T 1645/16 31-01-2019
Téléchargement et informations complémentaires:
Verwendung von unsymmetrisch substituierten Triazinderivaten zur Erzielung oder Erhöhung der Löslichkeit von symmetrisch substituierten Triazinderivaten in Ölkomponenten
Zulässigkeit der Beschwerde - (ja)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 19. Mai 2016, das Patent EP 1 582 201 unter Artikel 101(2) und 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.
II. Der unabhängige Anspruch 1, auf dem die Entscheidung beruhte, lautet wie folgt:
Verwendung von 2,4-Bis-{[4-(2-Ethyl-hexyloxy)-2-hydroxy]-phenyl}-6-(4-methoxyphenyl)-1,3,5-triazin zur Erzielung oder der Erhöhung der Löslichkeit von einem oder mehreren symmetrisch substituierten s-Triazinderivaten in (a) entweder einer isolierten Ölkomponente oder (b) in mindestens einer Ölphase eines dispersen Zwei- oder Mehrphasensystems, welches zusätzlich eine oder mehrere Wasserphasen enthalten kann.
III. Der Einspruch stützte sich auf die Gründe unter Artikel 100(a), (b) und (c) EPÜ. Es wurde vorgebracht, der beanspruchte Gegenstand sei nicht neu (Artikel 54 EPÜ), beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), sei nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ) und unzulässig erweitert worden (Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ).
IV. Die Einspruchsabteilung kam in ihrer Entscheidung zu dem Schluss, dass weder die erteilten Ansprüche, noch die Ansprüche der Hilfsanträge 1-4 den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ entsprechen.
Die Einspruchsgründe unter Artikel 100(c) i. V. m. Artikeln 76(1) und 123(2) EPÜ wurden verworfen. Über die geltend gemachten Einspruchsgründe unter Art. 100(a) EPÜ wurde nicht entschieden.
V. Im Verlauf des Prüfungs- und Einspruchsverfahrens wurden von den Parteien experimentelle Daten eingereicht, nämlich die im Verfahren als D1, D2 und D9 bezeichneten Dokumente. Diese Dokumente wurden zu der Frage eingereicht, ob der beanspruchte löslichkeitssteigernde Effekt erzielbar ist oder nicht.
Die Einspruchsabteilung war unter Berücksichtigung der Ergebnisse der D2 der Ansicht, dass der beanspruchte Effekt zumindest nicht über den ganzen Bereich des Anspruchs erreicht werden kann, und widerrief das Patent. D9 wurde unter Artikel 114(2) EPÜ nicht mehr in das Verfahren zugelassen.
VI. In ihrer Beschwerdebegründung, sowie im weiteren Verfahren, argumentiert die Beschwerdeführerin im wesentlichen, dass die in der D2 durchgeführten Versuche wegen des Fehlens einer Angabe der für die einzelnen Arbeitsschritte verwendeten Zeit an methodischen Mängeln leide, so dass dieses Dokument nicht beachtlich sei. Außerdem sei auch nicht klar, von wem diese Versuche durchgeführt worden seien. Demgegenüber weise die D1 diese Mängel nicht auf. Die Einspruchsabteilung hätte der D2 keine Beachtung schenken dürfen.
VII. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung, sowie im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) im wesentlichen folgende Argumente vor:
Die Beschwerdebegründung lege nicht dar, aus welchen Gründen die Entscheidung der Einspruchsabteilung falsch sei, insbesondere nicht, weshalb das Dokument D2 von der Einspruchsabteilung falsch eingeschätzt worden sei. Die Beschwerdebegründung genüge nicht den in Regel 99(2) EPÜ genannten Anforderungen und sei daher unzulässig. Sie berief sich dabei auch auf die Entscheidungen T 220/83 und T 248/16.
Der Versuchsbericht D2 sei im Labor der Beschwerdegegnerin fachmännisch durchgeführt worden, eine Zeitangabe unnötig, da ein Fachmann wisse, wann der Gleichgewichtszustand erreicht sei. Aus der D2 gehe hervor, dass der beanspruchte löslichkeitssteigernde Effekt zumindest in bestimmten Ölphasen nicht zu erreichen sei. Die beanspruchte Erfindung sei daher nicht ausreichend offenbart.
VIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4, oder, hilfsweise, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des erteilten Patents oder auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 4.
IX. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, oder, hilfsweise, die Zurückweisung der Beschwerde.
X. Am 31. Januar 2019 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Gemäß Artikel 108 EPÜ, Satz drei, ist die Beschwerde nach Maßgabe der Ausführungsordnung zu begründen. Regel 99(2) EPÜ verlangt hierzu, dass der Beschwerdeführer darlegt, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern ist, und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.
Die Beschwerdegegnerin hat auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu dieser Frage hingewiesen, die in T 220/83 (Abl. EPA 1986, 249) begründet und etwa in T 248/16 (Punkt 1.1 der Entscheidungsgründe) zusammengefasst wurde. Demnach genügt es nicht, die Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu behaupten, sondern es ist darzulegen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Entscheidung aufgehoben werden soll. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vorgebrachten Argumente tatsächlich durchgreifen, sondern darauf, dass Umstände dargetan werden, die die vertretene Auffassung stützen und ihrer Natur nach grundsätzlich dafür in Frage kommen, die vorinstanzlichen Entscheidungsgründe zu erschüttern.
1.2 Im vorliegenden Fall fußt die Entscheidung der Einspruchsabteilung wesentlich auf der Beurteilung des Dokuments D2, da aus den Ergebnissen dieses Dokuments gefolgert wurde, die Erfindung sei für den Fachmann nicht ausführbar, zumindest nicht im gesamten beanspruchten Bereich.
Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung unter anderem technische Gründe angeführt, die ihrer Ansicht nach die Ergebnisse der D2 in Zweifel ziehen. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass die Zeit, die zur Herstellung der Lösungen der Produkte aufgewendet wurde, nicht genau angegeben ist. Dieses Vorbringen wäre, würde es durchdringen, geeignet, der erstinstanzlichen Entscheidung die Basis zu entziehen.
Die Beschwerdebegründung erläutert daher zumindest einen Grund, aus dem nach Ansicht der Beschwerdeführerin die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist, und nennt die Tatsachen, auf die sie sich beruft. Weitere Anforderungen sieht Regel 99(2) EPÜ nicht vor.
1.3 Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, das Vorbringen der Beschwerdeführerin erschöpfe sich in einer bloßen Mängelbehauptung und enthielte keinen Beleg für die angeblichen Mängel der D2.
Dieses Argument kann nicht überzeugen. Die Beschwerdeführerin hat ja technische Überlegungen zum Inhalt der D2 im Vergleich zum Inhalt der D1 angestellt und daraus den Schluss gezogen, die Ergebnisse der D2 seien nicht aussagekräftig. Dies entspricht den in Regel 99(2) EPÜ als Stütze verlangten Beweismitteln sowie den Gründen, aus denen die Entscheidung aufzuheben wäre. Ob die Argumente der Beschwerdeführerin letztendlich zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen oder nicht, ist eine Überlegung, die im Rahmen der materiellen Prüfung der Beschwerde unter Regel 100 EPÜ eine Rolle spielt. Für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde ist sie irrelevant.
1.4 Die Beschwerde ist daher zulässig.
Hauptantrag
2. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
2.1 Anspruch 1 des Hauptantrages ist als Verwendungsanspruch formuliert. Gemäß G 2/88 ist daher der beanspruchte technische Effekt ein funktionelles Merkmal des Anspruchs. Damit die beanspruchte Erfindung ausreichend offenbart ist, muss der Fachmann am Prioritätstag in der Lage gewesen sein, den beanspruchten Effekt zu erzielen.
2.2 Der Anspruch verlangt, dass die in Anspruch 1 definierte Verbindung (im Folgenden als Tinosorb S bezeichnet) die Löslichkeit symmetrischer Triazine, insbesondere der in Anspruch 2 definierten Verbindung (im Folgenden als Uvinul T150 bezeichnet) in einer isolierten Ölkomponente oder in einer Ölphase eines Mehrphasensystems erhöht. Die Parteien waren sich einig, dass sich der in Anspruch 1 ebenfalls verwendete Begriff "Erzielung" auf den Spezialfall bezieht, dass das Uvinul T150 ohne Zugabe von Tinosorb S in der betreffenden Ölphase überhaupt nicht löslich ist. In beiden Fällen wird jedenfalls verlangt, dass das Tinosorb S einen lösungsvermittelnden Effekt auf das Uvinul T150 in einer Ölkomponente/Ölphase ausübt.
2.3 Da die Beschreibung des Patents keine Angaben über die Art und Weise der Bestimmung der beanspruchten Erzielung oder Erhöhung der Löslichkeit enthält, ist der Fachmann auf sein allgemeines Fachwissen angewiesen. Grundsätzlich sind dem Fachmann Methoden zur Ermittlung der Löslichkeit einer Substanz in Gegenwart oder Abwesenheit einer weiteren Substanz bekannt. Ein Fachmann weiß auch, dass der Begriff "Löslichkeit" einen Gleichgewichtszustand beschreibt, dessen Einstellung insbesondere bei schwerlöslichen Substanzen eine gewisse Zeit erfordern kann. Der Fachmann würde dies bei der Ermittlung der Löslichkeit berücksichtigen. Dies alles war im Beschwerdeverfahren unstrittig.
2.4 Der von der Beschwerdeführerin im Verlauf des Prüfungsverfahrens eingereichte Analysenbericht D1 zeigt, dass bei der Verwendung von Dicaprylether (CETIOL OE) als Ölphase Tinosorb S eine signifikante Erhöhung der Löslichkeit von Uvinul T150 bewirkt. Zur Einstellung des Gleichgewichtszustandes wurde dabei 24h bei Raumtemperatur gerührt.
2.5 Der von der Beschwerdegegnerin im Verlauf des Einspruchsverfahrens eingereichte Analysenbericht D2 zeigt, dass bei Verwendung einer Mischung von C12-C15 Alkylbenzoaten (Cetiol AB) als Ölkomponente der beanspruchte Effekt des Tinosorb S nicht eintritt.
2.6 Die Aussagekraft der D2 wurde von der Beschwerdeführerin angezweifelt, und zwar aus zwei Gründen. Zum Ersten bemängelt sie, dass nicht klar sei, wer die Versuche durchgeführt hat. Zum Zweiten bemängelt sie, dass konkrete Zeitangaben der Arbeitsschritte fehlen, insbesondere sei die Angabe "zum Equilibrieren eine Zeit stehen gelassen" vage. Es sei möglich, dass die gewählte Zeitspanne zu kurz war, so dass sich das erforderliche Gleichgewicht nicht einstellen konnte.
2.7 Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin vermag die Kammer nicht zu überzeugen, und zwar aus den folgenden Gründen:
2.7.1 Der Analysenbericht D2 trägt den Briefkopf der Beschwerdegegnerin und ist vom Leiter der Forschung und Entwicklung unterschrieben. Es ist daher klar, dass die Analysen im Labor der Beschwerdegegnerin durchgeführt wurden. Ob diese Analysen von der unterzeichneten Person selbst durchgeführt oder an andere im Labor tätigen Personen delegiert wurden, ist unerheblich. Jedenfalls wurden sie in einem für derartige Analysen ausgestatteten und geeigneten Labor von entsprechendem Fachpersonal durchgeführt. Von einer fachmännischen Vorgehensweise kann daher ausgegangen werden.
2.7.2 Der Analysenbericht gibt an, dass die Suspension "zum Equilibrieren eine Zeit stehen gelassen" wurde. Ein Fachmann weiß, wie eine solche Zeit zu wählen ist. Die Kammer geht daher davon aus, dass bei den Versuchen der D2 der Gleichgewichtszustand erreicht wurde. Die D2 gibt auch an, dass ein beträchtlicher Teil des Uvinul T150 in Lösung gegangen ist, nämlich 5.4 Gew.%, d. h. deutlich mehr als in der D1 bei der Verwendung von Dicaprylether als Lösungsmittel.
Es stand der Beschwerdeführerin ja frei, eine eventuell entscheidende Bedeutung der zum Equilibrieren nötigen Zeit bei der in D2 verwendeten Ölkomponente durch eine dementsprechende Versuchsreihe nachzuweisen, um die Glaubwürdigkeit der in D2 erhaltenen Ergebnisse zu erschüttern. Dies ist jedoch nicht geschehen.
2.8 Aus den Ergebnissen der D1 und der D2 kann daher der Schluss gezogen werden, dass bei fachmännischer Vorgehensweise in einigen Ölkomponenten der beanspruchte Effekt erzielt wird, während in anderen Ölkomponenten der Effekt nicht erzielt wird.
Es wird auch darauf hingewiesen, dass es sich bei den in D2 verwendeten Ölkomponenten, bei denen der beanspruchte Effekt nicht eintritt, um laut dem Patent bevorzugt zu verwendende Ölkomponenten handelt, siehe Absatz [56] der Beschreibung.
Der Fachmann weiß daher zumindest bei der Verwendung bestimmter Ölkomponenten nicht, wie die beanspruchte Verwendung zu bewerkstelligen ist. Das Patent selbst liefert keinerlei Anleitung, wie bei einem Fehlversuch, wie etwa dem in D2 dokumentierten, weiter vorzugehen wäre. Ebensowenig wurde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass der Fachmann wüsste, wie in einem solchen Fall unter Verwendung allgemeinen Fachwissens ein Erfolg doch noch zu erzielen sei.
2.9 Die Erfindung ist daher nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Hilfsanträge
3. Die im Verfahren befindlichen Hilfsanträge 1-4 leiden in gleicher Weise unter dem oben begründeten Mangel an Offenbarung.
Allen Hilfsanträgen und dem Hauptantrag ist gemein, dass die Verwendung von Tinosorb S zur Erhöhung der Löslichkeit von Uvinul T150 in nicht näher definierten Ölkomponenten oder Ölphasen beansprucht wird. Es war zwischen den Parteien unstrittig, dass in Bezug auf die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ zwischen den Ansprüchen des Hauptantrags und denen der Hilfsanträge kein Unterschied besteht.
4. Daher erfüllt keiner der vorliegenden Anträge die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.