Elektronenoptik öffnet Blick auf die Nanowelt: Maximilian Haider für Europäischen Erfinderpreis 2019 nominiert
- Herausragende Leistungen in der Elektronenmikroskopie: Österreichischer Experimentalphysiker Maximilian Haider für Preis des Europäischen Patentamts (EPA) in der Kategorie „Lebenswerk" nominiert
- Haiders weltweit erstes Korrektivsystem für Elektronenmikroskope löste das hartnäckige Problem der Unschärfe und verzerrten Bilder
- Maximilian Haider unterstützt seit 20 Jahren mit Erfindungen die Entwicklung der Nanotechnologie - insbesondere die Miniaturisierung von Elektronik für Computer und Smartphones
München, 7. Mai 2019 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt die Nominierung des österreichischen Experimentalphysikers und Unternehmers Maximilian Haider für den Europäischen Erfinderpreis 2019 bekannt. Er ist einer von drei Finalisten in der Kategorie „Lebenswerk". Mit der Nominierung wird seine Erfindung für die verbesserte Auflösung beim Elektronenmikroskop gewürdigt. Das Forschungsinstrument gehört zu den wichtigsten Geräten der modernen Wissenschaft und der Nanotechnologie. Dank Haiders jahrzehntelanger Arbeit ist es gelungen die Schärfe der Bilder im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) um den Faktor 5 zu erhöhen. Deshalb können beispielsweise Halbleiterkristalle in atomarer Auflösung betrachtet werden. Mikrochip-Herstellern verschaffte dies die Möglichkeit, die Größe von Komponenten in mobilen Geräten zu reduzieren.
Maximilian Haider gründete 1996 mit Partnern das Unternehmen Corrected Electron Optical Systems GmbH (CEOS), um seine Technologie für den Markt nutzbar zu machen. CEOS ist mittlerweile Marktführer für Korrekturtechnologie und arbeitet im Auftrag weltweiter Mikroskop-Hersteller wie Hitachi, JEOL und Thermo-Fisher Scientific. Als Professor für Elektronenoptik ist Haider außerdem am Karlsruher Institut für Technologie tätig.
„Haiders Erfindung hat dazu beigetragen, dass Elektronenmikroskopie heute bis auf die atomare Ebene möglich ist. Diese Leistung förderte wiederum den Fortschritt in der Materialwissenschaft", sagte EPA-Präsident António Campinos über die österreichische Nominierung. „Seine Arbeiten und sein Unternehmen prägen seit Jahrzehnten die Elektronenmikroskopie."
Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden 2019 im Rahmen einer Galaveranstaltung am 20. Juni in Wien bekannt gegeben.
Aufbau der ersten elektronischen Linse
Das Elektronenmikroskop gibt es seit mehr als 60 Jahren. Es zählt weltweit zu den in Wissenschaft und Forschung am häufigsten verwendeten Instrumenten. Sein Prinzip: Es bündelt Elektronenstrahlen an Stelle von Licht. Deshalb können Elektronenmikroskope Objekte abbilden, die für optische Mikroskope zu klein sind. Allerdings verursachten die Strahlen von geladenen Elektronenteilchen noch vor 20 Jahren Bilddeformationen, die ihre Auflösung einschränkten. Der deutsche Physiker Otto Scherzer entwickelte zwar bereits in den 1940er Jahren eine Theorie zur Lösung dieses Problems, diese konnte aber aufgrund des damaligen Stands der Technik nicht umgesetzt werden. Erst Maximilian Haider fand in den 1990er Jahren den Weg, sie zur praktischen Anwendung zu bringen.
Seine Technologie besteht aus einem Satz magnetischer Polschuhe, die als Hexapole und Linsen bekannt sind. Sie lenken im Elektronenmikroskop die Strahlen der geladenen Teilchen ab und gleichen die inhärenten Verzerrungen aus. Das reduziert die Unschärfe in ihren Bildern. Haider vergleicht die Erfindung mit einer optischen Linse: Sie korrigiert das Sehvermögen einer Person, indem sie die Bilder auf der Netzhaut fokussiert. In gleicher Weise heben die Elektroden die Verzerrungen auf, die innerhalb der Teilchenstrahlen auf dem Weg von der Probe zum Detektor entstehen.
Maximilian Haider wurde 1950 im österreichischen Freistadt geboren. Für Linsen und optische Auflösung interessierte er sich bereits als Jugendlicher während seiner Ausbildung bei Optikern in Linz und Köln. Im Erwachsenenalter kehrte er auf die Schulbank zurück, legte eine Sonderprüfung ab und studierte Physik an der Universität Kiel und der TU Darmstadt. Dort traf er den deutschen theoretischen Physiker Harald Rose. Dieser überzeugte ihn, die Lichtoptik zu verlassen, um sich für seine Doktorarbeit dem Thema Überwindung der Auflösungsgrenze der Elektronenmikroskopie zuzuwenden.
In den folgenden Jahren arbeitete Haider mit Rose und dem deutschen Materialwissenschaftler Kurt Urban an der Lösung des Problems der Elektronenstrahlverzerrung. Haiders Schwerpunkt lag auf der Übertragung der Konzepte in die Praxis. Dafür untersuchte er die elektronischen Komponenten, die für die Korrektur der Verzerrung erforderlich sind. Nach seiner Promotion im Jahr 1987 setzte er seine Arbeit an der Korrekturtechnologie am Europäischen Molekularbiologischen Labor (EMBL) in Heidelberg fort, wo er schließlich die Elektronenmikroskop-Gruppe leitete.
Die Gründung von CEOS 1996 erfolgte durch Haider, Rose und den deutschen Physiker Joachim Zach, der an der TU Darmstadt bei Rose studierte und am EMBL mit Haider zusammenarbeitete. Ziel des Heidelberger Unternehmens war es, Haiders Technologie in Kooperation mit weltweit führenden Anbietern von Mikroskopen zur Marktreife zu bringen.
Als im folgenden Jahr 1997 die Förderung für Haiders Forschungen am EMBL auslief, stand auch die Technologie für die Anwendung im TEM zur Verfügung und ermöglichte eine Rekordauflösung von 0,12 Nanometern. Ein wichtiger Schritt für die Nanotechnologie: Materialwissenschaftler konnten damit erstmals einzelne Atomlagen in Halbleiterkristallen identifizieren. Dieser Fortschritt half insbesondere Herstellern von Mikrochips, immer kleinere Merkmale oder Defekte an Komponenten für Computer (und später auch für Smartphones) sichtbar zu machen.
„Diese hohe Auflösung, die wir jetzt bieten konnten, war ein echter Durchbruch - für die Wissenschaft, Elektronenoptik und für alle Materialwissenschaftler", sagt Haider.
1998 beantragte Haider schließlich das Patent zum Schutz der Entwicklung, an der er bereits seit seiner Promotion arbeitete, und brachte sie mit dem CEOS-Partner JEOL auf den Markt. „Patentiert haben wir eigentlich die Umsetzung des Konzepts, also die Technologie, wie sie in der Praxis angewandt und für die Nutzer passend gemacht wird", erklärt er.
CEOS brachte mit Philips im nächsten Schritt einen elektronischen Strahlkorrektor heraus. Haider veröffentlichte mit seinen Kollegen einen wegweisenden Bericht über ihre Ergebnisse im angesehenen Magazin Nature. Das rief andere Anbieter von Elektronenmikroskopen, darunter Hitachi, auf den Plan, um bei dem Start-up eigene Korrektoren zu beauftragen. Seitdem wurden zehn europäische Patente auf Haiders Erfindungen erteilt, deren Entwicklungen die Auflösung des Elektronenmikroskops weiter verbessert haben und dessen Verwendung voranbrachten. Im Jahr 2015 erreichte Haider die bisher unübertroffene Auflösung von 0,043 Nanometern - eine Strecke kleiner als der Radius eines Wasserstoffatoms!
Fortschritte in hoher Auflösung
CEOS ist heute mit 47 Mitarbeitern und einem Jahresergebnis von über einer Million Euro Marktführer in Korrekturtechnologie und Präzisionsausrüstung für elektronische Mikroskope. Das Unternehmen bietet Komponenten für 90 Prozent aller heute auf dem Markt befindlichen Transmissionselektronenmikroskope an. In Zusammenarbeit mit führenden Mikroskop-Anbietern, darunter JEOL, Philips, Hitachi, Thermo Fisher Scientific und ZEISS, definiert es die Grenzen der Technologie immer wieder neu, und Forscher profitieren von noch schärferen und besseren Bildern.
Der Markt für Transmissionselektronenmikroskope wird von 550 Millionen Euro im Jahr 2016 auf voraussichtlich 650 Millionen Euro bis 2021 wachsen. CEOS baut auf dem Erfolg des Gründers auf und kooperiert mit Partnern, um die Entwicklung in diesem Bereich weiter voranzutreiben.
Für Haider ist sein Lebenswerk sowohl die Erfindung, die den Fortschritt in der Elektronenmikroskopie ermöglichte, als auch das Unternehmen CEOS, das er aufbauen half und noch immer als leitender Berater unterstützt.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren wegweisende Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien bei einer Galaveranstaltung verliehen, die dieses Jahr am 20. Juni stattfindet. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten im Vorfeld der Verleihung über ein Online-Voting ermittelt. Die Abstimmung auf der EPA-Website ist bis zum 16. Juni 2019 möglich.
Über das Europäische Patentamt
Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit fast 7 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder auf der Grundlage einer einzelnen Patentanmeldung Patentschutz in bis zu 44 Ländern (mit einem Markt von rund 700 Millionen Menschen) erlangen. Das EPA gilt überdies als die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.
Weiterführendes Material
Blick auf das Patent: EP1057204, EP1012866
Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Europäischen Erfinderpreis 2019 sind in der EPA-Mediathek erhältlich. Smart TV-Nutzer können unsere App „Innovation TV" herunterladen und Videos zu allen Finalisten auf ihrem Fernseher anschauen. Die Verleihung am 20. Juni 2019 wird live auf „Innovation TV", der EPA-Website und der Facebook-Seite des EPA übertragen.
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