Neuartige Katalysatoren aus grünen Metallfressern: Claude Grison als Finalistin für Europäischen Erfinderpreis 2022 nominiert
- Methode zur Herstellung von Metallkatalysatoren aus Pflanzen erfunden: Französische Wissenschaftlerin Claude Grison für Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Ihre Erfindung nutzt Pflanzen zur Absorption von Schwermetallen aus kontaminierten Böden und stellt dann aus den Pflanzen „ Ökokatalysatoren " her
- Einige dieser Ökokatalysatoren haben sich als wirksamer erwiesen als normale Katalysatoren und führten bereits zu Kooperationen mit Chemie-, Pharma- und Kosmetikunternehmen
München, 17. Mai 2022 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt bekannt, dass die französische Wissenschaftlerin, Universitätsprofessorin und CNRS-Forschungsdirektorin Claude Grison für den Europäischen Erfinderpreis 2022 nominiert worden ist. Mit ihrer Methode werden Schwermetalle aus Pflanzen gewonnen, die umweltverschmutzende Stoffe aufnehmen. Diese Schwermetalle werden dann katalytisch für chemische Reaktionen umgewandelt, was nicht nur eine neue Quelle für die Gewinnung chemischer Katalysatoren eröffnet, sondern auch zur Sanierung von Böden beiträgt, die durch Industriezweige wie den Bergbau kontaminiert wurden.
Grison sieht ihre Erfindung als Teil der wachsenden Branche der „grünen Chemie", mit der gefährliche Chemikalien in chemischen Prozessen reduziert oder entfernt werden sollen. Durch den Einsatz von Pflanzen zur Bodensanierung und die anschließende Verwendung der gewonnenen Katalysatoren zur Herstellung neuer Moleküle deckt Grison mit ihrer Arbeit zwei verschiedene Forschungsbereiche ab - Ökologie und grüne Chemie.
„Claude Grison hat eine vielversprechende Lösung entwickelt, die der Industrie hilft, ihre Umweltauswirkungen zu verringern und einen grünen Ansatz für die chemische Industrie zu entwickeln", sagte EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten. „Ihre Erfindung zeigt auch, wie durch eine effektive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsbereichen Nachhaltigkeit in der Schwerindustrie wirksam gefördert werden kann, indem sowohl die wirtschaftliche Seite als auch die dringende Notwendigkeit, ökologischer zu agieren, berücksichtigt werden."
Die französische Erfinderin wurde als eine von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie „Forschung" nominiert, in der Erfindungen ausgezeichnet werden, die auf bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Die Gewinner der diesjährigen Ausgabe des Europäischen Erfinderpreises des EPA werden am 21. Juni im Rahmen einer virtuellen Preisverleihung bekannt gegeben.
Katalysatoren aus Pflanzen
Grison ist Chemie-Spezialistin für lebende Organismen und eine der jüngsten Professorinnen Frankreichs. Zu Beginn ihrer Karriere hatte sie indes wenig Interesse an der Erforschung von Katalysatoren. Das änderte sich 2008, als einige ihrer Studenten sie fragten, ob Pflanzen die vom Menschen verursachte Verschmutzung von Bergbaustandorten beheben könnten. Ihre Neugier war geweckt und sie diskutierte die Frage mit ihrem CNRS-Kollegen José Escarré. Der in Frankreich lebende Botaniker hatte herausgefunden, dass sich einige Pflanzen so angepasst haben, dass sie in verschmutzten Böden gedeihen können. Diese Pflanzen tolerieren nicht nur die im Boden vorhandenen Metallelemente, sondern nehmen sie auch auf, um sie in ihren Wurzeln und Blättern zu speichern. Dieser Prozess wird Phytoextraktion genannt.
Grison und Escarré starteten gemeinsam ein Experiment, um herauszufinden, ob verschmutzte Böden durch den Einsatz von Pflanzen saniert werden können, die sowohl Metalle extrahieren als auch den Boden anschließend wieder anreichern. Sie verwendeten zwei Pflanzenarten: Eine toleriert und kumuliert Zink, Kadmium und Nickel, die andere reichert den Boden mit Stickstoff als wesentlichen Bestandteil des Ökosystems des Erdreichs an. Die ersten Ergebnisse waren ermutigend und führten zu einer neuen Studie auf der Insel Neukaledonien, die sowohl für ihre biologische Vielfalt als auch intensiven Nickelabbau bekannt ist.
Nachdem Grison und ihr Team in einem fast ein Jahr dauernden Prozess erfolgreich nachgewiesen hatten, dass die Phytoextraktion funktioniert, stellte sich die Frage, ob dieses Verfahren wirtschaftlich sein könnte. Zink, Nickel und andere Arten von Schwermetallen, die sich in Pflanzen anreichern, werden bereits in kommerziellen, von Menschen hergestellten Katalysatoren verwendet. Grison wurde klar, dass, wenn es ihr gelänge, Metalle aus den Wurzeln und Blättern der Pflanzen zu extrahieren, sie eine neue Quelle für chemische Katalysatoren erschließen könnte.
„Meine Idee war es, den Phytotechnologien zur Altlastensanierung eine wirtschaftliche Dimension zu verleihen", sagt Grison. „Kontaminierte Pflanzen wurden nicht zu Abfall, sondern zu einer Lösung für den Abbau der Metallressourcen."
Nur wenige Wissenschaftler glaubten, dass diese Metallelemente in großem Maßstab gewonnen und verwendet werden könnten. Grison war jedoch davon überzeugt, dass dies möglich war. Sie entwickelte eine Methode, mit der die Blätter oder Wurzeln der Pflanze bei hohen Temperaturen behandelt werden, um alle organischen Stoffe zu entfernen, sodass nur die Metallsalze übrig bleiben. Die Metalle werden dann weiterbehandelt, um als Katalysatoren für chemische Reaktionen zu dienen.
2011 meldete Grison ein europäisches Patent für ihre Methode zur Gewinnung von Metallen für die Herstellung von Katalysatoren an. Dies ermöglichte die Kommerzialisierung ihrer Arbeit und Verwandlung ihrer Innovation in eine Schlüsseltechnologie für eine nachhaltige Zukunft.
Neue Moleküle
Bei der Analyse der aus Pflanzen gewonnenen Katalysatoren, die Grison „Ökokatalysatoren" nannte, stellte Grison mit ihrem Team fest, dass ihre Mikrostrukturen für sie neu waren und mit den Molekülen auf andere Weise interagieren würden als herkömmliche Katalysatoren. Mit Blick auf deren Leistung sahen sie zudem, dass einige der Ökokatalysatoren das Potenzial haben, Moleküle gezielter anzugehen und zu bearbeiten als herkömmliche Katalysatoren.
Mit Hilfe von Ökokatalysatoren können unterschiedliche chemische Produkte mit potenziellen Marktanwendungen hergestellt werden, zum Beispiel Monomere für biologisch abbaubare Kunststoffe, Antimitotika (für die Krebsbehandlung), verkappte DNA und RNA, Kosmetika und wichtige Zwischenprodukte für die Feinchemie. Bisher hat das Team von Grison mehr als 5000 Biomoleküle mit Hilfe von Ökokatalysatoren synthetisiert. Diese werden nun über BioInspir vermarktet. Grison hatte das Unternehmen 2020 gemeinsam mit dem Start-up-Studio Technofounders gegründet. Bis September 2020 konnte sich BioInspir fast 1 Mio. Euro für seiner erste kommerziellen Phase sichern. Das Unternehmen konzentriert sich auf die Herstellung von Molekülen durch Ökokatalyse für den Einsatz in der Industrie und vermarktet derzeit rund 60 Moleküle - und jede Woche werden weitere entwickelt.
Im Januar 2021 gründete Grison Laboratoires Bioprotection, ebenfalls in Partnerschaft mit Technofounders. Das Unternehmen plant, ein Mückenschutzmittel namens Crusoe auf den Markt zu bringen, dessen Inhaltsstoffe durch Ökokatalyse hergestellt werden können. Das Mittel soll wesentlich wirksamer sein als alle auf dem Markt befindlichen Produkte in tropischen und gemäßigten Zonen.
Im Jahr 2020 belief sich der weltweite Umsatz des Marktes für grüne Chemikalien auf 8,6 Mrd. Euro. Es wird erwartet, dass er zwischen 2020 und 2030 durchschnittlich jährlich um 8,9 % wachsen wird.
Hinweis für die Redaktionen
Informationen zur Erfinderin
Claude Grison promovierte 1987 in Molekularchemie an der Universität Lothringen in Frankreich. Von 1994 bis 2003 war sie Professorin für Chemie an der Universität Nancy und von 2008 bis 2013 in derselben Position an der Universität Montpellier, bevor sie 2016 ihre derzeitige Stelle am CNRS, ebenfalls in Montpellier, antrat. In ihrer akademischen Laufbahn hat sie 211 wissenschaftliche Arbeiten, darunter 25 Buchkapitel, veröffentlicht und 26 Doktoranden betreut. Grison wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit der Innovationsmedaille der „Montpellier Excellence University" 2020 und dem Preis der Suez-Stiftung für das Programm „Agir pour la Ressource en eau" (2018). 2015 wurde sie mit der französischen Ehrenlegion (Klasse Chevalier) ausgezeichnet und 2021 zum Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Außerdem ist sie Mitglied der französischen Nationalen Akademie für Pharmazie.
Claude Grison wird als Erfinderin für das europäische Patent EP2504096B1 genannt (erteilt 2019), das gemeinsam vom CNRS und der Universität Montpellier gehalten wird.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Das EPA verleiht den Preis in vier Kategorien (Industrie, Forschung, KMU und Nicht-EPO-Staaten) und wird darüber hinaus am 21. Juni im Rahmen einer virtuellen Zeremonie einen Preis für das Lebenswerk ausloben. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 13 Finalisten über ein Online-Voting auf der Webseite es EPA ermittelt. Die Stimmenabgabe ist bis zum 21. Juni 2022 möglich. Lesen Sie mehr über die Teilnahmebedingungen und Auswahlkriterien für den Europäischen Erfinderpreis.
In diesem Jahr wird das EPA zum ersten Mal auch den Young Inventors prize vergeben. Der neue Preis für junge Menschen unter 30 ist mit einer Geldprämie für die drei Finalisten dotiert, um sie weiter zu ermutigen, kreative Lösungen für drängende Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu finden.
Über das EPA
Mit 6 400 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Pressekontakte Europäisches Patentamt
Luis
Berenguer Giménez
Leiter
Kommunikation
Pressestelle
des Europäischen Patentamts
Tel.
+49 89 2399 1833
press@epo.org