T 2382/19 17-10-2023
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Dichtung für Türen, Fenster oder Ähnlichem mit einer absenkbaren Dichtleiste
Neuheit - (ja)
Rechtliches Gehör - Gelegenheit zur Stellungnahme (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Patent zu widerrufen.
II. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber A2 sei.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung, hilfsweise die Aufrechterhaltung eines Patents auf Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I bis III, oder auf Grundlage des mit Schreiben vom 31. August 2020 eingereichten Hilfsantrags IV.
IV. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Am 17. Oktober 2023 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz vor der Kammer statt.
VI. Für diese Entscheidung sind die folgenden Dokumente relevant:
A1: US 5 454 192 A1
A2: DE 298 20 770 U1
A3: EP 2 050 918 A2
A3a1: Auszug aus Gesamtkatalog Planet aus dem Jahre 2010 (Datumangabe Seite 2, oben links), 4 Seiten
A3a2: Preisliste zu TR125 aus dem Jahre 2010 (Datumangabe Seite 1, oben rechts), 3 Seiten
A3a3: Kürzanleitung zu TR125 aus dem Jahre 2010 (Datumangabe auf der rechten Seite unten), 1 Seite
A3a4: Lieferschein für eine TR125 vom 08. September 2011, 1 Seite
VII. Der Anspruch 1 wie erteilt hat folgenden Wortlaut (Merkmalsgliederung durch die Kammer hinzugefügt):
"A
Dichtung für Türen, Fenster oder Ähnlichem mit einem Haltemittel (1), mit einer Dichtleiste (2, 3, 4), die ein erstes Halteprofil (2) und ein an dem ersten Halteprofil (2) befestigtes Dichtungsprofil (4) aufweist, und mit einem Mechanismus, über welchen die Dichtleiste (2, 3, 4) gegenüber dem Haltemittel (1) verschiebbar ist,
B
wobei die Dichtleiste (2, 3, 4) ein zweites Halteprofil (3) aufweist,
C
das an dem ersten Halteprofil (2) befestigt ist,
D1
und wobei das Dichtungsprofil (4) auch an dem zweiten Halteprofil (3) befestigt ist oder
D2
das zweite Halteprofil (3) in oder an dem Dichtungsprofil (4) befestigt ist,
dadurch gekennzeichnet,
E
dass das zweite Halteprofil (3) in seiner Längsrichtung gegenüber dem Dichtungsprofil (4) verschiebbar ist
F
und das Dichtungsprofil (4) manuell, mit Handwerkzeugen oder mit Handwerkzeugmaschinen kürzbar ist."
VIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Neuheit gegenüber A2
A2 offenbare die Merkmale C, E und F nicht.
Neuheit gegenüber A1
A1 offenbare die Merkmale D1, D2, E und F nicht.
Neuheit gegenüber A3 und A3a1-A3a4
A3 offenbare die Merkmale B, C, D1, D2 und E nicht.
Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Vertrauensschutzes
Die Einspruchsabteilung habe das rechtliche Gehör verletzt, weil sie ihre Entscheidung auf Gründe gestützt habe, zu denen die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit hatte, sich zu äußern.
Die Einspruchsabteilung habe das Gebot des Vertrauensschutzes verletzt, weil sie vor der schriftlichen Entscheidung keinen Bescheid erlassen habe.
IX. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Neuheit gegenüber A2
A2 offenbare alle Merkmale von Anspruch 1, insbesondere die Merkmale C, E und F.
Neuheit gegenüber A1
A1 offenbare alle Merkmale von Anspruch 1, insbesondere die Merkmale D1, D2, E und F.
Neuheit gegenüber A3 und A3a1-A3a4
A3 offenbare alle Merkmale von Anspruch 1, insbesondere die Merkmale B, C, D1, D2 und E.
Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Vertrauensschutzes
Weder rechtliches Gehör noch das Gebot des Vertrauensschutzes seien durch die Einspruchsabteilung verletzt worden.
1. Neuheit gegenüber A2
1.1 Es war unstreitig, dass A2 die Merkmale A, B, D1 und D2 offenbart.
1.2 A2 zeigt (Figuren 1 und 4) eine
A
Dichtung für Türen, Fenster oder Ähnliches mit einem Haltemittel (Gehäuseabschnitte 10 a, b, c), mit einer Dichtleiste, die ein erstes Halteprofil (eine der Absenkleisten 17) und ein an dem ersten Halteprofil befestigtes Dichtungsprofil (13) aufweist, und mit einem Mechanismus, über welchen die Dichtleiste gegenüber dem Haltemittel verschiebbar (absenkbar) ist, B
wobei die Dichtleiste ein zweites Halteprofil (eine andere der Absenkleisten 17) aufweist,
D1
und wobei das Dichtungsprofil (13) auch an dem zweiten Halteprofil befestigt ist,
was gleichbedeutend damit ist, dass
D2
das zweite Halteprofil in oder an dem Dichtungsprofil (13) befestigt ist.
1.3 Zu Merkmal C:
In A2 sind die Absenkleisten (17) über Niete mit den Schiebern (19) verbunden, die wiederum über die Federelemente (18) im oberen Bereich des Gehäuses an den Teilen (9) festgelegt sind (Seite 9, Zeilen 3-33; Figur 4a/b). Die Teile (9) sind wiederum im zugehörigen Gehäuseabschnitt (10 a-c) befestigt. Dadurch wird die Absenkleiste (17) an dem Gehäuseabschnitt (10 a-c) befestigt. Die Befestigung erfolgt hier mittelbar, also über die zusätzlichen Bauteile (Schieber 19, Federelement 18, Teil 9).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin erkennt die Kammer jedoch keine (mittelbare) Befestigung der verschiedenen Absenkleisten aneinander (Merkmal C). Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass diese Befestigung über das Teil (9), die Betätigungsstange (12a), ein Kopplungselement (11), die weitere Betätigungsstange (12b), ein weiteres Teil (9), Federelement (18) und Schieber (19) bis hin zu dem zweiten Absenkelement (17) erfolge.
Zum einen sind die Absenkleisten (17) bereits über das Teil (9) an dem jeweiligen Gehäuse (10) befestigt. Zum anderen beschreibt die A2 keinerlei funktionalen Zusammenhang zwischen dem Teil (9) und der Betätigungsstange (12). Dass dort eine (verschiebbare) Befestigung erreicht oder beabsichtigt wird, ist daher reine Spekulation.
Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Betätigungsstangen spielfrei über das Kopplungselement (11) miteinander verbunden seien, mag zutreffen, ändert jedoch nichts an der fehlenden Befestigung der Teile (9) an der jeweiligen Betätigungsstange (12).
Daher ist das Merkmal C, wonach das zweite Halteprofil an dem ersten Halteprofil befestigt ist, nicht in A2 offenbart.
1.4 Zu Merkmal E:
Merkmal E beschreibt die Eignung des zweiten Halteprofils, in Längsrichtung gegenüber dem Dichtungsprofil verschoben zu werden. Gemäß A2, Seite 12, Zeilen 23-32 können die einzelnen Gehäuseabschnitte (10 a-c) hintereinander an der Tür montiert, und dann ein durchgehendes Dichtungsprofil (13) in die Absenkleiste eingezogen werden. Dies bedeutet, dass das Dichtungsprofil gegenüber den Absenkleisten verschoben wird, dass also - wie von Merkmal E verlangt - eine relative Bewegung zwischen Absenkleiste und Dichtungsprofil möglich ist.
Die Beschwerdeführerin argumentierte hierzu, es komme beim Merkmal E darauf an, dass die Verschiebbarkeit zur Anpassung an die Türbreite vorgesehen sei. A2 offenbare keine Einstellung der Breite der Dichtung und daher auch keine Verschiebbarkeit des zweiten Halteprofils gegenüber dem Dichtelement. Die Einstellung der Breite der Dichtung ist jedoch im Anspruchswortlaut nicht enthalten. Der Sinngehalt des Merkmals E ist außerdem für den Fachmann aus dem Anspruch selbst klar bestimmbar. Selbst bei Berücksichtigung der Beschreibung kann diese nicht ohne Weiteres derart herangezogen werden, dass dem Merkmal ein einschränkender Sinngehalt zum Vorteil des Patentinhabers gegeben wird. Das Hineinlesen zusätzlicher Merkmale in den Anspruch mit Hilfe einer "Auslegung im Sinne der Beschreibung" ist folglich im vorliegenden Fall nicht möglich.
Außerdem argumentierte die Beschwerdeführerin, die Absenkleisten (17) seien mit den Gehäuseabschnitten fest in der Tür montiert, also nicht verschiebbar gegenüber dem Dichtungsprofil. Nur das Dichtungsprofil sei verschiebbar. Wie oben ausgeführt verlangt Merkmal E eine relative Verschiebung der zwei Komponenten zueinander. Da A2 die Verschiebbarkeit der Dichtleiste gegenüber dem Halteprofil offenbart, ist die von Merkmal E verlangte relative Bewegung gegeben.
Daher ist Merkmal E, wonach das zweite Halteprofil in seiner Längsrichtung gegenüber dem Dichtungsprofil verschiebbar ist, in der A2 offenbart.
1.5 Zu Merkmal F:
Das Dichtungsprofil der A2 ist mit Hilfe eines Handwerkzeugs oder einer Handwerkzeugmaschine (z. B. Schere, Säge) kürzbar. Dies ist auch der Fall, wenn das Dichtungsprofil nicht vollständig aus einem elastomeren Material besteht.
Die Beschwerdeführerin war der Meinung, das Dichtungsprofil der A2 sei im zusammengebauten Zustand nicht kürzbar, insbesondere weil es keinen Überstand aufweise. Der Anspruch fordert jedoch nicht, dass das Dichtungsprofil im zusammengebauten Zustand kürzbar sein muss. Zusätzlich ist dies in A2 auch der Fall, weil das Dichtungsprofil gegenüber den Halteprofilen verschoben werden kann, wodurch ein Überstand entsteht.
Daher ist das Merkmal F, wonach das Dichtungsprofil manuell, mit Handwerkzeugen oder mit Handwerkzeugmaschinen kürzbar ist, in der A2 offenbart.
1.6 Zusammenfassend offenbart A2 alle Merkmale des Anspruchs 1, mit Ausnahme des Merkmals C.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber A2.
2. Neuheit gegenüber A1
2.1 Es war unstreitig, dass A1 die Merkmale A, B und C offenbart.
2.2 A1 offenbart (Figur 40) eine
A
Dichtung (50d) für Türen mit einem Haltemittel (67d rechts [in Figur 40 sind die Bezugszeichen 65 und 67 gegenüber der Beschreibung vertauscht!]), mit einer Dichtleiste, die ein erstes Halteprofil (65d rechts) und ein an dem ersten Halteprofil befestigtes Dichtungsprofil (57d rechts) aufweist, und mit einem Mechanismus, über welchen die Dichtleiste gegenüber dem Haltemittel verschiebbar ist (Figuren 1-2, Spalte 10, Zeilen 5-35 sowie Figuren 40-41, Spalte 18, Zeile 35 - Spalte 19, Zeile 22),
B
wobei die Dichtleiste ein zweites Halteprofil (67d links) aufweist,
C
das an dem ersten Halteprofil befestigt ist (mittels peg 179).
2.3 Zu den Merkmalen D1 und D2:
A1 zeigt ein zweites Dichtungsprofil (57d links, Figur 40), das an dem zweiten Halteprofil (65d links) befestigt ist.
Hierzu argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass der Anspruch nicht fordere, dass das Dichtungsprofil einstückig sei, da der Begriff "ein Dichtungsprofil" auch mehrere Dichtungsprofile umfasse.
Die Merkmale D1 und D2 beziehen sich jedoch konkret auf "das Dichtungsprofil", das gemäß Merkmal A an dem ersten Halteprofil befestigt ist. Es ist also dieses Dichtungsprofil (57d rechts), dass gemäß den Merkmalen D1 und D2 an dem zweiten Halteprofil (65d links) befestigt sein müsste. Selbst wenn man der Beschwerdegegnerin dahingehend folgen wollte, dass das Dichtungsprofil mehrteilig sein kann, ist in A1 das Teil des "Dichtungsprofils", das am ersten Halteprofil befestigt ist (57d rechts), nicht auch am zweiten Halteprofil (65d links) befestigt, wie von Merkmal D1 verlangt.
Das Merkmal D2 ist gleichbedeutend mit Merkmal D1.
Daher sind die Merkmale D1 und D2 in A1 nicht offenbart.
2.4 Zu Merkmal E:
Das Dichtungsprofil (57d rechts) der A1 ist in der Nut (79d rechts) so befestigt, dass es austauschbar ist (Spalte 2, Zeilen 26-27, Spalte 10, Zeilen 25-34, Spalte 22, Zeilen 32-36). Es besteht außerdem aus einem elastischen Material (Spalte 13, Zeilen 16-18). Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin folgt daraus nicht zwingend (implizit), dass das Dichtungsprofil auch in seiner Längsrichtung gegenüber dem Halteprofil verschiebbar ist. Dies ist zwar vorstellbar, aber nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
Daher ist das Merkmal E in A1 nicht offenbart.
2.5 Zu Merkmal F:
Wie bereits angesprochen fordert Anspruch 1 nicht, dass das Dichtungsprofil im eingebauten Zustand kürzbar sein muss. Es wurde nicht bestritten, dass das Dichtungsprofil der A1 grundsätzlich mit einem Handwerkzeug oder einer Handwerkzeugmaschine kürzbar ist.
Daher ist das Merkmal F in A1 offenbart.
2.6 Zusammenfassend offenbart A1 alle Merkmale des Anspruchs 1, mit Ausnahme der Merkmale D1, D2 und E.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber A1.
3. Neuheit gegenüber A3
3.1 A3 offenbart eine
A
Dichtung für Türen mit einem Haltemittel (1), mit einer Dichtleiste (2), die ein erstes Halteprofil (20) und ein an dem ersten Halteprofil befestigtes Dichtungsprofil (21) aufweist, und mit einem Mechanismus (3), über welchen die Dichtleiste gegenüber dem Haltemittel verschiebbar ist, wobei
F
das Dichtungsprofil (21) manuell, mit Handwerkzeugen oder mit Handwerkzeugmaschinen kürzbar ist (Absatz [0033]).
3.2 A3 zeigt kein zweites Halteprofil, sodass die Merkmale B, C, D1, D2 und E nicht offenbart werden.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, die verschiedenen Abschnitte des Halteprofils (20) könnten als zwei Halteprofile betrachtet werden, die einstückig miteinander verbunden seien.
Diese Abschnitte sind zwar dafür vorgesehen, an bestimmten Stellen voneinander getrennt zu werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass zwei Halteprofile vorliegen, die aneinander befestigt sind. Vor der Trennung liegt ein einziges Halteprofil vor, nach der Trennung sind die beiden Abschnitte nicht mehr aneinander befestigt.
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber A3.
4. Neuheit gegenüber A3a1-A3a4
Unstreitig besitzen die zu einer offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Dokumente A3a1-A3a4 keine höhere Relevanz als A3.
Folglich unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 auch von diesen Entgegenhaltungen durch die Merkmale B, C, D1, D2 und E.
5. Rechtliches Gehör - Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr
5.1 Verletzung des rechtlichen Gehörs
Die Beschwerdeführerin beantragte die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, weil die Einspruchsabteilung das rechtliche Gehör verletzt habe. Sie habe insbesondere nach der Einspruchsbegründung und Erwiderung direkt und ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das Kernargument der Beschwerdeführerin war, dass die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung erstmals angegeben habe, "dass und warum eine Heranziehung der Beschreibung zur Auslegung des Anspruchs 1 nicht notwendig sei". Dies sei von der Einsprechenden nicht vorgetragen worden. Die Beschwerdeführerin habe daher keine Gelegenheit gehabt, hierzu Stellung zu nehmen.
In der Einspruchsschrift der Beschwerdegegnerin wurde zur Auslegung des Anspruchs argumentiert, dass der Anspruch breit gefasst sei. Gestützt auf den Anspruchswortlaut erläuterte die Einsprechende, welche Bedeutung und welchen Umfang die jeweiligen Merkmale ihrer Meinung nach "ohne Ergänzungen oder Auslegungen durch die Beschreibung" umfassten (Punkt D 1.3 der Einspruchsschrift).
Die Beschwerdeführerin hielt in ihrer Einspruchserwiderung dagegen, die Beschreibung und die Zeichnungen seien zur Auslegung des Anspruchs heranzuziehen, um den Gegenstand des Anspruchs zu ermitteln und die Neuheit zu beurteilen.
Die Einspruchsabteilung ist in ihrer Entscheidung der Einsprechenden mit der Feststellung gefolgt, dass "kein Anlass [bestehe], den zu breit gefassten Anspruch 1 mithilfe der Beschreibung enger zu interpretieren" (Entscheidungsgründe 7.4, Hervorhebung in der Entscheidung). Diese Auslegung des Anspruchs im Sinne der Einsprechenden führte zu der Entscheidung, dass der Gegenstand des Anspruchs nicht neu gegenüber A2 sei.
Die Kammer kann nicht erkennen, dass die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung auf Gründe gestützt hat, zu denen die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gehabt hätte, sich zu äußern. Die Einspruchsabteilung folgte den von der Einsprechenden zur Auslegung vorgebrachten Argumenten; hierzu konnte die Patentinhaberin Stellung nehmen. Ob die von der Einspruchsabteilung (und der Einsprechenden) vertretene Ansicht korrekt war, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs.
Daher hat die Einspruchsabteilung das rechtliche Gehör nicht verletzt.
5.2 Verstoß gegen das Gebot des Vertrauensschutzes
Die Beschwerdeführerin gibt an, die Einspruchsabteilung habe gegen das Gebot des Vertrauensschutzes verstoßen, weil sie vor der im schriftlichen Verfahren getroffenen Entscheidung keinen Bescheid mit einer vorläufigen Stellungnahme verfasst habe. Die Beschwerdeführerin hätte darauf vertrauen können, dass die Einspruchsabteilung vor einer für sie negativen Entscheidung einen Bescheid erlasse.
Aus den folgenden Gründen wurde das Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
Gemäß Artikel 101 (1) Satz 2 EPÜ fordert die Einspruchsabteilung die Beteiligten so oft wie erforderlich auf, eine Stellungnahme zu ihren Bescheiden oder zu den Schriftsätzen anderer Beteiligter einzureichen. Diese Vorschrift fordert also nicht grundsätzlich, in allen Fällen die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehenden Gründe in einem Bescheid mitzuteilen, sondern nur in den Fällen, in denen dies "erforderlich" ist (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern" IV.C.6.2 und die dort zitierten Entscheidungen). Ein derartiges "Erfordernis" kann sich nur im Hinblick auf eine weitere Sachaufklärung oder aufgrund der Vorschrift des Artikel 113 (1) EPÜ ergeben. Die Einspruchsabteilung muss also nur dann zu einer Stellungnahme auffordern und einen Bescheid erlassen, wenn sie dies für erforderlich hält, um beispielsweise neue, noch nicht vorgebrachte sachliche oder rechtliche Gründe aufzugreifen oder etwa bestehende Unklarheiten aufzuzeigen.
Es ist also nicht erforderlich, dass die Einspruchsabteilung dem Patentinhaber immer eine weitere, über Regel 79 (1) EPÜ hinausgehende Möglichkeit zu geben hat, gegebenenfalls die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen zu ändern. Dies sieht das EPÜ gerade nicht vor. Vielmehr ist es so, dass, wenn die Einanspruchsabteilung einen Bescheid nach Artikel 101 (1) Satz 2 EPÜ verschickt, in diesem Bescheid dem Patentinhaber gegebenenfalls Gelegenheit gegeben wird, soweit erforderlich die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen zu ändern (Regel 81 (3) EPÜ). Wird aber ein solcher Bescheid nicht geschickt, da dies nicht erforderlich war, ist dem Patentinhaber auch nicht zwingend die Möglichkeit zu geben, die Unterlagen zu ändern.
Da die Einspruchsabteilung sich in ihrer Entscheidung auf die bereits in der Einspruchsschrift erhobenen Einwände gestützt hat, war im vorliegenden Fall der Erlass eines Bescheides nicht erforderlich.
Im Übrigen beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, dass die Richtlinien zur Prüfung den Erlass eines Bescheids grundsätzlich vorsehen würden, insbesondere wenn "unter Umständen ein Patent in geänderter, eingeschränkter Fassung zugelassen werden könnte" (siehe Richtlinien E.II.1.1.iii). Hierauf könne die Patentinhaberin vertrauen.
Dies ist nicht überzeugend. Der zitierte Abschnitt der Richtlinien kann nicht so verstanden werden, dass eine Einspruchsabteilung immer einen Bescheid verschicken muss, wenn ein Patent in geänderter, eingeschränkter Fassung aufrecht erhalten werden könnte. Ein solches Verständnis würde den oben erwähnten Rechtsnormen widersprechen.
Da kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, ist eine der Voraussetzungen der Regel 103 (1) a) EPÜ nicht gegeben und die Beschwerdegebühr daher nicht zurückzuzahlen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.