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T 0064/17 25-03-2021
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ZUSAMMENSETZUNG FÜR DIE ALKALISCHE PASSIVIERUNG VON ZINKOBERFLÄCHEN
Ausreichende Offenbarung - Nacharbeitbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - unerwartete Verbesserung
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-2 534 279 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Verfahren zur alkalischen Passivierung von Zinkoberflächen von metallischen Bauteilen und eine Zusammensetzung dafür.
Gegen das Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe gemäß Artikel 100 a) und b) EPÜ gestützt.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 eingereichten Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ genügt.
III. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde ein. Nachdem beide Verfahrensbeteiligte Beschwerdeführerinnen und Beschwerdegegnerinnen sind, werden sie einfachheitshalber im Folgenden weiterhin als Patentinhaberin und Einsprechende adressiert.
IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.
V. Eine mündliche Verhandlung fand am 25. März 2021 unter Zustimmung beider Verfahrensbeteiligter als Videokonferenz statt.
VI. Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:
Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, hilfsweise die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen oder das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage der mit Schreiben vom 22. August 2017 eingereichten Hilfsanträge 2 bis 6 aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
VII. Ansprüche
Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung lautet:
"Wässrige alkalische Zusammensetzung (A) enthaltend
a) zumindest 50 ppm an Eisen(III)-Ionen,
b) zumindest 100 ppm an Phosphat-Ionen,
c) zumindest 100 ppm an Komplexbildnern ausgewählt aus organischen Verbindungen c1), die zumindest eine funktionale Gruppe ausgewählt aus -COOX, -OPO3X und/oder -PO3X aufweisen, wobei X entweder ein H-Atom oder ein Alkali- und/oder Erdalkalimetall-Atom darstellt, und/oder kondensierten Phosphaten c2) berechnet als PO4, wobei die Zusammensetzung eine freie Alkalität von zumindest 1 Punkt, aber weniger als 6 Punkten, und einen pH-Wert von zumindest 10,5 aufweist."
Der unabhängige Anspruch 12 lautet wie folgt:
"Verfahren zur alkalischen Passivierung von metallischen Bauteilen, die zumindest teilweise Oberflächen von Zink oder Zinklegierungen aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass das metallische Bauteil mit einer alkalischen wässrigen Zusammensetzung (A) gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 11 in Kontakt gebracht wird."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 und 13 bis 15 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Zusammensetzung bzw. des in Anspruch 12 definierten Verfahrens.
VIII. Stand der Technik
Die folgenden Dokumente des Einspruchsverfahrens sind für diese Entscheidung relevant:
D1: DT 1 521 854
D6: US 3 515 600
IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Patentinhaberin in Bezug auf die erteilten Ansprüche lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Es sei gängige Routine für einen Fachmann, den pH-Wert und die freie Alkalität mit Hilfe von Puffern und Alkalisierungsmitteln einzustellen. Tabelle 1 des Patents zeige in diesem Zusammenhang, dass bei Einstellung des pH-Werts in Gegenwart eines NaHCO3/Na2CO3 Puffersystems mit Natronlauge pH Werte zwischen 10,4 und 12,0 mit einer freien Alkalität von 2,6 - 5,0 Punkten und somit im gesamten beanspruchten Bereich hergestellt werden könnten. Die freie Alkalität könne dabei durch eine Erhöhung der Pufferkonzentration gesteigert werden.
Der Einsatz einer in Anspruch 13 adressierten Röntgenfluoreszenzanalyse zur Ermittlung der Schichtauflage von Eisen sei allgemein bekannt. Bei Verwendung von Titanzink als Testsubstrat gemäß den Angaben in den Beispielen des Patents - vgl. die Fußnote "***" der Tabelle 2 - könne die Schichtauflage von Eisen ohne weiteres bestimmt werden.
b) Das Dokument D6 liefere keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass bei der Passivierung von Zinkoberflächen die freie Alkalität einen Einfluss auf die Lackierbarkeit der passivierten Oberfläche haben könne. Die freie Alkalität der in Beispiel 1 des Dokuments D6 beschriebenen Zusammensetzung liege auch nicht unausweichlich in dem in Anspruch 1 definierten Bereich, wenn der pH-Wert der Zusammensetzung auf den gemäß Dokument D6 bevorzugten Bereich eingestellt werde. Dies sei zwar gegebenenfalls zufällig möglich, wenn bestimmte Alkalisierungsmittel eingesetzt werden würden. Eine entsprechende Lehre dafür sei aber weder in Dokument D6 vorhanden, noch könne diese aus Dokument D1 abgeleitet werden. Der Gegenstand der Ansprüche des Patents sei daher ausgehend von Dokument D6 nicht naheliegend.
X. Das entsprechende Vorbringen der Einsprechenden lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Das Patent sei nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar, da ein Fachmann weder unter Verwendung der Lehre des Patents, noch aus dem allgemeinen Fachwissen für jeden pH-Wert von mindestens 10,5 eine freie Alkalität zwischen 1 und 6 Punkten einstellen könne.
Der Gegenstand des abhängigen Anspruchs 13 sei von einem Fachmann ebenfalls nicht ausführbar, da das Patent nicht ausreichend offenbare, wie ein Fachmann die Schichtauflage von Eisen auf verzinkten Stahlblechen mittels Röntgenfluoreszenzanalyse ermitteln könne. Durch das Störsignal des im Stahlblech enthaltenen Eisens sei das angegebene Bestimmungsverfahren für Stahlblech ungeeignet. Die als Fußnote "***" in Tabelle 1 genannte Bestimmung auf Zinktitanblechen stelle dabei keine allgemeine Lehre dar, sondern betreffe nur dieses eine spezifische Ausführungsbeispiel.
b) Dokument D6 beschreibe in Anspruch 1 eine Zusammensetzung zur Passivierung von Zinkoberflächen mit einem pH-Wert von mindestens 11. Die Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 weise die gleichen Inhaltsstoffe auf, die auch gemäß Anspruch 1 eingesetzt werden. Ein Fachmann könne den pH-Wert des in Dokument D6 beschriebenen Mittels im Rahmen fachüblichen Experimentierens variieren. Dabei würde er einen pH-Wert mittels Natriumhydroxid (NaOH) einstellen, der innerhalb des gemäß Dokument D6 bevorzugten Bereichs liege. Gemäß den Berechnungen auf den Seiten 5 und 6 der Beschwerdebegründung liege die freie Alkalität für entsprechende Zusammensetzungen mit einem jeweiligen pH-Wert von 12,6 und 13,3 bei 2,2 bzw. 6 Punkten. Im Vergleich zu derartigen von D6 nahegelegten Mitteln zeige das Patent keine Verbesserung. Daher könne die objektive technische Aufgabe nur darin liegen, eine Alternative bereitzustellen. Zur Lösung dieser Aufgabe genüge dem Fachmann routinemäßiges Handeln, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents zu gelangen.
Entscheidungsgründe
1. Artikel 100 b) EPÜ
1.1 Ausführbarkeit der Erfindung gemäß Anspruch 1 des Patents
1.1.1 Anspruch 1 definiert eine wässrige Zusammensetzung mittels des pH-Wertes und der freien Alkalität (vgl. diesbezüglich die Patentschrift, Paragraph [0012]).
Das Patent beschreibt im Ausführungsbeispiel in Absatz [0030] eine Zusammensetzung, die durch einfaches Mischen der einzelnen Bestandteile zweifelsfrei hergestellt werden kann. Die Einstellung des pH-Wertes und der freien Alkalität stellt für den Fachmann kein Problem dar und kann mittels eines Puffersystems erzielt werden. Dies wird auch in Absatz [0031] des Patents entsprechend dargestellt:
"wobei der pH-Wert der Zusammensetzung in Schritt C in Gegenwart eines NaHCO3/Na2CO3 Puffersystems mit Natronlauge eingestellt wurde".
Das Patent zeigt in Tabelle 1, dass mit einer Kombination von Natronlauge und einem NaHCO3/Na2CO3 Puffersystem Lösungen mit einem pH-Wert von 10,4 bis 12,0 und einer freien Alkalität von 2,6 bis 5,0 Punkten erhalten werden können.
Das Ausführungsbeispiel des Patents offenbart daher unstreitig, dass eine Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 herstellbar ist.
1.1.2 Die Einsprechende argumentierte, dass durch den Einsatz üblicher Mengen an Puffer nicht für jeden pH-Wert eine freie Alkalität gemäß der Definition in Anspruch 1 erzielt werden könne. Dazu stellte sie prinzipiell die Beispielzusammensetzung für die alkalische Passivierung gemäß Absatz [0030] des Patents nach (siehe Tabelle 2 auf Seite 2 der Beschwerdebegründung) und bestimmte dafür einen pH-Wert von 13,0 und eine freie Alkalität von 2,3 Punkten.
Die Argumentation der Einsprechenden belegt zunächst die unstreitige Tatsache, dass Zusammensetzungen gemäß Anspruch 1 prinzipiell herstellbar sind.
1.1.3 Die Einsprechende zeigte in weiteren Versuchen (Tabelle auf Seite 3 der Beschwerdebegründung), dass die freie Alkalität mit diesem Mittel nicht für beliebige pH-Werte über einem Punkt gehalten werden kann. Ein ähnliches Resultat wurde auch nach Zusatz einer geringen Menge an Na2CO3 (0,5g/l) erzielt.
Diese Versuche bestätigen daher, dass bei einer gegebenen Menge an Puffer nicht für jeden beliebigen pH-Wert eine freie Alkalität gemäß Anspruch 1 erzielt werden kann. Stellt ein Fachmann allerdings fest, dass die freie Alkalität für ein gegebenes Mittel nicht hoch genug ist, stellt es keinen unzumutbaren Aufwand dar, durch weitere fachübliche Routineversuche die erforderliche Menge an Puffer, z.B. an Na2CO3 zu bestimmen, um die gewünschte freie Alkalität zu erzielen. Die von einem Fachmann zu erwartende Steigerung der freien Alkalität durch Zugabe von Na2CO3 wird auch durch die auf Seite 3 der Beschwerdebegründung der Einsprechenden dargestellten Versuchsergebnisse bestätigt, wonach die freie Alkalität der Mittel mit zusätzlich zugesetztem Na2CO3 bei einem pH-Wert von 11,9 bis 13,0 immer höher ist als bei den Mitteln ohne Zusatz von Na2CO3.
1.1.4 Die Einsprechende monierte zudem, dass das Beispiel des Patents nicht nachvollziehbar sei, da darin beschrieben werde, dass zur Reduzierung des pH-Werts Natronlauge (NaOH) eingesetzt werde.
Das Beispiel des Patents beschreibet allerdings keine Reduzierung des pH-Wertes mittels NaOH sondern eine Einstellung des pH-Wertes. Auch wenn der pH-Wert der in Absatz [0030] des Patents beschriebenen Zusammensetzung C bei 13 liegt, kann dieser durch die Zugabe einer entsprechenden Menge an einem NaHCO3/Na2CO3 Puffersystem (pKs2 = 10,4) derart abgesenkt werden, dass eine Einstellung mittels NaOH gemäß den Angaben in Tabelle 1 in Absatz [0031] nötig wird.
Die Angaben in Tabelle 1 des Patents sind daher nicht widersprüchlich und stellen die Nacharbeitbarkeit des Patents nicht in Frage.
1.2 Ausführbarkeit der Erfindung gemäß Anspruch 13 des Patents
Anspruch 13 definiert ein Passivierungsverfahren anhand der erzielbaren Schichtauflage von Eisen.
Die angefochtene Entscheidung begründet die mangelnde Ausführbarkeit damit, dass die Bestimmung der Schichtauflage von Eisen auf verzinkten Stahlblechen mittels Röntgenfluoreszenzanalyse nicht möglich sei, da das Signal für das Eisen im Stahl nicht von dem Signal für das Eisen in der Passivierungsschicht unterschieden werden könne.
Bei der Röntgenfluoreszenzanalyse wird ein Signal für Eisen gemessen, dass von der Anzahl der erfassten Eisenatome abhängt. Eine passivierende Konversionsschicht enthält nur eine geringe Eisenkonzentration im Vergleich zu der Eisenkonzentration in einem galvanisierten Stahlsubstrat. Der Begründung der angefochtenen Entscheidung kann daher soweit gefolgt werden, dass das gemessene Signal der Röntgenfluoreszenzanalyse sehr stark vom Eisengehalt des Substrats beeinflusst wird.
Diesem Umstand trägt das Patent allerdings Rechnung und beschreibt in den Tabellen 1 und 2 mit Verweis auf die DIN-Vorschrift DIN EN 998, dass die Schichtauflage von Eisen auf Titanzinkblechen mittels Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) bestimmt wird, auch wenn die eigentliche alkalische Passivierung auf kommerziell verfügbaren Stahlblechen durchgeführt wird (vgl. Fußnote "***" der Tabelle 2). Da Tabelle 2 explizit verschiedene Verfahrensabfolgen für die korrosionsschützende Vorbehandlung von verzinktem Bandstahl betrifft, würde der Fachmann dieser Offenbarung entnehmen, wie die in Anspruch 13 genannte Schichtauflage von Eisen auf verzinkten Stahlblechen zu bestimmen ist.
Die in der angefochtenen Entscheidung diskutierte, von einem eisenhaltigen Substrat bedingte Signalstörung wird durch den im Patent beschriebenen Einsatz von Testsubstraten aus Titanzinkblech nach DIN EN 998 vermieden.
Ferner wird die Bestimmung der Schichtablage auf Titanzinkblechen durch die Begründung in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt und ist unmittelbar nachvollziehbar.
Der Patentinhaberin ist daher zuzustimmen, dass der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs 13 unter Berücksichtigung der gesamten Lehre des Patents nacharbeiten kann.
1.3 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents daher nicht entgegen.
2. Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ
2.1 Wahl des Ausgangspunkts
D6 zielt auf Zusammensetzungen zur Behandlung von Zinkoberflächen ab, die eine Steigerung der Korrosionsbeständigkeit und der Lackhaftung erzielen sollen (Spalte 1, Zeilen 47 bis 54).
Daher betrifft D6 die gleiche allgemeine Zielsetzung wie das Patent und ist unstreitig ein geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
2.2 Offenbarung der D6
D6 offenbart in Anspruch 1 Zusammensetzungen zur Behandlung von Zinkoberflächen, die einen pH-Wert über 11 aufweisen. Gemäß der Lehre in Spalte 2, Zeilen 17 und 18 kann der pH-Wert bevorzugt im Bereich von 12,6 bis 13,3 liegen.
Die Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 von D6 enthält
3 Gew.-% NaOH
0,02 Gew.-% (200 ppm) Eisen(III)-Ionen in Form von
Fe(NO3)3·9 H2O,
0,2 Gew.-% (2000 ppm) Hydroxyheptoat als
Komplexierungsmittel,
1 Gew.-% (10000 ppm) Phosphat-Ionen in Form von
Natriumtriphosphat
und erzielt eine exzellente Lackhaftung.
Der pH-Wert des Beispiels 1 ist nicht angegeben. Zur freien Alkalität enthält D6 keinerlei Lehre.
2.3 Unterscheidungsmerkmal
Der Gegenstand des Anspruch 1 des Patents unterscheidet sich von der Offenbarung der D6 unstreitig dadurch, dass die Zusammensetzung eine freie Alkalität von mindestens 1 und weniger als 6 Punkten aufweist.
2.4 Objektive technische Aufgabe
2.4.1 Die Beispiele gemäß Tabelle 2 des Patents zeigen, dass eine alkalische Passivierung mittels einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 bessere Ergebnisse in Hinblick auf eine korrosive Unterwanderung eines Tauchlacks auf verzinktem Stahlband und bessere Ergebnisse im Steinschlagtest liefert als eine entsprechende Zusammensetzung mit einer freien Alkalität von 8, die außerhalb des beanspruchten Bereichs liegt.
2.4.2 Das Argument der Einsprechenden, wonach dieser Effekt in Hinblick auf den nächstliegenden Stand der Technik nicht gezeigt wird, ist nicht nachvollziehbar.
Die Ansicht der Einsprechenden beruht auf der Annahme, dass der Fachmann den pH-Wert der Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 des Dokuments D6 mittels NaOH so anpassen würde, dass er in dem in Spalte 2, Zeilen 17 und 18 als bevorzugt dargestellten Bereich von 12,6 und 13,3 liegt.
Dieses Vorbringen der Einsprechenden stützt sich allerdings auf eine Ausführungsform des Dokuments D6, die als solche dem Dokument nicht unmittelbar und eindeutig entnehmbar ist.
Das Dokument D6 liefert keinerlei Anreiz dazu, eine Anpassung der Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 vorzunehmen, insbesondere eine Anpassung des pH-Wertes mittels NaOH vorzunehmen. Die Zusammensetzung gemäß Beispiel 1 enthält vielmehr bereits eine klar definierte Menge von 3 Gew.-% NaOH. Weiterhin listet D6 in Spalte 2, Zeilen 22 bis 30, eine Vielzahl unterschiedlicher einsetzbarer Alkalisierungsmittel auf, die anstelle von NaOH ebenfalls eingesetzt werden könnten.
Die Wahl des pH-Wertes und des Alkalisierungsmittels NaOH mag bei rückschauender Betrachtungsweise dazu geeignet sein, zu einer hypothetischen Zusammensetzung zu gelangen, die eine freie Alkalität aufweist, die näher am beanspruchten Bereich liegt als das Vergleichsbeispiel gemäß Tabelle 2 des Patents. Eine gemäß der Offenbarung eines Dokuments mögliche Zusammensetzung, die jedoch nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist und nur unter Berücksichtigung der Lehre des Patents in Erwägung gezogen würde, bleibt allerdings bei der Feststellung des Unterscheidungsmerkmals und des damit zu erzielenden Effekts unberücksichtigt.
2.4.3 Die objektive technische Aufgabe kann mithin darin gesehen werden, eine Zusammensetzung für die alkalische Passivierung bereitzustellen, die eine verbesserte Lackhaftung ermöglicht.
2.5 Naheliegen der Lösung
D6 als solches liefert keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Einhaltung einer bestimmten freien Alkalität oder die Einstellung eines bestimmten pH-Werts ausschließlich mit NaOH zu einer Verbesserung der Lackhaftung führte.
D1 beschäftigt sich ebenfalls mit Zusammensetzungen für die alkalische Passivierung von Zinkoberflächen, siehe Spalte 1, Zeilen 33 bis 58, und Beispiele. D1 würde daher von einem Fachmann gegebenenfalls konsultiert werden.
Es offenbart in den Beispielen Zusammensetzungen, die Eisen-Ionen und Komplexbildner enthalten. D1 lehrt weiterhin, dass derartige Mittel bessere Ergebnisse liefern, wenn sie einen pH-Wert von 12,6 bis 13,3 aufweisen. Damit vermittelt Dokument D1 eine ähnliche Lehre wie schon Dokument D6 selbst in Spalte 2, Zeilen 17 bis 18.
Die Angabe eines bevorzugten pH-Wertes in D1 und D6 stellt noch keinen unmittelbaren Hinweis dafür dar, bei der Formulierung einer Zusammensetzung für die alkalische Passivierung auch auf die freie Alkalität zu achten. Insbesondere ist die Angabe eines bevorzugten pH-Bereichs kein Hinweis darauf, die freie Alkalität auf den in Anspruch 1 angegebenen Bereich einzustellen, oder eine bestimmten ausgewählten pH-Wert unter Verwendung von ausschließlich NaOH einzustellen, um eine Verbesserung der Lackhaftung zu erzielen.
2.6 Argumentation der Einsprechenden
Die Einsprechende argumentiert, dass sich eine freie Alkalität gemäß Anspruch 1 implizit bei der Nacharbeitung der D6 ergebe, wenn der Fachmann den bevorzugten pH-Bereich gemäß D1 oder D6 in einer Zusammensetzung gemäß D6 realisiere.
Dieses Vorbringen der Einsprechenden stützt sich allerdings in unzulässiger Weise auf die Kenntnis der Lehre des Patents wie bereits oben in Punkt 2.4.2 dargelegt.
Es mag der Lehre der D6 folgend möglich sein, rein zufällig ein Mittel mit einer freien Alkalität gemäß Anspruch 1 zu erhalten.
Nach ständiger Rechtsprechung (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes, 9. Auflage, 2019, Kapitel I.D.5) hat die Lösung einer bestehenden Aufgabe allerdings nur dann nahegelegen, wenn angenommen werden muss, dass ein Fachmann sie tatsächlich gefunden hätte, nicht nur mehr oder weniger zufällig gefunden haben könnte.
In diesem Zusammenhang ist es sehr wohl wesentlich, dass mit der patentgemäßen Zusammensetzung eine verbesserte Lackhaftung erzielt wird, denn nach Überzeugung der Kammer hätte der Fachmann nur solche Anregungen aus dem Stande der Technik aufgegriffen, die ihm auch hinsichtlich der angestrebten Verbesserung erfolgversprechend erscheinen mussten. Der Fachmann hätte aus D6 und D1 allenfalls die Lehre entnehmen können, dass vorteilhaft in einem bestimmten pH-Wert gearbeitet wird. Ohne Kenntnis der Lehre des Patents hätte der Fachmann keinerlei Veranlassung, die freie Alkalität überhaupt in Betracht zu ziehen, um eine verbesserte Lackhaftung zu erzielen. Daher hätte er auch bei der Anpassung des pH-Wertes und der Wahl des Alkalisierungsmittels deren Einfluss auf die freie Alkalität nicht berücksichtigt. Auch auf eine Einstellung eines bestimmten pH-Werts unter Verwendung von NaOH entgegen der expliziten Vorgabe von 3 Gew.-% für diese Substanz im Bespiel 1 gibt es weder in D1 noch in D6 einen Hinweis.
2.7 Schlussfolgerung zur erfinderischen Tätigkeit
Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht daher einer Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist daher begründet; die Beschwerde der Einsprechenden bleibt aber ohne Erfolg.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten.