Estnisches Team gewinnt Europäischen Erfinderpreis 2022 für Superkondensatoren der nächsten Generation
- Europäisches Patentamt ehrt Jaan Leis, Mati Arulepp und Anti Perkson für die Optimierung von gekrümmtem Graphen, einem Material für verbesserte Superkondensatoren
- Die batterieähnlichen Geräte können schnell starke, kurze Energiestöße für den Einsatz in der Industrie und in Elektrofahrzeugen bereitstellen und sind frei von giftigen Materialien
- Tests von Superkondensatoren auf Basis von gekrümmten Graphen in elektrischen Straßenbahnen in Deutschland führten zu Einsparungen von bis zu 30 % an elektrischer Energie
München, 21. Juni 2022 - Das Europäische Patentamt (EPA) hat heute die estnischen Forscher Jaan Leis, Mati Arulepp und Anti Perkson mit dem Europäischen Erfinderpreis 2022 in der Kategorie „Industrie" ausgezeichnet. Ihre Erfindung verbessert die Effizienz von batterieähnlichen Geräten, welche als Superkondensatoren oder Ultrakondensatoren bekannt sind und Energie in Form von statischer Elektrizität speichern und in Sekundenschnelle auf- und wieder abladen können. Diese Technologie hat im Nu die Aufmerksamkeit der Verkehrs- und Stromnetzbranche auf sich gezogen.
„Technologische Innovationen weisen den Weg für den weltweiten Übergang zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft. Ich freue mich, heute die Errungenschaften von Jaan Leis, Mati Arulepp und Anti Perkson zu würdigen, deren Erfindungen der Industrie helfen, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und im Kampf gegen den Klimawandel einen entscheidenden Schritt voranzugehen", sagt EPA-Präsident António Campinos.
Das estnische Team wurde bei der Verleihung des Europäischen Erfinderpreises 2022 geehrt, einer hybriden Veranstaltung, die von einem weltweiten Publikum online verfolgt wurde. Der Preis ist einer der renommiertesten Innovationspreise Europas und wird jährlich an herausragende Erfinder aus Europa und darüber hinaus verliehen, die einen außergewöhnlichen Beitrag zur Gesellschaft, zum technischen Fortschritt und zum Wirtschaftswachstum geleistet haben.
Superkondensatoren mit Strom versorgen
Um sowohl die Leistung als auch die Energiedichte von Superkondensatoren zu verbessern, optimierten Leis, Arulepp und Perkson die Eigenschaften von gekrümmtem Graphen. Dabei handelt es sich um eine einzelne Schicht von Kohlenstoffatomen, die eine Form ähnlich einem zerknüllten Stück Papier annimmt, was zu einer größeren Oberfläche auf der Elektrode und damit zu einer höheren Leistungsübertragungsdichte führt.
Leis und Perkson gründeten 2009 gemeinsam mit ihren Geschäftspartnern Skeleton Technologies, um ihre Forschung zu vermarkten und ihre gekrümmte Graphen-Technologie weiter zu verfeinern. Die vom gesamten Team optimierte Technologie verleiht ihren Superkondensatoren eine außergewöhnliche Energiedichte und eine verbesserte elektrische Leitfähigkeit. Nach Angaben von Skeleton können ihre Superkondensatoren innerhalb von 15 Sekunden aufgeladen werden und halten über 1 Million Ladezyklen aus. Ihr gekrümmtes Graphen, das vollständig in Europa hergestellt wird, weist eine hohe chemische Reinheit auf und ist frei von toxischen Stoffen, wie Lithium oder Kobalt, die üblicherweise in anderen Batterie-/Kondensatortechnologien vorkommen. Dies gewährleistet Zuverlässigkeit und begrenzt die Umweltbelastung.
Superkondensatoren eignen sich gut für Anwendungen, die starke, kurze Energiestöße benötigen. Zudem können sie in Fahrzeugen eingesetzt werden, um die Energie beim Bremsen zu nutzen und sie für die Beschleunigung wiederzuverwenden oder sie können mit Batterien kombiniert werden, um ihre Einsatzmöglichkeiten zu erhöhen. Im Jahr 2018 begann Skeleton Technologies mit der Erprobung von mit Ultrakondensatoren betriebenen Straßenbahnen in drei deutschen Städten (Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen). Die Ultrakondensatoren führten laut dem Unternehmen zu einer Energieeinsparung von bis zu 30 %.
Die Erfinder sagen, dass diese realen Anwendungen ihre Forschung vorantreiben. „Wir hatten schon immer diese Idee, wenn wir etwas im Labor entwickeln: Es muss einen echten Nutzen haben", sagte Jaan Leis. „Das ist ein großer Unterschied zu wissenschaftlichen Artikeln - man findet immer etwas Neues, aber ist es auch auf das wirkliche Leben anwendbar?"
Hinweis für die Redaktionen
Informationen zu den Erfindern
Jaan Leis hat an der Universität Tartu in theoretischer Chemie und Computerchemie promoviert. 1999 begann er bei Tartu Technologies als Chemiker-Technologe zu arbeiten, während er weiterhin als Forscher an der Universität tätig war. Leis verließ das Unternehmen im Jahr 2008, bevor er 2009 Skeleton Technologies mitgründete. Seit 2021 ist er zudem außerordentlicher Professor für Molekulartechnologie an der Universität Tartu und arbeitet weiterhin als Berater bei Skeleton Technologies.
Mati Arulepp promovierte an der Universität Tartu in Physik und Elektrochemie. Er begann seine berufliche Laufbahn beim Forschungsinstitut Tartu Technologies, wo er während seines Promotionsstudiums tätig war. Anschließend arbeitete er bei Carbon Nanotech, bevor er 2010 als leitender Wissenschaftler zu Leis und Perkson bei Skeleton Technologies kam. Seit 2016 ist er als technischer Experte für das Unternehmen tätig.
Anti Perkson promovierte an der Universität Tartu in chemischer Physik. Im Jahr 1998 begann er seine Tätigkeit bei Tartu Technologies als Forschungswissenschaftler. Ein Jahr später gründete er zusammen mit Leis und anderen Skeleton Technologies. 2013 trat er dem Unternehmen als Chief Technical Officer bei und fungiert seit 2016 als Berater für Materialwissenschaften.
Das Team wird in den europäischen Patenten EP2616564B1 (erteilt 2017), EP2978003B1 (erteilt 2017) und EP2633532B1 (erteilt 2015) als Erfinder genannt.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Das EPA verleiht den Preis in fünf Kategorien (Industrie, Forschung, KMU, Nicht-EPO-Staaten und Lebenswerk). Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 13 Finalisten über ein Online-Voting auf der Webseite es EPA ermittelt.
In diesem Jahr wird das EPA zum ersten Mal auch den Young Inventors prize vergeben. Der neue Preis für junge Menschen unter 30 ist mit einer Geldprämie für die drei Finalisten dotiert, um sie weiter zu ermutigen, kreative Lösungen für drängende Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu finden.
Über das EPA
Mit 6 400 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Pressekontakte Europäisches Patentamt
Luis Berenguer Giménez
Hauptdirektor Kommunikation, Sprecher
Pressestelle des
Europäischen Patentamts
Tel. +49 89
2399 1833
press@epo.org