J 0030/90 (Dänemark - PCT) 03-06-1991
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I. Am 29. Juli 1988 reichte der Beschwerdeführer entsprechend dem internationalen Verfahren nach dem PCT eine Patentanmeldung ein, für die er eine Priorität vom 30. Juli 1987 beanspruchte. Mit der Anmeldung wurde zum einen um ein europäisches Patent für alle Staaten, für die das Europäische Patentübereinkommen am Anmeldetag in Kraft getreten war, und zum anderen um ein nationales Patent für Dänemark nachgesucht.
II. Am 1. Januar 1990 trat das Europäische Patentübereinkommen auch für Dänemark in Kraft.
III. Am 26. Januar 1990 mündete die internationale Anmeldung des Beschwerdeführers in Anwendung des Artikels 39 PCT und der Regel 104b (1) EPÜ in die sogenannte regionale Phase ein, wobei der Beschwerdeführer unter den verschiedenen Benennungsgebühren auch diejenige für Dänemark entrichtete.
IV. Mit Entscheidung vom 26. Juni 1990 stellte die Eingangsstelle des Europäischen Patentamts fest, daß das EPA für Dänemark nicht Bestimmungsamt sein könne, da sich aus Artikel 153 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 4 (1) ii) PCT zwangsläufig ergebe, daß Dänemark im Hinblick auf die Erteilung eines europäischen Patents erst ab 1. Januar 1990 benannt werden könne, und zwar unabhängig vom gewählten Erteilungsweg. Daher sei die Benennung Dänemarks für ein europäisches Patent unwirksam.
V. Der Beschwerdeführer legte dagegen am 6. August 1990 unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit entsprechend seinem in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20. März 1990 festgehaltenen Schlußantrag an die erste Instanz mit der Auflage zurückzuverweisen, Dänemark in den Kreis der benannten Staaten aufzunehmen. Der Beschwerdeführer stützte sein Begehren auf die folgenden Gründe, die er in seinen Schriftsätzen und im Rahmen der Erörterungen dargelegt hat:
1. Der Antrag sei im Sinne des PCT, insbesondere seiner Präambel und seiner Artikel 3 und 4 (1), und entspreche der gemeinsamen Zielsetzung von PCT und EPÜ.
2. Der Antrag stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer, die einerseits die Umwandlung einer internationalen Anmeldung in eine regionale Anmeldung und andererseits die Verbindung von internationalen und europäischen Anmeldungen zulasse.
3. Der Antrag finde seine Berechtigung schließlich darin, daß das Europäische Patentamt gegen den Grundsatz des guten Glaubens verstoßen habe, der das Verhältnis zwischen dem Anmelder und dem Amt bestimmen müsse.
VI. In Anbetracht des allgemeinen Interesses des vorliegenden Falls, seiner Neuheit und seiner offenkundigen Komplexität hat die Kammer den Präsidenten des Europäischen Patentamts aufgefordert, sich zu äußern (Artikel 12a der Verfahrensordnung und Entscheidung J 14/90 vom 21. März 1991); dies ist in einer schriftlichen Aufzeichnung geschehen, die im Zuge der Beratungen noch näher erläutert wurde.
VII. In einer Mitteilung vom 19. Februar 1991 hat die Kammer unter Vorbehalt ihre aus einer ersten Analyse hervorgegangenen Überlegungen zusammengefaßt.
VIII. Der Beschwerdeführer hat sich damit einverstanden erklärt, daß die Entscheidung in französischer Sprache abgefaßt wird (s. Entscheidung J 18/90, ABl. EPA 1992, 511, Entscheidungsgrund Nr. 1).
1. Nach Prüfung insbesondere der vorstehenden Nummern IV und V und in Anwendung der Artikel 106 bis 108 EPÜ hat die Kammer die Beschwerde für zulässig befunden.
2. In der Sache stellt sich nach Auffassung der Kammer folgende Frage: Kann das Europäische Patentamt "Bestimmungsamt" für einen Staat sein, für den das Europäische Patentübereinkommen noch nicht zum Zeitpunkt der Einreichung einer PCT-Anmeldung in Kraft getreten war, sondern erst vor Eintritt der internationalen Anmeldung in die regionale Phase, oder, anders und konkreter ausgedrückt, kann der Anmelder einer internationalen Anmeldung, mit der um ein nationales Patent für einen solchen Staat nachgesucht wird, diese Anmeldung nach ihrer Einreichung in eine Anmeldung umwandeln, die die Erlangung eines regionalen europäischen Patents zum Ziel hat?
2.1 Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage sind die Artikel 4 (1) ii) PCT und 153 (1) EPÜ.
2.1.1 Nach Artikel 4 (1) ii) PCT besteht die Möglichkeit, für einen Bestimmungsstaat ein regionales Patent zu erhalten, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Erste Voraussetzung: Dem Anmelder muß ein solches Patent erteilt werden können.
b) Zweite Voraussetzung: Der Anmelder muß den Wunsch nach einem solchen Patent äußern.
c) Dritte Voraussetzung: Die beiden ersten Bedingungen müssen zum Zeitpunkt des Antrags erfüllt sein, da Artikel 4 (1) ii) PCT vorschreibt, daß der Wunsch im Antrag selbst zum Ausdruck gebracht wird. Diese vernünftigen, vollkommen eindeutigen Bestimmungen bieten im vorliegenden Fall keinerlei Auslegungsspielraum. Bei ihrer Anwendung zeigt sich, daß am Anmeldetag, d. h. am 29. Juli 1988, die erste Forderung nicht erfüllt war. Der Anmelder konnte zu diesem Zeitpunkt nämlich kein regionales europäisches Patent mit Benennung Dänemarks erhalten, da das Europäische Patentübereinkommen für diesen Staat erst am
1. Januar 1990 in Kraft trat.
2.1.2 Durch Artikel 153 (1) EPÜ wird die vorstehend analysierte und angewandte Bestimmung unmißverständlich bestätigt. Dieser Artikel knüpft die Funktion des EPA als Bestimmungsamt an folgende Voraussetzungen:
a) Der betreffende Staat muß in der Anmeldung benannt und diese muß auf die Erteilung eines europäischen Patents gerichtet sein.
b) Der betreffende Staat muß Vertragsstaat des Europäischen Patentübereinkommens sein, und der PCT muß für ihn in Kraft getreten sein. Daraus ergibt sich wiederum, daß das EPA nur für einen Staat Bestimmungsamt sein kann, der am Anmeldetag der internationalen Anmeldung, mit der um ein europäisches Patent nachgesucht wird, sowohl dem PCT als auch dem EPÜ angehört. Bei Anwendung auf den vorliegenden Fall ist festzustellen, daß Dänemark am 29. Juli 1988 weder für ein europäisches Patent benannt noch Vertragsstaat des Europäischen Patentübereinkommens war.
2.2 Wenn die vorstehend genannten Bedingungen nicht erfüllt sind, besteht nach Ansicht der Kammer keine Möglichkeit, auf dem PCT- Weg ein regionales europäisches Patent für einen solchen benannten Staat zu erhalten.
Zur dokumentarischen Untermauerung erinnert die Kammer daran, daß auf der Washingtoner Konferenz ein Vorschlag vorgelegt wurde, der es dem Anmelder erlauben sollte, nach der Einreichung innerhalb einer bestimmten Frist seinen Wunsch nach einem regionalen Patent für ein solches im Antrag benanntes Land zu äußern.
Abgesehen davon, daß dieser Vorschlag ohnehin abgelehnt wurde, eröffnete er zwar die Möglichkeit, die Entscheidung für ein regionales Patent auch noch nach dem Anmeldetag zu treffen, verlangte aber auch, daß zum Zeitpunkt der Einreichung der internationalen Anmeldung eine Doppelzugehörigkeit zum PCT und zum betreffenden regionalen Patentvertrag bestehen müsse (s. Records of the Washington Diplomatic Conference on the Patent Cooperation Treaty 1970, March 1970 DRAFT, S. 262).
3. Dem Begriff der Umwandlung eines nationalen in ein europäisches Patent, wie ihn der Beschwerdeführer gebraucht und definiert hat, liegt keinerlei Rechtsnorm oder Rechtsprechung zugrunde, die seine Auslegung stützen könnte. Die diesbezügliche Argumentation des Beschwerdeführers zu übernehmen, hätte untragbare Folgen, so daß die Kammer die Richtigkeit ihrer vorstehend umrissenen eigenen Auslegung bestätigt sieht.
3.1. Der Anmeldetag entscheidet nämlich über das auf die Anmeldung und das Patent anwendbare Recht (insbesondere, was die Kriterien Neuheit und erfinderische Tätigkeit angeht). Er ist im Rahmen des Artikels 60 EPÜ auch ausschlaggebend dafür, wem das Recht auf das Patent zusteht.
3.2 Wenn im vorliegenden Fall eingeräumt würde, daß die Umwandlung, die sich beim Eintritt einer auf ein nationales Patent gerichteten internationalen Anmeldung in die regionale Phase vollzieht, rückwirkend zum Anmeldetag erfolgt, würde das europäische Patentrecht ab 29. Juli 1988, dem Anmeldetag, in Dänemark Eingang finden, obwohl es dort erst ab 1. Januar 1990 gilt; dies wäre unabhängig davon, ob und inwieweit die jeweiligen Rechtsvorschriften schon harmonisiert sind, unzulässig, wenn nicht gar unmöglich.
3.3 Wenn andererseits eine Rückwirkung verneint und dem durch Umwandlung erlangten europäischen Patent als Anmeldetag für Dänemark der Zeitpunkt des Eintritts in die regionale Phase, im vorliegenden Fall also der 26. Januar 1990, zugesprochen würde, stünde dieser gewissermaßen territorial auf Dänemark begrenzten Anmeldung zwangsläufig die PCT-Veröffentlichung für die anderen benannten Staaten neuheitsschädlich entgegen.
3.4. Der Begriffsinhalt der Umwandlung im vorstehend untersuchten Sinne darf nicht mit dem Sachverhalt verwechselt werden, um den es in den Artikeln 135 ff. EPÜ geht. Die in diesen Artikeln vorgesehene Umwandlung vollzieht sich nämlich im Rahmen zweier geltender Rechtssysteme, d. h. des betreffenden nationalen Rechts und des europäischen Rechts, und setzt voraus, daß am Anmeldetag für die betreffenden Staaten beide Rechtssysteme nebeneinander existieren, was, wie bereits ausgeführt, in der vorliegenden Sache offenkundig nicht der Fall ist.
3.5 Ebensowenig darf man den Begriff mit der sog. Verbindung von Anmeldungen verquicken, wie sie in der Rechtsauskunft Nr. 10/81 (ABl. EPA 1981, 349) umrissen wird. Letztere bezieht sich auf zwei Anmeldungen - eine PCT- und eine europäische Anmeldung -, die am selben Tag, aber für verschiedene Staaten eingereicht wurden, die am Anmeldetag nicht Vertragsstaat beider Verträge waren.
3.6 Schließlich besteht auch kein Zusammenhang mit dem Begriff der Umwandlung gemäß der Entscheidung J 6/79 (ABl. EPA 1980, 225), der dort - so räumt die Kammer ein, etwas pauschal - lediglich zur Bezeichnung des Übergangs der Anmeldung von der internationalen in die europäische Phase verwendet wurde.
4. Besonderer Erwähnung bedarf, daß die Juristische Beschwerdekammer im vorliegenden Fall erstmals über die Benennung eines Staates zu entscheiden hat, deren Problematik darin liegt, daß dieser Staat dem Europäischen Patentübereinkommen später als dem PCT beigetreten ist. Hinzu kommt, daß das Europäische Patentamt in der Vergangenheit schon vor dem Inkrafttreten des Europäischen Patentübereinkommens für Dänemark im Rahmen des PCT Recherchen- und Prüfungsaufgaben für Dänemark wahrgenommen hat. Richtig ist auch, wie der Beschwerdeführer bemerkt, daß sich Aufgabenstellung und Zielsetzung von PCT und EPÜ in vielerlei Hinsicht decken. Nach Auffassung der Kammer sind diese Überlegungen aber nicht dazu angetan, ihre Einschätzung der Bestimmungen der jeweiligen Verträge zu ändern.
5. Schließlich gestattet die Rechtsprechung des EPA unter bestimmten Voraussetzungen auch die Anwendung des Grundsatzes des guten Glaubens.
Im vorliegenden Fall kann dieser Grundsatz aber nicht zum Vorteil des Beschwerdeführers angewandt werden, auch wenn dieser seinen Standpunkt für durchaus gerechtfertigt gehalten haben mag. Die Kammer kann nur feststellen, daß der Beschwerdeführer Genaueres zur angeblichen Verletzung des Vertrauensschutzes durch das Europäische Patentamt nicht vorzubringen vermochte, und weist deshalb auch diese Beanstandung als unbegründet zurück.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.