T 0831/17 (Haar oder München als Ort der mündlichen Verhandlung) 25-02-2019
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Verfahren zum Betreiben eines Mobilfunknetzes
Rechtliches Gehör am richtigen Ort
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - durch die Beschwerdekammer
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
Zulässigkeit der Beschwerde
Mündliche Verhandlung - vor der Beschwerdekammer
Recht auf mündliche Verhandlung - auch bei ersichtlich unzulässiger Beschwerde?
Vorlagefragen:
1. Ist im Beschwerdeverfahren das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 116 EPÜ eingeschränkt, wenn die Beschwerde auf den ersten Blick unzulässig ist?
2. Wenn die Antwort auf Frage 1 ja ist, ist eine Beschwerde gegen den Patenterteilungsbeschluss in diesem Sinne auf den ersten Blick unzulässig, die ein Dritter im Sinne von Artikel 115 EPÜ eingelegt und damit gerechtfertigt hat, dass im Rahmen des EPÜ kein alternativer Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung der Prüfungsabteilung gegeben ist, seine Einwendungen betreffend die angebliche Verletzung von Artikel 84 EPÜ nicht zu berücksichtigen?
3. Wenn die Antwort auf eine der ersten beiden Fragen nein ist, kann die Kammer ohne Verletzung von Artikel 116 EPÜ die mündliche Verhandlung in Haar durchführen, wenn die Beschwerdeführerin diesen Standort als nicht EPÜ-konform gerügt und eine Verlegung der Verhandlung nach München beantragt hat?
I. Die Beschwerdeführerin, die nicht am Prüfungsverfahren beteiligt war, dort aber verschiedene Einwendungen Dritter eingereicht hatte, wendet sich mit der vorliegenden Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 12. Januar 2017 betreffend die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 2 378 735 gemäß Art. 97 (1) EPÜ.
II. Sie rügt die Nichtbeachtung der von ihr erhobenen Klarheitseinwände gegen die erteilten Patentansprüche und vertritt die Auffassung, ihr müsse ein Beschwerderecht gegen den Erteilungsbeschluss zustehen, da wegen der beschränkten Anzahl von Einspruchsgründen andernfalls kein Rechtsschutz gegen die Nichtbeachtung ihrer Einwände nach Art. 84 EPÜ bestehe.
III. Die Kammer hat die Beschwerdeführerin in zwei Bescheiden vom 25. Mai 2018 und 1. Oktober 2018 auf die aus dem EPÜ zu entnehmende Intention der Konventionsgeber hingewiesen, nur Verfahrensbeteiligten, nicht aber den Verfassern von Einwendungen Dritter ein Beschwerderecht zu geben. Die Beschwerdekammern seien durch das EPÜ gebunden und könnten nicht extra legem selbst neue Rechtsbehelfe schaffen. Mit einer Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig sei zu rechnen.
IV. Die Patentinhaberin hat sich der Einschätzung der Kammer angeschlossen und führt noch weitere Gründe an, warum die Beschwerde unzulässig sei (fehlende Eindeutigkeit, wer Beschwerdeführer sein soll, nicht eingehaltene Frist und nicht ausreichende Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung). Auf diese Einwände, die die Kammer bei vorläufiger Prüfung für nicht durchgreifend erachtet, kommt es vorliegend nicht an.
V. Die Beschwerdeführerin sieht eine unerträgliche Rechtsschutzlücke und strebt eine Klärung dieser grundlegenden Frage im Entscheidungswege an. Sie hat daher eine mündliche Verhandlung auch über die Zulässigkeitsfrage beantragt und stellte, nachdem die Kammer sie für den 25. Januar 2019 zu einer mündlichen Verhandlung in das Dienstgebäude der Beschwerdekammern nach Haar geladen hatte, Antrag auf Verlegung der Verhandlung nach München, da das Europäische Patentamt dort seinen Sitz habe, und Haar - anders als Den Haag - "im Europäischen Patentübereinkommen offensichtlich nicht als Ort für Handlungen oder Verhandlungen vorgesehen" ist.
VI. Die Kammer hat im Hinblick darauf den Termin zur mündlichen Verhandlung bis zur Klärung der unten wiedergegebenen Vorlagefragen durch die Große Beschwerdekammer aufgehoben.
Eine Vorlage der Frage des richtigen Verhandlungsortes (Vorlagefrage 3) an die große Beschwerdekammer erscheint nach Artikel 112 (1)a) EPÜ geboten, da die Frage grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Beschwerdeverfahren hat (siehe nachfolgend 1), ihre Beantwortung zudem der Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung dient (siehe nachfolgend 2) und die Kammer hierüber eine Entscheidung für erforderlich hält (siehe nachfolgend 3). Die Vorlagefragen 1 und 2 zur Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung bei ersichtlich unzulässigen Beschwerden stellen sich als entscheidungserhebliche Vorfragen. Ihre Beantwortung ist überdies zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung geboten (siehe nachfolgend 4).
1. Die Frage des richtigen Verhandlungsortes stellt sich in allen Fällen, in denen sich Parteien nicht rügelos auf eine Ladung nach Haar einlassen, und hat daher grundsätzliche Bedeutung im Sinne von Artikel 112 (1)a) EPÜ, 2. Alternative. Eine Entscheidung der Kammer, den Verhandlungsort nicht zu verlegen, wäre ebenso wie eine Verlegung des Verhandlungsortes nach München nicht geeignet, Parteien in anderen Verfahren von der Stellung von Verlegungsanträgen abzuhalten. Insbesondere im zweiten Fall wäre bis zur Herausbildung einer einheitlichen Handhabung der verschiedenen Kammern von gravierender Rechtsunsicherheit auszugehen und es stellten sich nicht unerhebliche organisatorische Probleme. Daher erscheint die Herbeiführung einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer als der am besten geeignete und daher gebotene Weg, die Grundfrage des richtigen Verhandlungsortes in Beschwerdeverfahren für alle Kammern und Fälle einheitlich zu beantworten.
2. Zugleich dient die Vorlage einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung, die in Teilaspekten, nämlich bei der Frage, wie weit die Prüfungskompetenz der Kammern im Rahmen von Verlegungsanträgen geht, divergiert (vgl. Punkte 3.2.1 und 3.2.2 sowie die Einschätzung der Kammer hierzu in Punkt 3.2.3).
3. Die Kammer hält eine Entscheidung über den Verlegungsantrag aus den folgenden Gründen für erforderlich:
3.1 Wie bereits mehrfach entschieden, umfasst das Recht auf Anhörung in einer mündlichen Verhandlung als Unterfall des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht nur das Recht überhaupt gehört zu werden, sondern auch das Recht, seine Argumente am richtigen Ort präsentieren zu können (T 1012/03, Gründe Nr. 25; T 689/05, Gründe Nr. 5.1).
3.2 Der richtige Ort ist nicht automatisch der Sitz der Europäischen Patentorganisation gemäß Artikel 6 (1) EPÜ, aber regelmäßig der Ort gemäß Artikel 6 (2) EPÜ, an dem das für das Verfahren jeweils zuständige Organ im Sinne von Artikel 15 EPÜ des Europäischen Patentamtes angesiedelt ist, dies jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ansiedlung des Organs mit den Regelungen des Europäischen Patentübereinkommens vereinbar ist (T 1012/03, Gründe Nr. 41 ff.; T 689/05, Gründe Nr. 5.3).
3.2.1 Dementsprechend haben in den oben zitierten Entscheidungen Kammern, die nach Aufhebung der räumlichen Trennung von Recherchen- und Prüfungsabteilungen mit der Frage befasst waren, ob eine Prüfungsabteilung die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung an ihren neuen Dienstsitz laden durfte, geprüft, ob der Präsident des Europäischen Patentamtes die Befugnis hatte, Prüfungsabteilungen in der Zweigstelle Den Haag des Amtes anzusiedeln (T 1012/03, Gründe Nr. 41 ff.; T 689/05, Gründe Nr. 5.3).
3.2.2 Soweit eine Kammer zu dem Ergebnis kam, aufgrund der organisatorischen Natur der Bestimmung von Ort, Raum und Datum einer mündlichen Verhandlung handle es sich nicht um Entscheidungen der Prüfungsabteilung über Patentanmeldungen, die einer Überprüfung durch die Kammer zugänglich seien (T 1142/12, Gründe 2.7.1 bis 2.7.3), räumt diese doch an anderer Stelle ein, dass die Grundfrage ob die Verwaltungsentscheidung eine Grundlage im EPÜ hat und nicht zu wesentlichen Verfahrensfehlern gegenüber den Parteien geführt hat, zunächst geklärt sein muss (Gründe 2.12).
3.2.3 Die vorlegende Kammer folgt dem erstgenannten Aspekt dieser Entscheidung (Gründe 2.7.3) nicht: Die Organe des Europäischen Patentamtes treffen im Rahmen der Führung der ihnen zugewiesenen Verfahren durchaus Entscheidungen, die zwar administrative Fragen betreffen, aber dennoch im Beschwerdeweg überprüfbar sind, etwa (das Datum betreffend) ob mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf terminiert wird, ob einem Verlegungsantrag stattgegeben wird, aber auch (den Ort betreffend) wo eine Beweisaufnahme (Augenschein, Vernehmung von Zeugen, die nicht reisen können oder sich weigern an den Dienstsitz des Organs zu reisen) durchgeführt wird. Auch örtliche Verlegungsanträge müssen daher im Rahmen der den jeweiligen Organen zukommenden Verfahrensleitungsbefugnis von diesen selbst entschieden werden und es erscheint nicht ausgeschlossen, in besonderen Fällen die mündliche Verhandlung an einem anderen Ort, etwa dem Ort der Beweisaufnahme durchzuführen.
Die Kammer folgt der zweitzitierten Passage dieser Entscheidung (Gründe 2.12) und den beiden oben unter Punkt 3.2 zitierten Entscheidungen insoweit, als die EPÜ-Konformität der Ansiedlung eines Organs an einem Dienstort als Vorfrage für die Frage der rechtmäßigen Ladung von Parteien an diesen Dienstort und damit der Gewährung des rechtlichen Gehörs in richtiger Weise angesehen wird.
Soweit in der Gegenüberstellung beider zitierter Passagen der Entscheidung T 1142/12 implizit der Gedanke zum Ausdruck kommt, dass Entscheidungen, mündliche Verhandlungen im Einzelfall an anderen Orten als dem Dienstsitz durchzuführen, selten sein dürften und zu trennen sind von der Grundfrage, wo dieser Dienstsitz in Übereinstimmung mit der Konvention angesiedelt werden durfte, kann sich die Kammer auch dieser Unterscheidung anschließen.
Die Vorlageentscheidung soll gerade der nur einmaligen Entscheidung dieser Grundfrage auch mit Wirkung für alle künftigen Verfahren vor den Beschwerdekammern in Haar dienen.
3.3 Die Entscheidung der Frage wird im wesentlichen davon abhängen, ob der Präsident des Europäischen Patentamtes oder der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation, der den Präsidenten zur Anmietung des neuen Dienstgebäudes und damit zur Verlagerung der Beschwerdekammern in die Gemeinde Haar ermächtigt hat, entweder die Befugnis hatte, Organe des Amtes im Sinne von Artikel 15 EPÜ auch außerhalb der im EPÜ (Artikel 6 (2)) einschließlich des Zentralisierungsprotokolls (Abschnitt I(3)a)) genannten Orte anzusiedeln oder ob Artikel 6 (2) des EPÜ so auszulegen ist, dass mit "München" nicht die Stadt dieses Namens, sondern eine ganze, nicht genauer bestimmte Region oder aber der gleichnamige Landkreis, der, wie die Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck, an die (nicht zu einem der Landkreise gehörende, da kreisfreie) Stadt München angrenzt, gemeint ist.
Im Hinblick auf internationale Organisationen formulieren Schermers/Blokker, International Institutional Law, The Hague, 1995, ISBN: 90-411-0108-X auf Seite 319: "The city in which the secretariat is established is usually called the "seat" of the organization." Auch im nationalen Recht bezieht sich in allen der Kammer bekannten Jurisdiktionen der Mitgliedsstaaten die Sitzangabe in Satzungen juristischer Personen auf die Gemeinde oder Stadt, in der die juristische Person ihren Sitz hat und nicht auf etwaige Regionen oder überörtliche Gebietskörperschaften. Es sind für die Kammer keine Gründe ersichtlich, warum der Begriff "München" in Artikel 6 (1) EPÜ anders ausgelegt werden sollte als in Artikel 6 (2) EPÜ. Das Europäische Patentamt bildet schließlich zugleich das "Sekretariat" der Europäischen Patentorganisation, deren Gründungsurkunde, das EPÜ, auch in München unterzeichnet wurde (vgl. den Hinweis auf den Unterzeichnungsort nach Artikel 178 EPÜ).
Visser's Annotated European Patent Convention, 2018 Edition, ISBN: 9789403506746, Wolters Kluwer, erwähnt in Randnummer 1 zu Artikel 6 EPÜ eine angebliche mündliche Äußerung "des Gesetzgebers" im Rahmen der EPÜ Revision 2000, wonach die im EPÜ verwendeten geografischen Bezeichnungen weit ausgelegt werden sollten und Den Haag daher die Provinz Süd Holland, München dagegen den Freistaat Bayern bezeichnen solle. Leider wird bei Visser keine Fundstelle angegeben; die eigenen Recherchen der Kammer sprechen gegen eine derartige Äußerung des legislatorischen Willens. Es ist bereits nicht ersichtlich, wie sich "der Gesetzgeber", also die Gesamtheit der Delegationen auf der Diplomatischen Konferenz von November 2000 mündlich geäußert haben könnte. Der Konferenzbericht (MR/24/00) erwähnt keinerlei derartige Wortmeldung auch nur einer Delegation. Artikel 6 EPÜ war nicht zur Änderung vorgesehen und auch im Zusammenhang mit der Streichung von "Den Haag" in den Artikeln 16 und 17 EPÜ zur Ermöglichung des neu einzuführenden BEST-Verfahrens (Konferenzbericht Punkte 61/62) oder im Zusammenhang mit der Diskussion zum Personenstandsprotokoll (MR/PLD 5/00; Konferenzbericht Punkte 321 bis 341) oder im Rahmen der Eingangsstatements der Delegationen (Konferenzbericht Punkte 9 bis 33) wurde diese Frage erkennbar nicht erörtert. In den Materialien zur Vorbereitung der Konferenz durch den Patentrechtsausschuss findet sich vielmehr der Hinweis, dass die von epi geäußerte Sorge, "dass der Wegfall der geographischen Festschreibungen [in Artikeln 16 und 17 EPÜ] zu einer weiteren Streuung der Standorte des Amts führen könnte", unbegründet sei, da das Projekt klar umrissen sei und eine Änderung des Artikels 6 EPÜ nicht zur Diskussion stehe (CA/PL PV 6, Punkte 19 bis 22). Die Kammer hat keinen Hinweis gefunden, dass dies auf der diplomatischen Konferenz selbst von irgendeiner Seite anders gesehen oder gar ausgedrückt worden wäre.
Es erscheint ferner fraglich, ob im Rahmen von Artikel 6 (2) EPÜ an die Auslegung von "München" dieselben Kriterien anzulegen sind wie an die Auslegung von "Den Haag". Insoweit könnte es von Bedeutung sein, dass zum Zeitpunkt der Einigung auf München und Den Haag als Standorte des zu errichtenden Europäischen Patentamtes im Juni 1972 (siehe travaux préparatoires, BR/219/72, Punkte 173 bis 181) und Oktober 1973 (Artikel 6 EPÜ 1973) die in das Europäische Patentamt zu integrierenden Dienststellen des Institut International des Brevets (IIB)(s. Zentralisierungsprotokoll, Abschnitt I(1) und V(1)) auf mehrere Standorte in Den Haag und dem benachbarten Rijswijk verteilt waren, während für München zu keinem Zeitpunkt in der Entstehungsphase ein anderer Dienstort als die Stadt München, in der auch das Deutsche Patentamt seinen Sitz hatte, zur Diskussion stand. Entsprechend wird in dem später geschlossenen Sitzabkommen zwischen der Europäischen Patentorganisation und dem Königreich der Niederlande die in Artikel 6 EPÜ erwähnte Zweigstelle als "die Zweigstelle des Europäischen Patentamtes in Den Haag (Rijswijk)" definiert (Artikel 1 des Abkommens), während in demjenigen mit der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der in der Präambel genannten "Erwägung, dass nach Artikel 6 des erwähnten Übereinkommens [EPÜ] das Europäische Patentamt in München errichtet wird", nur die Stadt München genannt ist, mit dem vorläufigen Standort im Motoramahaus und dem endgültigen Standort des in Errichtung befindlichen Isargebäudes (Artikel 11 (1) und (2) des Abkommens). Standorte in angrenzenden Gemeinden waren niemals im Gespräch, so dass auch der Tatsache, dass einer der drei an München angrenzenden Landkreise den gleichen Namen wie die Stadt München trägt, historisch keine Bedeutung zukommen dürfte.
Der Kammer ist die genaue Argumentation nicht bekannt, mit der der Präsident im Jahr 2016 die Auffassung vertreten hat, dass eine Verlagerung der Beschwerdekammern in einen Ort außerhalb der Stadtgrenzen von München mit dem EPÜ im Einklang steht; sie hat sich zu dieser Frage daher noch keine abschließende Meinung gebildet. Dies ist im Rahmen einer Vorlageentscheidung für den Gegenstand der Vorlagefrage selbst aber auch nicht erforderlich, so dass die Kammer davon abgesehen hat, zunächst gemäß Artikel 18 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eine Stellungnahme des Präsidenten des Europäischen Patentamtes einzuholen. Die Große Beschwerdekammer wird sich ggfs. im Rahmen von Artikel 9 ihrer Verfahrensordnung hiermit befassen.
3.4 Die Kammer geht davon aus, dass die Frage nach dem richtigen Verhandlungsort auch im vorliegenden Fall, also trotz ihrer vorläufigen Einschätzung, die Beschwerde sei unzulässig, entscheidungserheblich ist; die Kammer folgt insoweit der herrschenden Rechtsprechung (vgl. nachfolgend 4.1), wonach einem Antrag der Beschwerdeführerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung regelmäßig auch bei ersichtlich unzulässigen Beschwerden nachzukommen ist. Während sie als Dritte im Prüfungsverfahren nicht Beteiligte war (vgl. Artikel 115, Satz 2 EPÜ), ist sie durch die Einlegung der Beschwerde zur Beteiligten des Beschwerdeverfahrens geworden. Als solcher steht ihr grundsätzlich nach Artikel 116 (1) EPÜ ein Recht auf mündliche Verhandlung zu, auch wenn ihre Beschwerde mangels Beschwerdeberechtigung gemäß Artikel 107 EPÜ auf den ersten Blick unzulässig sein dürfte. Die Konstellation dürfte daher ähnlich sein wie im Fall T 1259/09, in dem eine andere Kammer über die Beschwerde einer Partei mündlich verhandelte, die ohne Beteiligte des Prüfungsverfahrens gewesen zu sein dort einen Antrag auf Korrektur des Erteilungsbeschlusses gestellt hatte und sich dagegen beschwerte, dass diese Korrektur nicht vorgenommen worden war.
4. Im Hinblick auf die bezüglich des Anspruchs auf mündliche Verhandlung bei ersichtlich unzulässigen Beschwerden nicht einheitliche Rechtsprechung legt die Kammer der Großen Beschwerdekammer zur Sicherung einer künftigen einheitlichen Rechtsanwendung auch die sich insoweit stellenden Vorfragen betreffend die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung zur Entscheidung vor.
4.1 Die tägliche Praxis der Beschwerdekammern geht davon aus, dass einem Antrag einer Beschwerdeführerin auf mündliche Verhandlung stets nachzukommen ist und unterscheidet im Hinblick auf den Verhandlungsgegenstand nicht zwischen Begründetheit und Zulässigkeit der erhobenen Beschwerde oder nach dem Grad ihrer ersichtlichen Unzulässigkeit. So wurde etwa in den folgenden Fällen die Notwendigkeit oder Sachdienlichkeit einer mündliche Verhandlung nicht in Frage gestellt, obwohl nur Zulässigkeitsfragen zu diskutieren waren: J 9/04, J 9/11 und J 10/15 (kein Rechtsweg zu den Beschwerdekammern), J 2/93, J 24/94 und J 22/12 (keine beschwerdefähige Entscheidung), T 656/98 und T 1259/09 (fehlende Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführerin), T 1633/18 (wirksame Einlegung, aber nicht ausreichende Begründung der Beschwerde, siehe Punkt X. des Sachverhalts), J 12/83, T 591/05 und T 84/16 (fehlende Beschwer der Beschwerdeführerin), J 16/94 (keine eindeutige, da bedingte Beschwerdeerklärung), J 10/88 und T 1950/09 (fehlende Beschwerdebegründung), T 150/11 und T 2054/15 (verspätete Beschwerdebegründung), J 10/11, T 502/02 und T 1407/17 (nicht ausreichende Beschwerdebegründung). Einige Entscheidungen (vgl. etwa T 189/06, Gründe Nr. 18, T 263/07, Gründe Nr. 2.1, T 1426/07, Gründe Nr. 4, und T 1251/08, Gründe Nr. 2.2) erwähnen ein "absolutes Recht" auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die Entscheidung T 383/87 (s. Gründe Nr. 9) sieht die Schwelle für eine Ablehnung eines Antrags auf mündliche Verhandlung allenfalls unter ganz außergewöhnlichen Umständen, die sich als Rechtsmissbrauch darstellen, erreicht. T 1829/10 (s. Gründe Nr. 2.3) und T 2687/17 (s. Gründe Nr. 2) gehen davon aus, dass eine beantragte mündliche Verhandlung zwingend erfolgen muss und insoweit keinerlei Ermessensspielraum besteht.
4.2 In der Entscheidung G 1/97 (Gründe Nr. 6, letzter Absatz) hat die Große Beschwerdekammer jedoch den Grundsatz entwickelt, dass eine - wegen der Wahl eines nicht existenten Rechtsmittels - auf den ersten Blick unzulässige Beschwerde gegen die Entscheidung einer Beschwerdekammer von dieser im Interesse der raschen Herstellung von Rechtssicherheit ohne Einhaltung weiterer Förmlichkeiten und insbesondere ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen ist. Dieser Grundsatz wurde in der Folgezeit von der Rechtsprechung der Beschwerdekammern in dieser Konstellation wiederholt angewandt (vgl. u.a. die Entscheidungen T 402/01 vom 4. Oktober 2005, Gründe Nr. 3.2, T 431/04, Gründe Nr. 4, und T 883/06, Gründe Nr. 3).
4.3 Eine weitere Gruppe von Entscheidungen erachtet eine mündliche Verhandlung dann für entbehrlich, wenn ein Beschwerdeführer, der in der Beschwerdeschrift einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, dann aber keine Beschwerdebegründung eingereicht hat, auf einen Hinweis der Kammer, dass die Beschwerde als unzulässig anzusehen sei, nicht reagiert (T 1042/07, T 234/10, T 179/11, T 1575/16, T 2575/16, T 95/17 und weitere). Dies wird damit begründet, dass der Antrag auf mündliche Verhandlung obsolet geworden sei bzw. die Nichtreaktion als gleichwertig mit einer Aufgabe des Antrags anzusehen sei. Da das römischrechtliche Prinzip "Qui tacet consentire videtur" im EPÜ jenseits der Vorschriften, die einen Rechtsverlust als Konsequenz einer fehlenden Reaktion explizit vorsehen, nicht anerkannt ist (vgl. G 1/88, Gründe Nr. 2.1 und 3, T 861/16, Gründe Nr. 2.4.3 und T 2687/17, Gründe Nr. 5; abweichend, jedoch ohne Auseinandersetzung mit G 1/88: T 655/13, Gründe Nr. 2.4.2(b); als Ausnahme abgrenzend von G 1/88: T 1449/05, Gründe Nr. 2.9), scheint diesen Entscheidungen auch der Gedanke zu Grunde zu liegen, dass es reine Förmelei wäre, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn die Unzulässigkeit der Beschwerde auf den ersten Blick erkennbar ist.
4.4 Vor diesem Hintergrund zielt die erste Vorlagefrage auf die Klärung ab, ob die Große Beschwerdekammer in der von ihr mit G 1/97 initiierten Rechtsprechung und ggfs. der weiteren, auf T 1042/07 zurückgehenden Gruppe von Entscheidungen einen verallgemeinerungsfähigen Gedanken dahingehend sieht, dass das Recht auf mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren das Vorliegen einer Beschwerde voraussetzt, die nicht auf den ersten Blick unzulässig ist.
4.5 Die zweite Vorlagefrage konkretisiert dies auf die hier zur Entscheidung stehende Konstellation, in der ein Dritter, der im Prüfungsverfahren Einwendungen gemäß Artikel 115 EPÜ gemacht und dabei vergeblich einen angeblichen Verstoß der Patentansprüche gegen Artikel 84 EPÜ gerügt hat, für sich ein außerordentliches Beschwerderecht gegen die Erteilungsentscheidung reklamiert, da es in Folge der Entscheidung G 3/14 keinen anderen Rechtsbehelf gegen die vermeintliche Verletzung von Artikel 84 EPÜ durch die Prüfungsabteilung gebe.
4.6 Die Kammer vertritt insoweit die Auffassung, dass die Frage der Beschwerdeberechtigung und die abschließend beschränkte Zahl der Einspruchsgründe im EPÜ klar geregelt sind. Auch wenn in der Konsequenz für einen Dritten somit keine Möglichkeit besteht, in einem Beschwerdeverfahren die eigene Rechtsauffassung betreffend Artikel 84 EPÜ und die davon abweichende Auffassung der Prüfungsabteilung von einer Einspruchsabteilung oder Beschwerdekammer überprüfen zu lassen, sieht die Kammer keine Möglichkeit, selbst einen außerordentlichen, vom EPÜ nicht vorgesehen Rechtsbehelf zu schaffen.
Die Große Beschwerdekammer hat insoweit bereits in der Entscheidung G 1/97 festgehalten (Gründe Nr. 3(b), erster Absatz): "In einem kodifizierten System wie dem EPÜ kann nicht der Richter nach Bedarf an die Stelle des Gesetzgebers treten, der die erste Rechtsquelle ist und bleibt. Zwar kann er sich veranlaßt sehen, Lücken auszufüllen, insbesondere, wenn sich zeigt, daß der Gesetzgeber es versäumt hat, bestimmte Fälle zu regeln." Die Kammer sieht insoweit keine planwidrige Regelungslücke, die durch Analogie zu schließen wäre. Sie teilt überdies die in G 1/97 (Gründe Nr. 3(a)) vertretene Auffassung, dass auch Artikel 125 EPÜ nicht zur Einführung neuer Rechtsbehelfe herangezogen werden könne.
Es dürfte daher eine Fallgestaltung ähnlich der von der Juristischen Kammer in der Entscheidung J 10/15 (Gründe Nr. 6) beschriebenen vorliegen: "Vielmehr stellt die Kammer fest, dass der Beschwerde eine rechtspolitische Fragestellung zu Grunde liegt, die den Zuständigkeitsbereich der Vertragsstaaten betrifft, nämlich die Frage, ob im Rahmen eines internationalen Abkommens bzw. einer Revision eines bestehenden internationalen Abkommens ein (weiteres) Rechtsmittel eingeführt werden sollte."
Die Beschwerde erscheint daher für die Kammer eindeutig unzulässig, so dass die zweite Vorlagefrage relevant wird, ob die vorliegende Konstellation unter die Fälle ersichtlich unzulässiger Beschwerden, bei denen eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet wurde, einzuordnen ist, oder unter die Fälle, über die auf Antrag mündlich zu verhandeln ist.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Großen Beschwerdekammer werden gemäß Artikel 112 (1)a) EPÜ die folgenden Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Ist im Beschwerdeverfahren das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 116 EPÜ eingeschränkt, wenn die Beschwerde auf den ersten Blick unzulässig ist?
2. Wenn die Antwort auf Frage 1 ja ist, ist eine Beschwerde gegen den Patenterteilungsbeschluss in diesem Sinne auf den ersten Blick unzulässig, die ein Dritter im Sinne von Artikel 115 EPÜ eingelegt und damit gerechtfertigt hat, dass im Rahmen des EPÜ kein alternativer Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung der Prüfungsabteilung gegeben ist, seine Einwendungen betreffend die angebliche Verletzung von Artikel 84 EPÜ nicht zu berücksichtigen?
3. Wenn die Antwort auf eine der ersten beiden Fragen nein ist, kann die Kammer ohne Verletzung von Artikel 116 EPÜ die mündliche Verhandlung in Haar durchführen, wenn die Beschwerdeführerin diesen Standort als nicht EPÜ-konform gerügt und eine Verlegung der Verhandlung nach München beantragt hat?