T 2540/17 11-04-2019
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LED-Lichtquelle
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP2270856 auf Basis der Artikel 100(c), 76(1) und 123(2) EPÜ zu widerrufen. In der angefochtenen Entscheidung wird unter der Überschrift "Weitere Bemerkungen" zusätzlich auf während des Einspruchsverfahrens gemachte Neuheitseinwände verwiesen (siehe Punkt IV.4.).
II. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D3: WO 01/47039 A1
E20: Elektronik-Lexikon, Herausgeber W. Baier, Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1974, Seite 301
Bei der aus der internationalen (PCT) Anmeldung D3 hervorgehenden europäischen Patentanmeldung mit der Veröffentlichungsnummer EP1161772 handelt es sich um Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ für Vertragsstaaten gemäß Artikel 54(4) EPÜ 1973.
E20 wurde von der Patentinhaberin mit der Antwort auf einen Ladungsbescheid der Kammer eingereicht.
III. In dem Ladungsbescheid brachte die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck, dass die Argumente der Einspruchsabteilung hinsichtlich Anspruch 1 wie erteilt auf Basis der Artikel 100(c), 76(1) und 123(2) EPÜ zwar nicht zuträfen, wohl aber die Einwände, die während des Einspruchsverfahrens in Bezug auf mangelnde Neuheit des Anspruchs 1 in Bezug auf die aus D3 hervorgehende europäische Patentanmeldung vorgebracht wurden.
IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben sowie als Hauptantrag die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des nach Erhalt des Ladungsbescheids mit Schreiben vom 29. März 2019 eingereichten Hilfsantrags 12. Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 11 nahm die Beschwerdeführerin am Ende der mündlichen Verhandlung zurück.
V. Die Einsprechende/Beschwerdegegnerin beantragte am Ende der mündlichen Verhandlung, die Beschwerde zurückzuweisen.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut:
LED-Lichtquelle
mit mindestens zwei LED-Dice,
wobei die LED-Dice auf einer thermisch leitfähigen Leiterplatte angeordnet sind, so dass im Betrieb die Wärme durch die Leiterplatte hindurch abgeleitet wird,
wobei die Leiterplatte mit Ausnahme von Kontaktflächen mit einer isolierenden Schicht versehen ist,
wobei auf den Kontaktelektroden der LED-Dice auf einer Fläche Kontaktbumps oder Kontaktschichten
mit einer Maximalhöhe von 100 µm
bestehend aus einem Lotmaterial mit guter thermischer Leitfähigkeit aufgebracht sind,
wobei die LED-Dice mittels einer Flip-Chip Technik mit den Kontaktbumps oder Kontaktschichten nach unten
auf die Kontaktflächen der Leiterplatte oder in deren unmittelbare Nähe
aufgepresst und gleichzeitig oder anschließend mittels Ultraschall und/oder thermisch verlötet sind,
dadurch charakterisiert,
dass eine thermisch leitfähige Vergussmasse zwischen die LED-Dice und die Leiterplatte gegeben ist,
und dass
als Leiterplatte ein Keramikkörper verwendet wird,
auf dessen Oberseite die Leiterbahnen aufgebracht sind
und dessen Oberfläche derart ausgeformt ist, dass dieser als Kühlkörper dient.
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal, dass eine thermisch leitfähige Vergussmasse zwischen die LED-Dice und die Leiterplatte gegeben ist, an seinem Ende das folgende zusätzliche Teilmerkmal aufweist:
wobei Vergussmassen mit einer thermischen Leitfähigkeit von < 2.0 W/mK ausgenommen sind,
VIII. Die Argumente der Patentinhaberin, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen.
a) Isolierende Schicht
Die isolierende Schicht 51 der D3 sei durchgehend. D3 offenbare daher keine Leiterplatte, die mit Ausnahme von Kontaktflächen (also nicht überall) mit einer isolierenden Schicht versehen ist.
b) Thermisch leitfähige Vergussmasse
D3 offenbare auf den Seiten 11 und 12 ausdrücklich die Verwendung von Vergussmassen (underfill) mit einer geringen, vernachlässigbaren Wärmeleitfähigkeit von unter 2 W/m K. Der Fachmann würde aber dem Streitpatent entnehmen, dass der Begriff thermisch leitfähige Vergussmasse im Gesamtzusammenhang des Streitpatents bedinge, dass die Vergussmasse eine relativ hohe thermische Leitfähigkeit besitze. D3 offenbare daher keine thermisch leitfähige Vergussmasse im Sinne des Streitpatents.
c) Leiterplatte als Kühlkörper
Der im letzten Absatz auf Seite 17 der D3 genannte submount 50 sei nur eine Platte, die möglichst dünn ausgeführt sei, um den thermischen Widerstand zu reduzieren. D3 offenbare nicht, die Oberfläche dieser Platte so zu verändern, dass sie zusätzlich zu ihrer Funktion als Leiterplatte auch noch eine Kühlfunktion wahrnehmen könne.
Der zusätzliche Kühlkörper nach Anspruch 9 des Streitpatents sei dabei nur für Einsätze in Umgebungen mit besonders hohen Temperaturen gedacht und ändere nichts daran, dass bereits die Leiterplatte nach Anspruch 1 als Kühlkörper ausgeführt sei.
Generell sei zu beachten, dass D3 ein Dokument nach Artikel 54(3) EPÜ und daher nur für Neuheit relevant sei. Man dürfe daher keine Merkmale in dieses Dokument hineinlesen, die dort nicht eindeutig und zweifelsfrei offenbart seien.
d) Zulässigkeit des Hilfsantrags 12
Der Zahlenwert von 2 W/m K sei zum ersten Mal in dem Ladungsbescheid der Kammer diskutiert worden. Ein entsprechend geänderter Anspruch 1 hätte daher vorher nicht eingereicht werden können. Im vorliegenden Fall sei die Verfahrensentwicklung hinsichtlich Neuheit besonders schwierig einzuschätzen gewesen, da sich die erstinstanzliche Entscheidung nicht auf mangelnde Neuheit bezog. Die späte Einreichung des Hilfsantrags 12 sei also durch die Verfahrensentwicklung veranlasst gewesen.
In jedem Fall erfülle der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 enthaltene, nicht offenbarte Disclaimer die Bedingungen der Entscheidung G1/03 der Grossen Beschwerdekammer, da er (im Gegensatz zu einem ebenfalls möglichen Ausschluss von Vergussmassen mit sehr geringer thermischer Leitfähigkeit) klar sei, die Neuheit gegenüber dem Artikel 54(3)-Dokument D3 herstelle und nicht mehr ausschließe, als notwendig sei, um die Neuheit herzustellen.
Hilfsantrag 12 überwinde also den erhobenen Einwand und sei daher zulässig.
IX. Die Argumente der Einsprechenden, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lauten wie folgt:
a) Isolierende Schicht
Die für den Vergleich mit Anspruch 1 relevante isolierende Schicht in D3 sei die in Abbildung 10(b) gezeigte Schicht 53, die unter anderem nach Seite 11, Zeilen 323 bis 324 die benetzbaren Flächen 54 (wettable areas) definiere. Da sie die benetzbaren Flächen und damit die Kontaktflächen definiere, weise sie im Gegensatz zur von der Patentinhaberin genannten Schicht 51 Aussparungen auf.
b) Thermisch leitfähige Vergussmasse
Das Streitpatent offenbare keinen bestimmten Wert für die thermische Leitfähigkeit, den die thermische Vergussmasse besitzen müsse, sondern fordere nur, dass sie überhaupt thermisch leitfähig sein müsse. Grundsätzlich sei aber jeder Stoff, und damit auch jede Vergussmasse, besser oder schlechter thermisch leitfähig. Aus diesem Grund sei der underfill der D3 in demselben Ausmaß thermisch leitfähig wie die Vergussmasse des Streitpatents.
c) Leiterplatte als Kühlkörper
Das Streitpatent offenbare keine bestimmte Form, die die Oberfläche der Leiterplatte haben müsse, um als Kühlkörper zu dienen. Stattdessen sei die Form der Oberfläche nur funktional definiert.
Die Funktion des submount der D3 sei, Wärme abzuführen (Seite 17, Zeilen 513 bis 515). Dies entspreche der Funktion eines Kühlkörpers und damit dem beanspruchten Merkmal, dass die Leiterplatte als Kühlkörper dient.
D3 sehe zwar optional einen an dem submount angeordneten Kühlkörper vor. Dies entspreche jedoch ebenfalls dem Streitpatent, nach dessen Anspruch 9 vorgesehen sei, auf der Rückseite der Leiterplatte einen Kühlkörper aufzubringen.
d) Zulässigkeit des Hilfsantrags 12
Hilfsantrag 12 sei sehr spät eingereicht worden, nämlich erst 12 Tage vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, obwohl der Neuheitseinwand in Bezug auf D3 bereits in der Einspruchsschrift enthalten war. Der Antrag hätte also bereits mit der Einspruchserwiderung, spätestens in Antwort auf den erstinstanzlichen Ladungsbescheid und allerspätestens mit der Beschwerdebegründung gestellt werden können.
Darüber hinaus handele es sich bei einem nicht offenbarten Disclaimer um einen ungewöhnlichen und damit prozedural schwierigen Einwand, der so spät im Verfahren nicht zuzulassen sei.
Der nicht offenbarte Disclaimer nach dem zusätzlichen Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 12 sei auch nach den Bedingungen der G01/03 nicht zulässig. Zum einen könne die entsprechende Einschränkung als positives Merkmal formuliert werden, indem eine thermische Leitfähigkeit > 2 W/m K definiert würde; ein solches Merkmal sei aber im Streitpatent nicht offenbart. Zum anderen stelle der Disclaimer die Neuheit gegenüber D3 nicht her, da der Zahlenwert 2 W/m K in in den Zeilen 326 ff. der D3 nur als Beispiel genannt werde und eben keine strenge Obergrenze bedeute. Hilfsantrag 12 sei daher auch nicht prima facie eindeutig gewährbar.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Stand der Technik, Dokument D3
Das Dokument D3 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von LED-Lichtquellen mit erhöhter Leuchtkraft. Zu diesem Zweck werden ein LED die oder mehrere LED dice in Flip-Chip Orientierung mit den Kontakten nach unten (inverted design) auf einem Substrat (submount) angeordnet. Elektrische Verbindungen zwischen den LED dice und dem Substrat werden insbesondere unter Verwendung von Lötmaterial (solder) hergestellt, indem das Lötmaterial zunächst entweder auf die Kontaktelektroden der LED dice oder auf Kontaktflächen des Substrats aufgebracht wird und dann mit den jeweils anderen Bauteilen verbunden wird.
Diese elektrischen Verbindungen sowie die gesamte LED-Lichtquelle sind auf geringe thermische Widerstandswerte hin optimiert, um eine erhöhte Wärmeabfuhr und damit einen Betrieb mit höheren Strömen zu ermöglichen. Dabei kann eine Vergussmasse (underfill) zwischen LED dice und Substrat gegeben werden. Ihr Beitrag zur Wärmeabfuhr im Betrieb ist dann allerdings gegenüber dem der elektrischen Verbindungen vernachlässigbar, weshalb D3 bestrebt ist, die Querschnittsfläche dieser Verbindungen zu erhöhen.
Das Dokument D3 enthält verschiedene Ausführungsformen, die sich im wesentlichen durch die Formen und Anordnungen der verschiedenen Bauelemente der Lichtquelle unterscheiden. Der grundsätzliche Aufbau und die Schichtenfolge aller Ausführungsbeispiele sind jedoch gleich, was auch durch die durchgängige Verwendung der gleichen Bezugszeichen zum Ausdruck kommt.
3. Hauptantrag
3.1 Anspruch 1, unbestritten in D3 offenbarte Merkmale
Es war unbestritten, dass D3, im Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags, eine LED-Lichtquelle mit folgenden Merkmalen offenbart:
LED-Lichtquelle (Seite 10, Zeilen 282 bis 284)
mit mindestens zwei LED-Dice (Seite 19, Zeilen 563 bis 579 und Figur 17(a))
wobei die LED-Dice auf einer thermisch leitfähigen Leiterplatte (submount 50) angeordnet sind, so dass im Betrieb die Wärme durch die Leiterplatte hindurch abgeleitet wird (Seite 17, Zeilen 513 bis 516),
wobei auf den Kontaktelektroden (solder layers 41) der LED-Dice auf einer Fläche Kontaktbumps (solder bumps 60, siehe Figur 10(b), Seite 13, Zeilen 380 bis 385; Seite 14, Zeile 423 bis Seite 15, Zeile 424) oder Kontaktschichten (interconnects 60, siehe Figur 6(b), Seite 11, Zeilen 302 bis 303)
mit einer Maximalhöhe von 100 µm (für die Kontaktbumps siehe Seite 13, Zeile 385: ... for 100 mym diameter bumps; für die Kontaktschichten, siehe Seite 15, Zeile 454 bis Seite 16, Zeile 456: ... the solder thickness may be as little as 20 mym)
bestehend aus einem Lotmaterial (solder, siehe Seite 11, Zeilen 310 bis 312) mit guter thermischer Leitfähigkeit (solder/Lotmaterial besitzt immer eine gute thermische Leitfähigkeit) aufgebracht sind (Seite 15, Zeile 1: ... the solder material 60 may be deposited on the LED die),
wobei die LED-Dice mittels einer Flip-Chip Technik (Seite 4, Zeile 93: ... inverted ... light-emitting device ... und Seite 9, Zeilen 241 bis 242: ... inverted die designs ... sowie Seite 10, Zeile 285: ... the present invention uses an inverted structure ...) mit den Kontaktbumps oder Kontaktschichten nach unten (siehe Figuren 6(b) und 10(b))
auf die Kontaktflächen der Leiterplatte (wetting areas 54) oder in deren unmittelbare Nähe (siehe Figuren 6(b) und 10(b))
aufgepresst und gleichzeitig oder anschließend mittels Ultraschall und/oder thermisch verlötet sind (Schritt 106 in Figur 20),
wobei,
eine Vergussmasse (underfill) zwischen die LED-Dice und die Leiterplatte gegeben ist (Schritt 107 in Figur 20),
und
als Leiterplatte (50) ein Keramikkörper verwendet wird (Seite 17, Zeilen 513 bis 516),
auf dessen Oberseite die Leiterbahnen (metallization 52) aufgebracht sind (siehe Figur 10(b)).
3.2 Merkmale, deren Offenbarung in D3 bestritten wurde
Die Patentinhaberin bestritt jedoch (siehe Punkt VIII. oben), dass D3 die Merkmale offenbart, dass
a) die Leiterplatte der D3 mit Ausnahme von Kontaktflächen mit einer isolierenden Schicht versehen ist,
b) die in D3 offenbarte Vergussmasse thermisch leitfähig im Sinne des Patents ist,
und dass
c) die Oberfläche des Keramikkörpers der D3 derart ausgeformt sei, dass dieser als Kühlkörper dient.
3.2.1 Merkmal a), isolierende Schicht (siehe Punkte VIII.a) und IX.a) oben)
Die Kammer stimmt der Patentinhaberin insoweit zu, als die (optionale) Schicht 51 der Figuren 6(b) und 10(b) durchgehend ist und keine Ausnehmungen für Kontaktflächen aufweist.
Die Kontaktflächen (54) beider in den Figuren 6(b) und 10(b) gezeigten Ausführungsbeispiele werden jedoch durch eine strukturierte isolierende Schicht 53 definiert (Seite 11, Zeilen 322 bis 324: ... the wettable areas of the metallization 54 may be defined by a patterned dielectric layer; Seite 14, Zeilen 421 bis 423: ... the wetting areas on the submount may be defined by a dielectric passivation layer 53 as shown in Figure 10b), wie von der Einsprechenden vorgebracht. Diese Schicht ist in Figur 6(b), im Gegensatz zur Figur 10(b), nur nicht gezeigt.
D3 offenbart also auch das Merkmal a).
3.2.2 Merkmal b), thermisch leitfähige Vergussmasse (siehe Punkte VIII.b) und IX.b) oben)
Die Kammer stimmt der Einsprechenden zu, dass das Streitpatent an keiner Stelle einen konkreten Zahlenwert für die thermische Leitfähigkeit der Vergussmasse angibt und dass jedes feste Material grundsätzlich (besser oder schlechter) thermisch leitfähig ist.
Dies gilt auch für den in D3 offenbarten underfill.
Im Gegensatz zum Vorbringen der Patentinhaberin kann die Kammer dabei keinen Hinweis in dem Streitpatent erkennen, aus dem der Fachmann schließen würde, dass die thermische Leitfähigkeit der beanspruchten Vergussmasse einen relativ hohen Wert haben müsse. Im Gegenteil geht aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 (der definiert, dass die Lötverbindungen eine gute thermische Leitfähigkeit besitzen, während die Vergussmasse lediglich ganz allgemein thermisch leitfähig ist) des Streitpatents hervor, dass die thermische Leitfähigkeit des Vergussmaterials zumindest geringer als die des Lötmaterials ist (siehe auch Absatz 20 des Streitpatents).
D3 stellt zwar fest, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, dass die für den underfill verwendeten Materialien alle eine sehr niedrige Wärmeleitfähigkeit besitzen (Seite 11, Zeilen 326 bis 327: Because the thermal conductivity of any underfill material between the LED and submount is very low), die im Vergleich zu der der Lötverbindungen vernachlässigbar ist (Seite 11, Zeile 326 bis Seite 12, Zeile 329). Dies bedeutet jedoch nur, dass in D3 die thermische Leitfähigkeit des Vergussmaterials geringer ist als die des Lötmaterials, was der Situation im Streitpatent entspricht und darüber hinaus bei den für Vergussmaterial und Lötmaterial in LED-Lichtquellen normalerweise verwendeten Materialien eine Selbstverständlichkeit ist.
Der in D3 offenbarte underfill ist daher als im gleichen Maße thermisch leitfähig wie die im Streitpatent beanspruchte Vergussmasse anzusehen, wie von der Einsprechenden vorgebracht.
Aus diesen Gründen offenbart D3 auch das Merkmal b).
3.2.3 Merkmal c), Oberfläche der Leiterplatte/des Keramikkörpers (siehe Punkte VIII.c) und IX.c) oben)
Die Kammer stimmt mit der Einsprechenden darin überein, dass das letzte Merkmal des Anspruchs 1 keine konkrete Form der Oberfläche der Leiterplatte/des Keramikkörpers definiert, sondern lediglich bedeutet, dass der Keramikkörper (auch) die Funktion eines Kühlkörpers wahrnimmt.
Die Funktion eines Kühlkörpers ist die Abführung von Verlustwärme (siehe auch den ersten Satz im Lexikoneintrag "Kühlkörper" in dem von der Patentinhaberin als E20 eingereichten Lexikonauszug). Der in D3 genannte submount 50 ist jedoch (auch) dafür gedacht, Wärme abzuführen (Seite 17, Zeilen 513 bis 515: ... submount ... is in the thermal path for heat removal ...). Dass der submount 50 die Form einer dünnen Platte besitzt und D3 nicht vorschlägt, seine Form so zu verändern, dass (beispielsweise mithilfe von Kühlrippen) besonders viel Wärme abgeführt werden kann, wie von der Patentinhaberin argumentiert, steht dabei der grundsätzlichen Abführung einer gewissen Menge von Verlustwärme durch den submount 50 nicht entgegen. Die abzuführende Menge an Verlustwärme ist darüber hinaus im Streitpatent ebenfalls nicht definiert.
Aus diesem Grund dient der submount 50 der D3 eindeutig und zweifelsfrei als Kühlkörper im Sinne des Streitpatents.
Daher offenbart D3 auch das Merkmal c).
3.3 Aus dem Vorangehenden folgt, dass D3 alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags offenbart. Der Gegenstand dieses Anspruchs ist daher nicht neu nach Artikel 54(1) und (4) EPÜ 1973 und Artikel 54(3) EPÜ.
4. Hilfsantrag 12, Zulassung (siehe Punkte VIII.d) und IX.d) oben)
Hilfsantrag 12 wurde nach der Beschwerdebegründung (und sogar nach dem Ladungsbescheid der Kammer) eingereicht. Seine Zulassung steht daher nach Artikel 13(1) VOBK im Ermessen der Kammer.
Ein Erfordernis, das üblicherweise erfüllt sein muss, wenn so spät eingereichte Anträge ins Verfahren zugelassen werden sollen, ist, dass sie prima facie eindeutig gewährbar sind (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, IV.E.4.4.1 und 4.4.2).
Bei dem zusätzlichen Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 12 handelt es sich um einen nicht offenbarten Disclaimer. Dieses zusätzliche Merkmal muss daher die Bedingungen erfüllen, die in der Entscheidung G1/03 der Grossen Beschwerdekammer genannt werden. Insbesondere muss der nicht offenbarte Disclaimer die Neuheit herstellen und klar sein (siehe Leitsatz, II.1 erster Spiegelstrich und II.4).
D3 offenbart für alle Ausführungsbeispiele optional eine Vergussmasse (underfill) zwischen LED-Dice und Leiterplatte (siehe Figur 20, Schritte 102 und 107, sowie Ansprüche 3 und 7).
D3 stellt dabei zwar fest, dass die thermische Leitfähigkeit der für den underfill verwendeten Materialien generell sehr gering ist (Seite 11, Zeilen 326 bis 327: Because the thermal conductivity of any underfill material between the LED and submount is very low, ...) und gibt als Beispiel Zahlenwerte von unter 2 W/m K an (Seite 11, Zeile 327: e.g. <2.0 W/m K).
Diese Zahlenwerte dienen aber, wie zu Recht von der Einsprechenden vorgebracht, nicht als feste Obergrenze für die sehr geringe thermische Leitfähigkeit der in D3 zu verwendenden Vergussmassen, sondern lediglich als Beispiel.
Daher klammert der im zusätzlichen Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 12 enthaltene, nicht offenbarte Disclaimer, der auf diesen beispielhaften Zahlenwerten beruht, nicht in eindeutiger Weise alles aus, was in D3 für die thermische Leitfähigkeit des underfills offenbart ist. Im Gegensatz zum Vorbringen der Patentinhaberin kann dieser Disclaimer die Neuheit gegenüber D3 daher nicht herstellen.
Um Neuheit gegenüber der Offenbarung der D3 herzustellen, müsste vielmehr ganz allgemein die Verwendung von Vergussmassen/underfills mit sehr geringer thermischer Leitfähigkeit ausgeschlossen werden. Ein entsprechender Disclaimer wäre allerdings, wie von der Patentinhaberin eingeräumt, nicht klar nach Artikel 84 EPÜ 1973.
Aus diesen Gründen erfüllt der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 enthaltene, nicht offenbarte Disclaimer nicht die Bedingungen, die in G1/03 dargelegt sind und Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 ist daher nicht prima facie eindeutig gewährbar.
Im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammer entschied die Kammer daher, Hilfsantrag 12 nach Artikel 13(1) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen.
5. Schlussfolgerung
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags erfüllt nicht die Bedingung der Neuheit. Hilfsantrag 12 wurde nicht in das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent nach Artikel 101(2) und (3)(b) EPÜ zu widerrufen, kann daher nicht stattgegeben werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.