T 1102/16 06-07-2020
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Relais, insbesondere für den Hochstrombereich
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 11 002 953.5 zurückgewiesen wurde.
II. Die folgenden im Prüfungsverfahren genannten Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D1: US 6,252,389 B1
D2: EP 1 037 240 A2
D3: WO 90/11529 A1
D4: WO 99/36928 A1
III. In der angefochtenen Entscheidung war die Prüfungsabteilung zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß damaligem einzigen Antrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Dokumente D1 und D2 beruhe.
IV. Mit der Beschwerdebegründung vom 12. April 2016 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents auf der Grundlage der mit Schreiben vom 8. Oktober 2010 eingereichten Ansprüche (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche gemäß Hilfsantrag.
V. In einer Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Auffassung mit, wonach der damalige Hauptantrag nicht gewährbar erscheine, dass jedoch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ zu erfüllen scheine.
VI. Mit Schreiben vom 2. April 2020 beantragte die Beschwerdeführerin sodann die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents auf der Grundlage neuer Ansprüche 1 bis 3, wobei Anspruch 1 identisch ist mit dem des vormaligen Hilfsantrags. Die Beschwerdeführerin beantragt somit die Erteilung eines Patents mit den folgenden Unterlagen:
Ansprüche:
Nr. 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 2. April 2020;
Beschreibung:
Seiten 1 bis 9, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 12. April 2016;
Zeichnungen:
Blätter 1/3 bis 3/3 wie ursprünglich eingereicht.
VII. Anspruch 1 des einzigen Antrags lautet wie folgt:
"Relais (10), insbesondere für den Hochstrombereich, mit mindestens einer Spule (28) und einem beweglichen Anker, der durch den in der mindestens einen Spule (28) erzeugbaren magnetischen Fluss einen Stromfluss über zwei Hauptkontaktanschlüsse (16.1, 16.2; 16.1', 16.2') zulässt oder unterbricht, und mit einer Strommesseinrichtung zur Messung mindestens des über die Hauptkontaktanschlüsse (16.1, 16.2; 16.1', 16.2') fließenden Stroms mittels mindestens eines Hall-Sensors (26.1, 26.2; 26.2'), wobei um die Hauptkontaktanschlüsse (16.1, 16.2; 16.1', 16.2') eine Einrichtung (20, 20') zur Ausrichtung des magnetischen Flusses auf den oder die Hall-Sensor/en (26.1, 26.2; 26.2')vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Einrichtung (20, 20') zur Ausrichtung des magnetischen Flusses einen die beiden Hauptkontaktanschlüsse (16.1, 16.2; 16.1', 16.2') ringförmig umschließenden ferromagnetischen Körper aufweist, wobei der ferromagnetische Körper (20, 20') aus einem Stapel von ferromagnetischen Blechen gebildet ist und zwischen den Hauptkontaktanschlüssen (16.1, 16.2) in einem inneren Freiraum mindestens ein Hall-Sensor (26.1, 26.2) angeordnet ist und wobei die Strommesseinrichtung einen Mikrocontroller (18, 18') aufweist, mit dem von dem oder den Hall-Sensor/en (26.1, 26.2; 26.2') gemessene Ströme in beiden Stromrichtungen erfassbar und weiterverarbeitbar sind."
Die Ansprüche 2 und 3 sind von Anspruch 1 abhängig.
VIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind wie folgt:
Anspruch 1 spezifiziere, dass der ferromagnetische Körper die beiden Hauptkontaktanschlüsse ringförmig umgreife und der mindestens eine Hall-Sensor zwischen den Hauptkontaktanschlüssen des Relais in einem inneren Freiraum (des ferromagnetischen Körpers) angeordnet sei.
Das Dokument D2 offenbare zwar ebenfalls bereits einen ferromagnetischen Körper, der aus einem Blechstapel gebildet sei. Gemäß den Figuren 5 und 6 umschließe dieser Körper die drei Kontakte 16a bis 16c. Die Hall-Sensoren seien jedoch nicht zwischen den Kontakten angeordnet, sondern jeweils in Luftspalten, die am äußeren Rand des ferromagnetischen Körpers vorgesehen seien.
Die Anordnung der Hall-Sensoren zwischen den Kontakten sei vorteilhaft, weil hierdurch eine bessere Bündelung des magnetischen Flusses auf die Hall-Sensoren und damit eine Verstärkung des magnetischen Flusses bewirkt werde. Dadurch erhöhe sich ferner die Messgenauigkeit der Hall-Sensoren. Weiterhin könnten von den Hall-Sensoren Ströme in beiden Fließrichtungen erfasst und von dem ebenfalls beanspruchten Mikrocontroller ausgewertet werden.
Die Anordnung der Hall-Sensoren und die Ausbildung des ferromagnetischen Körpers gemäß Anspruch 1 könne nicht durch eine Zusammenschau der Dokumente Dl und D2 als nahegelegt betrachtet werden. Durch die Anordnung der Hall-Sensoren in der Peripherie des ferromagnetischen Körpers in dem Dokument D2 werde ein Fachmann vielmehr von der Lösung, die Hall-Sensoren zwischen den Kontakten anzuordnen, weggeführt. Eine Bündelung und Verstärkung des Magnetfeldes durch eine Anordnung der Hall-Sensoren im Zentrum eines ringförmigen ferromagnetischen Körpers sei in D2 ebenfalls nicht erwähnt. Dort werde eine Bündelung lediglich durch Anordnung des Hall-Sensors in einem Luftspalt des ferromagnetischen Körpers offenbart.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Grundlage der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
2.1 Anspruch 1 ist im Wesentlichen eine Kombination aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2, 4 und 7 und erfüllt damit das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Anspruch 1 beansprucht eine Ausführungsform der Erfindung, die in den Figuren 1 und 2 dargestellt ist. Er ist dementsprechend auf einen ferromagnetischen Körper gerichtet, der beide Hauptkontaktanschlüsse ringförmig umschließt und der einen Hall-Sensor in einem Freiraum (des ferromagnetischen Körpers) zwischen den Hauptkontaktanschlüssen aufweist.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahegelegt.
3.3 Das Dokument D1 bildet den nächstliegenden Stand der Technik. Es offenbart ein Relais mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 (siehe insbesondere Figuren 10 bis 12 in Verbindung mit Spalte 1, Zeilen 15 bis 67 der Beschreibung).
3.4 Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, eine Anordnung, bei der mindestens ein Hall-Sensor in einem inneren Freiraum des ferromagnetischen Körpers zwischen den Hauptkontaktanschlüssen vorgesehen ist, gemäß den Merkmalen des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, resultiere in dem vorteilhaften technischen Effekt einer besseren Bündelung und Verstärkung des magnetischen Flusses. Die Kammer hält diesen Vortrag der Beschwerdeführerin für plausibel.
3.5 Die objektive technische Aufgabe der Erfindung kann somit darin gesehen werden, ein Relais vorzusehen, welches eine genauere Messung des über die Hauptkontaktanschlüsse fließenden Stroms bereitstellt.
3.6 Die beanspruchte Lösung, insbesondere eine Einrichtung zur Ausrichtung des magnetischen Flusses, die einen die beiden Hauptkontaktanschlüsse ringförmig umschließenden ferromagnetischen Körper aufweist, wobei der ferromagnetische Körper aus einem Stapel von ferromagnetischen Blechen gebildet ist und zwischen den Hauptkontaktanschlüssen in einem inneren Freiraum mindestens ein Hall-Sensor angeordnet ist, wird durch eine Kombination der Dokumente D1 und D2 nicht nahegelegt.
Das Dokument D2 offenbart eine Anordnung der Hall-Sensoren in der Peripherie des ferromagnetischen Körpers (siehe Figuren 5 und 6 in Kombination mit Figur 4, ferromagnetischer Körper 94, Hall-Sensoren 98a, 98b, 98c, Hauptkontaktabschlüssen 16a, 16b, 16c). Die Hall-Sensoren sind somit nicht in einem Freiraum zwischen zwei Hauptkontaktanschlüssen angeordnet, deren Unterbrechung oder Verbindung durch die Position des beweglichen Ankers bestimmt wird.
Die weiteren in dem Prüfungsverfahren genannten Dokumente D3 und D4 zeigen ebenfalls keine Anordnung mindestens eines Hall-Sensors zwischen Hauptkontaktanschlüssen im Sinne des Anspruchs 1.
3.7 Eine Kombination dieser Dokumente mit dem nächstliegenden Stand der Technik (D1) führt den Fachmann somit nicht zu dem Gegenstand des Anspruchs 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird durch den vorliegenden Stand der Technik folglich nicht nahegelegt und beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Die Ansprüche 2 und 3 sind von Anspruch 1 abhängig, sodass das zum Anspruch 1 Gesagte auch für diese Ansprüche entsprechend gilt.
4. Ergebnis
Da der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber den im Prüfungsverfahren berücksichtigten Dokumenten beruht (Artikel 56 EPÜ) und die Anmeldung gemäß dem einzigen Antrag der Beschwerdeführerin auch die sonstigen Erfordernisse des EPÜ erfüllt, war der Beschwerde stattzugeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Ansprüche:
Nr. 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 2. April 2020;
Beschreibung:
Seiten 1 bis 9, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 12. April 2016;
Zeichnungen:
Blätter 1/3 bis 3/3 wie ursprünglich eingereicht.