T 0367/02 17-09-2003
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Halterung zum lösbaren Anbringen eines Behältnisses an einem Fahrrad
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 31. Januar 2002 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung mit der das Patent EP 0 854 819 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, die am 08. April 2002 eingegangene Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52 (1) und 56 EPÜ sowie nach Artikel 100 c) EPÜ angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß dem Antrag vom 21. Dezember 2000 nicht entgegenstünden.
Sie hat insbesondere folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D1: EP-A-0 477 010
D4: DE-A-40 08 211
III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung aufrecht zu erhalten.
V. Die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung des unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt:
"1. Halterung zum lösbaren Anbringen eines Behältnisses (4) an einem Fahrrad mit einem an der Lenkstange (2) rechts und links von einem Lenkervorbau (3) verstellbar mittels Schellen (10) festlegbaren und an dem Lenkervorbau (3) mittels eines Bügels (15) abstützbaren Trägerstück (11), an dem die Schellen (10) mit ihren freien Enden einsetzbar und verspannbar sind, mit einem mit dem Bügel (15) starr verbundenen Bogenstück (15.3), das eine Außenzahnung (15.2) besitzt, mittels der der Bügel (15) im gelockerten Zustand der Schellen(10) an einer Innenzahnung (10.3) relativ zu dem Trägerstück (11) verstellbar und im festgezogenen Zustand der Schellen (10) unverstellbar festgelegt ist, und mit einem an dem Trägerstück lösbar ankoppelbaren, an dem Behältnis (4) befestigten oder befestigbaren Haltestück (12), dadurch gekennzeichnet,
daß die Schellen (10) an ihrem von dem Trägerstück (11) beabstandeten, die Lenkstange (2) umschlingenden Innenumfang die Innenzahnung (10.3) tragen, und daß das die Außenzahnung (15.2) tragende Bogenstück (15.3) zwischen dem Lenker (2) und dem den Lenker (2) umschlingenden Innenumfang der Schelle(10) festgelegt ist."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Ausführungen der Einspruchsabteilung bezüglich der vermeintlichen Vorteile und der vorgeblichen erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1. seien nicht nachvollziehbar oder fänden keinen Widerhall im Wortlaut des Anspruchs, welcher jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Ausgehend von der D1 bestehe der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Streitpatents und demjenigen der D1 darin, daß die Verzahnungen bei der D1 neben den Schellen, wogegen sie beim Streitpatent in der Ebene der Schellen lägen. Eine erfinderische Leistung sei in der Verschiebung beider Ebenen nicht zu erblicken, weil dies bereits von der D4 gelehrt werde.
Auch wenn von der Halterung nach der D4 ausgegangen werde, ergebe sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 schon dadurch, daß die Innenverzahnung an den Schellen anstelle am Schließstück 55 (Figur 7-8) ausgebildet werden könnten. Sollte der Fachmann aufgrund einfacher Überlegungen nicht alleine zu dieser Ausführungsform kommen, erhalte er aus der D1 die Anregung, den Zahneingriff radial zu verlegen.
Des weiteren sei die im Prüfungsverfahren vorgenommene Aufnahme sowohl der Formulierung "den Lenker umschlingenden Innenumfang" als auch der Formulierung "von dem Trägerstück beabstandeten Innenumfang" in den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 nicht ursprungsoffenbart, da damit ein Begriff der "Umschlingung" bezüglich der Verbindung zwischen Schellen und Lenker bzw. ein Begriff des "Abstands" bezüglich eines Teils der Schellen zum Trägerstück eingeführt wurde, der jeweils weder in der Beschreibung genannt noch durch die Zeichnung offenbart werde. Dies sei unzulässig, weil es gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstoße, so daß alleine aus diesem Grund das Patent zu widerrufen sei.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Weder die Ausgangsdruckschrift D4 noch die Druckschrift D1 zeigten die in dem kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 angegebenen Maßnahmen. Auch aus einer gemeinsamen Betrachtung dieser Druckschriften ergäbe sich nicht der Gegenstand des Anspruchs 1, da diese Druckschriften jeweils eigenständige, in ihrem Aufbau wesentlich voneinander abweichende Konzepte zeigten, so daß bereits ihre Zusammenschau nicht veranlaßt sei.
Die von der Einsprechenden wegen fehlender Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung beanstandeten Merkmale (Artikel 123 (2) EPÜ) seien insbesondere durch die ursprünglich eingereichten Figuren 3A bis 3E in Verbindung mit ihrer Beschreibung eindeutig und unmittelbar offenbart.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Änderungen
Der Ansicht der Beschwerdeführerin, daß die Aufnahme in den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 der Merkmale "umschlingenden..." und "beabstandeten..." gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstoße, kann nicht gefolgt werden.
Weil die o. g. Begriffe in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung explizit nicht erwähnt sind, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß ihre Aufnahme gegen die o. g. Bestimmungen verstößt. Die Aufnahme eines ursprünglich nicht explizit offenbarten Merkmals oder technischen Sachverhaltes in den Patentansprüchen ist unter Artikel 123 (2) EPÜ zulässig, wenn es dafür eine Grundlage in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gibt. So können, zum Beispiel, die Zeichnungen für die Hinzufügung von Merkmalen in den Ansprüchen herangezogen werden (T 169/83 ABl. 1985,93). Die Frage, ob die Einführung eines Merkmals zu einem technischen Sachverhalt, der nicht explizit in der Anmeldung offenbart wurde, gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt, kann auch nicht losgelöst von der Gesamtoffenbarung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung beurteilt werden.
Im vorliegenden Fall präzisiert das im Patentanspruch 1 erwähnte Merkmal "vom Trägerstück beabstandete ...Innenumfang der Schellen" lediglich, daß die Schellen an ihrem "von dem Trägerstück beabstandeten, die Lenkstange umschlingenden" Innenumfang die Innenzahnung tragen. In anderen Worten, der Teil des Innenumfangs, der von dem Trägerstück beabstandet ist und die Lenkstange umschließt, trägt die Innenverzahnung.
Das umstrittene Merkmal ist in Zusammenhang mit der Aussage im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 zu lesen, wonach die Schellen 10 mit ihren freien Enden (Schenkel 10.1) am Trägerstück eingesetzt und verspannt werden sollen. Aus den ursprünglich offenbarten Figuren 3A, 3D, 3E in Verbindung mit den die Innenzahnung 10.3 der Schellen beschreibenden Stellen der Beschreibung (Seite 11, drei letzte Zeilen; Seite 13, zweiter Absatz) ergibt sich unmittelbar und eindeutig, daß wenn die freien Enden (Schenkel 10.1) der Schellen am Trägerstück eingesetzt sind, zumindest ein Teil des Innenumfangs der Schellen für die Aufnahme des Bogenstücks und des Lenkers vom Trägerstück zwingend beabstandet bleibt und daß dieser Teil die Innenverzahnung 10.3 trägt.
Auch der technische Sachverhalt, daß die beanspruchten Schellen 10 die Lenkstange 2 umschlingen, ist aus der Figur 1 in Verbindung mit der Seite 11, zweiter Absatz für einen Fachmann eindeutig und unmittelbar abzuleiten.
Die Aufnahme der o. g. Begriffe kann aus der Sicht des Fachmanns nicht dahin ausgelegt werden, daß diese irgendeine technische Lehre vermitteln, die über die Lehre der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. So kann man auch vernünftigerweise nicht unterstellen, daß diese Hinzufügungen der Patentinhaberin zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhelfen.
Die Aufnahme der o. g. Begriffe stellt somit keine unzulässige Erweiterung dar und verstößt nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
Der Anspruch 1 wurde gegenüber dem erteilten Anspruch 1 dadurch geändert, daß die Worte "rechts oder links von einem Lenkervorbau" durch "rechts und links von einem Lenkervorbau" ersetzt wurden. Dadurch wurde der Schutzumfang des Anspruchs 1 auf eine beidseitige Anordnung der Schellen anstelle der mehrfachen, durch das inklusive "Oder" gegebenen alternativen Anordnungen (rechts oder links oder beidseitig vom Lenkervorbau) eingeschränkt, so daß der geltende Anspruch 1 auch den Anforderungen des Artikels 123 (3) EPÜ entspricht.
2. Neuheit
Gegenüber dem ermittelten Stand der Technik ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 neu. Da die Neuheit von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wurde, erübrigen sich ausführliche Darlegungen hierzu.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Es besteht Einigkeit darüber, daß der nächstliegende Stand der Technik in der Halterung gemäß den Figuren 7-8 der D4 anzusehen ist. Demgegenüber wurde der Patentanspruch 1 auch abgegrenzt.
Bei dieser bekannten Halterung besteht der Bügel aus einer Brücke 52 und zwei Streben 51-52, die jeweils mit einem Ringbund 54 zwischen die Lenkstange 2 und die Schelle 19 greifen. An ihrem auf das Schließstück 55 weisende Ende trägt jeder Ringbund eine Verzahnung 48, die in eine zugeordnete Verzahnung am Schließstück 55 eingreift. Die Winkelstellung des Schließstückes kann bei gelockerten Schellen wunschgemäß eingestellt werden. Bei angezogenen Schellen wird eine stabile Festlegung des Bügels gegenüber dem Schließstück einerseits und gegenüber der Lenkstange und dem Lenkervorbau andererseits erzielt. Damit das Gewicht des am Schließstück befestigten Behältnisses und seines möglichen Inhalts zuverlässig gehalten wird, wirken die Verzahnungen einem Verdrehen des Trägerstücks gegenüber dem Bügel an dem Lenkervorbau im festgelegten Zustand entgegen.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist daher zu überprüfen, ob der angeführte Stand der Technik einem Fachmann die Anregung geben konnte, die aus der Druckschrift D4 bekannte Halterung in der in Anspruch 1 angegebenen Art weiterzubilden und insbesondere, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, die Verzahnung an den Schellen 19 anstelle des Schließstücks 55 anzuordnen.
In diesem Zusammenhang kann die Kammer nach eingehender Prüfung des von der Beschwerdeführerin angeführten Standes der Technik nur feststellen, daß keine der Entgegenhaltungen D1 oder D4 Schellen zeigt, die mit einer Innenverzahnung versehen sind. Die D4 zeigt einfache U-förmige Schellen 19,20, deren Schenkel die Lenkstange 2 umgreifen und Schraubkanäle zur Befestigung der Schenkel am Schließstück aufweisen (Figuren 7-8). Die D1 zeigt gewöhnliche Rohrschellen 62 (Figur 9). In beiden Entgegenhaltungen werden die Verzahnungen nur an den Teilen ausgebildet, deren relative Winkelstellung zueinander festgelegt werden soll, nämlich am Bügel 51,54 und am Schließstück 55 bei der D4, bzw. an den T-Stücken (bracket components 156, 158) bei der D1. Die Schellen sollen lediglich die verzahnten Teile gegeneinander und an die Lenkstange spannen.
Nach Meinung der Kammer verläßt ein Fachmann den Rahmen des üblichen, durchschnittlichen fachlichen Handelns, wenn er den Gedanken verfolgt, die Schellen mit einer Innenverzahnung zu versehen. Mit der Verwirklichung dieses Gedankens sind neue technische Aufgaben zu überwinden (Festigkeitsprobleme wegen der zusätzlichen Spannungen und der Verformungen verursacht durch den Zahneingriff; verkomplizierte Ausgestaltung der Schellen und des Bügels; Herstellbarkeit), die zweifelsohne ein gewisses Maß an erfinderischer Tätigkeit erfordern.
3.2. Die zweite Argumentationslinie der Einsprechenden, wonach ausgehend von der D1 eine Verlagerung der Verzahnung in die Ebene der Schellen eine naheliegende Maßnahme sei, die keine erfinderische Tätigkeit begründen könne, vermag auch nicht zu überzeugen.
Die Halterung nach den Figuren 8-9 der D1 besticht durch ihren einfachen Aufbau und kommt ohne Bügel aus. Das Konzept der T-förmigen Ausgestaltung des gezahnten Trägerstück 156 und des entsprechend gezahnten festlegbaren Gegenstück 158 (bracket components) zu verlassen, würde eine Abkehr von diesem vorteilhaften Aufbau bedeuten. Der Fachmann wird durch die D4 keinesfalls veranlaßt, die Halterung gemäß der D1 in Richtung auf die Halterung nach dem Patentanspruch 1 zu modifizieren, denn es handelt sich in jeder dieser Schriften um jeweils eigenständige, in ihrem Aufbau wesentlich voneinander abweichende Konstruktionen.
3.3. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Da die Parteien keine mündliche Verhandlung beantragt und sich schriftsätzlich zu den aus der Sicht der Kammer strittigen entscheidungserheblichen Fragen geäußert haben, hat die Kammer sogleich im schriftlichen Verfahren entschieden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.