T 0894/00 08-10-2003
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Wiederverwertbare Textile Oberböden
Sachverhalt und Anträge
I. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch gegen das auf die Anmeldung Nr. 95 942 090.2 erteilte europäische Patent Nr. 0 797 700 mit der am 13. Juli 2000 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung dem Einwand des Einsprechenden, Anspruch 1 des erteilten Patents verletze die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ, nicht gefolgt.
Anspruch 1 in der erteilten Fassung des angefochtenen Patents lautet:
"Wiederverwertbare textile Oberböden in Kraftfahrzeugen (1) mit einem mehrschichtigen Aufbau in der Reihenfolge aus
a) einer Schaumstoffschicht (2),
b) einer in die Schaumstoffschicht (2) nicht eindringenden Trennfolie (5),
c) einer Schwerschicht (3) und
d) einem textilen Bodenbelag (4),
wobei die Haftfähigkeit der Trennfolie (5) zur Schwerschicht (3) geringer ist, als die Haftfähigkeit der Trennfolie (5) zur Schaumstoffschicht (2), so daß die Trennfolie (5) von der Schwerschicht (3) abtrennbar ist."
II. Der von der Einsprechenden (unter anderen) erhobene Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ betraf das Merkmal "einer in die Schaumstoffschicht (2) nicht eindringenden Trennfolie". Nach Auffassung der Einspruchsabteilung stellt das Merkmal des "Nicht-Eindringen in die Schaumstoffschicht" durch die Trennfolie eine Überbestimmung der Definition Folie dar. Es sei, so die Einspruchsabteilung, ein zwingendes Resultat des Einsetzens einer Folie.
III. Am 5. September 2000 legte die Einsprechende unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die sie am 26. Oktober begründete. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Meinung mit, nach der (u. a.) das Merkmal des Nicht-Eindringens der Trennfolie bzw. der Trennschicht als Merkmal mit einer technischen Bedeutung zu werten, jedoch als solche nicht aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen herzuleiten sei.
IV. Am 8. Oktober 2003 wurde in der Sache mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der geänderten Form ihres mit Schreiben vom 22. September 2003 eingereichten Antrags aufrechtzuerhalten.
Anspruch 1 dieses Antrags lautet (Hervorhebungen sind von der Kammer eingeführt, um die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung des Anspruchs zu verdeutlichen):
"Wiederverwertbare textile Oberböden in Kraftfahrzeugen (1) mit einem mehrschichtigen Aufbau in der Reihenfolge aus
a) einer Schaumstoffschicht (2),
b) einer in die Schaumstoffschicht (2) nicht eindringenden Trennschicht, bestehend aus einer biaxial gereckten Polyalkylenfolie (5),
c) einer Schwerschicht (3) und
d) einem textilen Bodenbelag (4),
wobei die Haftfähigkeit der Trennschicht (5) zur Schwerschicht (3) geringer ist, als die Haftfähigkeit der Trennschicht (5) zur Schaumstoffschicht (2), so daß die Trennschicht(5) von der Schwerschicht (3) abtrennbar ist."
V. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei unter Verletzung des Artikels 123 (2) EPÜ unzulässig erweitert worden, denn die ursprünglichen Anmeldeunterlagen erwähnten an keiner Stelle, daß die Trennfolie bzw. Trennschicht nicht in die Schaumstoffschicht eindringe.
Die verwendete Bezeichnung "Trennfolie" bedeute nicht zwangsläufig, daß sie nicht in die Schaumstoffschicht eindringe, denn sie könne z. B. gelocht sein bzw. eine raue oder ungleichmäßige Oberflächenbeschaffenheit haben und somit dies bewirken. Weiter stehe damit fest, daß dieses Merkmal eine technische Bedeutung habe und somit nicht ohne Verletzung der in der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/93 (ABl. EPA 1994, 541) aufgestellten Grundsätze im Anspruch verbleiben könne.
Die Ersetzung des Merkmals "Trennfolie" in der erteilten Fassung durch das Merkmal "Trennschicht, bestehend aus einer biaxial gereckten Polyalkylenfolie" bedeute eine Erweiterung des Schutzumfanges des Anspruchs 1 (Artikel 123 (3) EPÜ), denn sie beziehe sich immer noch auf das Merkmal der "Trennschicht", das an sich mehr umfasse als nur eine "Trennfolie". Die Präzisierung auf "biaxial gereckte Polyalkylenfolie" müsse in nationalen Verletzungsverfahren nicht unbedingt als Einschränkung des Begriffes "Trennschicht" gesehen werden.
VI. Die Beschwerdegegnerin vertrat im wesentlichen die Auffassung, daß der Schutzumfang des Patents durch die Einschränkung der "Trennfolie" auf "Trennschicht, bestehend aus einer biaxial gereckten Polyalkylenfolie" nicht erweitert werde, denn es sei klar, daß die Trennschicht ausschließlich aus dieser biaxial gereckten Polyalkylenfolie bestehe.
Sie vertritt die Meinung, daß mit der Einschränkung der Trennschicht auf eine biaxial gereckte Polyalkylenfolie nur ein durchgehendes Material gemeint sein könne, das nicht in die Poren der Schaumsstoffschicht eindringe. Ein Eindringen in die Poren des Schaumstoffes sei nur durch Erhitzen der Polyalkylenfolie zu erreichen, wodurch allerdings der biaxiale Charakter der Folie verloren gehe. Gleiches sei den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen und dem erteilten Patent zu entnehmen, wo es um das Vermeiden von Durchschüssen in den Schaumstoff gehe. Somit sei diese Angabe in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung nur als Überbestimmung des Merkmals "Trennfolie" zu betrachten.
VII. Bezüglich der sonstigen Einwände und Erwiderungen der Parteien bzgl. Ausführbarkeit der Erfindung, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ) Merkmal: "Trennschicht, bestehend aus einer biaxial gereckten Polyalkylenfolie"
2.1. Im erteilten Anspruch wurde eine "Trennfolie" beansprucht, die in dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Anspruch 1 durch das Merkmal "Trennschicht, bestehend aus einer biaxial gereckten Polyalkylenfolie" ersetzt wurde.
In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen war nicht von einer "Trennfolie" die Rede, sondern allein von einer "Trennschicht", die bevorzugt aus einer biaxial gereckten Polyalkylenfolie besteht (Seite 7, 2. Absatz und Anspruch 9). Dieser Trennschicht ist identisch mit einer "Trennfolie", denn sie besteht nach dem vorliegenden Wortlaut ausschließlich aus einer Folie. Die Änderung verletzt somit nicht die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ.
2.2. Auch vermag die Kammer nicht zu erkennen, in welcher Weise die Änderung von "Trennfolie" (erteilte Fassung) zu einer "biaxial gereckten Polyalkylenfolie" bzw. die Bezeichnung dieser Folie als "Trennschicht" eine Erweiterung des Schutzumfanges im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ - so wie es die Beschwerdeführerin behauptet - bewirken kann, denn sie betrifft eine weitere Einschränkung des Merkmals "Trennfolie". Während des Verfahrens hat stets Einigkeit darüber geherrscht, daß die Polyalkylenfolie als Trennschicht funktioniert.
2.3. Eine mögliche andere Auslegung der Ansprüche in nationalen Verletzungsverfahren, wie sie die Beschwerdeführerin befürchtet, liegt in der ausschließlichen Befugnis der nationalen Gerichte. Sie entzieht sich somit der Beurteilung der Beschwerdekammer.
Diese Änderung verletzt somit nicht die Bestimmungen des Artikels 123 (3) EPÜ.
3. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ) Merkmal: "Eine nicht in die Schaumstoffschicht eindringende Trennschicht"
3.1. Auch die Tatsache, daß nach Anspruch 1 in der erteilten Fassung beansprucht wurde, daß die Trennschicht "nicht in die Schaumstoffschicht eindringt", wurde von der Beschwerdeführerin beanstandet.
3.2. Ob eine Folie in einer Schaumstoffschicht eindringt oder nicht, hat für den Fachmann unzweideutig eine technische Bedeutung. Denn dies kann durch verschiedene technische Maßnahmen erreicht werden, wie es sich in den Auffassungen der Parteien widerspiegelt.
Aus der bloßen Angabe, die Trennschicht sei eine Folie, vermag die Kammer nicht, wie es die Einspruchsabteilung getan hat, zu schließen, daß es sich dabei immer um eine durchgehende, in ihrer eigenen Ebene bleibende Schicht handeln muß, die nicht in die Schaumstoffschicht eindringen kann.
Da die ursprüngliche Anmeldung offen lässt, wie die Oberflächenbeschaffenheit der Folie gestaltet ist, kann es durchaus sein, daß - mit Erhalt der leichten Trennbarkeit und ohne Einfluß auf die Beschaffenheit der Folie als biaxial gereckter Polyalkylenfolie - die Folie Perforierungen aufweist oder eine Profilierung erhalten hat, wodurch sie im fertigen Produkt (z. B. wenn dieses durch Hinterschäumen der Folie hergestellt wurde) als "in die Schaumstoffschicht eingedrungene Folie" bezeichnet werden kann.
Das Merkmal b) des Anspruchs 1 richtet sich somit auf eine nicht ursprünglich offenbarte weitere Spezifizierung der Polyalkylenfolie.
3.3. Auch aus der Bezeichnung "biaxial gereckte Polyalkylenfolie" ist, entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin, nicht abzuleiten, daß die Folie bzw. die durch sie gebildete Trennschicht nicht in die Poren der Schaumstoffschicht eindringt, denn es gibt in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu dieser ganz spezifischen Gestaltung nicht den geringsten Hinweis.
3.4. Schließlich ist aus der Angabe in der Anmeldung und im Patent, daß der erfindungsgemäße Schaumstoff bei Hinterschäumen der Folie letztere nicht "durchschießt" (Seite 7, letzter Absatz bzw. Spalte 7, Zeilen 14-19), nicht auf eine zwangsläufige Eigenschaft einer Folie und somit auf die behauptete Überbestimmung dieses Merkmals zu schließen, denn auch eine plastische Verformung der betreffenden Folie ohne "Durchschuß" würde immerhin noch bedeuten, daß die Folie mit diesen aus ihrer eigenen Ebene herausragenden Verformungen in die Schaumstoffschicht hineinragen und somit als "in die Schaumstoffschicht eindringend" betrachtet werden würde.
3.5. Die Anmeldung ist somit unter Verletzung der Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ geändert worden. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin kann aus diesem Grund nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.