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T 0121/19 03-05-2022
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Vorrichtung zur lösbaren Befestigung eines Toilettensitzes sowie entsprechendes Verfahren dazu
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 803 308 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass keiner der erhobenen Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
III. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgende Entgegenhaltung zitiert:
D7: EP 1 199 020 B1
IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer vom 1. Dezember 2020 teilte diese den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Eine Ladung zu einer mündlichen Verhandlung folgte am 16. Februar 2021. Die mündliche Verhandlung fand am 3. Mai 2022 in Anwesenheit aller Parteien als Videokonferenz statt.
V. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VI. Der Beschwerdegegner Patentinhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent im erteilten Umfang aufrecht zu erhalten, hilfsweise, das Patent auf der Basis der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 18. November 2021, aufrechtzuerhalten.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (erteilte Fassung)
"Vorrichtung zur lösbaren Befestigung eines Toilettensitzes (6) und/oder eines Toilettendeckels (7) an einer Toilettenschüssel, mit mindestens einem Träger (1), welcher mittels Befestigungsmitteln an der Toilettenschüssel befestigbar ist,
wobei mindestens ein Zapfen (11) sowie für jeden Zapfen (11) jeweils eine Durchführung (21) vorgesehen ist und mit mindestens einem Sperrelement (3), wobei jeder der Zapfen (11) jeweils eine Nut (12) aufweist,
wobei in die Durchführungen (21) jeweils das mindestens eine Sperrelement (3) einbringbar ist,
wobei entweder die Zapfen (11) an den Trägern (1) angebracht sind und die Durchführungen (21) an dem Toilettensitz (6) und/oder an dem Toilettendeckel (7) angebracht sind und/oder die Zapfen (11) an dem Toilettensitz (6) und/oder an dem Toilettendeckel (7) angebracht sind und die Durchführungen (21) an den Trägern (1) angebracht sind,
wobei durch Einbringung der Zapfen (11) in die Durchführungen (21) die Sperrelemente (3) in Wirkverbindung mit den Nuten (12) treten und somit die Zapfen (11) durch eine Kraft der Sperrelemente (3) in den Durchführungen (21) halten, wodurch der Toilettensitz (6) und/oder der Toilettendeckel (7) mit der Toilettenschüssel lösbar verbunden ist und die Vorrichtung in einen Verbundzustand versetzt wird und wobei durch Überwinden der Kraft der Sperrelemente (3) auf die eingebrachten Zapfen (11), die Zapfen (11) aus den Durchführungen (21) herausziehbar sind und zwar mit so einer starken Kraft, dass die Sperrelemente (3) aus ihrer Wirkverbindung mit den Nuten (12) herausgelöst werden, wobei die Sperrelemente (3) soweit aufgeweitet werden, dass sich die Zapfen (11) aus den Durchführungen (21) herauslösen lassen, wodurch der Toilettensitz (6) von der Toilettenschüssel gelöst wird und somit die Vorrichtung in einen Lösezustand versetzt, dadurch gekennzeichnet, dass ohne die Verwendung eines Werkzeuges und ohne Betätigung eines Knopfes, Tasters oder ähnlichem Element jederzeit der Toilettensitz (6) bzw. Toilettendeckel (7) von der Toilettenschüssel entfernt und wieder auf diese aufgebracht werden kann."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, wobei das folgende Merkmal (erteilter Anspruch 6) am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
"und dass eine Ausnehmung(22) für jede Durchführung (21) vorgesehen ist, über welche mindestens ein Sperrelement in die Durchführungen (21) einbringbar sind."
Hilfsantrag 2
Wie im Hauptantrag, wobei die folgenden Merkmale (erteilte Ansprüche 5 und 6) am Ende des Anspruchs eingefügt wurden:
"dass die Sperrelemente (3) Ringfedern sind,
und dass eine Ausnehmung(22) für jede Durchführung (21) vorgesehen ist, über welche mindestens ein Sperrelement in die Durchführungen (21) einbringbar sind."
VIII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 werde ausgehend von D7 für den Fachmann nahegelegt. Die Hilfsanträge 1 und 2 seien nicht zum Verfahren zuzulassen.
IX. Der Beschwerdegegner Patentinhaber hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand der Ansprüche 1 beruhe ausgehend von D7 auf erfinderischer Tätigkeit. Die Hilfsanträge seien zum Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur lösbaren Befestigung eines Toilettensitzes (6) und/oder eines Toilettendeckels (7) an mindestens einem Träger (1), der wiederum auf einer Toilettenschüssel montiert ist, siehe die Figuren 2 und 3 der Patentschrift.
Die Vorrichtung umfasst mindestens einen Zapfen (11) mit einer Nut (12) sowie für jeden Zapfen eine Durchführung (21), in der mindestens ein Sperrelement (3) angeordnet ist. Wenn der Zapfen in die Durchführung eingebracht wird, tritt ein Sperrelement in Wirkverbindung mit der Nut des Zapfens. Infolgedessen wird der Zapfen durch eine Kraft des Sperrelements in der Durchführung gehalten, so dass der Toilettensitz und/oder der Toilettendeckel mit der Toilettenschüssel lösbar verbunden ist. Um den Toilettensitz/-deckel wieder von der Schüssel zu lösen, können die Zapfen unter Überwindung der Kraft der Sperrelemente wieder aus den Durchführungen herausgezogen werden. Dabei werden die Sperrelemente soweit aufgeweitet, dass sich die Zapfen aus den Durchführungen herauslösen lassen. Dabei erlauben die Sperrelemente ohne die Verwendung eines Werkzeuges und ohne Betätigung eines Knopfes, Tasters oder ähnlichem Element, dass der Toilettensitz bzw. Toilettendeckel jederzeit von der Toiletten-schüssel entfernt und wieder auf diese aufgebracht werden kann.
Ein Verfahren zur lösbaren Befestigung eines Toilettensitzes und eines Toilettendeckels an einer Toilettenschüssel wird ebenfalls beansprucht.
3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
Die angefochtene Entscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 ausgehend vom Dokument D7, siehe Absatz 8.3 der Entscheidungsgründe. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet diesen vom Patentinhaber als Beschwerdegegner geteilten Befund der Entscheidung.
3.1 Auch die Kammer hält das Dokument D7 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da es mit den Sitzgelenken 6 und 8 jeweils eine Vorrichtung zur lösbaren Befestigung eines Toilettensitzes 4 und eines Toilettendeckels 2 an einer Keramik-Toilettenschüssel 10 offenbart, siehe die Figur 1 des Dokuments. Jedes Sitzgelenk 6, 8 besitzt ein Adapterstück 20 mit einer Sacklochbohrung 24 sowie einem als Zapfen ausgebildeten Scharnierdorn 26. Der Scharnierdorn ist jeweils mit seiner als Träger dienenden breiten Unterseite an der Toilettenschüssel befestigt. In jeder Sacklochbohrung ist ein Sperrelement in Form eines Feder- oder O-Rings angeordnet, siehe Absatz 0025 der D7; der Feder- oder O-Ring wird nachfolgend für eine bessere Lesbarkeit der Entscheidung als Federring bezeichnet.
Durch Einbringen der Scharnierdorne in die Sackloch-bohrungen treten die Federringe in Wirkverbindung mit einer Umfangsnut an jedem der Scharnierdorne, siehe ebenfalls den Absatz 0025. Beim Herausziehen werden die Federringe soweit aufgeweitet, dass die Scharnierdorne aus den Sacklochbohrungen herausgezogen werden, um den Toilettensitz von der Toilettenschüssel zu lösen.
3.2 Zur Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes müssen daher nun die Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung des Dokuments D7 ermittelt werden. Der Beschwerdegegner vertrat dazu die Ansicht, dass D7 wegen der darin gezeigten Sackloch-bohrungen keine Durchführungen offenbare, und dass aus diesem Dokument auch nicht hervorgehe, dass der Toilettensitz bzw. Toilettendeckel ohne die Verwendung eines Werkzeuges und ohne Betätigung eines Knopfes, Tasters oder ähnlichem Element jederzeit von der Toilettenschüssel entfernt und wieder auf diese aufgebracht werden könne.
3.2.1 Im Hinblick auf das Aufbringen des Toilettensitzes offenbart D7 bereits, dass die Verriegelung zwischen Scharnierdorn und Adapterstück über eine vom Federring gebildete Schnappverbindung erfolgt, wobei der Ring in die Umfangsnut des Scharnierdorns eingreift, siehe Absatz 0025 des Dokuments. Nach fachmännischem Verständnis bewirkt die Schnappverbindung in D7 ein lösbares, formschlüssiges Fügen von Scharnierdorn und Adapterstück, indem der als Fügeteil wirkende Federring sich beim Einführen des Scharnierdorns in die Sacklockbohrung elastisch verformt. Der Kopf des Scharnierdorns weitet den Federring radial auf, während er durch dessen Zentrum hindurch tritt. Sobald die am Scharnierdorn angebrachte Umfangsnut den Federring erreicht, verhakt sich dieser unter Rückstellung seiner Verformung mit der Umfangsnut und erzeugt dabei einen Formschluss zwischen Scharnierdorn und Federring. Nach Auffassung der Kammer liegt es in der Natur einer lösbaren Schnappverbindung, dass sich diese ohne Werkzeug wieder trennen lässt, indem eine ausreichend große Zugkraft auf die beiden Verbindungspartner aufgebracht wird. Im vorliegenden Fall muss dazu der Scharnierdorn aus der Sacklochbohrung herausgezogen werden, worauf der Kopf des Scharnierdorns den Federring erneut weitet, damit er durch den Federring hindurchtreten kann. Dieser Ablauf kommt für einen Fachmann in der Aussage "die gesamte WC-Sitzgarnitur läßt sich sehr schnell mit minimalem Aufwand von den Scharnierdornen 26 abziehen" in Absatz 0025 der D7 zum Ausdruck, wo der Begriff "abziehen" auf die zum werkzeuglosen Trennen der Schnappverbindung nötige Zugkraft verweist.
Daher bildet das im Kennzeichen von Anspruch 1 genannte Merkmal kein Unterscheidungsmerkmal im Sinne des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes.
3.2.2 Im Hinblick auf die ebenfalls beanspruchte Durchführung handelt es sich bei diesem Begriff um das Substantiv zum Verb durchführen, das laut "Brockhaus Wahrig - Deutsches Wörterbuch" im Zusammenhang mit einer Position bzw. einer Richtung die Bedeutung "etwas verläuft durch etwas hindurch" hat. Daher teilt die Kammer die - von der Beschwerdeführerin bestrittene - Auslegung des Beschwerdegegners, wonach eine Durchführung eine durch ein Objekt hindurchgehende Ausnehmung oder Bohrung ist. Bei dieser Auslegung ist die in D7 offenbarte Sacklochbohrung 24 keine Durchführung, da sie nur in das Adapterstück 20 hinein-, nicht aber nach Art einer Durchgangsbohrung durch das Adapterstück hindurch verläuft.
3.3 Folglich unterscheidet sich die Vorrichtung zur lösbaren Befestigung eines Toilettensitzes und/oder eines Toilettendeckels an einer Toilettenschüssel nach Anspruch 1 des Hauptantrag von der Offenbarung der D7 darin, dass statt der Sacklochbohrungen jeweils eine Durchführung vorgesehen ist. Diesem einzigen Unterscheidungsmerkmal liegt unbestritten die objektive technische Aufgabe zugrunde, eine alternative Ausgestaltung für die Aufnahmeöffnungen der Zapfen zu finden.
3.4 Dem Fachmann sind aus seinem Fachwissen neben Sacklochbohrungen auch Durchgangsbohrungen bekannt. Je nach Situation wird er den einen oder den anderen Bohrungstyp vorsehen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden. Eine Durchgangsbohrung - also eine Durchführung im Sinne des Streitpatents - kann mit konstantem Durchmesser oder auch als Stufenbohrung mit sich in Längsrichtung veränderndem Durchmesser ausgeführt werden. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Durchführung ist unbestritten, dass Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf eine Durchführung mit konstantem Durchmesser beschränkt ist und stattdessen auch eine Stufenbohrung umfasst (Erwiderung des Patentinhabers auf die Beschwerde, Seite 5: "Ob eine Stufenbohrung vorliegt oder eine glatte Durchgangsbohrung wird in dem angegriffenen Patent nicht näher beschrieben.").
Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit davon ab, ob technische Gründe den Fachmann von einer Umgestaltung der Sacklochbohrung 24 in eine als Stufenbohrung ausgeführte Durchgangsbohrung abhalten würden.
3.5 Der Beschwerdegegner bejaht das mit dem Argument, dass die Krafteinleitung über das Sperrelement bei der beanspruchten Durchführung den Fachmann von der Umgestaltung abhalte. Im Streitpatent werde nämlich die Stützkraft zwischen Toilettensitz und Toilettenschüssel über die Sperrelemente und Nuten in die Zapfen eingeleitet, während die Krafteinleitung in D7 über den Boden der Sacklochbohrung erfolge (Erwiderung auf die Beschwerde, Seite 5, zweiter Absatz; Schriftsatz vom 18. November 2021, Seite 2, zweiter Absatz).
Die Kammer sieht das anders.
3.5.1 Der Begriff "Stützkraft" ist nicht in Anspruch 1 enthalten, wobei mit Stützkraft mangels einer Definition in der Patentschrift wohl die vom Benutzer beim Toilettengang auf den Toilettensitz ausgeübte Gewichtskraft gemeint ist. Stattdessen verlangt der Anspruch lediglich, dass "die Zapfen (11) durch eine Kraft der Sperrelemente (3) in den Durchführungen (21) halten". Das ist bereits in D7 der Fall, wo laut Absatz 0025 eine Verriegelung zwischen dem Scharnierdorn 26 und dem Adapterstück 20 durch eine Schnappverbindung zwischen dem als Sperrelement wirkenden Federring und der Umfangsnut bewirkt wird. Aus Sicht der Kammer entsteht dabei aufgrund des von der Schnappverbindung erzeugten Formschlusses eine Haltekraft zwischen dem Federring und der Umfangsnut.
3.5.2 Anspruch 1 enthält auch kein auf eine ausschließlich über die Sperrelemente erfolgende Krafteinleitung gerichtetes Merkmal. Wegen der offenen Formulierung "die Zapfen (11) durch eine Kraft der Sperrelemente (3) in den Durchführungen (21) halten" schließt der Anspruch nicht aus, dass noch in weiteren Bereichen der Zapfen eine Kraft in die Zapfen eingeleitet wird. Daher ist eine kombinierte Krafteinleitung durch die Sperrelemente und einen direkten Kontakt des Toilettensitzes mit der Spitze des Zapfens von Anspruch 1 umfasst. Das ist bereits in D7 der Fall, wo der Toilettensitz 4 auf die Scharnierdorne 26 aufgesetzt wird, siehe Absatz 0025, so dass unbestritten am Boden der Sacklochbohrung eine (Stütz)Kraft in die Scharnierdorne eingeleitet wird. Diese Stützkraft tritt in D7 zusätzlich zu der oben genannten Haltekraft durch den Federring auf.
3.5.3 Wenn der Fachmann nun die Sacklochbohrung der D7 anhand seines Fachwissens in eine Stufenbohrung - also eine anspruchsgemäße Durchführung - umgestaltet, deren schmalerer Durchmesser so gewählt ist, dass ein direkter Kontakt zwischen dem Toilettensitz und der Spitze des Zapfens weiterhin gewährleistet ist, behält er die kombinierte Krafteinleitung der D7 bei und gelangt zu einer Vorrichtung mit allen Merkmalen von Anspruch 1 des Hauptantrags.
Von dieser Umgestaltung hält ihn auch nicht der vom Patentinhaber behauptete flächige Kontakt zwischen der Spitze des Scharnierdorns 26 und dem konischen Grund der Sacklochbohrung 24 in D7 ab. Selbst wenn die für den flächigen Kontakt nötige korrespondierende konische Ausgestaltung der Dornspitze unmittelbar und eindeutig aus Figur 1 des Dokuments ableitbar wäre, hätte eine Umwandlung der Sacklochbohrung in die eingangs genannte Stufenbohrung lediglich zur Folge, dass sich die Kontaktfläche zwischen Scharnierdorn und Toilettensitz verringert, und folglich die dortige Flächenpressung steigt. Um eine lokale Überlastung des Toilettensitzes zu verhindern, würde der Fachmann die Stufenbohrung entsprechend dimensionieren oder den Übergang zwischen den Stufen für einen flächigen Kontakt konisch gestalten.
Auch der Verweis des Beschwerdegegners auf die schwieriger zu gewährleistenden Sauberkeit bei einer Durchführung - da Flüssigkeit in deren obere Öffnung hineinlaufen könne - führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach ständiger Rechtsprechung liegt bei vorhersehbaren nachteiligen Änderungen keine erfinderische Tätigkeit vor, wenn der Fachmann diese Nachteile klar vorhersehen kann, er mit dieser Einschätzung richtig lag, und diese Nachteile nicht durch einen unerwarteten technischen Vorteil aufgewogen worden, siehe RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.9.19.1. Technische Vorteile einer als Durchgangsbohrung ausgebildeten Durchführung werden unbestritten nicht in der Patentschrift genannt, und die Nachteile der schwierigeren mechanischen Dimensionierung oder der schlechteren Sauberkeit kann der Fachmann nach Einschätzung der Kammer vorhersehen.
3.5.4 Daher wird der Fachmann anhand seines Fachwissens auf naheliegende Weise die Sacklochbohrung der D7 in die oben genannte Durchgangsbohrung (deren schmalerer Durchmesser so gewählt ist, dass ein direkter Kontakt zwischen dem Toilettensitz und der Spitze des Zapfens weiterhin gewährleistet ist) umgestalten. Somit gelangt er ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags.
4. Zulassung der Hilfsanträge
4.1 Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden mit dem Schreiben des Beschwerdegegners Patentinhaber vom 18. November 2021 eingereicht. Der Beschwerdegegner rechtfertigt die Vorlage dieser Hilfsanträge mit den Argumenten, dass die vorläufige Meinung der Beschwerdeabteilung zu befürchten lasse, dass das Patent nicht im erteilten Umfang aufrechterhalten wird. Außerdem sei die Argumentation der Beschwerdeabteilung in dieser Weise bisher nicht von der Einspruchsabteilung vorgebracht worden, so dass eine neue Situation entstanden sei, die den Patentinhaber dazu bewege, die Hilfsanträge zu diesem Zeitpunkt einzureichen.
Aus den folgenden Gründen überzeugt keines dieser Argumente die Kammer.
4.2 Der Artikel 13(2) VOBK 2020 legt fest, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
4.2.1 Die Kammer vermag keine überraschende Wendung des Falles zu erkennen. In ihrer Einschätzung, dass eine Durchgangsbohrung bzw. Durchführung ausgehend von D7 - statt der in diesem Dokument offenbarten Sackloch-bohrung - naheliegend sei, ist die Kammer nämlich einem Argument der Beschwerdeführerin gefolgt. Das Argument wurde bereits in der angefochtenen Entscheidung behandelt, siehe deren Absätze 8.1 bis 8.3. Zudem wurde das Argument mit der Beschwerdebegründung, siehe deren Punkt IV.1, und damit mehr als drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, erneut vorgetragen.
4.2.2 Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass die vorläufige Meinung der Kammer zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber D7 "in dieser Weise nicht von der Einspruchsabteilung vorgebracht wurde", siehe den diesbezüglichen Einwand der Beschwerdegegnerin auf Seite 4, erster Absatz ihres Schreibens vom 18. November 2021. Die Kammer vertrat nämlich in ihrer vorläufigen Meinung die Auffassung, dass der von D7 ausgehende Fachmann bei der Suche nach einer alternativen Ausgestaltung der Bohrung für den Zapfen anhand seines Fachwissens die Sackbohrung der D7 durch eine Durchführung ersetzen würde, siehe Punkt 5.1 der Mitteilung der Kammer. Bereits die Einspruchsabteilung hat für dieses Unterscheidungsmerkmal eine Kombination von D7 mit dem allgemeinen Fachwissen geprüft, siehe Punkt 6.13 des nicht bestrittenen Protokolls.
4.2.3 Was auch immer der Grund für das Ausbleiben einer Reaktion des Patentinhabers - z.B. durch das rechtzeitige Stellen von Hilfsanträgen mit seiner Erwiderung oder vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung - auf diesen Einwand der Beschwerdeführerin gewesen sein mag, ausreichend Zeit dafür wäre vorhanden gewesen. Die Tatsache, daß sich die Kammer einem Argument der Einsprechenden anschließt, ist insoweit weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern liegt in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses.
4.3 Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage der Hilfsanträge 1 und 2 zu rechtfertigen wäre. Daher entscheidet die Kammer, diese Hilfsanträge nicht ins Verfahren zuzulassen,
Artikel 13(2) VOBK 2020.
5. Somit gelangt die Kammer im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, das der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von D7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ. Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden nicht zum Verfahren zugelassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.