T 0341/06 31-01-2008
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Fahrzeugdach
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 27. Februar 2006 gegen die am 20. Dezember 2005 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 960 802 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 25. April 2006 eingegangen.
II. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100a) und 100c) EPÜ 1973 gestützt.
Im Hinblick auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100c) EPÜ 1973 war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Gegenstand des in geändertem Umfang aufrechterhaltenen und auf einer Teilanmeldung beruhenden Patents nicht über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (EP 98916841.4 mit der internationalen Veröffentlichungsnummer WO-A-98/39170, nachfolgend als D0 bezeichnet) hinausgehe.
Im Hinblick auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100a) EPÜ 1973 war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Gegenstand des in geändertem Umfang aufrechterhaltenen Patents unter Berücksichtigung des folgenden Standes der Technik:
D1: DE-U-79 29 367
D2: DE-A-34 29 880
D3: US-A-48 11 985
D4: FR-A-2 529 844
D5: DE-A-29 29 689
D6: DE-C-32 02 594
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Am 31. Januar 2008 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hilfsantrags eingereicht mit Schreiben vom 31. Dezember 2007.
IV. Der Patentanspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt:
"Fahrzeugdach, insbesondere Kraftfahrzeugdach, das sandwichartig mit einer Dachhaut (1) ausgebildet, getrennt von der Fahrzeugkarosserie herstellbar, mit seinen Dachrändern auf einen Karosserierahmen (4) auflegbar und mit diesem fest verbindbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die mit einer Dachöffnung versehene Dachhaut (1) mit einem Schaumkunststoff ausgeschäumt ist, wobei in dem Schaumkunststoff ein die Dachöffnung umgebender Verstärkungsrahmen (28) eingebettet ist, an dem unterhalb der Dachhaut ein Schiebedachrahmen (25) befestigt ist."
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:
"Fahrzeugdach, insbesondere Kraftfahrzeugdach, das sandwichartig mit einer Dachhaut (1) ausgebildet, getrennt von der Fahrzeugkarosserie herstellbar, mit seinen Dachrändern auf einen Karosserierahmen (4) auflegbar und mit diesem fest verbindbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die mit einer Dachöffnung versehene Dachhaut (1) mit einem Schaumkunststoff ausgeschäumt ist, wobei in dem Schaumkunststoff ein die Dachöffnung umgebender Verstärkungsrahmen (28) eingebettet ist, an dem unterhalb der Dachhaut ein Schiebedachrahmen (25) befestigt ist, an welchem ein als Innenschale (29) vorgeformter Dachhimmel angebracht ist, der über die Außenränder des Fahrzeugdachs übersteht, für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen (4) begrenzte Karosserieöffnung (35) unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformationen umbiegbar und zur Verkleidung des Karosserierahmens (4) und des Schiebedachrahmens (25) ausgebildet ist."
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin war im Wesentlichen wie folgt:
a) Patent in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung gemäß der angefochtenen Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung gehe über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erfülle damit nicht die in der Entscheidung G 1/06 (zur Veröffentlichung im ABl. EPA bestimmt) aufgestellten Kriterien. Dieser Anspruch 1 beziehe sich auf ein Dachmodul mit einem integrierten Schiebedach und sei deshalb zum Zwecke der Überprüfung der Erfüllung der Anforderungen des Artikels 76(1) EPÜ 1973 mit dem Anspruch 3 der Stammanmeldung, welcher sich ebenfalls mit einem solchen Dachmodul befasst, zu vergleichen. Die Merkmalsgruppe des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 3 der Stammanmeldung fehle jedoch im Anspruch 1 des auf der Teilanmeldung beruhenden, im geänderten Umfang aufrechterhaltenen Streitpatents. Diese Merkmalsgruppe sei aber ein wesentlicher Aspekt der einzigen, in der Stammanmeldung offenbarten Erfindung, so dass der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 über den Inhalt der Stammanmeldung hinausgehe und die Vorraussetzungen des Artikels 76(1) EPÜ 1973 nicht erfüllt seien.
b) Zum Hilfsantrag
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags sei neben den Merkmalen des erteilten Anspruchs 3 nunmehr das nur in der Beschreibung des erteilten Patents zu findende Merkmal aufgenommen worden, dass der Dachhimmel über die Außenränder des Fahrzeugdachs übersteht und für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen begrenzte Karosserieöffnung unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformationen umbiegbar ist. Dieser kurz vor der mündlichen Verhandlung eingeschränkte Hilfsantrag hätte viel früher eingereicht werden können und setze die Einsprechende hinsichtlich einer zusätzlichen Recherche ungebührlich unter Zeitdruck. In Anbetracht der Tatsache, dass der Hilfsantrag eine erhebliche Beschränkung des Patentsgegenstands beinhalte, die nur aus der Beschreibung ableitbar und somit nicht absehbar gewesen sei, sollte dieser Hilfsantrag in diesem Stadium des Verfahrens nicht zugelassen werden.
Für den Fachmann ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ohnehin in naheliegender Weise aus dem vorliegenden Stand der Technik und insbesondere aus der Zusammenschau der Dokumente D2, D1, D4 und unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens.
Die Entgegenhaltung D2 zeige in Figur 5 ein Fahrzeugdach mit einem Dachmodul 13b, wobei ein Schiebehebedach 36 in das Dachmodul integriert sei. Gemäß Figur 1 werde das Dachmodul offenbar auf einen Karosserierahmen 11 aufgelegt. Das Dachmodul sei als Kunststoffspritzteil ausgebildet. Es sei dabei für den Fachmann selbstverständlich, dass ein solches allgemein beschriebenes Schiebedach in der Praxis auch das Vorsehen eines entsprechenden Schiebedachrahmens erfordere (siehe z.B. D3: Schiebedachrahmen 8 zur Lagerung und Führung des verstellbaren Schiebedeckels 3). Die Ausgestaltung des Dachmoduls als eine Sandwichstruktur mit hinterschäumter Dachhaut nach Vorbild der Entgegenhaltung D1 (oder D5 bzw. D6) sei eine naheliegende Alternative zu der in D2 vorgeschlagenen Herstellung als Spritzgussteil. Um eine stabile Befestigung eines Schiebedachs an einem Dachmodul mit Sandwichstruktur zu gewährleisten, sei es dann für den Fachmann ebenfalls naheliegend, in Hinblick auf den in Figur 3 von D1 gezeigten Halbzeug-Profilrahmen 4, welcher mit einer mit ihm verbundenen Strebe 5 in einer an die Dachhaut 3 des Dachmoduls angeschäumten Kunststoffschicht 6 eingebettet sei, einen Verstärkungsrahmen zur Befestigung des Schiebedachs in den Schaumkunststoff einzuschäumen.
Die übrigen zusätzlichen Merkmale, die aus dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 3 der Stammanmeldung übernommen worden seien, würden durch D4 nahegelegt. D4 zeige eine Innenschale, die nach der Montage von unten an die Seitenholme eines Karosserierahmens angelegt werde, um diese zu verkleiden (siehe Fig. 5). Hier sei anzumerken, dass der Begriff "Karosserierahmen" im Streitpatent nicht näher definiert und insofern breit auszulegen sei. Die Eckbereiche der Innenschale gemäß der Darstellung von Fig. 1 von D4 seien zwar ausgeschnitten, eine fugenlose Gestaltung der Innenschale mit Eckbereichen zum Zwecke einer vollständigen Verkleidung des Dachrahmens durch Umbiegen der überstehenden Randbereiche unter partieller Faltung auch in den Eckbereichen liege jedoch nahe, denn die in diesem Hilfsantrag beanspruchte Lösung sei derart aufgabenhaft formuliert (keine technische Angaben darüber, wie die Umbiegbarkeit der Innenschale erreicht werden könne), dass sie eine für den Fachmann naheliegende Alternative zu der in D4 offenbarten Lösung darstelle.
VI. Zu der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumentation lassen sich die Gegenargumente der Beschwerdegegnerin wie folgt zusammenfassen:
a) Patent in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung
Wie schon die Einspruchsabteilung zu Recht festgestellt habe, müsse sich eine Teilanmeldung nicht auf die gleiche Erfindung wie die Stammanmeldung beziehen. Dies sei durch die europäische Rechtsprechung wiederholt und zuletzt in der Entscheidung G 1/06 (supra) bestätigt worden. In der Entscheidung T 211/95 sei festgestellt worden, dass das Fehlen einer Merkmalsgruppe des Anspruchs 1 der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in dem Anspruch 1 der Teilanmeldung die Bestimmungen von Artikel 76(1) EPÜ 1973 nicht verletze, wenn in der Stammanmeldung zwei technisch unverknüpfte technische Lehren vorlägen, die getrennt beansprucht werden könnten, und es für den Fachmann klar sei, dass die Merkmalsgruppe gemäß dem in der Stammanmeldung beanspruchten Gegenstand für den in der Teilanmeldung beanspruchten Gegenstand unwesentlich sei. Ebenso verhalte es sich im vorliegenden Fall. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei auf Seite 11, letzter Absatz bis Seite 12, erster Absatz der Beschreibung in Verbindung mit den Figuren 9 bis 12 der Stammanmeldung D0 offenbart. Dass jedes einzelne Merkmal dieses Anspruchs 1 für sich unmittelbar und unzweideutig der Stammanmeldung zu entnehmen sei, stelle die Beschwerdeführerin nicht in Abrede. Das auf einer Teilanmeldung beruhende Streitpatent habe verglichen mit der Stammanmeldung hinsichtlich Aufgabe und Lösung eine andere Erfindung zum Gegenstand. Während das Streitpatent auf Maßnahmen abstelle, die an einem Moduldach eine schnelle und leichte Montage einer Schiebedacheinheit gestatteten, gehe es in der Stammanmeldung darum, den Karosserierahmen mittels eines überstehenden Dachhimmels eines Moduldaches mit einer speziellen Wegklapptechnik zu verkleiden. Es sei für den Fachmann klar erkennbar, dass die Merkmalsgruppe des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 3 der Stammanmeldung für die im Streitpatent beanspruchten Befestigung des Schiebedachrahmens am Moduldach unwesentlich sei. Weil es sich beim Dachmodul gemäß der Stammanmeldung um einen sehr einfachen Gegenstand handele, sei es bei der Betrachtung der Figuren 9 bis 12 der Stammanmeldung dem Fachmann augenfällig, dass die im Streitpatent beanspruchte Befestigung des Schiebedachrahmens auch außerhalb des Gesamtzusammenhangs der ursprünglich in der Stammanmeldung beanspruchten Erfindung verwendet werden könne. Die im Anspruch 1 des Streitpatents enthaltenen Merkmale hinsichtlich der Befestigung des Schiebedachrahmens am eingeschäumten Verstärkungsrahmen erfüllten eine andere Aufgabe als die Merkmale des unabhängigen Anspruchs 3 der Stammanmeldung hinsichtlich des faltbaren Dachhimmels, so dass hier eindeutig zwei getrennte Erfindungen vorlägen. Das in den USA erteilte und auf der internationalen Patentanmeldung D0 beruhende Patent US-A-6 367 872 belege im Übrigen, dass auch das US-Patentamt die Eigenständigkeit des Konzepts der Befestigung des Schiebedachrahmens an einem eingeschäumten Verstärkungsrahmen des Moduldachs anerkannt habe (vgl. Anspruch 4 von US-A-6 367 872).
b) Zum Hilfsantrag
In den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag sei gerade die von der Beschwerdeführerin wegen ihrer Weglassung beanstandete Merkmalsgruppe des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 3 der Stammanmeldung aufgenommen worden.
Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag sei nicht bestritten worden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der insgesamt im Verfahren befindliche Stand der Technik gebe keinerlei zielführenden Hinweis darauf, die Dachhaut eines Dachmoduls unter Einbettung eines eine Dachöffnung umgebenden Verstärkungsrahmens zur Befestigung eines Schiebedachrahmens auszuschäumen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Patent in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung
In Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einspruchsgrund nach Artikel 100c) EPÜ 1973 ist wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen und im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (vgl. G 1/06 (supra), T 211/95) im vorliegenden Fall zu überprüfen, ob in der Stammanmeldung D0 eine sich von der ersten, in der Stammanmeldung beanspruchten Lehre unterscheidende, technisch unverknüpfte zweite Lehre unmittelbar und eindeutig offenbart ist, die sich mit der Befestigung des Schiebedaches am Dachmodul befassen soll.
Als Begründung dafür, dass in der Stammanmeldung eine zweite Erfindung offenbart sei, stützt sich die Beschwerdegegnerin auf den zweiten Absatz der Seite 11 sowie den ersten Absatz der Seite 12 der Beschreibung in Verbindung mit den Figuren 9-12 der Stammanmeldung D0. In diesen Absätzen ist keine explizite Grundlage für die Merkmale des kennzeichnenden Teils des vorliegenden Anspruchs 1 zu finden, wonach der Verstärkungsrahmen 28 in dem Schaumkunststoff eingebettet und der Schiebedachrahmen 25 an dem Verstärkungsrahmen 28 befestigt ist. Der Verstärkungsrahmen 28 ist lediglich auf Seite 11 als "in den genannten Fig. ... dargestellt" zitiert. Als einzige explizite Angabe hinsichtlich der Befestigung des Schiebedachrahmens am Dachmodul ist auf Seite 12, Zeilen 2 bis 5 erwähnt, dass "bei dieser dritten Ausführungsform der als Innenschale vorgeformte Dachhimmel mit Abstand zu der starren Dachhaut an einem unterhalb der Dachhaut befestigten Schiebedachrahmen angebracht [ist]". Dieser Wortlaut findet sich Wort für Wort in dem unabhängigen Anspruchs 3 der Stammanmeldung D0 wieder. Der befestigte Schiebedachrahmen ist folglich nur in Verbindung mit dem Dachhimmel erwähnt, der einen wesentlichen Bestandteil aller Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Fahrzeugdaches gemäß der in der Stammanmeldung beschriebenen ersten Erfindung darstellt (vgl. D0, Seite 2, zwei ersten Zeilen des dritten Absatzes).
In der Beschreibungseinleitung der Stammanmeldung ist die Einteiligkeit des modulartig hergestellten Fahrzeugsdachs mit den Verkleidungsbereichen seines Himmels als wesentliches Merkmal präsentiert (Seite 3, Zeilen 2 ff). Diese Einteiligkeit ist auch in dem sich auf die Schiebedachvariante beziehenden unabhängigen Anspruch 3 der Stammanmeldung beansprucht. Auch der Begriff "sandwichtartig" der Stammanmeldung, der auch im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthalten ist, bezieht sich auf die mehrschichtige Ausbildung des Fahrzeugdachs als vorgeformte Sandwichplatte, die an der Außenseite eine Dachhaut und an der Innenseite ein Polster und/oder Bezugsmaterial als Dachhimmel aufweist (D0: Seite 1, letzter Absatz). Die Kammer kann sich daher der Behauptung der Beschwerdegegnerin nicht anschließen, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen der Gestaltung des Himmels des Dachmoduls und der Befestigung des Schiebedachrahmens am Dachmodul gibt.
Ein Fachmann entnimmt der Stammanmeldung nicht den geringsten Hinweis dahingehend, dass diese Anmeldung zusätzlich zu der beanspruchten, eine weitere, dem Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hauptantrag entsprechende Erfindung enthält. Die von der Beschwerdegegnerin zitierten Textstellen weisen weder auf die Befestigung des Schiebedachrahmens an dem Verstärkungsrahmen hin, noch enthalten sie eine Zweckangabe oder Aufgabenformulierung, die sich mit dieser Problematik beschäftigt. Die Kammer sieht in diesen Passagen lediglich die Beschreibung der dritten Ausführungsform der in der Stammanmeldung offenbarten Erfindung in Verbindung mit einer Schiebedacheinheit.
Die Beschwerdegegnerin hat möglicherweise nachträglich erkannt, dass es für sie von Interesse sein könnte, bestimmte Merkmale der Befestigung des Schiebedachrahmens unabhängig von der Gestaltung des Dachhimmels zum Patent anzumelden. Die Unabhängigkeit dieser Merkmale ist jedoch der Stammanmeldung nicht zu entnehmen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht daher als eigenständige Merkmalskombination aus dem Offenbarungsinhalt der Stammanmeldung nicht eindeutig und unmittelbar hervor.
Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung gemäß Hauptantrag über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und deshalb gegen Artikel 76 (1) EPÜ 1973 verstößt. Der Hauptantrag war somit nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag
3.1 Zulassung in das Verfahren
In den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist die von der Beschwerdeführerin wegen Weglassung beanstandete Merkmalsgruppe des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 3 der Stammanmeldung aufgenommen worden. Die Beschwerdeführerin konnte durch die Einreichung eines geänderten Anspruchs 1, in dem diese Merkmalsgruppe hinzugefügt wurde, nicht überrascht werden, da in dieser Änderung die einzige absehbare Möglichkeit bestand, ihren Einwand unter Artikel 100c) EPÜ 1973 auszuräumen.
Es trifft zwar zu, dass in der erteilten Patentschrift die betreffenden Merkmale der speziellen Wegklapptechnik zur Verkleidung des Karosserierahmens lediglich in der Beschreibung erwähnt sind. Die Kammer kann aber unter den oben dargelegten besonderen Umständen dieses Falls das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht akzeptieren, dass die Einreichung des Hilfsantrags erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung sie wegen der Notwendigkeit einer zusätzlichen Recherche ungebührlich unter Zeitdruck gesetzt habe. Die betreffenden Merkmale waren Gegenstand sowohl des für die Stammanmeldung im Erteilungsverfahren erstellten Recherchenberichts, als auch der von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren gegen das auf der Stammanmeldung basierende Streitpatent durchgeführten Recherche. Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen werfen somit keine Fragen auf, deren Behandlung der Beschwerdeführerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten sind, so dass die Vorraussetzungen des Artikels 13 (3) VOBK, (ABl. EPA 2007, 537) vorliegend nicht erfüllt sind.
Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK, den Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
Der Hilfsantrag wird daher in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
3.2 Die Beschwerdeführerin hatte an den im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen bezüglich der Erfüllung der Anforderungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ keine Einwände. Bezüglich der Erfüllung dieser Anforderungen bestehen auch seitens der Kammer keine Bedenken.
3.3 Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist nicht bestritten worden. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit ist die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass der nächstliegende Stand der Technik in der Entgegenhaltung D2 anzusehen ist, nachvollziehbar, denn diese Druckschrift zeigt als einzige ein als Dachmodul 13b ausgebildetes Fahrzeugdach, wobei ein Schiebehebedach 36 in das Dachmodul integriert ist. Das Dachmodul ist getrennt von der Fahrzeugkarosserie als Kunststoff-Spritzteil hergestellt. Gemäß Figur 1 wird das Dachmodul offenbar auf einen Karosserierahmen 11 aufgelegt und mit diesem fest verbunden.
Keines der Dokumente des Standes der Technik zeigt ein Dachmodul, das einen eingeschäumten und eine zur Aufnahme eines Schiebedachs vorgesehene Dachöffnung umgebenden Verstärkungsrahmen für die Befestigung eines Schiebedachrahmens aufweist. Der Fachmann hätte allenfalls bei der Betrachtung der Figur 5 von D2 spekulieren können, dass der Schiebedachrahmen bei der Ausbildung des Dachmoduls als Kunststoff-Spritzteil mit eingespritzt hätte werden können.
Auch das Konzept einer flexiblen Ausbildung des Dachhimmels an den überstehenden Bereichen derart, dass dieser für den Durchtritt durch die von dem Karosserierahmen begrenzte Karosserieöffnung unter partieller Faltung in den Eckbereichen nach unten ohne bleibende Deformation umbiegbar und zur Verkleidung des Karosserierahmens ausgebildet ist, wird durch keines der zitierten Dokumente nahegelegt. In D4 werden zur Innenverkleidung der Randbereiche einer Dachöffnung für ein Dachmodul relativ steife Verkleidungsteile 131-134 entlang scharnierartiger Verbindungsstellen umgeklappt. Bedingt durch diese Umklapptechnik sind Eckbereiche von den zu verkleidenden Randbereichen ausgeschlossen.
Es ist somit nicht ohne weiteres ersichtlich, wie der Fachmann durch eine Kombination der vorliegenden Dokumente des Standes der Technik zum beanspruchten Gegenstand hätte gelangen können. Die Argumentation der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit beruht auf der Kombination von mindestens drei Entgegenhaltungen, wobei die oben genannten, von diesen Entgegenhaltungen nicht offenbarten Merkmale durch sukzessive Formulierung einer jeweils angepassten Aufgabenstellung und unter Heranziehung der Fachkenntnisse des Fachmanns als naheliegend angegeben werden. Diese Argumentation beruht erkennbar auf einer rückschauenden Betrachtungsweise und hat die Kammer nicht überzeugt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).
Die abhängigen Ansprüche betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs 1 und haben in Zusammenhang mit diesem Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung:
- Spalten 1 und 2 eingereicht mit Schreiben vom 31.12.2007,
- Spalten 3 bis 12 der Patentschrift,
- Ansprüche 1 bis 9 eingereicht mit Schreiben vom 31.12.2007,
- Zeichnungen der Patentschrift.