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T 0162/17 04-03-2021
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VERFAHREN ZUM AUFHEIZEN EINER FÜR DENTALKERAMIK VERWENDETEN, VORGEWÄRMTEN PRESSMUFFEL IN EINEM PRESSOFEN SOWIE STEUERVORRICHTUNG UND DIESE ENTHALTENDER OFEN
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Änderung nach Ladung - stichhaltige Gründe (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin legte Beschwerde ein gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. Oktober 2016, das Patent mit der Nummer EP 2 046 239 B1 zu widerrufen.
II. Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende Artikel 100 a) EPÜ und Artikel 100 b) EPÜ als Einspruchsgründe angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass das Patent die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ erfüllt, dass jedoch der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ beruht.
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt oder auf Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 04. Februar 2021.
V. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Am 4. März 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
VII. Für die vorliegende Entscheidung sind die folgenden Dokumente relevant:
E0: US 6303059
E6: US2004/0173142
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Aufheizen einer für Dentalkeramik verwendeten, vorgewärmten Pressmuffel in einem Pressofen, umfassend folgende Schritte:
a) Hochheizen der Pressmuffel auf eine Maximaltemperatur (Tmax), die oberhalb der Presstemperatur (Tpress) liegt, bei der ein Pressvorgang ausgeführt wird,
b) gegebenenfalls Halten der Pressmuffel auf der Maximaltemperatur (Tmax) während einer ersten Haltezeit (t1),
c) Abkühlen der Pressmuffel auf eine Minimaltemperatur (Tmin), die höchstens so hoch wie die Presstemperatur (Tpress) ist, und
d) Halten der Pressmuffel auf der Minimaltemperatur (Tmin) während einer zweiten Haltezeit (t2)."
In Hilfsantrag 1 wurde das Wort "gegebenenfalls" aus dem Merkmal b) gestrichen.
IX. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Die Merkmale a), c) und d) des Anspruchs 1 seien in E0 nicht offenbart. E0 sei daher zunächst gar nicht geeignet, den nächstliegenden Stand der Technik darzustellen.
E6 beschreibe ein Modellierungsverfahren zur Steuerung der Temperatur in einem Probentiegel, bei dem auch innerhalb des Probentiegels ein Sensor vorhanden sei. Dies widerspreche der Situation des Streitpatents. Zudem werde bei dem Verfahren der E6 im Gegensatz zu Anspruch 1 die Temperatur in mehreren 100°-Schritten stufenweise erhöht.
Der PID-Regler in E6 werde nur für das Anlernen der Steuerung genutzt und nicht für den Betrieb des Ofens.
Der PID-Regler der E6 führe nicht eine einzige Temperaturüberhöhung durch, sondern führe, anders als in Anspruch 1 definiert, mehrere Schwingungen aus.
Daher führe selbst die Kombination von E0 mit E6 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Die Offenbarung der E0 rate dem Fachmann außerdem explizit davon ab, mit höheren Temperaturen als der Presstemperatur zu arbeiten, da dort beschrieben sei, dass eine möglichst niedrige Muffeltemperatur einzuhalten sei, damit die Dentalkeramik nicht beschädigt werde.
X. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
E0 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbare ein Verfahren zum Aufheizen einer für Dentalkeramik verwendeten, vorgewärmten Pressmuffel, umfassend die Schritte:
- Hochheizen der Pressmuffel auf eine Presstemperatur (Merkmal a), teilweise) und
- Halten der Pressmuffel auf der Presstemperatur während einer Haltezeit (Merkmal d)).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich daher vom Stand der Technik dadurch, dass das Aufheizen auf eine Temperatur erfolge, die höher liege als die Presstemperatur, und dass danach die Temperatur auf die Presstemperatur (oder auch darunter) gesenkt werde.
Die zu lösende Aufgabe bestehe darin, die Presstemperatur im Innern der Pressmuffel zeitsparend zu erreichen, und gleichzeitig eine für die Zahnkeramik schädliche Überhitzung zu vermeiden.
Der Fachmann, der auf dem Gebiet der Regelungstechnik arbeite, hätte die E6 in Betracht gezogen, die eine Ofenregelung beschreibe, welche die gestellte Aufgabe löse.
Ausgehend von der E0 würde der Fachmann die in E6 beschriebene Regelung auf das in E0 beschriebene Verfahren übertragen. Er würde dadurch ohne erfinderischen Schritt zu dem Verfahren gemäß Anspruch 1 gelangen.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Auslegung des Anspruchs 1
Die in Anspruch 1 verwendeten Begriffe "Hochheizen der Pressmuffel" auf eine bestimmte Temperatur, "Abkühlen der Pressmuffel" auf eine bestimmte Temperatur und "Halten der Pressmuffel auf der Minimaltemperatur" sind nicht eindeutig definiert, weil innerhalb der Pressmuffel keine einheitliche Temperatur herrscht. Es existiert also kein eindeutiger Temperaturwert der Pressmuffel. Dies ist z.B. auch aus der Figur 3 des Streitpatents ersichtlich.
Die genannten Begriffe müssen daher im Hinblick auf die Beschreibung, Absätze [0019]-[0021], so interpretiert werden, dass jeweils die Temperatur der Randzone der Pressmuffel gemeint ist bzw. die Ofentemperatur in der unmittelbaren Umgebung der Pressmuffel.
2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
2.1 E0, das als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, offenbart ein Verfahren zum Aufheizen einer für Dentalkeramik verwendeten, vorgewärmten Pressmuffel in einem Pressofen (Spalte 5, Zeilen 15-31), das folgende Schritte umfasst:
a) (Teil 1) Hochheizen der Pressmuffel auf eine Presstemperatur (920°C), und
d) Halten der Pressmuffel auf der Presstemperatur (Spalte 5, Zeilen 28-29) während einer Haltezeit (20 Minuten).
E0 kann als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden, weil es ein Verfahren zum Betreiben eines Dentalofens beschreibt, in dem eine vorgeheizte Pressmuffel aufgeheizt wird. E0 bezieht sich damit auf ein Verfahren aus dem gleichen Fachgebiet, das den gleichen Zweck erfüllt wie das Verfahren des Streitpatents, nämlich das Aufheizen einer Pressmuffel zum anschließenden Pressen einer Zahnkeramik. Auch wenn nicht alle Merkmale des Anspruchs durch E0 offenbart werden, so ist das Dokument doch als Ausgangspunkt für den Aufgabe-Lösung-Ansatz geeignet.
2.2 Da das Merkmal b) optional ist ("gegebenenfalls") unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Stand der Technik durch Merkmal a) (Teil 2), wonach das Aufheizen auf eine Temperatur erfolgt, die höher liegt als die Presstemperatur, und Merkmal c), wonach die Temperatur anschließend auf die Presstemperatur (oder auch darunter) gesenkt wird.
2.3 Die Überhöhung der Temperatur hat den Effekt, dass kurzzeitig mehr Wärmeenergie in das Innere der Pressmuffel transportiert wird. Durch rechtzeitiges Absenken der Temperatur im Randbereich der Muffel wird ein Überschießen der Temperatur im Innern jedoch vermieden (Absatz [0010] des Streitpatents).
Die Parteien waren sich darüber einig, dass die zu lösende Aufgabe darin besteht, die Presstemperatur im Innern der Pressmuffel zeitsparend zu erreichen, und die Pressmuffel gleichmäßig zu erwärmen, d.h. eine Überhitzung zu vermeiden. Diese Aufgabe wird auch im Streitpatent, Absatz [0008] erwähnt.
2.4 Die gestellte Aufgabe liegt nicht speziell im Bereich der Zahntechnik, sondern bezieht sich auf die Fragestellung, wie ein Ofen ausgeführt und geregelt werden kann, um die gewünschten Temperaturen und Temperaturverläufe zu erreichen. Der entsprechende Fachmann ist daher als ein Ingenieur der Regelungstechnik anzunehmen.
Der Fachmann hätte daher die E6 in Betracht gezogen, die eine Ofenregelung beschreibt. Diese wird zwar für einen anderen Zweck (Analyseofen) genutzt, es geht dort aber ebenfalls darum, die Temperatur im Innern eines Gefäßes (Probentiegel) kontrolliert und zeitsparend anzuheben. Durch das Verfahren der E6 wird das gewünschte Temperaturniveau im Probentiegel schneller erreicht, und ein Überschießen der Temperatur wird vermieden (Absatz [0005], letzte 4 Zeilen).
2.5 Gemäß E6 wird in einem Anlern-Prozess die Temperatur stufenweise angehoben, wobei der Ofen mittels eines PID-Reglers gesteuert wird (Absatz [0033], Figur 3). In diesem Prozess werden die Parameter des PID-Reglers optimiert, um im späteren Betrieb des Ofens die gestellte Aufgabe zu erfüllen. Bei dem Verfahren der E6 wird die Temperatur zwar in mehreren Stufen erhöht, es ist jedoch für einen Fachmann klar, dass die Lehre für eine einzige Temperaturerhöhung in gleicher Weise gilt.
Es stimmt zwar, dass - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - in E6 zwei Sensoren 130 und 140 angesprochen werden. Sie werden aber lediglich in der Anlernphase genutzt. Im Normalbetrieb wird der in den Probentiegel eingesetzte Sensor 140 entfernt. Dies ist analog zur Situation gemäß Streitpatent, wo in der Pressmuffel ebenfalls kein Sensor vorhanden ist.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der PID-Regler in E6 nur für das Anlernen der Steuerung genutzt werde, ist nicht stichhaltig: Selbst wenn dies so wäre, würde die Temperaturkurve, die der Ofen im Betrieb durchläuft, so aussehen wie in Figur 3 der E6 gezeigt.
2.6 Die E6 weist darauf hin, dass das Ziel, eine Solltemperatur im Innern eines Probentiegels zeitsparend zu erreichen, und gleichzeitig eine unerwünschte Überhitzung zu vermeiden, durch die dort beschriebene Regelung erreicht werden kann (Absatz [0005]-[0006]).
Um die oben genannte Aufgabe zu lösen, würde der Fachmann daher ausgehend von der E0, und im Hinblick auf E6, die in E6 beschriebene Regelung auf das in E0 beschriebene Verfahren übertragen.
Der Fachmann würde so zu einem Verfahren gelangen, bei dem ein PID-Regler derart eingesetzt wird, dass er die Ofentemperatur, und damit die Temperatur des Randbereichs der Pressmuffel, in ähnlicher Weise regelt wie es in der Figur 3 der E6 für die Ofentemperatur T1 gezeigt ist. Dieser Temperaturverlauf zeigt deutlich ein
- Hochheizen des Ofens auf eine Maximaltemperatur, die oberhalb der Zieltemperatur TR (analog zur Presstemperatur) liegt, (Merkmal a)),
sowie ein
- Abkühlen des Ofens auf eine Minimaltemperatur, die höchstens so hoch wie die Zieltemperatur (bzw. Presstemperatur) ist (Merkmal c)).
Das Halten des Ofens auf der Minimaltemperatur, die hier gleich der Zieltemperatur ist, ist zwar bereits in der E0 offenbart, wird aber in Figur 3 der E6 ebenfalls gezeigt (Merkmal d)).
2.7 Die Beschwerdeführerin merkte an, dass ein PID-Regler nicht eine einzige Temperaturüberhöhung durchführen würde, sondern mehrere Regelschwingungen ausführe. Je nach gewählten Parametern kann ein PID-Regler aber auch so gedämpft werden, dass er im Wesentlichen nur eine einzige Temperaturüberhöhung durchführt.
2.8 Die Beschwerdeführerin vertrat auch die Meinung, dass die Offenbarung der E0 den Fachmann davon abhalten würde, mit höheren Temperaturen zu arbeiten, da dort beschrieben sei, dass eine möglichst niedrige Muffeltemperatur einzuhalten sei, um die Dentalkeramik nicht zu beschädigen. Sie verwies dabei unter anderem auf Spalte 2, Zeilen 1-6.
Die E6 arbeitet zwar mit einer vorübergehenden Temperaturüberhöhung des Ofens, aber im Inneren des Probentiegels wird ebenfalls ein Überschießen der Temperatur vermieden. Die in E0 genannten Probleme werden daher in dem aus E6 übernommenen Verfahren ebenfalls vermieden.
2.9 Der Fachmann würde daher, ausgehend von E0, anhand der Lehre der E6 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
3. Hilfsantrag 1 - Zulassung
3.1 Durch das Streichen des Wortes "gegebenenfalls" in Merkmal b) des Hauptantrags, wird Merkmal b) nunmehr zu einem zwingenden Merkmal. Hilfsantrag 1 führt somit ein zusätzliches Merkmal in Anspruch 1 ein, um einen Mangel an erfinderischer Tätigkeit zu beheben. Er stellt daher eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar. Der Hilfsantrag wurde mit Schreiben vom 4. Februar 2021 eingereicht, und somit nach Zustellung der Ladung am 15. September 2020.
Solche Änderungen bleiben nach Artikel 13(2) VOBK 2020 grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
3.2 Die Beschwerdeführerin trug hierzu vor, die Beschwerdekammer habe in ihrem Bescheid vom 14. September 2020, Punkt 4.4, den Anspruch in einer Weise ausgelegt, die zuvor nicht diskutiert worden sei. Dies rechtfertige die Einreichung des geänderten Anspruchs, da die Beschwerdeführerin mit einer neuen Situation konfrontiert gewesen sei.
Der erwähnte Absatz des Bescheids betrifft eine Erläuterung des Anspruchswortlauts. Eine solche Erläuterung stellt jedoch keinen neuen Sachverhalt dar, sondern dient lediglich der Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung.
3.3 Das im Hilfsantrag nunmehr als zwingend eingeführte Merkmal wurde im Beschwerdeverfahren bis zum Zeitpunkt der Einreichung von Hilfsantrag 1 nicht thematisiert und hat auch im Verfahren vor der Einspruchsabteilung keine Rolle gespielt. Dagegen war der konkrete Einwand betreffend erfinderischer Tätigkeit spätestens seit der Zustellung der Einspruchsentscheidung bekannt, und die Beschwerdeführerin hätte entsprechende Hilfsanträge bereits mit der Beschwerdebegründung einreichen können und müssen. Dies hat die Beschwerdeführerin aber nicht getan.
3.4 Es liegt daher kein stichhaltiger Grund vor, der eine Zulassung des Hilfsantrags zu diesem späten Zeitpunkt nach Artikel 13(2) VOBK 2020 rechtfertigen würde.
Der Hilfsantrag wird daher nicht zugelassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.