Erfolgreiche Erfinderin mit Leidenschaft für bessere Videokompression: Marta Karczewicz als Finalistin für Europäischen Erfinderpreis 2019 nominiert
- Polnische Erfinderin Marta Karczewicz ist für ihre Verdienste um die Weiterentwicklung der Videokompression für den Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Hunderte Erfindungen: Karczewicz hat dazu beigetragen, die Größe von Datenmengen zu reduzieren, was hochwertiges Video-Streaming und weitere Anwendungen ermöglicht
- Ihr Beitrag zur Entwicklung von Videcodecs und technischen Standards hat ihre Technologie Milliarden von Menschen zugänglich gemacht
München, 7. Mai 2019 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt bekannt, dass die polnische Erfinderin Marta Karczewicz für den Europäischen Erfinderpreis 2019 nominiert ist. Sie ist einer von drei Finalisten in der Kategorie „Lebenswerk". Damit würdigt das Europäische Patentamt ihre Arbeit auf dem Gebiet der Videokompression. Karczewicz hat ihre Karriere der Erfindung von Technologien gewidmet, die Videodateien ohne wahrnehmbare Qualitätsverluste um den Faktor 1000 komprimieren.
Mit hunderten von Erfindungen hat Karczewicz dazu beigetragen, dass qualitativ hochwertiges Video-Streaming, Videokonferenzen sowie Anwendungen in den Bereichen Virtual und Augmented Reality auf mobilen Endgeräten nutzbar sind. Als Vizepräsidentin für Technologie bei Qualcomm Technologies arbeitet sie bis heute an vorderster Stelle, wenn es um neue technische Entwicklungen geht.
„Marta Karczewicz ist
eine produktive Erfinderin", sagte EPA-Präsident António Campinos über ihre
Nominierung als Finalistin für den Europäischen Erfinderpreis 2019. „Ihr großer
Beitrag zu Codecs und technischen Standards hat das Video-Streaming und die
Video-Unterhaltungsindustrie für eine breitere Konsumentengruppe zugänglich
gemacht."
Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden 2019 im Rahmen einer Galaveranstaltung am 20. Juni in Wien bekannt gegeben.
Die richtigen Codecs, entfesseltes Streaming
Weltweit schauen sich immer mehr Menschen Filme auf unterschiedlichen Endgeräten an. Zugleich steigen ihre Ansprüche an die Qualität des Streaming weiter. Da Videostreams jedoch riesige Datenmengen enthalten und große Bandbreiten und Speicherplatz benötigen, mussten Video- und IT-Spezialisten einen Weg finden, die Datenmengen zu komprimieren, ohne dass darunter die Bildqualität litt. Karczewicz entwickelte in den vergangenen 20 Jahren Technologien, mit denen Videodateien um das 1000-fache verkleinert werden können - und zwar ohne sichtbare Qualitätseinbußen. Dank ihr ist das Video-Streaming weltweit auch für Nutzer mit Standard-Internetverbindung möglich. Jedes Mal, wenn ein Film online über eine Videoplattform gestreamt wird oder über den hochauflösenden HDTV-Bildschirm in terrestrischen Rundfunknetzen flimmert, geschieht dies wahrscheinlich mithilfe des Advanced Video Coding (AVC) Videostandards, ein Standard zur Videokompression, den die Erfinderin maßgeblich mitentwickelt hat.
Karczewicz hat nicht nur ein Faible für Filme, die auf Spezialeffekte setzen, sondern ist auch leidenschaftliche Mathematikerin. Als eine der zehn besten Teilnehmer der polnischen Mathematik-Olympiade bot ihr Nokia ein Stipendium an, mit dem sie Signal- und Bildverarbeitung an der Universität im finnischen Tampere studieren konnte. Während des Studiums erwachte ihr Interesse am Datenschrumpfen. „Ich mag es, große Datenmengen zu analysieren und darin nach Mustern zu suchen. Und genau darum geht es im Prinzip bei der Videokompression", sagt Karczewicz.
Während ihrer Zeit bei Nokia entwickelte Karczewicz Kernbestandteile des AVC, dem derzeit gebräuchlichsten Video-Komprimierungs-Codec für die Aufzeichnung, Kompression und weltweite Verbreitung von Videoinhalten. Ein Codec ist ein Bündel von Modulen und Algorithmen, mit dem das Datenvolumen von Videodateien für eine bessere Übertragbarkeit auf den Endgeräten der Nutzer verringert wird. Die Algorithmen erkennen ähnliche Muster in Einzelbildern sowie zwischen aufeinanderfolgenden Einzelbildern und filtern Redundanzen in Form von sich wiederholenden Informationen aus den Videodateien. Dadurch verringert sich die Datengröße des Videosignals.
Eine ihrer bemerkenswertesten Erfindungen in Bezug auf den AVC ist der patentierte Deblocking-Filter. Typischerweise in Set-Top-Boxen angewendet, glättet der Filter auftretende Pixel bei scharfen Konturen und verringert störende Lichteffekte in den Einzelbildern. Die Technologie des AVC ermöglicht schärfere Kontraste bei nebeneinanderliegen Datenblöcken und eine qualitativ bessere Übertragung, indem sie die Bilder in einfachere Informationseinheiten herunterbricht. Der Deblocking-Filter prüft unter anderem die Bildpunkte benachbarter Datenblöcke, schwächt und entfernt starke Abweichungen, die sonst als Artefakte, also störende Bildfehler, sichtbar wären. Dadurch wird die Datenmenge bei gleichbleibender Bildqualität reduziert.
Nach dem Studium promovierte Karczewicz und arbeitete mehrere Jahre für Nokia, bevor sie 2006 nach San Diego, Kalifornien, zog und bei Qualcomm zu arbeiten begann. Heute hat sie bei Qualcomm Technologies die Position der für Technologie zuständigen Vizepräsidentin inne. Sie trieb die Entwicklung innovativer Codecs weiter voran und trug mit ihrer Arbeit wesentlich zur Entwicklung der neuesten Video-Coding-Standards wie dem High Efficiency Video Coding (HEVC) bei, dem AVC-Nachfolger für noch schnelleres Streaming auf mobilen Endgeräten.
Karczewiczs Codec-Entwicklungen haben nicht nur die Video-Unterhaltungsindustrie maßgeblich beeinflusst, sondern das Video-Streaming einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Ihre verschiedenen Erfindungen haben Online-Streaming-Anbietern geholfen, ihren Markt auszubauen, und machen es Menschen auf der ganzen Welt möglich, jederzeit Filme und Serien auf ihren Tablets und Smartphones anzusehen.
Im Lauf der Jahrzehnte hat Karczewicz über 400 Erfindungen zum Patent angemeldet. Nahezu 130 davon sind mit einem europäischen Patent geschützt. Für die polnische Erfinderin wirken Patente wie ein Katalysator, der Know-how zur Verfügung stellt und damit den Fortschritt auf einem Forschungsgebiet befeuert. „Unternehmen müssen ihr eigenes Know-how schützen. Genauso wichtig ist es aber auch, zusammenzuarbeiten. Nur so kann Fortschritt gelingen", sagt sie. Sie ergänzt, dass geistiges Eigentum es ihr und ihren Kollegen ermöglicht hat, Erfindungen zu teilen und auf dem gegenseitigen Wissen aufzubauen, um technologische Standards innerhalb der Branche voranzubringen. „Wir machen unsere Erfindungen bekannt, damit sich andere davon inspirieren lassen und die Entwicklung weiter vorantreiben können. Wenn das funktioniert, macht es mich sogar noch stolzer."
Transformation der Video-Unterhaltungsindustrie
Die gesamte Industrie kann davon profitieren, wenn Erfindungen patentiert und über Normierungsgremien in technische Standards eingearbeitet werden. Dadurch werden neueste Technologien schneller angewandt und Produkte, die diese Technologien nutzen, zügiger zur Marktreife gebracht. Karczewiczs Erfindungen bei Qualcomm Technologies sind Teil des breiten Patent-Portfolios des Unternehmens Qualcomm Inc. und werden dem Markt als lizenzbasiertes Geschäftsmodell angeboten.
Laut Karczewicz wäre das Video-Streaming in dieser hohen Qualität durch Datenkompression zu einem so frühen Zeitpunkt ohne den Austausch in Normungsgremien nicht möglich gewesen. „Die Entwicklung von Codecs benötigt große Teams. Ein Unternehmen allein würde hier an seine Grenzen stoßen und die Qualität erheblich unter dem Mangel an Wettbewerb und Austausch von Wissen leiden", sagt sie.
Dank Karczewiczs Entwicklungen ist heute eine Video-Auflösung von 8K x 4K bei 120 Einzelbildern pro Sekunde möglich, mit der Nutzer Filme streamen und datenintensive Anwendungen im Bereich virtueller sowie erweiterter Realität auch auf ihren mobilen Endgeräten abspielen können. Zudem haben ihre Erfindungen bei Fortschritten im Bereich der Telemedizin eine Schlüsselrolle gespielt, wodurch Ärzte medizinische Versorgung aus der Ferne über Videotelefonie anbieten können.
Nach Jahrzehnten maßgeblicher Entwicklungsarbeit innerhalb der Video-Industrie arbeitet Karczewicz bei Qualcomm Technologies immer noch an vorderster Technologie-Front. Derzeit widmet sie sich dem Versatile Video Coding, kurz VVC, einem neuen Standard der Videokompression, der 2020 auf den Markt gebracht werden soll.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren wegweisende Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien bei einer Galaveranstaltung verliehen, die dieses Jahr am 20. Juni stattfindet. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten im Vorfeld der Verleihung über ein Online-Voting ermittelt. Die Abstimmung auf der EPA-Website ist bis zum 16. Juni 2019 möglich.
Über das Europäische Patentamt
Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit fast 7 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder auf der Grundlage einer einzelnen Patentanmeldung Patentschutz in bis zu 44 Ländern (mit einem Markt von rund 700 Millionen Menschen) erlangen. Das EPA gilt überdies als die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.
Weiterführendes Material
Blick auf die Patente: EP2304961, EP2074828, EP2165542
Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Europäischen Erfinderpreis 2019 sind in der EPA-Mediathek erhältlich. Smart TV-Nutzer können unsere App „Innovation TV" herunterladen und Videos zu allen Finalisten auf ihrem Fernseher anschauen. Die Verleihung am 20. Juni 2019 wird live auf „Innovation TV", der EPA-Website und der Facebook-Seite des EPA übertragen.
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