T 0469/99 03-04-2001
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Wechselbehälter mit Misch-Einsatz
Ausreichende Offenbarung (bejaht)
Erweiterung des Schutzbereiches (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 117 160.9 ist am 27. März 1996 das europäische Patent Nr. 0 540 892 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt. Sie beantragte, das Patent wegen mangelnder Neuheit, erfinderischer Tätigkeit sowie gewerblicher Anwendbarkeit (Artikel 100 a) EPÜ), unzureichender Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ) im vollen Umfang zu widerrufen.
Die Begründung richtete sich in erster Linie auf die geltend gemachte unzureichende Offenbarung der beanspruchten Erfindung und die sich nach Auffassung der Beschwerdeführerin daraus ergebende fehlende gewerblichen Anwendbarkeit.
Von den im Einspruchsverfahren entgegengehaltenen Dokumenten zum Stand der Technik hat im Beschwerdeverfahren nur das folgende eine Rolle gespielt:
E1: CH-A-659 629.
III. In ihrer am 26. Februar 1999 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.
Der Wortlaut des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 ist wie folgt:
"Auf Applikationsgeräten, Fahrzeugen, Robotern u. ä. einsetzbarer Wechselbehälter zur Aufnahme, Vermischung bzw. Homogenisierung und auch diskontinuierlichen Abgabe von ein- oder mehrkomponentigen fluiden Beschichtungs- und/oder Ausbesserungsmaterialien mit, als Hauptkomponenten, einem Außenbehälter (1.1) für das Beschichtungs- und/oder Ausbesserungsmaterial (1.2) sowie einem Misch-Einsatz (1.4), dadurch gekennzeichnet,
- daß der Misch-Einsatz (1.4) in den Außenbehälter (1.1) einsetzbar und daraus wieder entnehmbar ist,
- daß im Innern des Außenbehälters mindestens eine von dessen Innenseite beabstandete zylindrische Innenwand zur Bildung von konzentrischen Teilbehältern (2.1) vorliegt, sowie
- daß entweder alle Material enthaltenden Teilbehälter im Ausstoß-Sinn hinten durch mechanisch oder hydraulisch bewegbare Kolben abgedichtet sind, wobei der Mischeinsatz ein passiver ist, welcher aus mehreren Schichten besteht, mit im Ausstoß-Sinn hinten einer kompakten, nur Durchführungsbohrungen aufweisenden Schicht (3.1), mit in den folgenden Schichten (3.2) einer nach vorne feiner werdenden Sinter- bzw. Füllkörper-Struktur und mit einer der Austrittsfläche etwa entsprechenden Austrittsöffnung der vordersten Schicht (3.3),
- oder daß alle Material enthaltenden Teilbehälter im Ausstoß-Sinn hinten durch festsitzende Verschlüsse (2.6) abgedichtet sind, wobei der Mischeinsatz ein aktiver ist, welcher
- entweder ein Förderaggregat wie eine Kreisel-, Zahnrad-, Kreiskolben- oder Spindelpumpe enthält, welche das Beschichtungs- und/oder Ausbesserungsmaterial durch einen passiven Misch-Einsatz fördert oder
- einen bewegten Mischkopf, Schaufel- oder Schneckenmischer, gegebenenfalls mit Antriebsmotor, oder schließlich
- einen Thermokopf zwecks Lösung von festen Härtern in Einkomponenten-Epoxidharzmischungen vor der Abgabe
- aufweist, wobei die jeweiligen Antriebe mechanisch, hydraulisch oder elektrisch mittels einer(s) durch einen zentralen Teilbehälter durchgeführten Stange, Rohres bzw. Leitung erfolgen,
- wobei die beiden Frontseiten (1.6, 1.7) des Wechselbehälters so ausgebildet sind, daß sie mit fixierenden Gegenflächen des Gerätes bzw. des Fahrzeugs in Kontakt gebracht werden können."
Der Anspruch 2 betrifft eine Verwendung des Wechselbehälters gemäß Anspruch 1. Die abhängigen Ansprüche 3 und 4 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Verwendung gemäß dem Anspruch 2.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 29. April 1999 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr ist am gleichen Tag entrichtet worden. Am 28. Juni 1999 ist die Beschwerdebegründung eingegangen.
V. Es wurde am 3. April 2001 mündlich vor der Kammer verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags läßt sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Die Offenbarung der vermeintlichen Erfindung weise eine derartige Fülle von Lücken und Widersprüchen auf, daß sie den Fachmann nicht in die Lage versetze, einen funktionsfähigen Wechselbehälter herzustellen.
Was die erste Hauptvariante (bewegbarer Kolben, passiver Misch-Einsatz) des Anspruchs 1 betreffe, enthalte die Patentschrift nicht einmal einen Hinweis darauf, daß der Gleichlauf der Kolben unabdingbar für die Funktionsfähigkeit sei, geschweige denn Anweisungen, wie dieser Gleichlauf zu bewerkstelligen sei.
Bei der zweiten Hauptvariante (festsitzende Verschlüsse, aktiver Misch-Einsatz) verhindere die Abdichtung der Behälter durch die Verschlüsse die Entnahme der Materialien wegen fehlenden Druckausgleichs. Zudem enthalte die Patentschrift keinerlei Hinweise, wie man z. B. einen Schneckenmischer konstruieren könne, der Materialien gleichzeitig aus zwei oder sogar mehreren koaxial angeordneten Teilbehälter entnehmen solle.
Da der Gegenstand des Anspruchs 1 somit nicht funktionsfähig sei, fehle ihm zwangsläufig die notwendige gewerbliche Anwendbarkeit nach Artikel 57 EPÜ.
Ein Wechselbehälter entsprechend der ersten Hauptvariante sei gegenüber dem Stand der Technik nach dem Dokument E1 ohnehin nicht erfinderisch, da er sich hiervon lediglich durch handwerkliche Maßnahmen unterscheide.
Der Anspruch 3 stehe bezüglich der Verwendung eines Druckgases im Widerspruch zum Anspruch 1, der nur von mechanisch oder hydraulisch bewegbaren Kolben spreche, und könne somit keinen Bestand haben.
Die sieben bei der Einlegung der Beschwerde formulierten Fragen an die Große Beschwerdekammer sollten lediglich als Anregung verstanden werden, eine Vorlage der Fragen werde nicht förmlich beantragt.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach den Ausführungen der Beschwerdeführerin und machte dabei im wesentlichen folgendes geltend:
Die Beschwerdeführerin übersehe, daß sich die Patentschrift an den Fachmann richte, der beim Ausführen der Erfindung auf sein allgemeines Fachwissen zurückgreifen könne. Bei ihrem Vorbringen zur ersten Hauptvariante des Anspruchs 1 verkenne sie auch, daß der betreffende Gegenstand der Wechselbehälter als solcher sei, nicht der Roboter od. dgl., in den er eingesetzt werde.
Was den Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit betreffe, bestehe ein wesentlicher Unterschied zum Stand der Technik nach dem Dokument E1 darin, daß der dort offenbarte Behälter dieser keinen Misch-Einsatz aufweise. Das Integrieren des Misch-Einsatzes in den Wechselbehälter sei der Kerngedanke der vorliegenden Erfindung und biete große Vorteile gegenüber dem Stand der Technik.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
2. Das Hauptanwendungsgebiet des beanspruchten Wechselbehälters ist laut der Patentschrift die Aufnahme, Vermischung und Abgabe von insbesondere zweikomponentigen Ausbesserungsmaterialien für die Reparatur und Erneuerungen von Leitungen durch Roboter od. dgl.. Ausgehend von diesen Umständen entwickelte die Beschwerdeführerin ihren Angriff gegen die Ausführbarkeit bzw. Funktionsfähigkeit der ersten Hauptvariante der beanspruchten Erfindung, bei der die Materialien durch mechanisch oder hydraulisch bewegbare Kolben durch den passiven Misch-Einsatz gepreßt werden. Hierzu trägt die Beschwerdeführerin folgendes vor: Da ein bestimmtes Mischverhältnis der Komponenten des Ausbesserungsmaterials eingehalten werden müsse, sei ein Gleichlauf der Kolben unbedingt notwendig. Dies sei in der Patentschrift aber nicht erwähnt. Darüber hinaus sei es wegen der unterschiedlichen Viskositäten der Komponenten bzw. der unterschiedlichen Temperaturabhängigkeiten der Viskositäten schwierig, den erwünschten Gleichlauf zu erzielen. Daß die Entwicklung der notwendigen Mittel hierzu den Rahmen des üblichen fachmännischen Könnens sprengt, könne man allein daraus sehen, daß es der Beschwerdegegnerin nie gelungen sei, ein funktionsfähiges Gerät herzustellen.
Dem kann die Kammer jedoch nicht zustimmen. Nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Offenbarung der Patentschrift an den Fachmann gerichtet. Er kann die in der Patentschrift enthaltene Information durch sein allgemeines Fachwissen vervollständigen (vgl. z. B. T 206/83, ABl. EPA 1987, 5; T 51/87, ABl. EPA 1991, 177). Zum Wissen des Fachmanns im vorliegenden Fall gehört sicherlich, daß bei mehrkomponentigen Ausbesserungsmaterialien ein bestimmtes Mischverhältnis über die gesamte Betriebszeit eines Wechselbehälters angestrebt werden muß, da sonst das ausgegebene Material für seine Zweckbestimmung unbrauchbar wäre. Von diesem Leitgedanken getragen, bedarf es für den Fachmann keines erfinderischen Zutuns, zu erkennen, daß er für einen Gleichlauf der Kolben sorgen muß. Auch die Entwicklung geeigneter Mittel hierzu übersteigt nicht sein übliches Können; solche Mittel können z. B. in einer einfachen mechanischen Verbindung der Kolben bestehen.
Was die zweite Hauptvariante der beanspruchten Erfindung betrifft, hat die Beschwerdeführerin zwei Einwände gegen ihre Ausführbarkeit bzw. Funktionsfähigkeit vorgebracht. Der erste stützt sich auf die Angabe im Anspruch 1, daß die Teilbehälter "im Ausstoß-Sinn hinten durch festsitzende Verschlüsse abgedichtet sind". Laut der Beschwerdeführerin bedeute dieses Erfordernis, daß kein Druckausgleich stattfinden könne, so daß eine Entnahme der Materialien durch den aktiven Misch-Einsatz unmöglich sei.
Da sich die Angabe auf eine Abdichtung gegenüber der enthaltenen Materialien richtet, ist sie nach Meinung der Kammer jedoch nicht in dem von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sinne zu verstehen. Der Anspruch schließt somit nicht aus, daß Mittel vorgesehen sind - entweder in den festsitzenden Verschlüssen oder woanders an den Teilbehältern -, die das Entstehen eines Vakuums durch Lufteinlaß verhindern. Daß derartige Mittel vorhanden sein müssen, ist für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit.
Der zweite Einwand betrifft die Tatsache, daß die Patentschrift keine Einzelheiten über die in den aktiven Misch-Einsätzen zu verwendenden Geräte enthält. Die Beschwerdeführerin sieht hier erhebliche technische Probleme, insbesondere bei einem Schneckenmischer, weil die Geräte so ausgebildet bzw. angeordnet sein müssen, daß sie gleichzeitig aus zwei konzentrischen Ringräumen Materialien entnehmen können. Nach Auffassung der Kammer sind aber sämtliche betreffende Geräte, die im Anspruch 1 angegeben sind, allgemein bekannte Vorrichtungen, die sich ohne weiteres in einen aktiven Misch-Einsatz integrieren und durch einfache Mittel, z. B. Anschlußstutzen, mit den Ringräumen in Verbindung bringen lassen. Auch dieser Einwand ist daher nicht überzeugend.
Aus den obigen Überlegungen geht somit hervor, daß die Patentschrift die beanspruchte Erfindung derart deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann. Ob nun die Beschwerdegegnerin ihre patentierte Erfindung tatsächlich in die Praxis umgesetzt hat, spielt bei dieser Beurteilung keine Rolle, weil diese nur auf objektive Kriterien abstellt. Der Einwand der Beschwerdeführerin unter Artikel 100 b) EPÜ schlägt daher fehl.
Ihr Einwand der mangelnden gewerblichen Anwendbarkeit unter Artikel 100 a) i. V. m. Artikel 57 EPÜ muß nicht gesondert geprüft werden, weil er von der Prämisse ausgeht, daß die beanspruchte Erfindung nicht ausführbar ist.
3. Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin die erfinderische Tätigkeit lediglich der ersten beanspruchten Hauptvariante in Frage gestellt. Sie hat sich dabei auf den Stand der Technik nach dem Dokument E1 sowie das Wissen des Fachmanns berufen.
Das Dokument E1 beschreibt einen Wechselbehälter für pastöse Massen bestehend aus einem Gehäuse, das durch eine in Längsrichtung angeordnete Trennwand in zwei Kammern unterteilt ist, und zwei in den jeweiligen Kammern angeordneten Kolben. An einem Ende des Gehäuses ist ein Auslaßstutzen vorgesehen, der in Verbindung mit jeweiligen Auslaßöffnungen in den Kammern steht. Der Auslaßstutzen ist mit einem Außengewinde versehen, auf das eine Mischspitze aufschraubbar ist.
Abgesehen von der anderen räumlichen Anordnung der Teilbehälter des beanspruchten Wechselbehälters liegt ein wesentlicher Unterschied zum Stand der Technik darin, daß der Misch-Einsatz einen integrierten Bestandteil des Wechselbehälters bildet. Bei einer Verwendung des beanspruchten Wechselbehälters bei z. B. einem Leitungsausbesserungs-Roboter hat diese Anordnung den bedeutenden Vorteil, daß zur Reinigung des Misch-Einsatzes der Roboter nicht außer Betrieb genommen werden muß. Die Beschwerdeführerin hat auf nichts verweisen können, das den Fachmann veranlassen würde, den bekannten Wechselbehälter nach dem Dokument E1 im Sinne der Erfindung zu modifizieren.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich demnach nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
4. Im vorliegenden Anspruch 3, der dem erteilten Anspruch 3 bzw. dem ursprünglich eingereichten Anspruch 12 entspricht, wird die Verwendung von Druckgas zum Bewegen der Kolben des Wechselbehälters angegeben, was mit anderen Worten heißt, daß pneumatisch bewegbare Kolben vorhanden sind. Im Anspruch 1 wird aber nur von mechanisch oder hydraulisch bewegbaren Kolben gesprochen. Es ist aber ersichtlich, vgl. Spalte 4, Zeilen 17 bis 20 der Patentschrift, daß der Begriff "hydraulisch" nicht im engen und technisch korrekten Sinn verwendet wird, sondern als sich auf hydraulisch oder pneumatisch erstreckend verstanden werden muß. Der scheinbare Widerspruch zwischen den Ansprüchen 1 und 3 ist daher rein sprachlichen Charakters und läßt sich bei zutreffender Auslegung der Patentschrift ohne weiteres lösen. Er kann somit nicht zur Folge haben, daß der Anspruch gestrichen werden muß, zumal er schon in den erteilten Unterlagen vorhanden war.
5. Für eine Vorlage der von der Beschwerdeführerin nur als Anregung angesehenen Fragen an die Große Beschwerdekammer bestand kein Anlaß. Sie gehen nämlich alle von falschen Prämissen aus - entweder daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ausführbar bzw. funktionsunfähig ist oder daß die Ansprüche 1 und 3 in unlösbarem Widerspruch zueinander stehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.