T 0248/00 17-02-2004
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5-Schichtig coextrudierte biaxial gereckte Schlauchfolie mit mindestens 3 PA-Schichten
Neuheit - mehrfache Auswahl - bejaht
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein) - wesentliche Änderung - kein wesentlicher Verfahrensmangel
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die Anmeldung mit der Anmeldenummer 92 113 527.3, eingereicht am 8. August 1992 wurde mit Wirkung vom 5. Februar 1997 das europäische Patent Nr. 0 530 538 erteilt. Der Anspruch 1 lautete wie folgt:
"Mindestens fünfschichtig coextrudierte biaxial gereckte Schlauchfolie zur Umhüllung von in flüssigem oder pastösem Zustand abgepackten Füllgütern, insbesondere Lebensmitteln, die während und/oder nach der Abfüllung eine Wärmebehandlung erfahren, dadurch gekennzeichnet, daß diese aus mindestens 3 PA enthaltenden Schichten aufgebaut ist, die die Kern-, die innere und die äussere Schicht bilden, und dass zwischen diesen PA-Schichten olefinische (Co)-Polymerschichten angeordnet sind."
Die Ansprüche 2 bis 8 betrafen bevorzugte Ausführungsformen der Schlauchfolie nach Anspruch 1.
II. Gegen die Erteilung wurde Einspruch eingelegt, mit dem Antrag, das Patent aufgrund von Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zu widerrufen. Der Einspruch war unter anderem auf folgenden Stand der Technik gestützt:
D1: EP-A-0 132 565
D2: EP-A-0 225 164
III. Mit der am 24. Januar 2000 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde das Patent widerrufen. Der Entscheidung lag die erteilte Fassung und ein einziger Hilfsantrag (Ansprüche 1 bis 8) zu Grunde. Anspruch 1 des Hilfsantrages unterschied sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung wie folgt:
- nach dem Ausdruck "Schlauchfolie" wurde ergänzt: "mit einem Flächenreckgrad größer 4".
Zur Begründung wurde im wesentlichen folgendes ausgeführt.
a) Aus D1 seien coextrudierte biaxial gereckte Schlauchfolien mit dem beanspruchten fünfschichtigen Aufbau bekannt. Demgegenüber sei Anspruch 1 des Hauptantrages nicht neu. Die Zweckbestimmung des Anspruchs sei nicht auf Lebensmittel beschränkt, sondern betreffe auch die Umhüllung anderer Füllgüter. Für diese allgemeine Verwendung seien auch Schlauchfolien nach D1 geeignet.
b) Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Hilfsantrag wurde als verspätet nicht berücksichtigt.
IV. Am 3. März 2000 legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein, die am 22. Mai 2000 begründet wurde. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen zweiten Hilfsantrag ein.
V. Mit Eingabe vom 14. Januar 2004 reichte die Beschwerdeführerin vier neue Hilfsanträge 3 bis 6 ein und zog die bisherigen Hilfsanträge 1 und 2 zurück.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 17. Februar 2004 statt, in der die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag überreichte. Der allein geänderte Anspruch 1 unterschied sich von der erteilten Fassung dadurch, daß die Passage "Füllgüter, insbesondere" gestrichen wurde.
Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Der geänderte Anspruch 1 des Hauptantrages sei gegenüber D1 neu, da die bekannte Folie nicht das in der Beschreibung genannte Eigenschaftsprofil aufweise, das an Umhüllungen von im flüssigen oder pastösen Zustand abgepackten Lebensmitteln gestellt werde, die während und/oder nach einer Abfüllung eine Wärmebehandlung erfahren. So finde sich in D1 kein Hinweis auf Barriereeigenschaften für Wasserdampf, Rückstellvermögen, Festigkeit, Temperaturbeständigkeit und Raffbarkeit der Folie. Ferner werde die Folie nach D1, selbst wenn sie nach dem Blasformverfahren hergestellt sei, nicht zwangsläufig als Schlauchfolie verwendet, da das Endprodukt nach D1 eine Flachfolie sei. Das in D1 vorgeschriebene niedrige Flächenreckverhältnis sei für die Herstellung von Umhüllungen für Lebensmittel, insbesondere Koch- oder Brühwürste ungeeignet. Nach D1 reiche für die Erzielung guter Gassperreigenschaften eine monoaxiale Reckung aus. Wie aus den Beispielen des Streitpatentes ersichtlich sei, werde für die Herstellung der Schlauchfolie eine biaxiale Reckung bei einem Flächenreckverhältnis von 9 durchgeführt, so daß die Folie ausgereckt sei. Die Folien gemäß D1 zeigten große Abweichungen in der Schichtdicke und führten bei Umhüllungen von pastösen Lebensmitteln zu einem faltigen Produkt wie aus den Vergleichsversuchen der Einsprechenden ersichtlich sei.
In D2 werde eine Flachfolie beschrieben, die nicht das geforderte Eigenschaftsprofil zeige. Die Folien von D2 seien zum Verpacken durch Tiefziehen konzipiert und benötigten hierzu eine Heißsiegelschicht. Die beanspruchten biaxial gereckten Folien seien zum Tiefziehen dagegen ungeeignet. Anspruch 1 sei daher auch gegenüber D2 neu.
b) Zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr trug die Beschwerdeführerin vor, durch den positiv formulierten Disclaimer sei der Neuheitseinwand gegenüber D1 nach Regel 57a EPÜ ausgeräumt worden, so daß der Antrag nach der Entscheidung T 648/96 hätte berücksichtigt werden müssen. Die Nichtzulassung des ersten Hilfsantrages stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der die Rückzahlung rechtfertige.
VII. Die Argumente der Einsprechenden (Beschwerdegegnerin) können wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Anspruch 1 des Hauptantrages sei nicht neu gegenüber D1, da hier sämtliche strukturellen Merkmale der beanspruchten fünfschichtigen coextrudierten biaxial gereckten Schlauchfolie mit dem beanspruchten Aufbau beschrieben seien. Da D1 auch ein Blasformverfahren beschreibe, ergebe sich eine Schlauchfolie als zwangsläufiges Verfahrensergebnis. Was die Kombination der strukturellen Merkmale angehe, so ergebe sich gegenüber D1 allenfalls eine Auswahl aus zwei Reckmöglichkeiten und zwei Folientypen, was insgesamt nur vier Wahlmöglichkeiten eröffne, die alle in D1 beschrieben seien. Damit sei aber der beanspruchte Gegenstand auch in seiner Kombination offenbart.
Da die Schlauchfolie nach D1 die gleichen strukturellen Merkmale wie der Streitgegenstand aufweise, werde zwangsläufig auch das funktionelle Eigenschaftsprofil erfüllt, wie es durch den beanspruchten Anwendungszweck definiert sei. Diese Eignung werde mit den Versuchsberichten der Beschwerdegegnerin belegt. Das in D1 verwendete Flächenreckverhältnis bringe keinen Unterschied, da im Anspruch 1 kein davon unterschiedliches Merkmal vorhanden sei.
b) Der beanspruchte Gegenstand sei auch nicht neu gegenüber Schlauchfolien nach D2, die gute Sauerstoffsperreigenschaften aufwiesen, zum Verpacken von Nahrungsmitteln geeignet seien und in heißem Wasser erhitzt werden könnten. Die bekannten Folien seien nicht auf tiefziehfähige Folien beschränkt. Aus D2 seien sowohl die strukturellen Merkmale als auch das geforderte funktionelle Eigenschaftsprofil des Streitgegenstandes bekannt.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung, wobei im erteilten Anspruch 1 die Passage "Füllgüter, insbesondere" gestrichen ist und die übrigen Ansprüche unverändert bleiben (in der mündlichen Verhandlung geänderter Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 3 bis 6, eingereicht mit Schreiben vom 14. Januar 2004 aufrechtzuerhalten. Ferner beantragte sie die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr.
IX. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
X. Nach Beratung der Kammer teilte der Vorsitzende den Parteien mit, daß die Kammer zu der Überzeugung gekommen sei, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages gegenüber den entgegengehaltenen Dokumenten neu sei. Darauf beantragte die Beschwerdeführerin, die Sache zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Die Beschwerdegegnerin stellte die Entscheidung über die Zurückverweisung in das Ermessen der Kammer.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
Änderungen
2. Das Merkmal "Füllgüter" in der ursprünglichen und erteilten Fassung des Anspruchs 1 ist allgemeiner gegenüber dem nachgestellten, durch "insbesondere" eingeleiteten bevorzugten Merkmal. Durch seine Streichung erfolgt eine Spezifizierung des konkreten Anwendungszweckes der beanspruchten Schlauchfolie, für den das in der Beschreibung definierte Anforderungsprofil gelten soll (Streitpatent, Seite 2, Zeilen 6 bis 51). Die Beschwerdegegnerin hatte keine formellen Bedenken gegenüber dieser Änderung. Die Voraussetzungen nach Artikel 123 Absätze (2) und (3) EPÜ sind erfüllt.
Neuheit
3. D1 beschreibt ein Folienlaminat mit einer Polyamidschicht und einer Schicht aus einem Ethylen-Vinylalkohol-Copolymeren, wobei das Laminat bei einem Flächenreckverhältnis von weniger als 4 gereckt worden ist (Anspruch 1). Das Laminat kann monoaxial oder biaxial gereckt sein (Ansprüche 3 und 4; Seite 6, Zeilen 18 bis 20; Seite 7, Zeilen 7-8) und als coextrudiertes Laminat vorliegen (Anspruch 7, Seite 6, Zeilen 26-28). Für die biaxiale Reckung kann eine Blasformvorrichtung oder eine Spannrahmenvorrichtung eingesetzt werden (Seite 7, Zeilen 18-21). Strukturen mit wenigstens einer Kernschicht aus Ethylen-Vinylalkohol- Copolymer und Außenschichten aus Polyamid sind bevorzugt (Seite 3, Zeilen 5 bis 7). Das Laminat kann auch einen fünfschichtigen Aufbau mit einer Kernschicht und zwei äußeren Schichten aus Polyamid (Polyepsiloncaprolactam) und zwei Zwischenschichten aus Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer aufweisen (Seite 3, Zeilen 7 bis 14). Im Beispiel ist ein zweischichtiges, coextrudiertes, monoaxial gerecktes Laminat aus Polyepsiloncaprolactam und einer Schicht aus Ethylen- Vinylalkohol-Copolymer beschrieben (Tabelle, Seite 10). Dieses Laminat hat gute Gassperreigenschaften, insbesondere für Sauerstoff (Seite 7, Zeilen 24 bis 31).
3.1. Zur Verneinung der Neuheit reicht es nicht aus, wenn die einzelnen beanspruchten Merkmale mosaikartig in einem Dokument erwähnt sind, vielmehr muß auch die beanspruchte Kombination aus dem Dokument zweifelsfrei ableitbar sein. Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß eine Coextrusion der Schichten in D1 als bevorzugt beschrieben wird, so ist bei den beanspruchten strukturellen Merkmalen eine Auswahl in folgenden Richtungen zu treffen: Orientierung (monoaxial oder biaxial; im Beispiel wird nur eine monoaxiale Orientierung beschrieben), biaxiale Orientierung (hierzu werden zwei Alternativen offenbart, wovon nur das zuerstgenannte Blasformverfahren zu einer biaxial gereckten Schlauchfolie führen kann), Schichtaufbau (wenigstens zweischichtig nach D1, Anspruch 1 und Beispiel; bevorzugt dreischichtig nach D1, Seite 3, Zeilen 2 bis 7 mit einer Kernschicht aus Ethylen- Vinylalkohol-Copolymer und Außenschichten aus Polyamid oder fünfschichtig, ohne besonders hervorgehoben zu sein (siehe Seite 3, Zeilen 7 bis 14, "Other laminates)). Da der fünfschichtige, nicht bevorzugte Aufbau der Folie im Rahmen von anderen möglichen Schichtaufbauten beschrieben ist, wird bei einem solchen Ausgangspunkt bereits eine erste Auswahl aus den beschriebenen zwei-, drei und fünfschichtigen Folien getroffen.
3.2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die beanspruchte Schlauchfolie nur durch eine mehrfache Auswahl innerhalb der Offenbarung von D1 hinsichtlich Schichtaufbau, Orientierung und Folientyp erreicht werden kann. Es gibt keinen konkreten Hinweis in D1 für die Kombination der beanspruchten Merkmale. Es ist nicht ausreichend, um die Neuheit einer solchen Kombination zu zerstören, in Kenntnis der Erfindung aus verschiedenen, im Stand der Technik angebotenen Möglichkeiten die für eine Schlauchfolie nach dem Streitpatent erforderlichen Bestandteile auszuwählen. Um den beanspruchten Gegenstand neuheitsschädlich zu treffen, muß vielmehr die beanspruchte Kombination direkt und unmittelbar aus dem Dokument ableitbar sein, was aber bei D1 nicht der Fall ist. Daher ist D1 für den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich.
3.3. D2 beschreibt eine mechanisch feste und gasdichte Mehrschichtfolie mit wenigstens einer Schicht aus Polyamid, wobei die Polyamidschicht in der Form eines Laminates vorliegt, in dem Schichten von Polyamid und Klebstoff alternierend angeordnet sind (Anspruch 1). Die bekannte Mehrschichtfolie hat folgenden Aufbau: (PA/(Klebstoffpolymer/PA)n, wobei n gleich oder größer als 1 ist (Seite 3, Zeilen 20 und 21). Nach Anspruch 2 kann das Polyamid orientiert sein. Als Klebeschicht ist ein Copolymer aus Ethylen und ungesättigter Carbonsäure bevorzugt (Anspruch 3; Seite 3, Zeilen 9 bis 11). Ferner kann die Mehrschichtfolie eine Gassperrschicht, vorzugsweise aus einem Ethylen-Vinylalkohol-Polymeren enthalten (Anspruch 6).
3.3.1. Beispielhafte Verpackungsfolien enthalten eine äußere Siegelschicht und haben folgenden Aufbau: PA/Klebstoffpolymer/EvOH/Klebstoffpolymer/PE- Füllstoffschicht/Siegelschicht oder PA/(Klebstoffpolymer/PA)n/Klebstoffpolymer/EvOH/Klebstoffpolym er/PE-Füllstoffschicht/Siegelschicht (Seite 3, Zeilen 24 und 26). Eine biaxiale Orientierung ist möglich, aber nicht bevorzugt (Seite 3, Zeilen 32 und 33). Die Mehrschichtfolien können durch Coextrusionsblasformen, Schichtfolien-Coextrusion und Coextrusionsbeschichtung hergestellt werden, wobei nur die erste Variante zu einer Schlauchfolie führen kann (Seite 3, Zeilen 38 und 39). Die Beispiele von D2 beschreiben entweder Dreischichtfolien aus PA/COOH enthaltendes PE-Copolymer/PA (Tabellen 1 und 2), die monoaxial gereckt sind (Seite 4, Zeilen 24 bis 26; Tabelle 4) oder Vierschichtfolien, die noch zusätzlich eine äußere Polyethylenschicht aufweisen (Tabelle 3). Diese Mehrschichtfolien werden durch Schichtfolien-Coextrusion hergestellt (Seite 3, Zeilen 56) und sind daher keine Schlauchfolien.
3.3.2. Die Mehrschichtfolie nach D2 ist zum Verpacken von Lebensmitteln insbesondere durch Tiefziehen geeignet, da sie gute Wasserdampf- und Sauerstoffsperreigenschaften hat (Seite 3, Zeilen 14 bis 17). Die Folien können in heißem Wasser hitzesterilisiert und heißverschweißt werden (Seite 3, Zeilen 14 bis 17 sowie 46 bis 51).
3.3.3. Obwohl die Mehrschichtfolie nach D2 für den nicht explizit beschriebenen Fall, daß n=2 ist, einen fünfschichtigen Aufbau aufweist, läßt sich aus D2 keine biaxial orientierte, mindestens fünfschichtige Schlauchfolie mit dem beanspruchten Aufbau eindeutig und unmittelbar ableiten, wobei Überlegungen gelten, die zu den unter Abschnitt 3.2 für D1 ausgeführten analog sind.
3.4. Die Beantwortung der Frage, ob die eingeschränkte funktionelle Zweckbestimmung für die Schlauchfolie nach Anspruch 1 zu einer weiteren Abgrenzung führt, bedarf keiner weiteren Erörterung, da auch ohne dieses Merkmal der beanspruchte Gegenstand neu ist. Daher erübrigt es sich auch, auf die Vergleichsversuche einzugehen, die die Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang durchgeführt hat.
3.5. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages gegenüber den entgegengehaltenen Dokumenten neu ist (Artikel 54 EPÜ).
Zurückverweisung
4. Da in der angegriffenen Entscheidung die Frage der erfinderischen Tätigkeit noch nicht geprüft ist, die Beschwerdeführerin insoweit eine Zurückverweisung beantragt und die Beschwerdegegnerin dies in das Ermessen der Kammer gestellt hat, hält es die Kammer für zweckmäßig, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, damit die Parteien Gelegenheit haben, diese Frage in zwei Instanzen klären zu lassen (Artikel 111 (1) EPÜ). Die Grundlage der weiteren Prüfung ist dabei der geltende Hauptantrag mit der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Spezifizierung des Anwendungszweckes.
Rückzahlung der Beschwerdegebühr
5. Nach Regel 67 EPÜ kommt eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr dann in Betracht, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
5.1. Bei der ersten Voraussetzung nach Regel 67 EPÜ ist zu beachten, daß der von der Einspruchsabteilung nicht zugelassene erste Hilfsantrag gemäß Schreiben vom 14. Januar 2004 ausdrücklich zurückgenommen wurde. Daher kann nicht festgestellt werden, ob die Beschwerde mit diesem oder zumindest einem ähnlichen Antrag erfolgreich gewesen wäre (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage, 2001, VII.D.15).
5.2. Jedenfalls ist auch die zweite Voraussetzung nach Regel 67 EPÜ nicht erfüllt, wie sich aus folgendem ergibt.
5.2.1. In der angegriffenen Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung die Zulassung des ersten Hilfsantrages in der mündlichen Verhandlung abgelehnt, da kein nachvollziehbarer Grund für die späte Einreichung erkennbar sei und weil die Prüfung des Anspruchs, dessen Änderungen nicht auf Ansprüche des erteilten Patentes zurückgingen, Fragen aufwerfe, auf die sich die Einsprechende nicht angemessen vorbereiten konnte (Punkt 3 der Entscheidung).
5.2.2. Bei der Nicht-Zulassung verspäteten Vorbringens liegt ein Verfahrensverstoß insbesondere dann vor, wenn die Abteilung ihr Ermessen in fehlerhafter Weise, das heißt aufgrund von sachwidrigen oder willkürlichen Erwägungen ausgeübt hat. Selbst wenn sich die Nicht-Zulassung möglicherweise im Ergebnis als unrichtig erwiesen hätte, läge in einer solchen Rechtsanwendung noch kein wesentlicher Verfahrensmangel. Obwohl auf diesen Gesichtspunkt im Ladungsbescheid hingewiesen wurde, hat die Beschwerdeführerin hierzu nichts vorgebracht, was die Ausübung des Ermessens durch die Einspruchsabteilung als formell fehlerhaft erkennen lassen könnte (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, a. a. O., VII.D.6.2).
5.2.3. Schon im Ladungsbescheid wurde darauf hingewiesen, daß die von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Singer/Stauder herangezogene Rechtsprechung Fälle betrifft, in denen ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen wurde, weil Anträge übergangen worden waren. Dagegen wurde im vorliegenden Fall der Hilfsantrag in der Entscheidung behandelt und aus förmlichen Gründen nicht zugelassen.
5.2.4. Die von der Beschwerdeführerin ferner herangezogene Entscheidung T 648/96 vom 16. März 1999 betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang und ihre Verpflichtung, die geänderten Unterlagen nach Artikel 102 (3) EPÜ auf die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) sowie 84 EPÜ zu überprüfen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, a. a. O., VII.C.10.2). Die Nichtüberprüfung dieser Erfordernisse stellte einen Verfahrensverstoß dar, der zu einer Zurückzahlung der Beschwerdegebühr führte (Punkte 2.4 und 4 der zitierten Entscheidung). Dieser Fall ist mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen, bei dem es um die Frage geht, ob das Ermessen der Einspruchsabteilung bei der Nichtzulassung eines verspätet eingereichten Antrages fehlerhaft ausgeübt wurde oder nicht.
5.3. Aus den vorstehenden Gründen konnte dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.