versäumt darzulegen, warum die Stunden für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und diejenigen anläßlich der mündlichen Verhandlung unterschiedlich abgerechnet werden. Ferner hat die Beschwerdegegnerin auch nicht erklärt, warum sie für die nicht einmal eine Stunde dauernde mündliche Verhandlung 6 Arbeitsstunden berechnet, zumal ihr Geschäftsführer ihr in seiner Rechnung vom 13. Dezember 1993 nur 5 Stunden berechnet hat.
Da die Beschwerdegegnerin zu diesen beiden Punkten trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer keine Stellungnahme abgegeben, geschweige denn diese geltend gemachten Kosten glaubhaft gemacht hat, kann die Kammer sie in dem geltend gemachten Umfang nicht anerkennen.
Für die Stunden anläßlich der mündlichen Verhandlung wird der gleiche Stundensatz zu Grunde gelegt wie für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, nämlich DM 80,-.
Mangels Angaben, wie die geltend gemachten Arbeitsstunden des Geschäftsführers anläßlich der mündlichen Verhandlung zustande kommen, kann die Kammer hierfür nicht mehr als drei Arbeitsstunden anerkennen.
7. Reisekosten und Tagesspesensatz
Die geltend gemachten Reisekosten einschließlich des Tagesspesensatzes sind ohne weiteres nachvollziehbar. Hierzu bedurfte es daher keines besonderen Belegs.
8. Zu erstattende Kosten
Somit setzen sich die der Beschwerdegegnerin für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung sowie deren Vorbereitung von der Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten, die alle in der Person des Geschäftsführers der Beschwerdegegnerin entstanden sind, wie folgt zusammen:
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
10 Stunden à DM 80,-..............................DM 800,-
An- und Abreise zur mündlichen Verhandlung
350 km à DM 0,90..................................DM 315,-
1 Tagesspesensatz pauschal........................DM 35,-
3 Arbeitsstunden anläßlich der mündlichen Verhandlung à DM 80,- ..................................................DM 240,-
..................................................DM 1 390,-
9. Die mündliche Verhandlung
Die Beschwerdeführerin hatte hilfsweise mündliche Verhandlung beantragt.
Gemäß Regel 63 (4) EPÜ entscheidet die Einspruchsabteilung über den Antrag auf Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Kostenfestsetzung der Geschäftsstelle ohne mündliche Verhandlung.
Die Vorschriften für das Verfahren vor der Stelle, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, sind gemäß Regel 66 (1) EPÜ im Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt. Da dies nicht der Fall ist, ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
10. Wesentlicher Verfahrensmangel
Gemäß Regel 68 (2) EPÜ sind die Entscheidungen des Europäischen Patentamts, die mit der Beschwerde angefochten werden können zu begründen.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im Verfahren vor der Einspruchsabteilung zwei den weiteren Fortgang des Verfahrens betreffende Fragen aufgeworfen: Sie hat die fehlende Rechtskraft der ersten die Kostenverteilung aussprechenden Entscheidung der Einspruchsabteilung geltend gemacht sowie das Prinzip des Verbots der reformatio in peius im Hinblick auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Kostenfestsetzung der Geschäftsstelle für sich beansprucht. Auf beide Punkte ist die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung nicht eingegangen.
Damit entspricht die Entscheidung teilweise nicht den Erfordernissen von Regel 68 (2) EPÜ und ist somit mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.
Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr, die bei Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels zu prüfen ist, kommt hier jedoch gemäß Regel 67 EPÜ nicht in Betracht, da es an einer weiteren Voraussetzung, der vollständigen Stattgabe der Beschwerde, mangelt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die von der Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin zu erstattenden Kosten werden auf DM 1 390,- in Worten: Eintausenddreihundertneunzig, festgesetzt, wobei an die Stelle dieser Summe nunmehr der entsprechende Euro-Betrag tritt.