Die Mikrochip-Herstellung revolutioniert: Erik Loopstra und Vadim Banine für den Europäischen Erfinderpreis 2018 nominiert
- Preis des Europäischen Patentamtes (EPA): niederländischer Ingenieur Erik Loopstra und niederländisch-russischer Physiker Vadim Banine für ihre Rolle in der Entwicklung der Extrem UV-Lithografie (EUVL) zur Herstellung schnellerer und leistungsstärkerer Chips nominiert
- EUVL nutzt Hochenergielaser, um mikroskopisch kleine Details auf Silizium-Wafern zu erzeugen - dem Grundbestandteil von Mikrochips
- EPA-Präsident Battistelli: „Erik Loopstra, Vadim Banine und ihre Ingenieurteams demonstrierten mit ihrer Arbeit, dass Europa ein fruchtbarer Boden für bahnbrechende Fortschritte in der Chip-Technologie des digitalen Zeitalters ist."
München, 24. April 2018 - Mikrochips finden sich heute überall - in Computern, Robotern, Autos, Smartphones und Haushaltsgeräten. Damit diese Geräte die stetig komplexeren Aufgaben des digitalen Zeitalters bewältigen können, müssen Halbleiterhersteller kleinere und leistungsstärkere Chips produzieren. Den Schlüssel dazu haben der niederländische Ingenieur Erik Loopstra, der niederländisch-russische Physiker Vadim Banine und ihre Teams von Forschern und Ingenieuren entwickelt: die Lithografie mit Extrem-Ultraviolett-Strahlung (EUVL) macht es erstmals möglich, geometrische Muster auf Wafern in einem nie dagewesenen Detailgrad zu erzeugen. Die EUVL wird ab diesem Jahr in industriellem Maßstab eingeführt und nutzt energiereiche Quellen, um extremes ultraviolettes Licht für die Herstellung noch schnellerer Mikroprozessoren zu erzeugen.
Für diese Leistung wurden Erik Loopstra und Vadim Banine als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2018 in der Kategorie „Industrie" nominiert. Die Auszeichnung wird am 7. Juni 2018 im Rahmen eines Festakts in Paris, Saint-Germain-en-Laye, verliehen.
„Erik Loopstra, Vadim Banine und ihre Forschungs- und Ingenieurteams belegen mit ihrer Arbeit, dass Europa ein fruchtbarer Boden für bahnbrechende Fortschritte in der Chip-Technologie des digitalen Zeitalters ist", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2018. „Banine und Loopstra haben ihre jeweiligen Kenntnisse als Physiker und Systemingenieur kombiniert und damit wesentlich zur Entwicklung einer Technologie für die industrielle Nutzung beigetragen, die dabei helfen wird, die nächsten Generationen von Mikrochips herzustellen."
Über die Grenzen der Physik hinaus
Seit den 1960er Jahren hat sich die Computerleistung - gemessen an der Transistorendichte auf einem einzigen Mikrochip - etwa alle zwei Jahre verdoppelt. So hatte es der US-amerikanische Ingenieur und Intel-Mitbegründer Dr. Gordon Moore 1965 prognostiziert und damit das „Mooresche Gesetz" begründet. Prozessoren haben sich seither weiterentwickelt: Während in den 1970er Jahren noch tausende Transistoren auf einem Chip verbaut wurden, sind es heutzutage viele Milliarden. Einer der Haupttreiber dieser Entwicklung ist die Fotolithografie, bei der Laserlicht geometrische Strukturen auf Silizium ätzt. „Jeder Chip besteht aus Milliarden von Transistoren und die kann man nicht per Hand herstellen", erklärt Vadim Banine „Unsere Maschine funktioniert wie ein umgekehrter Dia-Projektor. Das Dia (das wir „Maske" nennen) beinhaltet Bereiche, die lichtdurchlässig sind, und Bereiche, die Licht blockieren. Indem wir Licht durch diese Maske senden und das resultierende Muster mithilfe von Optiken verkleinern, können wir es auf den lichtempfindlichen Silizium-Wafer fokussieren. Je kleiner die Wellenlänge [des Laserlichtes], desto feinere Muster können wir herstellen."
Obwohl bei der Herstellung von Computerchips für immer detailliertere Schaltkreise heute bereits tief-ultraviolette Laser zum Einsatz gelangen, stößt diese Technologie an ihre technischen und wirtschaftlichen Grenzen. Das Problem: das verwendete UV-Licht hat eine Wellenlänge von 193 Nanometern. Ergänzende Technologien, die beispielsweise eine dünne Schicht Wasser als zusätzliche Linse verwenden (Immersionslithographie), können damit zwar Chipmerkmale in einer Größenordnung von weniger als 45 Nanometern erzeugen. Die Wellenlänge des UV-Lichts zu jedoch schlicht zu groß, und es erfordert zu viele komplizierte, kostenintensive und zeitaufwändige Zusatzschritte, um künftige Generationen leistungsstarker Mikrochips herzustellen.
Der Physiker und der Systemingenieur führten internationale Teams von Wissenschaftlern und Ingenieuren beim niederländischen Hersteller für Halbleiter-Anlagen ASML und seinem Optikhersteller ZEISS bei der Entwicklung einer komplett neuen Technologie, der sogenannten Extrem UV-Lithographie (kurz EUVL). Diese Technologie nutzten die Erfinder, um ein hochmodernes Lithografie-System für die Chipherstellung zu entwickeln. Zuerst erzeugte das Team eine neue Lichtquelle,
indem es einen Hochleistungslaser auf mikroskopisch kleine Tropfen Zinn abfeuerte. Dadurch entstand ein Plasma mit einer Temperatur von etwa 500.000 Grad Celsius. Das ultra-heiße Plasma emittiert extrem ultraviolettes Licht mit einer Wellenlänge von 13,5 Nanometern, was nahezu jener von Röntgenstrahlen entspricht. Es wird mithilfe eines optischen Systems mit ultra-glatten Spiegeln, die auf mehrlagigen Beschichtungen basieren, auf die Siliziumschicht des Chips gelenkt. Als zweites erzeugten Banine und Loopstra eine Vakuumumgebung, da das extrem ultraviolette Licht von Luft absorbiert werden kann. Damit sollte auch die Kontaminierung durch winzigste Partikel, die 1000 Mal dünner sind als menschliches Haar, verhindert werden: „Das bedeutete, dass wir in ein Hochvakuumsystem hinein mussten, was niemand zuvor je getan hatte.", sagt Banine.
Das daraus resultierende Verfahren bestätigt nicht nur das „Mooresche Gesetz", sondern erlaubt auch die Herstellung von Chips mit Details von acht Nanometern. Nach 20 Jahren Entwicklung in enger Zusammenarbeit mit Forschungspartnern und Zulieferern konnte ASML 2017 die EUVL als vollständiges Produkt auf den Markt bringen. In Produktionslinien wird die hochmoderne, patentierte Plattform dazu genutzt werden, die detailliertesten und präzisesten Schichten eines Chips herzustellen. Diese sind Teil eines Stapels von bis zu 100 Schichten pro Chip, die mit verschiedenen Arten von Lithographie hergestellt werden. Auf diese Weise können Chips im Bereich von sieben Nanometern hergestellt werden. Dies stellt einen Generationswechsel gegenüber älteren Herstellungsverfahren dar, die zeitaufwändiger als EUVL sind und zudem mehrere Durchgänge beim lithographischen Drucken erfordern. Die Technologie verspricht Zeit- und Kostenersparnisse bei der Produktion der nächsten Chipgenerationen, die Innovationen in Bereichen wie Unterhaltungselektronik, Gesundheit, autonomes Fahren, Robotik und künstliche Intelligenz voranbringen werden.
Weltmarktführer in der Chip-Herstellung
Getrieben von der großen Nachfrage nach Mikrochips verzeichnet die Halbleiterindustrie aktuell einen Boom. Die weltweiten Verkäufe stiegen laut der World Semiconductor Trade Statistics Organisation im Jahr 2017 um 20 Prozent auf 334 Milliarden Euro. Die großen Chiphersteller sind zwar in Asien oder den USA ansässig, die Technologie für die Herstellung stammt jedoch aus Europa. Einige der weltweit größten Halbleiterfirmen wollen die patentierte EUVL-Plattform von ASML innerhalb der nächsten zwei Jahre übernehmen. ASML gab im Januar 2018 bekannt, dass es im vierten Quartal 2017 zehn EUVL-Maschinen ausgeliefert und weitere 28 Systeme auf der Warteliste hat.
In Bezug auf den Umsatz ist Patentlizenzinhaberin ASML die weltweit größte Firma für Lithografie-Systeme mit einem geschätzten Marktanteil von etwa 85 Prozent im vergangenen Jahr. Das Unternehmen, das 1984 aus einem Joint Venture zwischen den niederländischen Firmen Advanced Semiconductor Materials International (ASMI) und Koninklijke Philips N.V. hervorging, ist strategisch günstig in der Brainport-Region Eindhoven angesiedelt. Schließlich ist diese ein bedeutendes Zentrum der europäischen Technologie-Industrie. Im Jahr 2017 beschäftigte die börsennotierte Firma etwa 19.200 Menschen weltweit - 4.000 davon arbeiteten allein in der EUVL-Technologie. Das Unternehmen hat seit 2004 mehr als acht Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert und ein starkes Portfolio an geistigen Eigentumsrechten aufgebaut, welches mehr als 10.000 Patente enthält. Das Unternehmen ist zudem eine strategische Partnerschaft mit ZEISS eingegangen. Der deutsche Partner liefert die optischen Systeme für die Waferscanner von ASML, das selbst einen Anteil von 24,9 Prozent am relevanten Geschäftssegment von ZEISS innehat.
Expertise in Systemarchitektur trifft auf physikalischen Sachverstand
Erik Loopstra studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Delft und schloss sein Studium mit einem Master ab. Er ist als Systemingenieur seit über 25 Jahren bei ASML tätig und entwickelte zahlreiche Verbesserungen an Herstellungsprozessen und Fotolithografie-Systemen, die auf den Markt gebracht worden sind. Aktuell arbeitet Loopstra an EUVL-optischen Systemen der nächsten Generation beim ASML-Lieferanten ZEISS in Deutschland. Der Erfinder von 65 europäischen Patenten wurde außerdem 2012 mit dem Martin-van-den-Brink-Preis der Niederländischen Gesellschaft für Feinwerktechnik (DSPE) ausgezeichnet. In seiner Freizeit erholt er sich von Hochenergielasern in seiner Werkstatt und stellt dort Möbel aus seinem Lieblingsmaterial Holz her.
Vadim Banine stammt ursprünglich aus Moskau, wo er 1988 seinen Abschluss in Physik am Moskauer Institut für Physik und Technologie erhielt. Zwei Jahre verbrachte er als Postdoktorand am Labor für Wärme- und Stoffübertragung der Technischen Universität Eindhoven (TU/e), wo er auch promoviert hatte. Seit 1996 arbeitet er für ASML und wendet seine wissenschaftlichen Kenntnisse dort an, um technologische Durchbrüche in der EUVL zu erzielen. Im Jahr 2010 wurde Banine Forschungsdirektor bei ASML und 2017 Direktor für Entwicklung und Engineering. Seit 2013 ist er zudem Professor für EUV-Lithografie am Lehrstuhl für Angewandte Physik der TU/e. Er hat mehr als 50 wissenschaftliche Publikationen verfasst und ist in 45 europäischen Patenten als Erfinder genannt. Trotz seines vollen Terminkalenders teilt er sein Wissen außerdem noch als Rezensent für SPIE und andere Magazine.
Medien- und Servicepaket:
Der Blick auf die Patente: EP2465012, EP2480936, EP2170021, EP2283388, EP2159638 und weitere
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Europas Silicon Valley
Computerchip-Technologie beim Europäischen Erfinderpreis: Patentierte Mikroprozessor-Innovationen treiben Durchbrüche in der Telekommunikation, Nanotechnologie und Medizin voran. Loopstra und Banine führen eine Tradition ehemaliger Gewinner und Finalisten beim Europäischen Erfinderpreis fort, darunter der legendäre 4004 Mikrochip von Federico Faggin (2006; Gewinner „Lebenswerk"), DNA-analysierende Mikrochips von Stephen P. A. Fodor und Team (2006; Gewinner „Nicht-EPO-Staaten"), ultra-effiziente RAM-Prozessoren für mobile Geräte von Sophie Wilson (2013; Finalist „Lebenswerk") und papierbasierte Mikroprozessoren von Elvira Fortunato und Rodrigo Martins (2016; Finalist „Forschung").
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