J 0016/84 (Unklare Gebührenzahlung) 06-08-1985
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1. Wird bei einer Gebührenzahlung der Zahlungszweck erkennbar fehlerhaft angegeben, so ist dieser Mangel unschädlich, wenn sich der gewollte Verwendungszweck aus den übrigen Angaben unschwer ermitteln lässt.
2. Die versehentliche Zuordnung eines Gebührenbetrages durch das EPA, die von der erkennbaren Zweckbestimmung des Einzahlers abweicht lässt die vom Einzahler gewollte Zweckbestimmung unberührt.
Sachverhalt und Anträge
I. Am 20.10.1983 hatten die Beschwerdeführer, zwei natürliche Personen, die europäische Patentanmeldung 83 110 450.0 unter Beanspruchung der Priorität einer am 03.11.1982 in Italien eingereichten nationalen Patentanmeldung durch ihren Vertreter eingereicht.
II. Durch denselben Vertreter reichten zwei andere natürliche Personen am 02.11.1983 die europäische Patentanmeldung 83 110 904.6 unter Beanspruchung der Priorität einer am 04.11.1982 in der Bundesrepublik Deutschland eingereichten nationalen Patentanmeldung ein. Mit der gleichen Post übersandte der Vertreter einen Scheck über DM 4.530.-- unter Verwendung des Vordrucks EPA-Form 1010, dessen Betrag zur Entrichtung einer Anmeldegebühr in Höhe von DM 520.--, einer Recherchengebühr in Höhe von DM 1.670.-- und von neuen Benennungsgebühren in Höhe von DM 2.340.-- bestimmt war. Als Zweckengabe waren in dem Vordruck die Namen der Beschwerdeführer und als Nummer der Patentanmeldung 24040A/82 angegeben. Bei der Nummer 24040A/82 handelt es sich um die Nummer der italienischen Voranmeldung der europäischen Nachanmeldung 83 110 450.0 der Beschwerdeführer.
III. Die vorbereitete Empfangsbescheinigung für die am 02.11.1983 eingereichte Patentanmeldung wurde dem Vertreter am gleichen Tage zurückgesandt, jedoch änderte sie der zuständige Bedienstete handschriftlich in der Rubrik B "beigefügte Dokumente" ab, indem er das Freifeld für Scheck ankreuzte und den Zusatz "DM 4.530.--" hinzufügte.
IV. Der mit Scheck bezahlte Betrag von DM 4.530.-- wurde für die Anmeldung 83 110 904.6 mit dem Vermerk gebucht, daß die Gebühren für die Ansprüche 11 bis 18 fehlen.
V. Nach Erhalt der geänderten Empfangsbescheinigung teilte der Vertreter zur Anmeldung 83 110 904.6 mit, daß auf die Benennung der Bundesrepublik Deutschland verzichtet werde, und überwies für diese Anmeldung einen weiteren Betrag von DM 220.--, den er wie folgt berechnete: Anmeldegebühr DM 520.-- plus Recherchengebühr DM 1.670.-- plus acht Benennungsgebühren DM 2 080.-- plus Anspruchsgebühren DM 480.--, zusammen DM 4.750.-- abzüglich bereits entrichteter DM 4.530.-- = DM 220.--.
VI. Nach dem Hinweis der Eingangsstelle in der Anmeldung 83 110 904.6, daß ein Verzicht auf eine Benennung keinen Anspruch auf Rückzahlung der bereits entrichteten Benennungsgebühr begründe, so daß die für die Benennung der Bundesrepublik Deutschland gezahlten DM 260.-- nicht auf die Anspruchsgebühren umgebucht werden könnten, zahlte der Vertreter die ausstehenden DM 260.-- ein.
VII. Mit Schreiben vom 21.12.1983 wurde der Vertreter in der Anmeldung 83 110 450.0 darauf hingewiesen, daß die Anmeldegebühr, die Recherchengebühr und alle Benennungsgebühren nicht fristgerecht entrichtet worden seien und daß sie innerhalb von 2 Monaten mit einem Zuschlag von DM 1.035.-- noch entrichtet werden könnten, anderenfalls die Anmeldung als zurückgenommen gelte. Darauf teilte der Vertreter mit, daß der mit Scheck am 02.11.1983 entrichtete Betrag von DM 4.530.-- für die Anmeldung 83 110 450.0 bestimmt gewesen sei. Trotz der versehentlichen Angabe des Aktenzeichens der italienischen Voranmeldung sei aufgrund der Angaben der Namen der Anmelder die Zuordnung zur Anmeldung 83 110 450.0 möglich gewesen. Am 04.01.1984 zahlte der Vertreter DM 4.530.-- und die Zuschlagsgebühr in Höhe von DM 1.035.-- für die Anmeldung 83 110 450.0 ein und beantragte am 16.01.1984 die Rückzahlung der Zuschlagsgebühr.
VIII. Diesen Antrag auf Rückzahlung wies die Eingangsstelle mit Entscheidung vom 28.05.1984 zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, daß ohne weiteres feststellbar gewesen wäre, daß zum Zeitpunkt des Ablaufs der zuschlagsfreien Zahlungsfristen in den beiden Anmeldungen nur für eine Anmeldung gezahlt worden sei. Die fehlerhafte Zuordnung des Schecks bei Einreichung der Anmeldung 83 110 904.6 begründe keinen Rückzahlungsanspruch. Die Verwechslung habe der Vertreter selbst verursacht, indem er gleichzeitig mit einer Neuanmeldung Zahlungsmittel für eine andere Anmeldung eingereicht habe. Jedenfalls hätte der Vertreter nach Empfang der Empfangsbescheinigung für die Anmeldung 83 110 904.6 feststellen müssen, daß für diese Anmeldung eine Zahlung per Scheck über DM 4.530.--bestätigt worden sei, obwohl für diese Anmeldung keine Zahlung geleistet war. Die dadurch veranlaßte Nachprüfung hätte zur Aufklärung des Sachverhalts geführt.
IX. Mit Schreiben vom 19.06.1984, das am 22.06.1984 einging, legten die Vertreter der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung vom 28.05.1984 Beschwerde ein. Die Beschwerdegebühr wurde ordnungsgemäß entrichtet. Zur Begründung führten die Beschwerdeführer aus, daß sie dem Argument nicht folgen könnten, daß der Vertreter durch gleichzeitige Einreichung des Schecks mit der Neuanmeldung 83 110 904.6 die Verwirrung selbst verursacht hätte. Die fehlerhafte Angabe des Aktenzeichens der italienischen Voranmeldung habe das Europäische Patentamt nicht berechtigt, den Scheck für die gleichzeitig eingereichte Anmeldung 83 110 904.6 zu verwenden. Die übrigen Angaben in EPA-Form 1010 hätten eine Zuordnung zur Anmeldung 83 110 450.0 ohne weiteres erlaubt. Zumindest hätte aber das Europäische Patentamt bei auftretenden Zweifeln beim Vertreter rückfragen müssen. Die Ankreuzung des Scheckfeldes auf der Empfangsbescheinigung der zweiten Anmeldung 83 110 904.6 habe keinen Anlaß zur Aufklärung gegeben, da die zuständige Sekretärin unter Berücksichtigung der Fülle der zu bearbeitenden Vorgänge keinen Grund hatte, an der amtlichen Bestätigung über eine Einzahlung von DM 4.530.-- zu zweifeln, zumal ihr der gezahlte Betrag von DM 4.530.--, nicht aber der zugehörige Vorgang noch in Erinnerung war. In jedem Falle habe für sie keine Veranlassung bestanden, bei Erhalt der Empfangsbescheinigung für die Anmeldung 83 110 904.6 an die zwei Wochen früher eingereichte Anmeldung 83 110 450.0 zu denken, die wegen Erledigung des Anmeldevorgangs inzwischen längst wieder abgelegt worden war. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei begründet, weil nur durch das Verschulden des Europäischen Patentamts die Zahlung der Zuschlagsgebühr erforderlich geworden sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Art. 106 bis 108 und R. 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. Das Begehren der Beschwerdeführerin, die entrichtete Zuschlagsgebühr in Höhe von DM 1.035.-- zurückzuzahlen, ist dann gerechtfertigt, wenn die Zuschlagsgebühr nicht fällig geworden ist. Nach R. 85a EPÜ können Anmeldegebühr, Recherchengebühr oder eine Benennungsgebühr, wenn sie innerhalb der vorgeschriebenen Fristen nicht entrichtet worden sind, noch innerhalb einer Nachfrist von zwei Monaten nach Ablauf dieser Fristen wirksam entrichtet werden, sofern innerhalb der Nachfrist eine Zuschlagsgebühr entrichtet wird. Im vorliegenden Fall der Anmeldung 83 110 450.0 bedurfte es der Entrichtung einer Zuschlagsgebühr nicht, weil die Anmelde-, Recherchen- und Benennungsgebühren fristgerecht gezahlt worden sind. Nach Art. 78 Abs. 2 EPÜ waren die genannten Gebühren für die Anmeldung 83 110 450.0 innerhalb eines Monats nach Einreichung der Anmeldung zu entrichten, also, da die Anmeldung am 20.10.1983 eingereicht wurde, bis zum 20.11.1983. Innerhalb dieser Frist haben die Beschwerdeführer den richtig errechneten Gebührenbetrag in Höhe von DM4.530.-- am 02.11.1983 durch Einreichung eines Schecks über diesen Betrag entrichtet.
3. Die Kammer vermag sich der Auffassung der Eingangsstelle, daß die Anmelde-, Recherchen- und die Benennungsgebühren in der Anmeldung 83 110 450.0 nicht rechtzeitig gezahlt worden seien und somit die Zahlung einer Zuschlagsgebühr nach R. 85a EPÜ erforderlich geworden sei, nicht anzuschließen. Der Vertreter der Beschwerdeführer hat mit dem amtlichen Vordruck EPA-FORM 1010 am 02.11.1983 einen Scheck über DM 4.530.-- eingereicht. Die Angaben in dem Gebühreneinzahlungsvordruck waren ausreichend, um eine richtige Zuordnung des eingezahlten Betrages zur Anmeldung 83 110 450.0 zu ermöglichen. Es trifft zwar zu, daß in dem Einzahlungsvordruck die Nummer, die der vorliegenden Patentanmeldung bei der Einreichung zugeteilt wurde, also die Nummer 83 110 450.0, nicht enthalten war und an ihrer Stelle die Nummer der italienischen Voranmeldung 24040A/82 genannt war, eine Nummer, die es ihrer Art nach für europäische Patentanmeldungen nicht gibt. Infolgedessen war das EPA als Empfänger für die Frage der Zuordnung des Scheckbetrages auf die übrigen Angaben im Einzahlungsvordruck angewiesen. Im Vordruck angegeben waren Namen und Adresse der Anmelder. Aus dieser Angabe hätte das EPA unschwer den Verwendungszweck für den Scheckbetrag ermitteln können, weil es sich bei den Einzahlern um Einzelanmelder handelt, die nicht, wie Großfirmen, über eine Vielzahl von Anmeldungen verfügen.
4. Aber auch wenn man eine eindeutige Zuordnung des eingezahlten Scheckbetrages anhand der Angaben im Einzahlungsvordruck im Zeitpunkt des Eingangs des Einzahlungsvordrucks nicht für möglich halten würde, wären die Gebühren in der Anmeldung 83 110 450.0 als rechtzeitig gezahlt anzusehen. In diesem Fall, wenn also der Zweck der Zahlung nicht ohne weiteres erkennbar ist, hat das EPA nach Art. 7 Abs. 2 GebO den Einzahler aufzufordern, innerhalb einer vom Amt zu bestimmenden Frist diesen Zweck schriftlich mitzuteilen. Erst wenn der Einzahler dieser Aufforderung nicht rechtzeitig nachkommt, gilt die Zahlung nach Art. 7 Abs. 2 Satz 2 GebO als nicht erfolgt. Eine ausdrücklich auf Art. 7 Abs. 2 Satz 2 GebO gestützte Aufforderung ist den Vertretern der Beschwerdeführer bisher nicht zugestellt worden. Dessen bedarf es auch nicht mehr, weil die Vertreter mit ihrem Schriftsatz vom 28.12.1983 eindeutig klargestellt haben, daß der am 02.11.1983 eingezahlte Scheckbetrag von DM 4.530.-- für die Gebühren der Anmeldung 83 110 450.0 bestimmt war. Diese Zweckbestimmung haben die Vertreter der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16.01.1984 und in der Begründung ihrer Beschwerde wiederholt. Eine zweifelsfreie Zweckbestimmung für die Verwendung des Scheckbetrags lag zwar am 21.11.1983, dem Ablauf der zuschlagsfreien Einmonatsfrist zur Zahlung der Anmelde-, Recherchen- und der Benennungsgebühren noch nicht vor; das ist aber, wie sich aus Art. 7 Abs. 2 GebO ergibt, unschädlich, weil die Zweckbestimmung noch innerhalb einer erst zu setzenden Frist noch vervollständigt werden kann. Das ist im vorliegenden Fall bereits vor einer solchen Fristsetzung geschehen, so daß damit die fristgerechte Einzahlung der Gebühren zur Anmeldung 83 110 450.0 feststeht.
5. Es fragt sich, ob sich an diesem Ergebnis etwas dadurch ändert, daß der am 02.11.1983 für die Anmeldung 83 110 450.0 eingereichte Scheck über DM 4.530.-- versehentlich von der Eingangsstelle der mit dem Scheck gleichzeitig eingereichten Anmeldung 83 110 904.6 zugeordnet worden ist. Diese Frage ist zu verneinen, weil jede Verwendung von entrichteten Gebühren durch das Amt, die mit dem Willen des Einzahlers nicht in Einklang steht, die vom Einzahler gewollte Zweckbestimmung unberührt läßt. Daß diese Ansicht richtig ist, folgt aus dem Umstand, daß es sonst von einem Versehen des Amtes bei der Zuordnung eingehender Geldbeträge abhängen würde, ob ein Rechtserfolg eintritt oder nicht.
6. Da somit festgestellt werden kann, daß die Anmelde-, Recherchen- und die Benennungsgebühren innerhalb der Fristen der Art. 78 Abs. 2, 79 Abs. 2 EPÜ entrichtet worden sind, ist die Zuschlagsgebühr nach R. 85a EPÜ nicht fällig geworden und daher zurückzuzahlen.
7. Die Kammer ist der Auffassung, daß die Beschwerdegebühr nach R.67 EPÜ zurückzuzahlen ist, weil dies wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht. Die vom Willen des Einzahlers abweichende Verwendung eingezahlter Gebühren, mag sie noch so leicht erklärlich und verzeihlich erscheinen, ist immer ein erheblicher Verfahrensfehler, weil dadurch Rechtsfolgen zum Nachteil des Einzahlers ausgelöst werden können.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die Entscheidung der Eingangsstelle vom 28.05.1984 wird aufgehoben.
2. Die Rückzahlung der Zuschlagsgebühr in Höhe von DM 1.035.-- (Regel 85a) und der Beschwerdegebühr in Höhe von DM 630.-- wird angeordnet.