Information
Cette décision n'est disponible qu'en Anglais.
T 1945/16 16-02-2021
Téléchargement et informations complémentaires:
VERFAHREN ZUR ERFASSUNG VON WASSEREINTRITTEN IN PHOSGENFÜHRENDEN ANLAGEN
Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 2446247 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag, sowie der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den damaligen Hilfsanträgen 1 und 2, nicht erfinderisch sei.
III. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 16. Februar 2021 statt.
IV. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte als Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen, oder hilfsweise, das Streitpatent in geändertem Umfang auf Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 21. Oktober 2016, aufrechtzuerhalten. Der vorliegende Hilfsantrag ist identisch mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden zweiten Hilfsantrag.
V. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Erfassung von Wassereintritten in Anlagen zur Herstellung von Isocyanaten durch Umsetzung von Phosgen mit einem oder mehreren primären Amin(en) in einem Lösungsmittel, wobei diese Anlagen einen Reaktions- und einen Aufarbeitungsteil mit Lösungsmittelrückgewinnung umfassen, umfassend die Schritte
(a) Einbringen mindestens einer Messsonde in eine kondensierte Phase im Aufarbeitungsteil der Anlage, in der der Gehalt an Isocyanat oder Phosgen unter 5 Vol.-% liegt,
(b) Erfassen mindestens eines Signals welches von der mindestens einen Messsonde generiert wird, und
(c) Erfassen von Wassereintritten in den Anlagen durch Überwachen des mindestens einen Signals."
Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das Hinzufügen der folgenden Merkmale am Ende des Verfahrensschritts (a): "wobei die kondensierte Phase weiterhin Chlorwasserstoff enthält und die mindestens eine Messsonde einen Widerstandsdraht umfasst".
VII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E1: "Inline analysis of phosgene, MDI and water in MonoChloroBenzene", Research Disclosure, Oktober 2008, # 534018,
E2: DD 139 955; es wird dabei auf die obere Seitenangabe 1 bis 5 der Beschreibung von E2 verwiesen, anstatt auf die untere Seitenangabe 2 bis 6.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist gegenüber E2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen keine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 56 EPÜ).
1.1 Es ist unstrittig zwischen den Parteien, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von dem in E2 offenbarten Verfahren nur durch den Verfahrensschritt (a) unterscheidet. Der technische Effekt des Unterscheidungsmerkmals besteht in der Erfassung von Wassereintritten durch Einbringen einer Messsonde an einem zweckmäßigen Ort der Anlage.
1.2 Daher besteht die technische Aufgabe, wie von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen (siehe auch den Ladungsbescheid der Kammer, Punkt 5.3.2), darin, einen adäquaten Ort in der Anlage von E2 für das Einbringen der Messsonde zu finden.
1.3 Der Verfahrensschritt (a) weist aus den folgenden Gründen keine erfinderische Tätigkeit auf:
1.3.1 Merkmal: "Einbringen einer Messsonde im Aufarbeitungsteil der Anlage"
In dem Ausführungsbeispiel von E2 werden die Messeinrichtungen "[h]inter die [...] durch mögliche Wassereintritte gefährdeten Wärmetauscher" installiert (E2, Seite 4, Zeilen 12 bis 14). Dieser Ort ist jedoch nicht der einzig mögliche Ort, Messeinrichtungen zur Erfassung von Wassereintritten in der Isocyanatanlage zu installieren. Wie von der Einsprechenden vorgetragen (Beschwerdeerwiderung, Seite 7, dritter Absatz; mündliche Verhandlung vor der Kammer), offenbart E2 allgemein ein "Verfahren zur Feststellung von Wassereintritten in phosgen- bzw. phosgenhaltige Medien führenden Rohrleitungen und Systemen" (E2, Seite 4, Zeile 32 bis Seite 5, Zeile 1). Siehe auch E2, Seite 1, zweiter Absatz, wo offenbart ist, dass die Erfindung ein Verfahren "zur sofortigen Feststellung von Wassereintritten in Leitungen und Systemen, die Phosgen oder phosgenhaltige Medien führen" betrifft. Dies bedeutet, dass die Messungen in E2 grundsätzlich in jeder Rohrleitung der Isocyanatanlage, in der Phosgen vorhanden ist, durchgeführt werden. Solche phosgenführenden Rohrleitungen befinden sich insbesondere im Aufarbeitungsteil der Anlage. Das Anwendungsgebiet des Verfahrens von E2 ist daher nicht auf das Einbringen der Messsonde ausschließlich hinter Wärmetauscher beschränkt.
In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung, Seite 16, Punkt 1.4, trug die Einsprechende vor, dass "es auf der Hand [liege], dass die Messung am besten am Ende des Herstellungsverfahren [sic] stattfinden sollte, um festzustellen, ob Wasser in die Anlage eingetreten [ist]", d.h. im Aufarbeitungsteil.
Abhängig von den Umständen (Zugänglichkeit der Wärmetauscher in E2; Vorhandensein weiterer, undichter und durch mögliche Wassereintritte gefährdeter Stellen in den phosgenführenden Rohrleitungen; Bedürfnis nach genaueren oder zusätzlichen Messwerten von Wassereintritten in der Anlage), wird der Fachmann alternative Orte für das Einbringen von Messvorrichtungen in Erwägung ziehen. Insbesondere stellt der Aufarbeitungsteil der Anlage eine offensichtliche Alternative und somit das Einbringen der Messsonde von E2 in diesen Aufarbeitungsteil eine naheliegende Möglichkeit für den Fachmann dar.
Das Argument der Patentinhaberin, wonach der Fachmann die Messsonden in E2 "lediglich in Bereichen der Anlagen [einsetzt], in denen große Mengen an Phosgen enthalten sind", d.h. ausschließlich an Gefährdungsstellen, wie z.B. Wärmetauscher (Beschwerdebegründung, Seite 4, letzter Absatz und Seite 5, Absatz 4; mündliche Verhandlung vor der Kammer), ist gegenüber der breiteren Lehre von E2 sowie fachüblichen Erwägungen des Fachmanns nicht überzeugend.
1.3.2 Merkmal: "Einbringen einer Messsonde in eine kondensierte Phase"
Wie von der Einsprechenden (Beschwerdeerwiderung, Seite 7, vierter Absatz; mündliche Verhandlung vor der Kammer) überzeugend vorgetragen, ist die Messsonde in E2 in eine Phosgenlösung eingebracht (E2, Seite 2, letzter Satz), d.h. in eine kondensierte Phase.
Das in der angefochtenen Entscheidung, Seite 20, Punkt 3.1, wiedergegebene Gegenargument seitens der Patentinhaberin ("Der Fachmann hätte keinen Anlass, in der kondensierten Phase zu messen ...") ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, da E2 ausdrücklich eine Messung von Wasser in einer Phosgenlösung offenbart. Während der mündlichen Verhandlung argumentierte die Patentinhaberin, dass die Sonde in E2 zwar in eine kondensierte Phase eingebracht würde, es sich dabei aber nicht um den Aufarbeitungsteil der Anlage handele. Die Kammer ist nicht von diesem Argument überzeugt, weil E2 nicht offenbart, dass die Sonde nicht in dem Aufarbeitungsteil eingebracht ist. Auf jeden Fall ist das Einbringen der Messsonde von E2 in den Aufarbeitungsteil der Anlage, insbesondere in einen Ort, an dem die Messung gemäß dem in E2, Seite 2, letzter Satz, beschriebenen Verfahren in einer kondensierten Phase erfolgt, naheliegend (siehe auch oben Punkt 1.3.1).
1.3.3 Merkmal: "der Aufarbeitungsteil der Anlage, in den die Messsonde eingebracht wird, weist einen Gehalt an Isocyanat oder Phosgen unter 5 Vol.-% auf"
Wie von der Einsprechenden in der Beschwerdeerwiderung, Seite 7, letzter Absatz, bis Seite 8, zweiter Absatz, überzeugend vorgetragen, weist das Merkmal des Anspruchs 1 "in der der Gehalt an Isocyanat oder Phosgen unter 5 Vol.-% liegt" keinen überraschenden technischen Effekt auf. Es ist allgemein bekannt, dass es in Herstellungsanlagen von Isocyanat durch Umsetzung von Phosgen viele Stellen gibt, in denen der Phosgen- und/oder Isocyanatgehalt gering ist, insbesondere unter 5 Vol.-% liegt. Abhängig von dem genauen Ort, an dem die Messsonde den Wassergehalt erfasst, stellt ein Phosgen- und/oder Isocyanatgehalt unter 5 Vol.-% eine offensichtliche Möglichkeit dar.
Die Kammer kann sich dem Gegenargument der Patentinhaberin, wonach die Messung in E2 in phosgenführenden Systemen erfolge, in denen Phosgen den Hauptanteil und somit mehr als fünf Volumenprozent darstelle, nicht anschließen, weil der Begriff "phosgenführende Systeme" sich nicht automatisch auf Systeme bezieht, in denen mehr als fünf Volumenprozent Phosgen vorhanden ist.
2. Hilfsantrag - erfinderische Tätigkeit
Das Verfahren des Anspruchs 1 weist gegenüber E2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen keine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 56 EPÜ).
2.1 Die zwei in Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale hinsichtlich des Vorhandenseins von Chlorwasserstoff und eines Widerstandsdrahts sind implizit bzw. ausdrücklich in E2 offenbart.
2.1.1 Merkmal: "wobei die kondensierte Phase weiterhin Chlorwasserstoff enthält"
Wie von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überzeugend vorgetragen, ist es allgemeines Fachwissen, dass in einer Anlage zur Herstellung von Isocyanaten durch Umsetzung von Phosgen, d.h. in der Anlage von E2, Chlorwasserstoff in einer kondensierten Phase in dem Aufarbeitungsteil automatisch vorhanden ist. Insofern verwies die Einsprechende auf E1, Zeilen 7 und 8, sowie Zeilen 10 bis 14. Daher ist das Merkmal "wobei die kondensierte Phase weiterhin Chlorwasserstoff enthält" implizit in E2 offenbart.
Die Patentinhaberin argumentierte während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass in E2 vor der Messung durch den Zinkdraht kein Chlorwasserstoff in der Phosgenlösung vorhanden gewesen sei (siehe auch Beschwerdebegründung, Seite 7, Absatz 7). Diesbezüglich verwies die Patentinhaberin auf den die Seiten 2 und 3 überbrückenden Satz von E2. Durch die Angabe von Chlorwasserstoff im Anspruch 1 sei angegeben, an welchem Ort die Messung stattzufinden habe, nämlich an einem Ort, an dem Chlorwasserstoff vorhanden ist. Im Gegensatz dazu fände die Messung in E2 an einem Ort ohne Chlorwasserstoff statt. Die Kammer ist nicht von diesem Argument überzeugt, weil unabhängig von den chemischen Reaktionen am Zinkdraht der Messvorrichtung von E2 (siehe E2, Seite 3, Reaktionen (1) und (2)) Chlorwasserstoff in der kondensierten Phase im Aufarbeitungsteil vorhanden ist.
In der Beschwerdebegründung, Seite 7, Absatz 6, argumentierte die Patentinhaberin, dass von der Einsprechenden zugestanden werde, dass gemäß E1 kein Chlorwasserstoff vorhanden sei. Dies widerspricht den tatsächlichen Ausführungen der Einsprechenden während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und dem ausdrücklichen Offenbarungsgehalt von E1, Zeilen 7 und 8, sowie Zeilen 10 bis 14. Auf Nachfrage der Kammer erklärte die Patentinhaberin, dass ihre Aussage in der Beschwerdebegründung auf ein Missverständnis der Entscheidung, Seite 26, Punkt 2 zurückzuführen sei.
2.1.2 Merkmal: "wobei die mindestens eine Messsonde einen Widerstandsdraht umfasst"
Es ist unstrittig zwischen den Parteien, dass die Messsonde von E2 einen Widerstandsdraht in Form eines Zinkdrahts aufweist (siehe E2, Seite 3, Zeilen 17 bis 25).
2.2 Daher fehlt dem in Anspruch 1 beanspruchten Verfahren des Hilfsantrags aus den gleichen Gründen wie für das in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Verfahren eine erfinderische Tätigkeit.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.