T 0580/13 02-03-2018
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Programmierbares Nähmaschinensystem
Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Beschwerde eingelegt gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 396 569 widerrufen wurde.
II. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer geladen. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung legte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung zur Sache dar.
III. Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin mit Schreiben vom 8. Februar 2018 geänderte Hilfsanträge 1 bis 3 ein, die ihre zuvor mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 ersetzten. Sie teilte weiterhin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde.
IV. Die mündliche Verhandlung fand am 2. März 2018 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent unverändert aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 8. Februar 2018, aufrecht zu erhalten.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Anspruch 1 des Patents hat folgenden Wortlaut:
"Programmierbares Nähmaschinensystem
- mit einem Programmrechner (36) zur Erstellung von Nähprogrammen,
- mit einer vom Programmrechner (36) getrennten Nähmaschine (1a)-- mit einem Steuerrechner (11) zur gesteuerten Abarbeitung der Nähprogramme,
- mit einem mobilen Datenträger (24) zur Übertragung von Nähprogrammen vom Programmrechner (36) auf den Steuerrechner (11), wobei-- der Datenträger (24) einen Datenspeicher (29) für Nähprogrammdaten aufweist,-- der Datenträger (24) mindestens eine einen Stecker (26) oder eine Buchse (27) aufweisende, steckbare Datenträgerschnittstelle (26, 27) mit mindestens einer Datenleitung (28) zur Übertragung von Nähprogrammdaten vom Programmrechner (36) einerseits und auf den Steuerrechner (11) andererseits aufweist,-- der Programmrechner (36) und der Steuerrechner (11) so eingerichtet sind, dass über den eingesteckten Datenträger (24) eine Datenübertragung vom Programmrechner (36) auf den Datenträger (24) einerseits und vom Datenträger (24) auf den Steuerrechner (11) andererseits erfolgt,
dadurch gekennzeichnet, dass die steckbare Datenträgerschnittstelle (26, 27) als Standard-Schnittstelle ohne bewegliche Komponenten derart ausgebildet ist, dass sie an eine rechnerseitig bereits vorhandene Buchse (23a) oder einen Stecker (22, 42) einer Rechnerschnittstelle (22, 23a, 42) angesteckt werden kann."
VIII. Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde im kennzeichnenden Teil folgende Änderung vorgenommen (Hervorhebung durch die Kammer):
"die steckbare Datenträgerschnittstelle (26, 27) als Standard-Schnittstelle ohne bewegliche Komponenten in Form eines Steckers oder in Form einer Buchse derart ausgebildet ist,..."
Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde zusätzlich zu der Änderung nach Hilfsantrag 1 am Ende des kennzeichnenden Teils das folgende Merkmal hinzugefügt:
"[...angesteckt werden kann],
- die Standardschnittstelle als serieller RS232- oder V24-Anschluss, als paralleler Anschluss oder als USB-Anschluss ausgeführt ist."
Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 wurden zusätzlich zu den Änderungen nach Hilfsantrag 2 am Ende des kennzeichnenden Teils noch die folgenden Merkmale hinzugefügt:
"[...USB-Anschluss ausgeführt ist],
- die Datenträgerschnittstelle (26, 27) und die Rechnerschnittstelle (22, 23a, 42) mindestens eine elektrische Versorgungsleitung (25) für den Datenträger (24) aufweisen, und
- der Datenträger (24) mindestens einen Schaltkreis (33) aufweist, der eine auf der Versorgungsleitung (22, 23a, 42) vorliegende Versorgungsspannung an eine erforderliche Betriebsspannung für den Datenträger (24) anpasst."
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Hauptantrag
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gehr nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Die Einspruchsabteilung habe bei der von ihr zugrundegelegten wortwörtlichen Auslegung des Anspruchs die Bestimmungen des Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Artikel 69 EPÜ nicht genügend berücksichtigt und sei zu einer unsinnigen Auslegung des Anspruchs gelangt. Bei richtiger Lesart sei klar, dass eine Buchse oder ein Stecker keine beweglichen Komponenten im Sinne von Anspruch 1 seien. Zweifel an der Bedeutung des Anspruchswortlauts hätte der Fachmann in jedem Fall unter Berücksichtigung der Beschreibung, insbesondere Spalte 1, Zeilen 33-37 des Streitpatents, verworfen. Selbst wenn der Stecker selbst eine bewegliche Komponente des mobilen Datenträgers bilden würde, ginge der erteilte Anspruch 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus, da ein gegenüber dem mobilen Datenträger beweglicher Stecker oder eine bewegliche Buchse nirgends offenbart seien.
Hilfsantrag 1
Die Änderungen seien der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung, Seite 7, Zeile 23-27 in Verbindung mit Seite 3, Zeilen 5-9, entnommen, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe.
Hilfsantrag 2
Die zusätzlich aufgenommenen Merkmale seien der ursprünglichen Beschreibung, Seite 3, Zeilen 8-9, Seite 11, Zeile 10 und 12-14 entnommen.
Hilfsantrag 3
Die hinzugefügten Merkmale beruhten auf den erteilten Ansprüchen 4 und 6.
X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Hauptantrag
Die ursprüngliche Anmeldung offenbare nur, dass während der Datenübertragung selbst keine bewegliche Komponenten im Einsatz seien, siehe z.B. Spalte 1, Zeilen 33-37 und Spalte 2, Zeilen 17-19 der veröffentlichten Fassung. Entsprechend dieser Passagen gehe es bei den beweglichen Komponenten um solche, die z.B. bei Diskettenlaufwerken während der Übertragung von Daten zum Einsatz gelangen. Eine Verbindung zwischen der Datenträgerschnittstelle und beweglichen Komponenten, die es erlauben würde, die Datenträgerschnittstelle selbst durch das Fehlen von beweglichen Komponenten zu charakterisieren, finde sich hingegen nirgends in der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
Hilfsanträge 1 bis 3
Die Anträge seien verspätet eingereicht. Die Änderungen am Anspruch 1 des Hilfsantrags verstießen gegen die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und (3) EPÜ und Artikel 84 EPÜ. Sie könnten darüber hinaus nicht den Einwand gegenüber dem Hauptantrag ausräumen.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag - Artikel 100 c) EPÜ
1. Der Ausdruck "ohne bewegliche Komponenten" wurde während des Erteilungsverfahren in den kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 aufgenommen.
Der Ausdruck beruht auf der ursprünglichen Beschreibung, Seite 1, Zeile 27 bis Seite 2, Zeile 4 und Seite 3, Zeilen 9-12. Hier wird erläutert, dass bewegliche Komponenten bei der Datenübertragung - wie bei Diskettenlaufwerken - im staubigen und flusenhaltigen Industrieumfeld eines Nähmaschinensystems aufgrund der Verschmutzungsgefahr eine ständige Fehlerquelle darstellen und zu vermeiden sind. Bewegliche Komponenten sind demnach beim Vorgang der Datenübertragung an sich (der z.B. bei einem Diskettenlaufwerk einen rotierenden Datenspeicher erfordert, von und zu dem Daten übertragen werden) zu vermeiden.
Durch die Einfügung des Ausdrucks wird dagegen die als Standardschnittstelle ausgebildete steckbare Datenträgerschnittstelle weiter definiert. Die Datenträgerschnittstelle ist Teil des im Anspruch definierten mobilen Datenträgers, der demgemäß noch einen Datenspeicher umfasst. Die Schnittstelle wiederum weist neben einer Datenleitung einen Stecker oder eine Buchse auf. Es wird also im erteilten Anspruch definiert, dass die Schnittstelle selbst keine bewegliche Komponente aufweist (z.B. in Form eines beweglich, mittels eines Kabels, an dem Datenträger ausgebildeten Steckers), bzw. dass z.B. der Stecker (oder die Buchse) als Teil der Standard-Schnittstelle selbst keine solchen beweglichen Komponenten aufweist.
Der Zusammenhang zwischen dem Nicht-Vorhandensein beweglicher Komponenten mit der Datenträgerschnittstelle des mobilen Datenträgers, wie sie resultierend aus der Einfügung des Ausdruck in den erteilten Anspruch folgt, ergibt sich aus den zitierten Abschnitten der Beschreibung nicht. Auch die restlichen Teile der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbaren diesen Zusammenhang nicht, worauf auch die Beschwerdegegnerin in Erwiderung auf die Beschwerdebegründung hingewiesen hat.
Folglich führt die Änderung im erteilten Anspruch 1 zu einem Gegenstand, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
2. Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass der Fachmann bei richtiger Auslegung des Anspruchs verstünde, dass die beweglichen Komponenten nicht auf den Stecker oder die Buchse selbst bezogen werden könnten, sondern die Datenübertragung über die Schnittstelle charakterisierten.
Die Kammer ist allerdings von den hierzu vorgetragenen Argumenten nicht überzeugt.
Einerseits gibt es keinen Grund, den Anspruch dahingehend eingeschränkt auszulegen, dass das Nicht-Vorhandensein beweglicher Komponenten bei der Datenübertragung gemeint sei. Diese Auslegung ist weder im Einklang mit seinem Wortlaut, noch kann sie den Kern des Einwands widerlegen, wonach die ursprüngliche Offenbarung keinen Zusammenhang zwischen der Datenträgerschnittstelle und etwaiger beweglicher Komponenten enthält. Aus dem gleichen Grund kann auch eine eingeschränkte Interpretation des Anspruchs im Lichte der Beschreibung, für die es im EPÜ im Übrigen keine Grundlage gibt - Artikel 69 (1) EPÜ bietet jedenfalls für die Prüfung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ eine solche nicht -, nicht zu einer anderen Schlussfolgerung führen.
Dass darüber hinaus eine Auslegung des Anspruchs unsinnig sei, bei der angenommen werde, dass die Schnittstelle eines an sich bereits mobilen, d.h. beweglichen Datenträgers, selbst bewegliche Komponenten aufweise, überzeugt die Kammer auch nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Stecker oder die Buchse als ein Teil der Datenträgerschnittstelle, die wiederum Teil des mobilen Datenträgers ist, entweder selbst am Datenträger beweglich ist oder weitere Komponenten umfasst, wie z.B. Schrauben oder Klammern an einer laut Beschreibung anvisierten RS 232-Schnittstelle, die beweglich sind.
3. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
Hilfsanträge 1 bis 3 - Zulassung in das Verfahren
4. Die Hilfsanträge 1 bis 3 wurden nach Ablauf der Frist für die Beschwerdebegründung eingereicht und stellen somit nach Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar. Ihre Zulassung in das Verfahren liegt im Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer neben dem Verfahrensstand und der Komplexität des neuen Vorbringens auch die gebotene Verfahrensökonomie. Im Hinblick auf letztere ist es für die Zulassung geänderter Ansprüche in das Verfahren erforderlich, dass diese prima facie gewährbar sind, in dem Sinne, dass sie bestehende Einwände beheben ohne neue einzuführen.
5. Die Änderungen beheben zumindest den oben behandelten Einwand gegenüber dem Hauptantrag nicht.
Das Fehlen der beweglichen Komponenten betrifft weiterhin die Standard-Schnittstelle an sich und nicht das Nicht-Vorhandensein beweglicher Komponenten während der Datenübertragung, wie es in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 1, Zeile 27 bis Seite 2, Zeile 4 und Seite 3, Zeilen 9-12 offenbart ist.
Die weitere Einschränkung der Datenträgerschnittstelle durch die Angabe, dass die Standardschnittstelle in Form eines Steckers oder in Form einer Buchse ausgebildet ist (Hilfsantrag 1), bzw. die zusätzliche Präzisierung der Art der Standard-Schnittstelle (Hilfsantrag 2) und ihrer elektrischen Versorgung (Hilfsantrag 3) kann an diesem Sachverhalt nichts ändern. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.
6. Die Kammer hat daher ihr Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK dahingehend ausgeübt, die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.