T 0189/09 27-07-2011
Téléchargement et informations complémentaires:
Glyphosat-tolerante Zuckerrübe
Hauptantrag - Stützung durch Beschreibung (ja),
Ausreichende Offenbarung (ja),
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja),
Pflanzensorte (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die europäische Patentanmeldung mit der Anmeldenummer EP 04 711 594.4 gemäß Artikel 97(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Der Entscheidung der Prüfungsabteilung lagen ein Haupt- sowie ein Hilfsantrag zu Grunde. Haupt- und Hilfsantrag wurden mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber Entgegenhaltung D1 (Artikel 56 EPÜ), wegen mangelnder Stützung durch die Beschreibung über die ganze Breite der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ) sowie wegen mangelnder Ausführbarkeit über die ganze Breite der Ansprüche (Artikel 83 EPÜ) zurückgewiesen. Der Hauptantrag wurde darüber hinaus wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) für nicht gewährbar befunden. Weiter sah die Prüfungsabteilung in Ansprüchen auf hinterlegte Samen und aus solchen Samen erhaltene Pflanzen einen Verstoß gegen die Vorschriften des Artikels 53(b) EPÜ.
III. Mit der Beschwerdebegründung, datiert vom 21. November 2008, reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Haupt- sowie vier Hilfsanträge ein.
IV. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung, datiert vom 10. Mai 2011, teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung zu einigen der vorgebrachten Argumente mit, insbesondere mit Bezug auf die Artikel 83, 84 und 56 EPÜ.
V. Die mündliche Verhandlung fand am 27. Juli 2011 statt. Im Verlauf der Verhandlung nahm die Beschwerdeführerin alle bisherigen Anträge zurück und ersetzte sie durch einen einzigen Hauptantrag.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Glyphosat-tolerante Zuckerrübenpflanze, dadurch gekennzeichnet, dass
a) ein DNA-Fragment von der genomischen DNA der Zuckerrübenpflanze, Teilen oder Samen davon, durch Polymerasekettenreaktion mit einem ersten Primer, der die Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 3 aufweist, und einem zweiten Primer, der die Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 4 aufweist, amplifiziert werden kann, wobei das DNA-Fragment mindestens 95% Identität mit der Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 6 aufweist, und/oder
b) ein DNA-Fragment von der genomischen DNA der Zuckerrübenpflanze, Teilen oder Samen davon, durch Polymerasekettenreaktion mit einem ersten Primer, der die Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 9 aufweist, und einem zweiten Primer, der die Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 10 aufweist, amplifiziert werden kann, wobei das DNA-Fragment mindestens 95% Identität mit der Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 12 aufweist, und/oder
c) ein DNA-Fragment von der genomischen DNA der Zuckerrübenpflanze, Teilen oder Samen davon, durch Polymerasekettenreaktion mit einem ersten Primer, der die Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 14 aufweist, und einem zweiten Primer, der die Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 16 aufweist, amplifiziert werden kann, wobei das DNA-Fragment mindestens 95% Identität mit der Nukleotidsequenz der SEQ ID NO: 17 aufweist."
Ansprüche 2 und 3 beziehen sich auf Samen, bzw. Zellen, Gewebe oder Teile der Pflanze nach Anspruch 1. Anspruch 4 bezieht sich auf ein Verfahren zur Identifizierung einer Glyphosphat-toleranten Zuckerrübenpflanze und Ansprüche 5 und 6 auf einen Test-Kit für ein derartiges Verfahren.
VII. Die folgende Entgegenhaltung wird in dieser Entscheidung zitiert:
(D1) WO 99/23232 (veröffentlicht am 14. Mai 1999).
VIII. Soweit sich die Begründung der Prüfungsabteilung zur Zurückweisung der Patentanmeldung auf den Hauptantrag übertragen lässt, lauten die Entscheidungsgründe wie folgt:
Die in der Anmeldung offenbarte, einzigartige und mit H7-1 bezeichnete Zuckerrübenpflanze war durch ein spezifisches PCR-Amplifikationsmuster charakterisiert. Die Ansprüche des Hauptantrags bezogen sich jedoch nicht nur auf diese Pflanze sondern umfassten auch Pflanzen, die durch PCR-Amplifikationsfragmente mit einem bestimmten Grad an Sequenzhomologie mit Referenzsequenzen definiert wurden.
Entgegenhaltung D1 offenbarte bereits die Herstellung Glyphosat-toleranter Zuckerrübenpflanzen durch Agrobacterium tumefaciens-vermittelte Transformation mit dem 5-Enolpyruvyl-Shikimat-3-Phosphat-Synthase Gen aus Agrobakterium sp. CP4 (CP4/EPSPS). Das in der vorliegenden Anmeldung verwendete rekombinante Konstrukt entsprach weitgehend dem in Entgegenhaltung D1 verwendeten Konstrukt. Die Herstellung der Glyphosat-toleranten Zuckerrübenpflanze der vorliegenden Anmeldung stellte deshalb eine einfache Wiederholung der bereits in Entgegenhaltung D1 offenbarten Abläufe dar.
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die beanspruchte Zuckerrübe war durch jedes einzelne der drei in Anspruch 1 angeführten PCR-Amplifikations-fragmente ausreichend definiert. Der von der Prüfungsabteilung geäußerten Ansicht, dass ein Amplifikationsfragment mit 95% Identität zu einer der offenbarten Seq ID Nummern auf ein gänzlich anderes Transgen hinweisen könne, stimmte die Beschwerdeführerin nicht zu.
Die in Entgegenhaltung D1 zur Herstellung einer Glyphosat-toleranten Zuckerrübe verwendeten Genkonstrukte unterschieden sich deutlich vom Konstrukt in der vorliegenden Patentanmeldung. Die vorliegende Erfindung war deshalb nicht eine bloße Wiederholung der in Entgegenhaltung D1 beschriebenen Lehre.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2011 eingereichten Hauptantrags zu erteilen.
Entscheidungsgründe
Artikel 123(2) EPÜ
1. Die Ansprüche 1 bis 6 des Hauptantrags basieren unmittelbar auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2, 5, 6 bis 8 sowie 11 bis 13. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.
Artikel 53(b) EPÜ
2. Gemäß Entscheidung G 01/98 (Abl. EPA 2000, 111, Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe) ist eine Pflanze, die durch einzelne rekombinante DNA-Sequenzen definiert ist, keine individuelle pflanzliche Gesamtheit mit einer vollständigen Struktur im Sinne der Definition der EU Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz. Bei einer so definierten Pflanze handelt es sich nicht um ein konkretes Lebewesen oder um eine Gesamtheit konkreter Lebewesen, sondern um eine abstrakte und offene Definition, die eine unbestimmte Vielzahl von Einzelindividuen umfasst, die durch einen Teil ihres Genotyps oder durch eine Eigenschaft definiert sind, die ihr durch diesen Teil verliehen wird.
3. Gegenstand des Anspruchs 1 ist eine Zuckerrübenpflanze welche durch Insertion eines CP4/EPSPS Gens ins Pflanzengenom Glyphosat-tolerant gemacht wurde. Die Pflanze ist durch mindestens eines von drei spezifischen PCR-Amplifikationsfragmenten, welche entweder das gesamte oder Teile des transgenen Inserts umfassen, charakterisiert. Da die beanspruchte Pflanze lediglich durch einzelne rekombinante DNS Sequenzen definiert ist, handelt es sich gemäß Entscheidung G 1/98 nicht um eine Pflanzensorte. Der Gegenstand der Ansprüche verstößt daher nicht gegen die Erfordernisse von Artikel 53(b) EPÜ.
Artikel 83 und 84 EPÜ
4. Die Patentansprüche müssen den Gegenstand deutlich angeben, für den Schutz begehrt wird (Artikel 84 EPÜ). Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA kann dieses Erfordernis bei einem Erzeugnisanspruch auch dann erfüllt sein, wenn die Eigenschaften des Erzeugnisses durch Parameter angegeben werden, die sich auf die physikalische Struktur des Erzeugnisses beziehen, sofern diese Parameter eindeutig und zuverlässig durch auf dem technischen Gebiet übliche objektive Verfahren bestimmt werden können (vgl. Entscheidung T 094/82, Abl. EPA 1984, 75). Die Beschreibung muss Artikel 83 EPÜ entsprechen und es dem Fachmann ermöglichen, das in ihr beschriebene beanspruchte Erzeugnis herzustellen.
5. Es ist daher zu prüfen, ob die Glyphosat-tolerante Zuckerrübenpflanze durch die in Anspruch 1 verwendeten Parameter eindeutig definiert ist, und ob die Anmeldung das Erfordernis der Stützung gemäß Artikel 84 EPÜ und das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPC über die ganze Breite der Ansprüche erfüllt.
6. Diese Erfordernisse beziehen sich zwar auf unterschiedliche Teile der Anmeldung, beruhen aber beide auf dem Rechtsgrundsatz, wonach der Schutzbereich eines Patents dem technischen Beitrag entsprechen soll, den die darin beschriebene Erfindung zum Stand der Technik leistet. Der Umfang der ausreichenden Offenbarung einer Erfindung ist damit auch für die Frage der Stützung durch die Beschreibung von entscheidender Bedeutung (siehe dazu Entscheidung T 409/91 (Abl. 1994, 653)). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass das mit dem Patent verliehene Monopol sich nicht auf Gegenstände erstreckt, die dem Fachmann auch nach der Lektüre der Patentschrift noch nicht zur Verfügung stehen. Die vorhandenen Informationen müssen den Fachmann in die Lage versetzen, das angestrebte Ergebnis im gesamten Bereich des Anspruchs ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen, und die Beschreibung muss, zusammen mit dem einschlägigen allgemeinen Fachwissen, eine in sich geschlossene technische Lehre vermitteln, wie man zu diesem Ergebnis gelangt (vgl. dazu Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage 2010, II.A.6.1, Seite 282).
7. Gegenstand des Anspruchs 1 ist eine Glyphosat-tolerante Zuckerrübenpflanze, die durch mindestens eines von drei Amplifikationsfragmenten charakterisiert ist, welche aus jeweils einer mit definierten Sonden durchgeführten PCR erhalten werden.
8. Die charakterisierenden PCR-Amplifikationsfragmente des Anspruchs 1 umfassen a) das komplette Insert sowie stromauf- und stromabwärts liegende Sequenzabschnitte des Pflanzengenoms, b) 178 Basenpaare des 3' Endes des Inserts sowie mehrere Hundert daran anschließende Basenpaare der unmittelbar stromabwärts liegenden Sequenz des Pflanzengenoms, und c) ungefähr 280 Basenpaare der stromaufwärts liegenden Sequenz des Pflanzengenoms, gefolgt von einer Sequenz, welche die Promoterregion des Inserts und das 5' Ende des CP4/EPSPS Genkonstrukts umfasst.
Die beanspruchte Zuckerrübe wird in Anspruch 1 funktionell, durch ihre Glyphosat-Toleranz und strukturell, durch mindestens einen Sequenzabschnitt des verwendeten Inserts sowie daran unmittelbar anschließende Sequenzen aus dem Zuckerrübengenom, definiert. Die Kammer gelangt daher zu der Entscheidung dass Anspruch 1, sowohl was die eindeutige Angabe des beanspruchten Gegenstandes als auch die Stützung durch die Beschreibung betrifft, den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ entspricht.
9. Der von der Prüfungsabteilung vorgebrachten Begründung, wonach Anspruch 1 nicht ausreichend gestützt sei, da das insertierte CP4/EPSPS Enzym infolge von spontan auftretenden Mutationen inaktiviert werden könnte und Anspruch 1, insbesondere indem er auf Ausführungsformen der Zuckerrübe abzielt, die durch Sequenzen charakterisiert werden, die nur mindestens 95% Identität zu den offenbarten Sequenzen aufweisen, auch Zuckerrübenpflanzen ohne erfindungswesentliche Merkmale umfasse, kann die Kammer nicht folgen. Durch die darin enthaltene funktionelle Definition ist der Schutzbereich von Anspruch 1 auf Glyphosat-tolerante Zuckerrüben- pflanzen beschränkt.
10. Bezüglich der Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ stellt die Kammer fest, dass eine definierte Ausführungsform der Erfindung gemäß Anspruch 1, das Transformations-ereignis H7-1, nach den Vorschriften der Regel 28 EPÜ [1973] bei der NCIMB in Aberdeen, Schottland, hinterlegt wurde. Die hinterlegte Linie kann, wie dem Fachmann bekannt (vgl. Entgegenhaltung D1, Seite 2, Absatz 3), mit weiteren Zuckerrübenlinien gekreuzt werden. Das führt zum Schluss, dass Ausführungsformen der beanspruchten Zuckerrübenpflanze mit exakt definierten Sequenzen ausreichend offenbart sind.
11. Anspruch 1 umfasst aber nicht nur Zuckerrübenpflanzen, die durch die exakten Sequenzen charakterisiert sind, sondern auch solche, die durch Sequenzen mit 95% Identität zu den angegebenen Sequenzen 6, 12 oder 17 definiert werden.
12. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass es zum allgemeinen Fachwissen gehört, dass sich die zu amplifizierenden Abschnitte des Genoms der Glyphosat-toleranten Zuckerrübenpflanze durch spontane Mutation während der Propagation oder beim Kreuzen mit anderen Zuckerrübenlinien verändern können, ohne dass dadurch die relevante Funktion, die Glyphosat-Toleranz, beeinträchtigt wird.
Daraus ergibt sich für die Kammer, dass die technische Lehre der Patentanmeldung für den Fachmann nicht auf die durch die PCR-Amplifikationsfragmente mit exakt den SEQ ID NOs 6, 12 oder 17 charakterisierten Zuckerrübenpflanzen beschränkt ist. Die technische Lehre umfasst vielmehr auch Glyphosat-tolerante Zuckerrübenpflanzen, deren charakterisierende Amplifikationsfragmente infolge der zu erwartenden spontanen Mutationen mit den vorstehend genannten Amplifikationsfragmenten eng verwandt jedoch nicht identisch sind.
Aus diesem Grund hält die Kammer die Offenbarung der Patentanmeldung ebenfalls für ausreichend, um den Fachmann in die Lage zu versetzen, Glyphosat-tolerante Zuckerrübenpflanzen zu erzeugen, die eng verwandt aber nicht identisch mit den durch die exakten Sequenzen mit den Nummern 6, 12 oder 17 definierten Zuckerrübenpflanzen sind (mindestens 95 % identisch). Solche Zuckerrübenpflanzen können durch Weiterzüchten oder Rückkreuzen mit anderen Linien, gegebenenfalls über mehrere Generationen, erhalten werden.
13. Die Kammer kommt deshalb zum Schluss, dass Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ erfüllt und dass die Beschreibung die darin beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie gemäß den Erfordernissen von Artikel 83 EPÜ ausführen kann. Das gleiche gilt für die Ansprüche 2 bis 6, welche sich auf Grund ihrer technischen Merkmale oder auf Grund von Verweisen auf die Zuckerrübenpflanze des Anspruchs 1 beziehen.
Artikel 54 EPÜ
14. Anspruch 1 des Hauptantrags bezieht sich auf eine Glyphosat-tolerante Zuckerrübenpflanze, die durch PCR Amplifikationsfragmente charakterisiert ist, welche spezifizierte DNS Sequenzabschnitte der Insertionsstelle im Pflanzengenom sowie des insertierten Genkonstrukts umfassen. Eine Zuckerrübenpflanze mit diesen Eigenschaften ist im Stand der Technik nicht beschrieben. Dies trifft auch für die beanspruchten Samen, Zellen, Gewebe oder Teile und die beanspruchten Verfahren und Kits zu. Damit erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.
Artikel 56 EPÜ
15. Nächstliegender Stand der Technik ist die einzige im Internationalen Recherchebericht zitierte Entgegenhaltung D1, welche ein Vektorkonstrukt und eine Methode zur Herstellung Glyphosat-toleranter Zuckerrübenpflanzen offenbart. Eine transformierte Zuckerrübenpflanze mit der Bezeichnung RRMax toleriert Glyphosatbehandlungen mit bis zu 18 Litern Roundup**(RTM) pro Hektare und zeigt somit eine hohe Glyphosat-Toleranz (D1, Seite 7, Zeile 17). Sie ist durch ein spezifisches PCR-Amplifikationsmuster gekennzeichnet.
16. Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik besteht das zu lösende technische Problem in der Bereitstellung einer weiteren/alternativen Zuckerrübenpflanze mit hoher Glyphosat-Toleranz.
17. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Anmeldung die Zuckerrübenpflanze mit den Eigenschaften des Anspruchs 1 vor, die gemäß Seite 4, Zeilen 30 bis 32, der Patentanmeldung eine hohe Glyphosat-Toleranz aufweist. Die Anmeldung selbst enthält diesbezüglich keine quantitativen Angaben, die Beschwerdeführerin hat die Kammer jedoch informiert, dass Zuckerrüben gemäß Anspruch 1, die von der hinterlegten Pflanze mit der Bezeichnung H7-1 abstammen, erfolgreich vermarktet werden. Die Kammer hat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass das in Punkt (16) oben formulierte Problem durch den Gegenstand von Anspruch 1 tatsächlich gelöst ist.
18. Die Kammer kann dem Einwand der Prüfungsabteilung nicht zustimmen, dass es sich bei der Herstellung der beanspruchten Glyphosat-toleranten Zuckerrübe um eine simple Wiederholung der aus Entgegenhaltung D1 bereits offenbarten technischen Abläufe handelt. Es gibt zwar etliche Gemeinsamkeiten bei der Herstellung der Pflanze, aber auch einige Unterschiede.
19. Die Transformation der hier beanspruchten Zuckerrübe erfolgte wie in Entgegenhaltung D1 mit einem Ti Vektor unter Zuhilfenahme von Agrobakterium tumefaciens, und Glyphosat-Toleranz wurde wie in Entgegenhaltung D1 zur Selektion geeigneter Pflanzen verwendet (vgl. Seite 12, Zeilen 21 bis 28).
Ebenso wie in Entgegenhaltung D1, wurde in der vorliegenden Anmeldung ein Genkonstrukt verwendet, welches den Braunwurz-Mosaik-Virus Promotor, gefolgt von einer kodierenden Region, zusammengesetzt aus einer für das Chloroplastentransitpeptid CTP2 aus Arabidopsis thaliana und einer für das CP4/EPSPS Gen aus Agrobakterium Tumefaciens kodierenden Sequenz, und einer 3'-Terminationssequenz aus Pisum sativum umfasste (vgl. Seite 12, Zeile 28 bis Seite 13, Zeile 5).
20. Der in der vorliegenden Anmeldung verwendete Transformationsvektor unterscheidet sich aber in zwei Punkten von jenem aus Entgegenhaltung D1.
Gemäß Entgegenhaltung D1, Seite 7, Zeilen 4 bis 8, enthält der zur Transformation verwendete Vektor bevorzugterweise ein CP4/EPSPS Gen gefolgt von einem gox Gen und zusätzlich das Reportergen uidA. Sowohl das gox wie das uidA Gen fehlen im Genkonstrukt, das in der vorliegenden Anmeldung verwendet wurde.
21. Bezüglich des uidA Gens ist die Kammer der Ansicht, dass es dem Fachmann zum Anmeldungszeitpunkt bekannt war, dass die Abwesenheit funktional nicht erforderlicher Transgene bei behördlichen Zulassungsverfahren von Vorteil war. Er hätte daher bei seinen Bemühungen, eine alternative Zuckerrübenpflanze zur Verfügung zu stellen, in naheliegender Weise in Erwägung gezogen, den in Entgegenhaltung D1 beschriebenen Vektor durch Weglassen des nicht essentiellen uidA Gens zu modifizieren.
22. Die Verwendung eines Vektors der kein gox Gen beinhaltet wird als nicht naheliegend angesehen, insbesondere weil dies der allgemeinen Lehre der Entgegenhaltung D1 widerspricht.
Ziel der Lehre von Entgegenhaltung D1 ist die Herstellung von Glyphosat-toleranten Zuckerrübenpflanzen. Wie auf Seite 2, Zeilen 5 bis 7, der vorliegenden Anmeldung beschrieben, war das CP4/EPSPS Gen bereits zur Transformation von Sojabohnen und Raps verwendet worden. Dieses Glyphosat-tolerante CP4/EPSPS Enzym aus Agrobakterium sp. übernahm die Funktion des pflanzeneigenen, Glyphosat-sensitiven EPSPS Enzyms. Die durch das gox Gen aus Achromobacter sp. kodierte Glyphosat-Oxidoreduktase setzt Glyphosat zu einer für die Pflanze nicht-toxischen Verbindung um. Eine Kombination aus CP4/EPSPS Gen und gox Gen wurde erfolgreich zur Transformation von Weizen eingesetzt (Seite 2, 2. Absatz).
Die Entgegenhaltung D1 lehrt in allgemeiner Form die Verwendung eines Vektors, der die sich funktionell ergänzenden Gene CP4/EPSPS und gox umfasst. Erfindungsgemäße Pflanzen können gemäß Seite 3, dritter Absatz, durch übliche Agrobakterium vermittelte Transformation mit einem Vektor erhalten werden, der die DNS Sequenz mit der Nummer 5 enthält. Nach Seite 7, zweiter Absatz, enthält dieser bevorzugt zu verwendende Sequenzabschnitt die beiden für Glyphosat-Toleranz zuständigen Gene CP4/EPSPS und gox.
Eine Zusammenfassung der verwendeten Transformationsmethode findet sich auf Seite 6 der Beschreibung. Die dort beschriebene Methode beinhaltet ebenfalls die Verwendung eines Vektors, welcher die DNS Sequenz mit der Nummer 5 beinhaltet.
Obwohl der Fachmann der Entgegenhaltung D1 entnehmen konnte, dass das Integrationsereignis RRMax, bei dem das gox Gen in verkürzter Form integriert wurde, besonders Glyphosat-tolerant war (Seite 3, Zeilen 15-19), enthält diese Entgegenhaltung an keiner Stelle einen Hinweis, der den Fachmann veranlassen würde auf das gox Gen als Teil des Transformations-Vektors zu verzichten. Vielmehr wird mehrfach angeführt, dass sich die Produkte des CP4/EPSPS Gens und des gox Gens funktionell ergänzen und gemeinsam für die Glyphosat-Toleranz der erhaltenen Zuckerrübenpflanzen verantwortlich sind (siehe z.B. Seite 2, Zeilen 10 bis 14 und Seite 7, Zeilen 4 bis 7).
Nach Auffassung der Kammer hatte der Fachmann, der bei der Abänderung bekannter Verfahren vorsichtig vorgeht und sich nicht auf unsicheres Terrain vorwagt oder unkalkulierbare Risiken eingeht (vgl. dazu z.B. Entscheidung T 455/91 vom 20. Juni 1994, Entscheidungsgründe 5.1.3.3) deshalb keine Veranlassung gehabt, die Offenbarung in der Entgegenhaltung D1 in diesem Punkt zu verändern und durch Weglassen des gox Gens zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen.
23. Die Kammer kommt deshalb zum Schluss, dass die beanspruchte Zuckerrübe dem Fachmann durch Entgegenhaltung D1 nicht als Lösung des unter Punkt 16 definierten technischen Problems nahegelegt wurde. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ. Dasselbe trifft auf die Ansprüche 2 bis 6 zu, die sich auf Grund ihrer technischen Merkmale oder auf Grund von Verweisen auf die Zuckerrübenpflanze des Anspruchs 1 beziehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit dem Auftrag, ein Patent auf folgender Basis zu erteilen:
Ansprüche: 1 bis 6 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags
Beschreibung: Seiten 1, 3, 3a, 3b, 4-7, 7a, 7b, 8 und 9, eingereicht in der mündlichen Verhandlung; Seiten 2, und 10-37 wie ursprünglich eingereicht.
Figuren: 1 bis 16
Sequenzprotokolle: Seq ID Nos. 1 bis 21, auf Seiten 38 bis 50 wie ursprünglich eingereicht.