Der Pionier der Windenergie Henrik Stiesdal als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2018 nominiert
- Dänischer Erfinder und Unternehmer für sein Lebenswerk auf dem Gebiet der Windenergie für Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Stiesdal trug entscheidend zum Aufbau des ersten Offshore-Windparks bei
- Sein renommiertes „dänisches Konzept" für Windkraftanlagen setzt seit mehr als einem Jahrzehnt Maßstäbe in der Branche
- Mit dem IntegralBlade-Design vereinfachte und verbesserte er die Herstellung von Turbinenschaufeln
- EPA-Präsident Battistelli: „Henrik Stiesdals Erfindungen haben beim Aufbau der modernen Windkraftindustrie eine grundlegende Rolle gespielt. Sie trugen entscheidend dazu bei, dass Windkraft zu einer zentralen Komponente der Nutzung erneuerbarer Energien in Europa geworden ist."
München, 24. April 2018 - Seit mehr als 100 Jahren beschäftigt sich der Mensch damit, Strom aus Windenergie zu erzeugen. Anfangs kamen vereinzelte Windkraftanlagen eher zu Versuchszwecken zum Einsatz, bevor sie als Stromquelle wirtschaftlich genutzt werden konnten. Inzwischen ist die Windkraft fester Bestandteil der europäischen Energielandschaft. Als treibende Kraft in der Erzeugung erneuerbarer Energien versorgt sie Millionen von Menschen mit Strom. Die weltweit etablierte Windkraft-Industrie verdankt ihren Markterfolg zu großen Teilen dem dänischen Windkraftinnovator Henrik Stiesdal (61). Im Alter von 16 Jahren baute der dänische Erfinder und Pionier der Offshore-Windparks seine erste Windturbine für die Farm seiner Familie. Ihr Windrad war der Grundstein zu einer langen und bedeutenden Karriere als Erfinder und Unternehmer, in der er sich dem Bau größerer und besserer Turbinen und der Entwicklung der heutigen Standards für die gesamte Branche widmete.
Während seiner Laufbahn erhielt Stiesdal mehr als 90 europäische Patente. Sie bildeten das Fundament für vielseitigen technologischen Fortschritt auf diesem Gebiet. Dazu zählt ein grundlegendes Windturbinen-Design, das über Jahre hinweg den technischen Standard in der Branche festschrieb und den Industriezweig maßgeblich zum Durchbruch verhalf. Stiesdals Anlagenkonzepte waren stets leicht zu installieren und boten deshalb ideale Bedingungen für die Verbreitung und den Ausbau der Windparks. Sie waren der erste Schritt auf dem Weg zur kommerziellen Offshore-Stromerzeugung mit Wind.
Für seine Leistungen wurde Henrik Stiesdal als einer von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2018 in der Kategorie „Lebenswerk" nominiert. Die Gewinner des jährlich vom Europäischen Patentamt vergebenen Innovationspreises werden am 7. Juni 2018 in Paris, Saint-Germain-en-Laye, bekannt gegeben.
„Henrik Stiesdals Erfindungen haben beim Aufbau der modernen Windkraftindustrie eine grundlegende Rolle gespielt. Sie waren entscheidend dafür, dass Windkraft zu einer zentralen Komponente der Nutzung erneuerbarer Energien in Europa werden konnte", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2018. „Stiesdal ist seit Jahrzehnten an der Spitze der Windkraftindustrie tätig und trägt bis heute dazu bei, die Position der Windenergie als eine Hauptquelle für alternative Energien in Europa und darüber hinaus zu sichern."
Den Wind ernten
Stiesdal studierte Medizin, Physik und Biologie an der Süddänischen Universität Odense. Seine Leidenschaft für die Energiegewinnung aus Windkraft entsprang aus einer Begebenheit, die weit vor seiner Unternehmer-Karriere liegt. Damals suchte er nach einer effektiven Methode, um den Hof seiner Eltern in Dänemark mit Strom zu versorgen. In einer Region, die von den Winden der Nord- und Ostsee geprägt wird, war die Verwendung einer Windturbine geradezu logisch. Und sie löste eine Welle des Erfolgs aus: Aus der effizienten Energiequelle für ein bescheidenes Gehöft erwuchsen bald größere Projekte. Zunächst versorgte Stiesdal andere lokale Haushalte, später dann sogar kleinere Unternehmen mit Elektrizität. Diese Erfolge ließen ihn ahnen, was er mit seiner Arbeit leisten konnte - und welche Chancen sie für künftige Konzepte der Energieerzeugung bot: „Mir wurde schnell klar, dass daraus ein gänzlich neuer Industriezweig erwachsen könnte", erinnert sich Stiesdal. „Dieser Sektor hatte genug Potenzial für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, mit denen Menschen ihren Lebensunterhalt sichern könnten."
Der Mann hinter dem „Dänischen Konzept"
Um künftig noch zielgerichteter Innovationen zu entwickeln und die damals noch junge Windkraftindustrie mit voller Kraft voranzutreiben nahm Henrik Stiesdal eine Beraterposition bei Vestas A/S an. Das dänische Unternehmen, das sich bereits in der Land- und Baumaschinenbranche einen Namen gemacht hatte, erwarb 1979 die Lizenz für sein Konzept der dreiflügeligen Windkraftanlage: für Vestas ein elementarer Teil auf dem Weg zum weltweit größten Anbieter von Windenergieanlagen.
Im Mittelpunkt von Stiesdals Erfindung, die als „Dänisches Konzept" bekannt wurde, stand der dreiblättrige Rotor. Es löste die bis zu diesem Zeitpunkt branchenübliche zweiflüglige Variante ab. Seine Windkraftanlage war stabiler und leistungsfähiger als andere, weil er den Rotor vor dem Turbinenturm platzierte. Das Konzept beinhaltete zudem ein automatisches System zur Änderung der Rotordrehzahl. Somit konnte die Anlage die Rotorgeschwindigkeit an die Windverhältnisse anpassen.
Mit diesem neuen technischen Konzept arbeitete das robuste dreiflügelige Windrad nicht nur effizient, sondern ließ sich auch einfach montieren. Die dänische Windturbinenindustrie dominierte mit dem „Dänischen Konzept" bald den weltweiten Markt. Von den 1980er bis in die 1990er Jahre hinein war sie den ausländischen Wettbewerbern um Längen voraus.
Grüne Energie auf dem Vormarsch
Stiesdal setzte 1987 seine Karriere bei Bonus Energy fort. Das Unternehmen, das sich im Umbruch vom Turbinenlieferanten zu einem Ingenieurbüro befand, eröffnete dem Erfinder eine Fülle von Möglichkeiten. Bonus Energy hatte sich zum Ziel gesetzt, komplette, betriebsbereite Windparks zu liefern. Ein Glücksfall für Stiesdal, der diese Neuausrichtung aktiv vorantrieb. Eines der größten Projekte in jener Zeit war der Vindeby-Park vor Lolland, der viertgrößten Insel Dänemarks. Bis zum Jahr 1991 plante und überwachte er die Installation und Inbetriebnahme dieses ersten Offshore-Windparks der Welt: elf Bonus-Energy-Windturbinen mit einer Leistung von jeweils 450 kW wurden in Vindeby errichtet. Über eine Dauer von 25 Jahren erzeugten sie durchschnittlich 9,61 GWh Strom pro Jahr - genug Elektrizität, um etwa 2.400 europäische Haushalte mit Strom zu versorgen. Der Park diente als reines Demonstrationsmodell. Es zeigte eindrucksvoll, dass die Offshore-Stromerzeugung absolut praktikabel ist - der Korrosion durch Salzwasser und Isolierung von Stromnetzen zum Trotz. Als Vindeby nach 25 Jahren vom Netzt genommen wurde, hatte es den Weg für moderne Offshore-Windparks geebnet, die heute ein Vielfaches der damaligen Strommenge produzieren.
Stiesdal beendete das Jahrzehnt, wie er es begonnen hatte: mit Erfolg. 1999 gelang ihm und einem Team von Bonus Energy mit dem IntegralBlade ein weiterer Durchbruch, diesmal auf dem Gebiet der Turbinenblattkonstruktion. Das Blatt besteht aus glasfaserverstärktem Epoxidharz, das in eine vakuumierte Form injiziert wird. Mit Abmessungen von bis zu 75 Metern Länge und einer Fläche von 18.600 Quadratmetern - das entspricht der Fläche von zweieinhalb Fußballfeldern - sind die IntregralBlades die weltweit größten einteiligen, industriell gefertigten Glasfaserbauteile. Sie sind erheblich leichter als herkömmliche Turbinenblätter und besitzen eine um ein Vielfaches höhere Festigkeit.
Mit der Übernahme von Bonus Energy durch Siemens im Jahr 2004 avancierte Stiesdals IntegralBlade zu einem Schlüsselelement für Windkraftsysteme. Stiesdal behielt seine Position des Chief Technology Officer auch bei Siemens Wind Power. Er konnte die langjährige Arbeit an seinen Innovationen fortsetzen und die Branche weiter prägen. 2009 gelang ihm der nächste Evolutionsschritt, indem er das Getriebe der Offshore-Windturbinen durch einen Direktantrieb ersetzte. Das Unternehmen war auch in der Lage, leicht installierbare („schlüsselfertige") Windparks anzubieten, mit denen es seine Rolle als einer der führenden Anbieter der Windkraftindustrie festigte.
Erneuerbare Windenergie für die Welt
Schließlich gründete der Erfinder und Unternehmer 2014 die Firma Stiesdal A/S, mit klarem Ziel vor Augen: Windenergie sollte zu einer der kostengünstigsten Methoden der Stromerzeugung werden. Die Konstruktion der Windkraftanlagen, ihr Transport und die Installation bis hin zur Inbetriebnahme sind ein wesentlicher Kostenfaktor mit hohem Einsparpotenzial. Hier setzte Stiesdal an: Er entwickelte TetraSpar, eine Offshore-Windturbinenplattform. Sie kombiniert die Vorteile bekannter schwimmender Anlagenkonzepte mit jenen von Verankerungskonstruktionen. Die Turbine wird bereits vormontiert, bevor die Plattform ins Meer geschleppt wird. Dort werden die Plattformen mit Hilfe fest verankerter Ketten- (sogenannter Mooring-)Konstruktionen am Meeresboden verankert. TetraSpar ist außerordentlich kosteneffizient: Das rationelle tetraederförmige Design wird aus wenigen Standardteilen gefertigt und ist günstig in Serie produzierbar. Im Vergleich zu anderen Konzepten können die Kosten für Offshore-Windkraftanlagen nach Meinung Stiesdals damit um bis zu 75 Prozent gesenkt werden. Die Plattform kann in Wassertiefen von 10 bis mehr als 1.000 Metern installiert werden und soll noch in diesem Jahr in Norwegen in vollem Umfang getestet werden.
Weiterhin arbeitet Stiesdal an adäquaten Konzepten zur Netzeinspeisung des Stroms aus Windenergie. Eine große Herausforderung in diesem Feld besteht darin, den Bedarf an Grundlaststrom zu decken - also eine stetige Stromversorgung auch dann zu gewährleisten, wenn die Windkraft niedriger ist oder Wartungsarbeiten durchgeführt werden müssen. Eine von Stiesdal entwickelte thermische Batterie löst diese Aufgabe. Das Energiespeicherkonzept basiert auf Wärmeenergie, die mit Hilfe einer Turbine ge- und entladen wird. Durch die Komprimierung eines Gases entsteht energiereiche Wärme von etwa 550 bis 600°C. Um diese Energie zu entladen, wird das heiße, komprimierte Gas durch eine Turbine geleitet, die mit einem Generator verbunden ist - ähnlich dem Prinzip eines umgekehrten Kompressors. Die gespeicherte Energie wird dadurch freigesetzt. Thermische Batterien sind nahezu frei von Selbstentladung und stellen Energie länger als herkömmliche Alternativen zur Verfügung - nämlich über Tage oder sogar Wochen hinweg.
Neben mehr als 90 europäischen Patenten, in denen Stiesdal als Erfinder oder Miterfinder genannt ist, hat er rund 900 internationale Patentanmeldungen eingereicht. Für seine Innovationen erhielt er mehrere Auszeichnungen: 2008 wurde er von Siemens zum Erfinder des Jahres gekürt, 2011 gewann er den Poul-la-Cour-Preis des Europäischen Windenergieverbandes. Weiterhin wurde er 2014 mit dem Deutschen Renewables Award in der Kategorie „Lebenswerk, Windenergie", dem Danish Wind Turbine Award (2015) und dem Danish Plan Energy Green Award (2016) ausgezeichnet.
Eine globale Auswirkung
Die Branche der Offshore-Windanlagen, hatte 2016 einen geschätzten Marktwert von 19,5 Milliarden Euro. Sie birgt für die kommenden sechs Jahre ein enormes jährliches Wachstumspotenzial zwischen 15 und 32 Prozent. Offshore-Windenergie deckt derzeit rund 1,5 Prozent des europäischen Strombedarfs und spielt eine immer wichtigere Rolle im gesamten Windenergiemix, mit dem 2017 rund 11,6 Prozent des EU-Stromverbrauchs abgedeckt werden konnten. In Stiesdals Heimatland Dänemark betrug dieser Wert im vergangenen Jahr sogar mehr als 43 Prozent. Der Anteil des Stroms aus Offshore-Windparks lag bei rund 15 Prozent. Portugal, Irland und Deutschland decken jeweils mehr als 20 Prozent ihres jährlichen Strombedarfs mit Windkraft. Da europäische Länder und Staaten weltweit ihre Erzeugungskapazitäten zugunsten sauberer, erneuerbarer Windenergie weiter ausbauen, leisten Henrik Stiesdals Erfindungen als Grundlage für technologischen Fortschritt in nachhaltiger und umweltfreundlicher Energiegewinnung weiterhin einen wertvollen Beitrag.
Medien- und Servicepaket:
Der
Blick auf das Patent:
EP2106900
,
EP1101935
Pionier auf dem neuesten Stand der Technik
Henrik Stiesdal spielte eine zentrale Rolle bei der Transformation der Windindustrie ab den 1970er Jahren. Jahrzehnte später entwickelt er immer noch Erfindungen, die das Potenzial haben, die Zukunft zu gestalten - darunter neue Verankerungskonzepte für Offshore-Windenergieanlagen und alternative thermische Batteriekonzepte. Lesen Sie mehr über "grüne" Patente, die das wichtige geistige Eigentum hinter Innovationen schützen, und die Energie aus Sonne, Wasser, Wind oder Biomasse zur Stromerzeugung nutzen. Lesen Sie mehr zu Trends in diesem Bereich.
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