T 1795/19 07-03-2023
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Verfahren zur Ferndiagnose einer Aufzuganlage und Aufzuganlage zur Durchführung des Verfahrens
Zulässigkeit des Einspruchs - Substantiierung des Einspruchs (ja)
Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde hinreichend begründet (ja)
Patentierbare Erfindung - technischer Charakter der Erfindung (ja)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Neuheit - gegenüber D2
Zurückverweisung an die erste Instanz
Zurückverweisung - (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
I. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des (damaligen) Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, haben beide Parteien Beschwerde eingelegt. Im Folgenden wird daher auf die jeweilige Beschwerdeführerin als "Einsprechende" beziehungsweise "Patentinhaberin" Bezug genommen.
II. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung geladen. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung informierte die Kammer die Parteien über ihre vorläufige Meinung zu Fragen der Zulässigkeit des Einspruchs und der Beschwerde, der Substantiierung einzelner Einwände im Einspruchsschriftsatz, sowie der Ausführbarkeit, der "Technizität" und der Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber D2. Die Kammer kündigte auch an, dass sie überlege die Angelegenheit gegebenenfalls zur weiteren Behandlung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, falls sie zu dem Schluss gelänge, dass weitere Einwände der mangelnden Neuheit bzw. mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausreichend substantiiert wurden.
III. Die mündliche Verhandlung fand am 7. März 2023 statt.
IV. Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs als unzulässig oder unbegründet, damit die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 8, eingereicht mit der Beschwerdebegründung. Darüber hinaus erklärte die Patentinhaberin, den Hilfsantrag 1, wie er der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegt, gegebenenfalls im Verfahren weiter zu verfolgen. Zudem beantragte sie, die Beschwerde der Einsprechenden wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sowie die Nichtzulassung der Dokumente D15 bis D24.
V. Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen bzw. die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin. Zudem beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sowie die Nichtzulassung der Hilfsanträge 1 bis 8.
VI. Folgender Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:
D1 |US 2004/0094366 A1 |
D2 |CN 101 291 866 A |
D2a |Maschinenübersetzung der D2 |
D2a'|neuere Maschinenübersetzung der D2, vorgelegt während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer|
D6 |JP 2007 176 618 A |
VII. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut (mit der auch in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Merkmalsgliederung):
M1.1 |,,Verfahren zur Ferndiagnose einer Aufzuganlage (10), die mindestens einen Fahrkorb (16) aufweist, der zum Transport von Lasten und/oder Personen mittels einer Antriebseinrichtung (22, 24) in einem Schacht (12) verfahrbar ist,|
M1.2 |sowie eine Aufzugsteuervorrichtung (30) mit mindestens einer Signalverarbeitungseinrichtung (60) und mindestens einem Speicherglied (62), |
M1.3 |wobei die Aufzugsteuervorrichtung (30) den Betrieb der Aufzuganlage (10) steuert,dadurch gekennzeichnet, dass |
M1.4 |man Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten der Aufzuganlage (10) erfasst, |
M1.5 |im Speicherglied (62) speichert und |
M1.6 |mittels der Signalverarbeitungseinrichtung (60) analysiert, und dass |
M1.7a|man die Aufzugsteuervorrichtung (30) über eine Schnittstelle (70) zur bidirektionalen Kommunikation mit dem Internet (78) verbindet und |
M1.7b|den Standort der Aufzuganlage (10) |
M1.7c|zusammen mit vom Ergebnis der Analyse der Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten abhängigen Zustandsinformationen über das Internet (78) an mindestens ein Datenempfangsgerät (81, 82, 83) überträgt und |
M1.8 |an dessen Monitor (85) auf einer über das Internet aktualisierbaren Karte anzeigt, und dass |
M1.9 |man die gespeicherten Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten über das Internet (78) bestimmten Zielgruppen zugänglich macht." |
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden können wie folgt zusammengefasst werden:
Der Einspruch sei zulässig. Er sei ausreichend substantiiert, was sich auch darin zeige, dass sich die Patentinhaberin mehrmals und umfangreich gegen diesen Einspruch geäußert habe.
Das Verfahren nach Anspruch 1 sei nicht technisch und daher nicht patentierbar.
Das Verfahren nach Anspruch 1 sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen könne. Zwar beinhalte der Anspruch die Zweckangabe "zur Ferndiagnose", jedoch umfasse das Verfahren keinen entsprechenden Verfahrensschritt. Der Fachmann wisse daher nicht, wann und wie er die beanspruchte Ferndiagnose durchführen solle. Darüber hinaus wisse er auch nicht, wie er, wie ebenfalls beansprucht, die Daten über das Internet zugänglich machen könne.
Die neu eingereichte Übersetzung D2a' solle berücksichtigt werden. In Analogie zu Artikel 14 (2) EPÜ könne jederzeit während des gesamten Verfahrens eine verbesserte Übersetzung eingereicht werden.
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber D2/D2a.
Darüber hinaus sei das Verfahren nach Anspruch 1 auch nicht neu gegenüber D1 und D6.
Die Neuheitseinwände hinsichtlich D1 und D6 seien ausreichend substantiiert. Ein gewisser Interpretationsaufwand könne dem Fachmann abverlangt werden.
Die Beschwerdegebühr der Einsprechenden sei zurückzuerstatten. Die Einspruchsabteilung habe einen Verfahrensfehler begangen, da sie in der mündlichen Verhandlung zuerst den zweiten Hilfsantrag der Patentinhaberin ins Verfahren zugelassen, danach jedoch der Einsprechenden zu wenig Zeit gelassen habe, ihre Angriffe vorzubereiten.
IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden:
Der Einspruch sei unzulässig. Die Begründung der Einsprechenden sei unvollständig. Weder Patentinhaberin noch Einspruchsabteilung hätten sich ohne weitere Ermittlungen eine Meinung bilden können.
Die Beschwerde der Einsprechenden sei ebenfalls unzulässig, zum Einen bereits weil der Einspruch unzulässig sei, zum Anderen weil sich die Einsprechende in der Beschwerdebegründung nicht mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt habe.
Das Verfahren nach Anspruch 1 sei in seiner Gesamtheit technisch und daher patentierbar.
Das Verfahren nach Anspruch 1 sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen könne. Die Ferndiagnose stelle einen impliziten Verfahrensschritt dar. Das Verfahren unterstütze den Fachmann lediglich bei der Ferndiagnose. Der einschlägige Fachmann habe Informatikkenntnisse und damit kein Problem die Daten über das Internet zugänglich zu machen.
Die neu eingereichte Übersetzung D2a' solle nicht berücksichtigt werden. Diese stelle eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Einsprechenden dar und hätte zumindest bereits zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht werden müssen.
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei neu gegenüber D2/D2a.
Die auf D1 und D6 beruhenden Neuheitseinwände seien nicht zuzulassen, da sie weder im Einspruchsschriftsatz noch in der Beschwerde substantiiert vorgetragen worden seien.
Die Beschwerdegebühr der Patentinhaberin sei zurückzuerstatten. Mehrere Fehler in der Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung stellten jeweils einen Verfahrensmangel dar, welcher eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr rechtfertige.
1. Zulässigkeit des Einspruchs bzw. der Beschwerde der Einsprechenden
Die Patentinhaberin trug vor, dass die Beschwerde der Einsprechenden schon deshalb unzulässig sei, da bereits der Einspruch selbst unzulässig gewesen sei.
Die Patentinhaberin bemängelte in diesem Zusammenhang, dass die Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz die Einspruchsgründe der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) sowie der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ) nicht ausreichend substantiiert habe. Der Vortrag sei unvollständig und bestehe zum Teil lediglich aus unkommentierten Verweisen auf Textstellen der zitierten Dokumente.
Die Kammer erkennt zumindest in den Ausführungen zum Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 52 (1) und (2) EPÜ ("mangelnde Technizität", siehe Punkt II des Einspruchsschriftsatzes) sowie zum Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ (Ausführbarkeit der Erfindung, siehe Punkt III des Einspruchsschriftsatzes) eine ausreichende Substantiierung, wodurch den Bestimmungen der Regel 76 (2) c) EPÜ Genüge getan ist. Die Erklärungen zu zumindest diesen beiden Punkten sind objektiv verständlich. Dies bedeutet freilich nicht, dass sie auch begründet, das heißt in der Sache überzeugend sind, was jedoch für die Zulässigkeit keine Voraussetzung darstellt. Es ist jedenfalls nicht nötig, eigene Überlegungen oder intensive Nachforschungen anzustellen, um die Einwände der Einsprechenden zu diesen beiden Einspruchsgründen zu verstehen.
Der Einspruch ist daher insgesamt zulässig, weil es diesbezüglich ausreicht, dass das Erfordernis der Substantiierung für mindestens einen Einspruchsgrund erfüllt ist. Da es für eine teilweise Zulässigkeit eines Einspruchs im EPÜ keine Grundlage gibt, ist es für die Frage der Zulässigkeit unerheblich, ob einzelne weitere Einwände ausreichend substantiiert sind oder nicht.
Diese Auffassung hatte die Kammer auch bereits in ihrer Mitteilung zum Ausdruck gebracht (siehe dort unter Punkt 2, erster Absatz). Die Patentinhaberin hat dem nach Erhalt der Mitteilung der Kammer nicht widersprochen und auch keine neuen Argumente angeführt. Die Kammer hat daher keinen Grund von ihrer vorläufigen Meinung abzugehen und bestätigt diese hiermit.
Da der Einspruch somit zulässig ist, kann der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die Beschwerde der Einsprechenden aufgrund des unzulässigen Einspruchs selbst unzulässig sei, somit nicht gefolgt werden.
Bezüglich des Arguments der behaupteten unzureichenden Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung hat die Kammer in ihrer Mitteilung die Auffassung vertreten, dass zumindest der Vortrag zum Merkmal M1.10 auf Seiten 24-26 der Beschwerdebegründung dem Substantiierungserfordernis genügen dürfte (vgl. Mitteilung vom 27. Januar 2023, Punkt 7). Die Patentinhaberin ist dieser Auffassung nicht weiter entgegengetreten. Da es im EPÜ keine teilweise Zulässigkeit einer Beschwerde gibt, bestätigt die Kammer somit ihre vorläufige Auffassung, dass die Beschwerde der Einsprechenden zulässig ist.
2. Hauptantrag - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) iVm Artikel 52 (1) und (2) EPÜ
Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags betrifft die Ferndiagnose einer Aufzuganlage. Anspruch 14 betrifft eine Aufzuganlage. Es ist unstreitig, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche damit grundsätzlich technischer Natur ist (Artikel 52 (1) EPÜ). Die Ansprüche umfassen weiterhin technische Schritte und Anlagenmerkmale (z.B. Merkmal M1.3 betreffend die Steuerung der Aufzuganlage mittels der Aufzugsteuervorrichtung, bzw. die dazu benötigten Komponenten laut Anspruch 14). Die beanspruchten Gegenstände (Verfahren und Anlage) betreffen daher keine der in Artikel 52 (2) EPÜ genannten Nichterfindungen als solche (Artikel 52 (3) EPÜ). Folglich steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 52 (1) und (2) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.
Die Einsprechende hatte in ihrer Beschwerdebegründung gerügt, dass nicht alle der beanspruchten Merkmale in Anspruch 1 oder 14 als technisch anzusehen seien (Beschwerdebegründung, Seite 9, Abschnitt V, 2.1). Insbesondere argumentierte sie, dass die Merkmale M1.8 und M1.9 keinen Beitrag zur Lösung einer technischen Aufgabe lieferten und keine technische Wirkung hätten. Mit Merkmal M1.8 würden lediglich Informationen wiedergegeben.
Es ist aber für die Erfordernisse des Artikels 52 (1) und (2) EPÜ unerheblich, ob einzelne Merkmale eines Anspruchs nicht technischer Natur sind, da der Artikel 52 (2) EPÜ der Patentierbarkeit nur insoweit entgegensteht, als sich das europäische Patent auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht (Artikel 52 (3) EPÜ). Anspruch 1 des Streitpatents bezieht sich nicht auf ein Verfahren zur Wiedergabe von Informationen als solches; die Wiedergabe von Informationen ist in Anspruch 1 nur in einem (Merkmal M1.8) von einer Mehrzahl von Verfahrensschritten definiert. Wie bereits in der Mitteilung der Kammer angeführt (siehe dort, Punkt 4) ist zumindest der Verfahrensschritt nach Merkmal M1.3 technischer Natur, der über die Wiedergabe von Informationen als solche hinausgeht und somit das beanspruchte Verfahren aus dem Ausschlussbereich des Artikels 52 (2) EPÜ herausnimmt. Sollten nur einzelne Merkmale der Ansprüche nicht technischer Natur in dem Sinne sein, dass sie Gegenstände oder Tätigkeiten betreffen, die unter die Ausschlusskriterien nach Artikel 52 (2) EPÜ fallen, so kann dies z.B. bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit Berücksichtigung finden (siehe z.B. T 641/00, Abl. EPA 2003, 352).
Die Patentinhaberin hat dem nach Erhalt der Mitteilung der Kammer nicht widersprochen und auch keine neuen Argumente angeführt. Die Kammer hat daher keinen Grund von ihrer vorläufigen Meinung abzugehen und bestätigt diese hiermit.
3. Hauptantrag - Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ
Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen kann, so dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.
3.1 Die Einsprechende hatte in ihrer Beschwerdebegründung eingewandt, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht ausführbar sei. Merkmale M1.1 bis M1.8 stellten lediglich eine Speicherung und Verarbeitung von Daten, sowie eine Wiedergabe von Informationen dar. Das Streitpatent offenbare jedoch nichts darüber, wie und auf welche Art die Zustandsinformationen auf der Karte darzustellen seien, wie sie der Aktualisierung dieser Karte zuzuordnen seien und wie sie an diese anzupassen seien. Der Verfahrensschritt des Merkmals M1.9 definiere lediglich eine Zugänglichkeit der Daten. Das Patent offenbare jedoch nicht, wie die Störungsdaten den Zielgruppen zugänglich gemacht werden sollen. Da der Fachmann, welcher ein Servicetechniker zur Wartung von Aufzuganlagen sei, diese Informationen nicht aus dem Streitpatent erhalte, fehlte es an einer ausreichenden Offenbarung.
Die Kammer folgt dieser Argumentation nicht. Es ist kein Grund erkennbar, warum der Fachmann unlösbare Probleme bei der Umsetzung des beanspruchten Verfahrens haben soll. Die Kammer versteht als Fachmann für das Verfahren des Anspruchs 1 nicht den Servicetechniker, der die Wartung und Reparatur der Aufzugsanlage durchführt. Diese Tätigkeiten liegen allesamt außerhalb der beanspruchten Verfahrensschritte. Vielmehr ist als Fachmann derjenige anzusehen, der mit der technischen Umsetzung des gesamten beanspruchten Verfahrens mit all seinen Schritten M1.1 bis M1.9 betraut wird. Dazu gehört neben dem Fachwissen auf dem Gebiet der Aufzugsteuerung und Sicherheitsüberwachung auch das Fachwissen über Signalverarbeitung und Kommunikation über das Internet, so dass der Fachmann im vorliegenden Fall auch als ein Team von Fachleuten mit den entsprechenden Kenntnissen angesehen werden kann. Ein Fachmann, der zum Anmeldetag mit dem Umgang von Daten und der Technologie des Internets vertraut ist, hat keinerlei Schwierigkeiten Zustandsinformationen auf einer über das Internet aktualisierbaren Karte anzuzeigen und gespeicherte Daten über das Internet bestimmten Zielgruppen zugänglich zu machen.
Der weitere Einwand, wonach der Anspruch 1 nicht definiere, wie dies zu geschehen habe, sieht die Kammer nicht als Mangel einer unzureichenden Offenbarung an. Vielmehr ist der Anspruch in diesem Punkt unspezifisch. Der Anspruchswortlaut lässt es schlicht offen, wie z.B. die Zustandsinformationen auf der Karte dargestellt werden oder wie die Daten zugänglich gemacht werden. Dem Fachmann sind die dazu nötigen Technologien jedoch hinlänglich bekannt, sodass es dazu keiner zusätzlichen Offenbarung im Streitpatent bedarf. Die Einsprechende hat jedenfalls neben dem allgemein erhobenen Einwand nicht aufgezeigt, welche spezifischen Schwierigkeiten für den Fachmann die Ausführung der genannten Schritte unmöglich machten.
3.2 Die Einsprechende hatte weiterhin eingewandt, dass der eigentliche Diagnoseschritt im Streitpatent nicht beschrieben sei. Die Ferndiagnose sei daher nicht ausreichend offenbart, weil der Fachmann nicht wisse, wann er sie ausführen solle.
Die Kammer erkennt auch darin keinen Mangel an Offenbarung. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beinhaltet zumindest implizit einen Diagnoseschritt. Auch hier bleibt es offen, wann, wie und durch wen dieser Diagnoseschritt durchgeführt wird. Im einfachsten Fall wird dies ein Servicetechniker als Mitglied einer der bestimmten Zielgruppen sein, der die Diagnose anhand der in Merkmal M1.9 diesen Zielgruppen zugänglich gemachten Daten durchführt. Diese entfernt von der Aufzugsanlage durchgeführte Diagnose unterscheidet sich an sich nicht von einer Diagnose, die anhand derselben Daten an Ort und Stelle der Aufzugsanlage durchgeführt würde. Die Einsprechende hat im Übrigen nicht behauptet, dass die Durchführung einer solchen Diagnose an sich (vor Ort) den Fachmann vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen würde. Der Fachmann benötigt daher auch hinsichtlich der Durchführung einer Ferndiagnose keine weiteren Informationen aus dem Streitpatent, um das beanspruchte Verfahren durchführen zu können. Dass der Anspruch diesbezüglich keine weiteren expliziten Angaben enthält, führt lediglich zu einem entsprechend breiten Schutzbereich, wirft aber keine begründeten Zweifel an seiner Ausführbarkeit auf.
4. Zulässigkeit der neu eingereichten Übersetzung D2a' der D2
Die neu eingereichte Übersetzung D2a' der D2 wird im Verfahren nicht berücksichtigt (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
4.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Einsprechende eine neue Maschinenübersetzung D2a' vorgelegt. Die Einsprechende argumentierte, dass in Analogie zu Artikel 14 (2) EPÜ jederzeit während des gesamten Verfahrens eine verbesserte Übersetzung eingereicht werden könne. Dies überzeugt die Kammer nicht.
4.2 Die Vorlage einer geänderten Übersetzung einer Entgegenhaltung stellt eine Änderung des Vorbringens der Einsprechenden dar. Bei ihrer Zulassung müssten sich die Patentinhaberin und die Kammer mit geänderten oder potentiell gänzlich neuen Fakten beschäftigen, auf die sie sich vor der Verhandlung nicht vorbereiten konnten.
Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 (welcher auf diese Änderung aufgrund der Übergangsvorschriften in Artikel 25 VOBK 2020 anzuwenden ist) bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Dies trifft jedoch im gegenständlichen Fall nicht zu.
Die Einsprechende argumentierte, dass D2 und D2a für sie selbst und die Einspruchsabteilung ausreichend verständlich waren und dass die neu vorgelegte, verbesserte, weil auf neuerer Technologie beruhende Maschinenübersetzung D2a' einen Gefallen für die Patentinhaberin und die Kammer darstelle.
Dies sind jedoch keine stichhaltigen Gründe für außergewöhnliche Umstände. Dass die Maschinenübersetzung D2a stellenweise schwer bis gar nicht verständlich ist, musste der Einsprechenden von Anfang an bekannt sein. Darüber hinaus rügte die Patentinhaberin die mangelnde Qualität der Übersetzung in ihrer Beschwerdebegründung (Seite 5, letzter Absatz), sodass zumindest ab diesem Zeitpunkt genug Zeit und vor allem auch Veranlassung bestand, eine verbesserte Übersetzung vorzulegen. Die Kammer erkennt keinen Grund, warum die Einsprechende damit bis zur mündlichen Verhandlung zugewartet hat.
4.3 Hinsichtlich des Arguments, dass in Analogie zu Artikel 14 (2) EPÜ jederzeit während des gesamten Verfahrens eine verbesserte Übersetzung eingereicht werden könne, sieht die Kammer keine Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf den konkreten Sachverhalt. Artikel 14 (2) EPÜ bezieht sich explizit auf europäische Patentanmeldungen, die in einer Nicht-Amtssprache eingereicht wurden (wofür wiederum besondere Voraussetzungen gelten). Bei D2 und D2a handelt es sich jedoch um Beweismittel, die die Einsprechende zur Stützung ihres Sachvortrags vorgelegt hat, sodass eine direkte Anwendung des Artikels 14 (2) EPÜ nicht in Betracht kommt. Da der vorgenannte Artikel somit einen völlig anderen Regelungsgegenstand betrifft, kommt eine analoge Anwendung auf die Situation der Einreichung einer verbesserten Übersetzung eines Beweismittels in einem späten Verfahrensstadium nicht in Betracht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Artikel 14 (2) EPÜ insbesondere auch darauf abzielt, Nachteile für Anmelder, die ihre ursprüngliche Anmeldung nicht in einer der Verfahrenssprachen des EPA eingereicht haben, auszugleichen. Ein solcher auszugleichender Nachteil besteht im Hinblick auf die Einreichung von Beweismitteln nicht, da es allen Beteiligten eines Einspruchsverfahrens gleichermaßen obliegt, über die Einreichung der jeweils als geeignet erachteten Dokumente zu entscheiden und damit auch für die rechtzeitige Einreichung allfällig erforderlicher Übersetzungen in ausreichender Qualität zu sorgen. Es ist daher klar, dass die Einreichung einer verbesserten Übersetzung eines Beweismittels nicht in jedem Stadium des Verfahrens akzeptiert werden muss, sondern je nach dem konkreten Stand des Verfahrens über deren Zulassung zu entscheiden ist, wie für Beweismittel in Artikel 114 (2) EPÜ ausdrücklich vorgesehen. Da für Beweismittel eine ausdrückliche Regelung besteht, kommt schon allein aus diesem Grund eine analoge Anwendung des Artikel 14 (2) EPÜ nicht in Betracht.
5. Hauptantrag - Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) iVm Artikel 54 EPÜ
5.1 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ist neu gegenüber D2/D2a.
5.2 Es ist für die Kammer nicht erkennbar, dass in dem in D2 beschriebenen System in der Aufzugsteuervorrichtung eine Speicherung der Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten in einem Speicherglied (Merkmal M1.5) oder eine Analyse mittels einer Signalverarbeitungseinrichtung (Merkmal M1.6) verwirklicht wäre. D2 zeigt auch nicht unmittelbar und eindeutig, dass die Aufzugsteuervorrichtung mit dem Internet verbunden ist (Merkmal M1.7a). Ebenso wenig ist unmittelbar und eindeutig der D2/D2a zu entnehmen, dass Zustandsinformationen auf einem Monitor des mobilen Datenempfangsgeräts auf einer über das Internet aktualisierbaren Karte angezeigt werden (Merkmal M1.8). Darüber hinaus ist in D2 ein wie auch immer gearteter Speicher der Aufzugsteuervorrichtung nicht unmittelbar und eindeutig als mit dem Internet verbunden zu erkennen (Merkmal M1.9).
5.3 Aus dem in Figur 1 der D2 gezeigten System ist ein Verfahren zur Ferndiagnose einer Aufzugsanlage erkennbar, wobei die Aufzugsanlage mindestens einen Fahrkorb (2) aufweist, der zum Transport von Lasten und/oder Personen (implizit) mittels einer Antriebseinrichtung (nicht gezeigt, aber ebenfalls implizit) in einem Schacht verfahrbar ist (ebenfalls implizit).
Die Patentinhaberin hatte in ihrer Beschwerdebegründung zwischen einer Ferndiagnose und einer Fernüberwachung unterschieden und argumentiert, dass in D2 keine Diagnose gestellt werde. Wie bereits oben hinsichtlich der Ausführbarkeit dargelegt, sieht die Kammer den Schritt der Diagnose im Anspruch 1 des Streitpatents als implizit an. Dasselbe gilt für D2, wo das Servicepersonal (10) einen im weitesten Sinne diagnostischen Schritt als Konsequenz aus der Fernüberwachung ausführt. Eine Aufzuganlage aus der Ferne zu überwachen ohne dabei zu diagnostizieren, ob die Anlage z.B. fehlerfrei arbeitet, erscheint der Kammer nicht dem fachmännischen Verständnis zu entsprechen. Wie bereits zuvor erwähnt, definiert Anspruch 1 keine Einschränkung hinsichtlich der Maßnahmen, die eine Diagnose darstellen und ist diesbezüglich entsprechend breit auszulegen. Die Nutzung des Fernüberwachungssystem der D2 durch das Servicepersonal stellt daher ein Verfahren zur Ferndiagnose im Sinne des Merkmals M1.1 dar.
5.4 D2 offenbart eine Aufzugsteuervorrichtung nicht explizit. Die Einsprechende hat argumentiert, dass das "operation monitoring terminal 3" eine solche darstelle, weil "operation" im Deutschen "Steuerung" bedeute. Diese Aussage kann die Kammer nicht nachvollziehen, und zwar aus zwei Gründen. Zum Einen bedeutet "operation" nicht Steuerung, sondern Betrieb. Zum Anderen geht es bei einem "operation monitoring" gerade nicht um den Betrieb ("operation"), sondern um die Überwachung ("monitoring") desselben. "Operation monitoring" bedeutet daher weder Steuerung noch Betrieb, sondern bezieht sich auf die Überwachung des Betriebs. Ein "operation monitoring terminal" ist also ein Terminal zur Überwachung des Betriebs. Steuerfunktionen gehen damit nicht notwendigerweise einher.
Dennoch muss für jede der in Figur 1 der D2 gezeigten Aufzuganlagen eine Vorrichtung vorhanden sein, die die einzelnen Aufzüge steuert. Es ist nicht vorstellbar, dass eine Aufzuganlage im Jahr 2005, d.h. dem Jahr der in D2 beanspruchten Priorität, ohne eine solche, also von Hand, betrieben würde. Diese implizit in dem System nach D2 vorhandene Aufzugsteuervorrichtung muss auch zwingend mindestens eine wie auch immer geartete Signalverarbeitungseinrichtung (z.B. zur Verarbeitung eines Stockwerkrufs) und mindestens ein Speicherglied (z.B. zur Speicherung eines oder mehrerer Stockwerkrufe) aufweisen. Merkmal M1.2 ist daher in D2 implizit erfüllt.
Die Einsprechende hat argumentiert, dass das Gesamtsystem - umfassend alle Aufzüge (2) in den Gebäuden (1) und auch umfassend die Servicezentrale (4) - Teil einer Aufzugssteuerung im weiteren Sinn sei. Diese Auffassung teilt die Kammer nicht. Es besteht kein Grund den Begriff "Aufzugsteuervorrichtung" breiter auszulegen als nach seinem üblichen Wortsinn, also einer Vorrichtung zur Steuerung eines einzelnen Aufzugs (oder von mehreren Aufzügen, die über dieselbe Ruftaste gerufen werden). Diese Auslegung wird auch durch das nachfolgende Merkmal M1.3 gestützt, welches auf die Aufzugsteuervorrichtung im engeren Sinn lesbar ist und ihre Funktion näher definiert, nicht aber auf das unbestimmte Gesamtsystem, das die Einsprechende darin erkennt.
Auch ist das in D2 offenbarte Betriebsüberwachungsterminal ("operation monitoring terminal"; 3) nicht notwendigerweise Teil der jeweiligen Aufzugsteuervorrichtung in dem dargelegten, üblichen Sinn. Das Betriebsüberwachungsterminal könnte von der Aufzugsteuervorrichtung auch gänzlich unabhängig verwirklicht sein. Dies ist weder technisch unsinnig noch aufgrund etwaiger Indizien in D2 auszuschließen.
5.5 Die in Figur 2 der D2 für jede Aufzuganlage implizit vorhandene Aufzugsteuervorrichtung in dem von der Kammer ausgelegten Sinn steuert den Betrieb der Aufzuganlage. Dies ist ihre ureigene Aufgabe. Merkmal M1.3 ist daher in D2 ebenfalls implizit verwirklicht.
5.6 In D2 werden zumindest "Ereignisdaten" im weitesten Sinn mittels der in Figur 3 gezeigten Sensoren (24) erfasst. Merkmal M1.4 ist daher in D2 ebenfalls verwirklicht.
5.7 Ob aber Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten der Aufzuganlage im Speicherglied der Aufzugsteuervorrichtung (in dem Sinn gemäß Merkmal M1.3) gespeichert werden, lässt sich der D2 nicht entnehmen.
Die Einsprechende hat diesbezüglich auf Figur 4 verwiesen, welche ein Ablaufdiagramm des Überwachungsverfahrens zeige und implizit ein Speicherglied aufweise. Dies überzeugt die Kammer jedoch nicht. In Figur 4 wird nicht auf die Aufzugsteuervorrichtung Bezug genommen. Vielmehr deutet der vorletzte Absatz auf der siebten Seite der Maschinenübersetzung D2a der D2 darauf hin, dass dieses in den Betriebsüberwachungsterminals ("Figure 4 is a flowchart of the monitoring process of the elevator 2 is located in a remote area, of each building as 5 each operation monitoring terminal monitors objects 3 1." [sic]) der in D2 offenbarten Überwachungsvorrichtung vorhanden ist. Falls darin tatsächlich mit den Sensoren des Betriebsüberwachungsterminals erfasste Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten der Aufzuganlage gespeichert werden sollten, so würde dies noch immer nicht in einem Speicherglied der Aufzugsteuervorrichtung im Sinne des Merkmals M1.3 geschehen.
Merkmal M1.5 ist daher in D2 nicht unmittelbar und eindeutig verwirklicht.
5.8 Dasselbe gilt sinngemäß für die Frage, ob und wo in D2 die Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten der Aufzuganlage mittels einer Signalverarbeitungseinrichtung analysiert werden. Falls dies geschieht, passiert es nicht in der Signalverarbeitungseinrichtung der Aufzugsteuervorrichtung im Sinne des Merkmals M1.3.
Merkmal M1.6 ist daher in D2 nicht unmittelbar und eindeutig verwirklicht.
5.9 Auch ob die Aufzugsteuervorrichtung mit dem Internet verbunden ist, lässt sich der D2 nicht entnehmen. Das Argument der Einsprechenden, dass die Internet-Funktionseinheit "7" eine Schnittstelle zur bidirektionalen Kommunikation zwischen dem Internet "13" und der Aufzugsteuervorrichtung darstellt, überzeugt die Kammer nicht.
Die von der Einsprechenden in Bezug genommene Figur 5 zeigt explizit keine Verbindung zwischen den von den Betriebsüberwachungsterminals (3) kommenden Eingängen (6, 9, 17) hin zum Internet (13), die darauf schließen ließe, dass eine Schnittstelle für bi-direktionale Kommunikation zwischen dem Terminal und dem Internet vorhanden ist.
Zum Anderen aber wäre auch bei einer Betrachtung der Servicezentrale (4), umfassend die Internetfunktionseinheit (7) und die Steuereinheit (18) der Überwachungszentrale, als "Schnittstelle" allenfalls das Betriebsüberwachungsterminal (3) mit dem Internet verbunden, nicht aber die Aufzugsteuervorrichtung im Sinne des Merkmals M1.3.
Merkmal M1.7a ist daher in D2 nicht unmittelbar und eindeutig verwirklicht.
5.10 Die Einsprechende hat argumentiert, dass in D2 der Standort der Aufzugsanlage über das Internet (13) an die tragbaren Terminals (11) übertragen werde. Die Kammer kann dies der D2, insbesondere aber auch der D2a, nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen.
Der Standort der Aufzugsanlage wird zwar, wie von der Einsprechenden (unter Verweis auf D2a, Seite 13, vierter Absatz) vorgetragen, in Figur 10 auf einer Karte mit einem Sternchen dargestellt. Diese Darstellung bezieht sich jedoch auf das Display (40) der Steuereinheit (18) der Überwachungszentrale, welche Steuereinheit (18) wiederum Teil der Servicezentrale (4) ist (siehe z.B. Seite 9, vierter Absatz). Ob dieselbe Karte auch auf den tragbaren Terminals (11) dargestellt wird, lässt sich aus D2a nicht zuverlässig ableiten. Ebenfalls könnte, wie von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, auch nur ein Aufzugsidentifikationscode übertragen werden, anhand dessen in der Servicezentrale die zugehörige Position der Aufzuganlage ermittelt werden könnte. Die Patentinhaberin hat D2 darüber hinaus auch so interpretiert, dass auch nur die Position des Servicetechnikers angezeigt werden könnte. Auch diese Interpretation kann die Kammer auf Basis der zur Verfügung stehenden Übersetzung nicht ausschließen. Keine der beiden Lesarten stützt sich jedoch auf eine eindeutige Offenbarung.
Merkmal M1.7b ist daher in D2 nicht unmittelbar und eindeutig verwirklicht.
5.11 Dasselbe gilt sinngemäß für die Übertragung von vom Ergebnis einer Analyse der Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten abhängigen Zustandsinformationen. Die Kästchen, Dreiecke und Kreise in Figur 10 (und damit auf einem Display in der Servicezentrale 4) sind als "Zustandsinformationen" interpretierbar. Als "Datenempfangsgerät" im Sinne des Merkmals M1.7c kommen jedoch nur die tragbaren Terminals (11) in Frage. Ob die Zustandsinformationen aber an diese Terminals über das Internet übertragen werden, lässt sich der D2 nicht zweifelsfrei entnehmen.
Merkmal M1.7c ist daher in D2 nicht unmittelbar und eindeutig verwirklicht.
5.12 Noch weniger lässt sich der D2 entnehmen, ob die Zustandsinformationen auf dem Monitor des tragbaren Terminals (11) auf einer über das Internet aktualisierbaren Karte angezeigt werden.
Merkmal M1.8 ist daher in D2 nicht unmittelbar und eindeutig verwirklicht.
5.13 Letztlich kann die Kammer der D2 auch nicht entnehmen, ob die gespeicherten (vorausgesetzt dass diese in D2 überhaupt gespeichert werden) Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten über das Internet bestimmten Zielgruppen (in Frage kommen die Servicetechniker 10) zugänglich gemacht werden.
Die Einsprechende hat unter Verweis auf D2a, Seite 2, vorletzter Absatz, sowie Figur 5, argumentiert, dass der Servicetechniker Zugang zu den Daten habe. Die Kammer kann dies nicht nachvollziehen. Die genannte Stelle der Maschinenübersetzung D2a ist weder verständlich noch dürfte sie sich auf gespeicherte Verfügbarkeits-, Störungs- und/oder Ereignisdaten beziehen.
Merkmal M1.9 ist daher in D2 nicht unmittelbar und eindeutig verwirklicht.
5.14 Weitere Neuheitseinwände
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärte die Einsprechende, dass sie darüber hinaus auf den Dokumenten D1 und D6 beruhende Neuheitseinwände gegen den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 habe. Die Patentinhaberin erklärte, dass sie Einwände gegen die Zulassung dieser Einwände habe, da sie weder im Einspruchsschriftsatz noch in der Beschwerde substantiiert vorgetragen worden seien.
In Punkt 6 ihrer Mitteilung erklärte die Kammer, dass sie gegebenenfalls überlege, die Angelegenheit zur weiteren Behandlung (und damit auch zur Prüfung weiterer Neuheitseinwände) an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, falls die Kammer zu dem Schluss gelänge, dass die Einwände als ausreichend substantiiert angesehen werden könnten.
Es war daher zuerst zu entscheiden, ob zumindest einer dieser Einwände ausreichend substantiiert ist.
6. Substantiierung des auf D1 beruhenden Neuheitseinwandes
Zumindest der auf D1 beruhende Neuheitseinwand im Einspruchsschriftsatz und in der Beschwerdebegründung, im Rahmen des Neuheitseinwands gegenüber dem der Zwischenentscheidung zugrundeliegenden geänderten Anspruchs 1 des für gewährbar befundenen Antrags, wurde ausreichend substantiiert vorgetragen.
Die Patentinhaberin hatte argumentiert, dass der gesamte Vortrag der Einsprechenden in der Einspruchsschrift hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (und damit auch jener hinsichtlich D1) nicht substantiiert sei. Es bleibe der Patentinhaberin überlassen, selbst herauszuarbeiten, ob die jeweils genannte Offenbarungsstelle das betreffende Merkmal zeige.
Für die Frage der Substantiierung eines Einwandes ist es nicht entscheidend, ob der Einwand stichhaltig ist, d.h. ob er inhaltlich zu überzeugen vermag. Es kommt daher diesbezüglich nicht darauf an, ob an der von der Einsprechenden zitierten Stelle eines Dokuments tatsächlich das jeweilige Merkmal offenbart ist. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe hierzu Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, IV.C.2.2.8) ist das Erfordernis der Angabe der zur Begründung des Einspruchs vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel dann erfüllt, wenn die relevanten Tatsachen und Beweismittel so ausreichend angegeben sind, dass das Europäische Patentamt und der Patentinhaber das Vorbringen ohne weitere Ermittlungen verstehen können.
Im Rahmen eines Neuheitseinwands muss es damit im vorliegenden Fall zumindest möglich sein, ohne umfassende eigene Ermittlungen nachzuvollziehen,
- welche Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 1 die Einsprechende als aus D1 als bekannt voraussetzt,
- welche Merkmale in D1 diesen Merkmalen entsprechen und wo diese in D1 zu finden sind.
Der Vortrag der Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz (Seiten 6 und 7) zur Neuheit gegenüber D1 besteht aus einer tabellarischen Aufzählung der Merkmale des Anspruchs 1. Damit ist zumindest dem erstgenannten Erfordernis bereits Genüge getan.
Im gegenständlichen Fall, welcher technisch nicht komplex ist, vermag die Kammer aus dem Zusammenhang auch zu erkennen, welche Merkmale in D1 nach Auffassung der Einsprechenden jeweils den Merkmalen M1.1 bis M1.9 des Anspruchs 1 entsprechen und welche Passage der D1 diese Merkmale zeigen solle. Eine explizite Identifizierung der entsprechenden Merkmale wäre freilich wünschenswert gewesen.
Ob die weiteren, in der Einspruchsschrift vorgebrachten Neuheitseinwände diesen Erfordernissen ebenfalls genügen, hat die Kammer nicht geprüft.
7. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Die angefochtene Entscheidung hat einen Neuheitsmangel einzig hinsichtlich des Dokuments D2 begründet. Die weiteren Einwände unter den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) in Verbindung mit 54 und 56 EPÜ wären erstmalig vor der Beschwerdekammer zu prüfen. Eine solche erstmalige Prüfung der Einwände durch die Beschwerdekammer steht dem in Artikel 12 (2) VOBK 2020 verankerten vorrangigen Ziel des Beschwerdeverfahrens entgegen, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen. Die Kammer sieht in diesen Umständen besondere Gründe im Sinne des Artikels 11 VOBK 2020. Die Beteiligten sprachen sich auch nicht gegen die bereits in der Mitteilung angekündigte Zurückverweisung aus.
Folglich verweist die Kammer die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurück.
8. Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Einsprechenden
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Einsprechenden wird zurückgewiesen (Regel 103 (1) a) EPÜ).
8.1 Die Einsprechende hatte einen Verfahrensmangel darin gesehen, dass die Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung zuerst den zweiten Hilfsantrag der Patentinhaberin ins Verfahren zugelassen, danach jedoch der Einsprechenden zu wenig Zeit gelassen habe, ihre Angriffe vorzubereiten.
8.2 Die Kammer erkennt jedoch im Vorgehen der Einspruchsabteilung, soweit es aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ersichtlich ist, keinen Verfahrensmangel. Im Gegenteil, während der Diskussion über die Zulässigkeit des zweiten Hilfsantrags, die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit wurde die Verhandlung mehrmals unterbrochen. Gemäß Protokoll geschah dies zumindest drei Mal explizit "um der Einsprechenden Zeit zu geben", davon ein Mal um "den Hilfsantrag 2 zu studieren" (siehe Punkt 8, dritter Absatz), ein Mal "um das Dokument D2 im Hinblick auf den neuen Hilfsantrag 2 zu studieren" (siehe Punkt 9, erster Absatz), sowie ein weiteres Mal um "weitere Dokumente zu studieren" (siehe Punkt 9, vierter Absatz). Weitere Unterbrechungen gab es zwischen der Diskussion über die Neuheit gegenüber D2 bzw. D3 und der anschließenden Diskussion über die erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination von D2 und D1 sowie D2 mit dem allgemeinen Fachwissen (siehe die Unterbrechungen laut Protokoll, Punkte 9 und 10, von 16:56 Uhr bis 17:02 Uhr sowie von 17:20 Uhr bis 17:28 Uhr).
Selbst wenn dies subjektiv für die Einsprechende zu wenig Zeit gewesen wäre, einen an den neuen zweiten Hilfsantrag angepassten Sachvortrag auszuarbeiten, bestand die Möglichkeit, mehr Zeit und gegebenenfalls eine weitere Unterbrechung der Verhandlung zu beantragen. Dass die Einsprechende einen solchen Antrag gestellt habe, dieser jedoch nicht gewährt worden sei, ist durch das Protokoll nicht gestützt und stellt damit eine bloße Behauptung dar. Die Kammer merkt an, dass die Einsprechende diesbezüglich auch keine Berichtigung des Protokolls beantragt hat, was jedoch erforderlich gewesen wäre.
9. Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Patentinhaberin
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Patentinhaberin wird zurückgewiesen (Regel 103 (1) a) EPÜ).
9.1 Die Patentinhaberin hatte in der Begründung der Einspruchsabteilung einen Verfahrensmangel gesehen. Sie bemängelte einerseits, dass die Einspruchsabteilung den Einspruch fälschlicherweise schon deshalb als begründet ansah, weil ein Fachmann sich dazu eine Meinung bilden könne, der Fachmann allerdings hierfür nicht heranzuziehen sei. Weiterhin bemängelte sie, dass die Einspruchsabteilung einzelne Merkmale des Anspruchs 1 von der D2 als vorweggenommen ansah, weil dies bei jeder modernen Aufzuganlage so sei, ein Teil der Offenbarung "stark darauf hindeute" oder dies "höchstwahrscheinlich" so sei. All dies stelle offensichtlich eine Anwendung falscher Beurteilungsmaßstäbe bei der Prüfung auf Substantiierung und Neuheit dar, was eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr rechtfertige.
9.2 Die Kammer stimmt mit der Patentinhaberin darin überein, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung in diesen Punkten inhaltlich Unrichtigkeiten aufweist. Insbesondere entspricht der Maßstab, den die Einspruchsabteilung bei der Beurteilung der Neuheit angewandt hat, z.B. bei der Beurteilung der Offenbarung einiger Merkmale in spezifischen Passagen der D2/D2a ("deutet stark darauf hin" und "höchstwahrscheinlich") offensichtlich nicht dem durch die Rechtsprechung entwickelten Standard einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung als Voraussetzung für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme. Dennoch erkennt die Kammer darin keinen Verfahrensmangel. Vielmehr wurden die Einwände der Einsprechenden geprüft und den Parteien Zeit und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dadurch, dass die Einspruchsabteilung in ihrer Neuheitsprüfung falsche Kriterien angewandt hat, ist die Kammer letztlich zu einer anderen Bewertung des Dokuments D2 gekommen. Die Entscheidung ist daher als in der Sache fehlerhaft aufzuheben, das Verfahren weist jedoch keinen Verfahrensfehler auf, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen könnte.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.