T 0057/84 (Tolylfluanid) 12-08-1986
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Erfinderische Tätigkeit
Vergleichsbasis für Nachweis einer Verbesserung
Zulässiger Vergleich von Werten aus verschiedenen Tests
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 3. Oktober 1979 mit deutscher Priorität vom vom 13. Oktober 1978 angemeldete europäische Patentanmeldung 79 103 777.3 wurde am 29. April 1981 das europäische Patent 10 635 auf der Grundlage von drei Patentansprüchen erteilt, deren erster wie folgt lautet:
"Verwendung von N,N-Dimethyl-N'-p-tolyl-N'-dichlorfluor- methylthio-sulfamid in Holzimprägniermitteln." (Die patentgemäß zu verwendende Substanz wird im folgenden kurz mit "Tolylfluanid" bezeichnet.)
II. Gegen die Patenterteilung legte die Einsprechende am 14. August 1981, gestützt auf das folgende Dokument Einspruch ein
(1) W. Perkow, "Wirksubstanzen der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel", Stand Mai 1974, Stichwort "Tolylfluanid",
und beantragte Widerruf des Patents in vollem Umfange wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit. Sie ergänzte ihr Vorbringen später noch durch Hinweis auf die Dokumente
(2) R. Wegler, "Chemie der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel", Band 4, 194 (1977);
(3) EP-A-22 900;
(4) Pesticide Manual, 6th Ed., 278 (1979); und
(5) EP-A-38 109. Die Patentinhaberin zog ihrerseits u.a. noch weitere Stellen des unter (4) genannten Werke heran, nämlich
(4a) Pesticide Manual, 3rd Ed., 172 und 477, (1972).
III. Durch Entscheidung vom 15. Dezember 1983, abgesandt am 16. Januar 1984, widerrief die Einspruchsabteilung das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Danach unterscheide sich das Tolylfluanid von dem bekanntermaßen auf dem Holzschutzgebiet verwendbaren Dichlofluanid lediglich durch den Ersatz der Phenyl- durch die p-Tolylgruppe. Soweit zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit auf die bessere Löslichkeit von Tolylfluanid in organischen Lösungsmitteln verwiesen werde, so sei dieser Vorteil bereits aus (1) bekannt. Die bessere Wirksamkeit von Tolylfluanid gegen holzzerstörende Pilze sei deswegen nicht überraschend, weil, wie sich aus (2) ergebe, diese Verbindung auch gegen Mehltau besser wirksam sei als Dichlofluanid. Die bekannte Wasserlöslichkeit des Tolylfluanids schließlich sei mit nur 4 Promille nicht so beträchtlich, daß sie ein Vorurteil gegen seine Verwendung aufzubauen vermöge, zumal ein solches auch nicht durch Literaturzitate belegt sei.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 16. Februar 1984 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese am 14. Mai 1984 begründet. Dabei wendet sie sich insbesondere dagegen, daß von der besseren Wirksamkeit gegenüber Mehltau auf eine ebensolche gegen holzzerstörende Pilze zu schließen gewesen sei - zum Beleg hat sie mit der Beschwerdebegründung die Ergebnisse eines Fungizid- Wirkungstests überreicht - sowie gegen die angebliche Unerheblichkeit der besseren Wasserlöslichkeit von Tolylfluanid. Auf Anregung der Kammer hat sie neue Vergleichsversuche - nunmehr nach international anerkannten Prüfmethoden - vorgelegt und geltend gemacht, daß hieraus die bessere Eignung von Tolylfluanid, verglichen mit Dichlofluanid, zur Bekämpfung holzschädigender Pilze hervorgehe. Sie hat zur Stützung ihres Vorbringens noch auf
(6) W. Metzner et al., "Holz als Roh- und Werkstoff" 35, 233-237 (1977)
sowie am 7. August 1986 noch auf
(7) Angew. Chemie 76. Jahrg./Heft 19, 807-812 (1964)
hingewiesen.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) vertritt dem gegenüber die Auffassung, daß die verbesserte Wirksamkeit eines Fungizids gegenüber einem bestimmten Pilz zwar keine Vorhersage einer ebenfalls verbesserten Wirksamkeit gegenüber anderen Pilzen zulasse, wohl aber zu entsprechenden Versuchen anrege. Im übrigen bestreitet sie, daß aus den von der Beschwerdeführerin neu vorgelegten Vergleichsversuchen eine bessere fungizide Wirkung von Tolylfluanid, verglichen mit Dichlofluanid, hervorgehe; sie konstatiert vielmehr "keine einheitliche Tendenz". Schließlich bestreitet sie auch das Vorliegen eines Vorurteils auf Grund der bekannten "höheren" Wasserlöslichkeit des Tolylfluanids, und zwar unter Hinweis darauf, daß sich Löslichkeitsberechnungen auf Grund des Zweikomponentensystems Wirkstoff/Wasser angesichts der zu erwartenden Adsorption des Wirkstoffes an Holz nicht auf das Dreikomponenten system Wirkstoff/Wasser/Holz übertragen lassen.
VI. In der mündlichen Verhandlung am 12. August 1986 haben die Beteiligten im wesentlichen ihre Standpunkte bekräftigt, wobei die Beschwerdeführerin jedoch nicht länger auf der Existenz eines technischen Vorurteils auf Grund der besseren Wasserlöslichkeit des Tolylfluanids, verglichen mit Dichlofluanid, besteht. Andererseits legt sie besonderes Gewicht auf die Feststellung, daß es bei Holzschutzmitteln auf eine ausreichende Schutzwirkung sowohl bei Wasser- als auch bei Windbelastung ankomme, so daß beim Qualitätsvergleich solcher Mittel auf die jeweils niedrigste Substanzmenge abzustellen sei, mit der eine ausreichende Wirkung in beiden Tests erzielt werde. Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Berechtigung dieses Bewertungsmaßstabes. Nach ihrer Auffassung könne nur Gleiches mit Gleichem, also die Grenzwerte der beiden Substanzen bei Wasserbelastung miteinander und getrennt davon ihre Grenzwerte bei Windbelastung, miteinander verglichen werden. Ferner sei Dokument (7) als verspätet vorgebracht unberücksichtigt zu lassen, hilfsweise aber gegen die Beschwerdeführerin zu verwenden, da hieraus die Verwendung von Tolylfluanid im Materialschutz - worunter Holzschutz zu subsumieren sei - hervorgehe. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Art. 106-108 sowie R. 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Während (6) schon am 18. November 1985 in das Verfahren eingeführt wurde und im übrigen bereits in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift, Seite 2, Zeile 11, erwähnt ist, hat die Beschwerdeführerin auf (7) erstmals in ihrer fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung beim Amt eingegangenen, bis zu dieser der Kammer nicht zur Kenntnis gelangten Eingabe hingewiesen. Bei (7) handelt es sich daher um ein verspätet vorgebrachtes Beweismittel im Sinne von Art. 114 (2) EPÜ. Da dieses Dokument nach Ansicht der Kammer nicht relevant ist, wird es im folgenden nicht berücksichtigt.
Die Dokumente (3) und (5) sind nach der zutreffenden Feststellung der Vorinstanz nicht vorveröffentlicht und daher ebenfalls nicht zu beachten. Im Rahmen dieser Entscheidung sind daher nur noch die Dokumente (1), (2), (4) bzw. (4a) und (6) zu betrachten.
3. Die Erfindung liegt auf dem Gebiete der Holzschutzmittel.
4. Die Kammer sieht (6) als den nächsten Stand der Technik an. Daraus ist es bekannt, Dichlofluanid als fungizide Komponente in Holzimprägniermitteln zu verwenden (vgl. Seite 234, Abschnitt 2, in Verbindung mit den Tabellen 2 bis 4 auf Seite 235).
5. Hiervon ausgehend wird die Aufgabe der Erfindung darin gesehen, die Verwendung eines hierfür insgesamt noch besser geeigneten Wirkstoffes vorzuschlagen. Im besonderen soll dabei die Belastung der Umwelt, die aus der unvermeidlichen Abgabe gewisser Wirkstoffmengen an die Umgebung resultiert, durch Reduktion der für einen ausreichenden Holzschutz erforderlichen Wirkstoffmenge verringert werden.
6. Als Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent die Verwendung von Tolylfluanid in Holzimprägniermitteln vor.
7. Es ist zunächst zu untersuchen, ob der genannte Lösungsvorschlag die bestehende Aufgabe auch tatsächlich löst.
7.1. Die Beschwerdeführerin hat am 18. November 1985 die Ergebnisse von Vergleichsversuchen vorgelegt, bei denen nach international anerkannten Testmethoden jeweils für Dichlofluanid und für Tolylfluanid an drei standardisierten Holz-Pilz-Kombinationen (A: Kiefernsplintholz/Coniophora puteana; B: Buchenholz/Coriolus versicolor; C: Kiefernsplintholz/Gloeophyllum trabeum) und unter drei standardisierten Bedingungen (a: ohne Alterung; b: Wasserbelastung; c: Wind-belastung) die beiden Grenzwerte (in kg/m3) ermittelt wurden, bei denen noch kein Schutz ("unterer Grenzwert") bzw. eben ein Schutz ("oberer Grenzwert") gegen Pilzbefall erzielt wird; siehe als "Anlage 1" zur Eingabe vom 14. November 1985 vorgelegte Tabelle.
7.2. Da nach übereinstimmender Aussage der Beteiligten in der Praxis meist Wasser- und Windbelastungen auftreten, werden vorrangig die Werte unter den Bedingungen b und c untersucht.
7.2.1. Dabei ergibt sich für die Holz-Pilz-Kombination A praktisch kein Unterschied bei den für Dichlofluanid und Tolylfluanid ermittelten Grenzwerten. Bei den Grenzwerten für die Kombinationen B und C ergeben sich dagegen sehr wohl Unterschiede, wobei sich allerdings fragt, in welchem Sinne diese zu interpretieren sind:
7.2.2. Wollte man der Betrachtungsweise der Beschwerdegegnerin folgen, wonach nur Werte innerhalb des jeweils gleichen Tests zu vergleichen seien und dabei den oberen und unteren Grenzwerten gleiche Bedeutung zukomme, so ergäbe sich bei Kombination B unter den Bedingungen b und c jeweils "Verengung" des Bereiches in dem Sinne, daß einem für Tolylfluanid verbesserten oberen ein verschlechterter unterer Grenzwert gegenüberstünde, im Durchschnitt also ein etwa gleich gutes Ergebnis; bei Kombination C stünde einer eindeutigen Verbesserung unter Bedingung b gemäß der Erfindung eine eindeutige Verschlechterung unter Bedingung c gegenüber. Auf Grund dieser Betrachtungsweise spricht die Beschwerdegegnerin von "keiner einheitlichen Tendenz", mit der Folge, daß die bestehende Aufgabe nicht gelöst erschiene.
7.2.3. Diese Betrachtungsweise übersieht zunächst, daß es sich beim Holzschutz um einen Schutz längerlebiger Wirtschaftsgüter handelt, wo es darauf ankommt, mit Sicherheit einen Angriff der holzschädigenden Pilze zu verhindern, so daß nach Ansicht der Kammer den oberen Grenzwerten eine wesentlich höhere Bedeutung zukommt als den unteren. Die oberen Grenzwerte sind jedoch für Tolylfluanid nicht nur bei Kombination C unter der Bedingung b besser als für Dichlofluanid, sondern auch bei Kombination B unter den Bedingungen b und c; nur die oberen Grenzwerte bei Kombination C unter der Bedingung c verhalten sich umgekehrt. Man könnte also sehr wohl von einer überwiegenden "einheitlichen Tendenz" zugunsten von Tolylfluanid sprechen, selbst wenn man - im Sinne der Beschwerdegegenerin - nur "Gleiches mit Gleichem" vergliche.
7.2.4. Noch erheblich schwerer wiegen nach Ansicht der Kammer die folgenden Überlegungen: Ein praxisgerechtes, zuverlässig wirkendes Holzschutzmittel muß die in Standardtests international festgelegte, separat gemessene Wasser- und Wind belastung unter Beibehaltung einer ausreichenden Schutzwirkung, d.h. unter möglichst geringen Verlusten über dauern. Entscheidend hierfür ist die dabei erforderliche anfängliche Mindestkonzentration an Fungizid, und zwar nicht nur aus ökonomischen, sondern besonders aus ökologischen Gründen; denn durch die Witterungseinflüsse werden zwangsläufig gewisse Mengen von normalerweise nicht ungiftigem Fungizid an Wasser und Wind abgegeben und belasten so die Umwelt. Aus der Sicht der an ein Holzschutzmittel zu stellenden doppelten Anforderung richtet sich dessen Umweltfreundlichkeit nach der Fungizidkonzentration, die ausreicht, um das Holz trotz Belastung durch Wasser und gleichzeitig durch Wind zu schützen. Erweisen sich die gemessenen Werte des Einzeltests als unterschiedlich, so bestimmt sich die praktisch anzuwendende Menge nach dem höheren, d.h. schlechteren Wert, weil dieser die den beiden Anforderungen gerecht werdende Mindestmenge diktiert (Prinzip des schwächsten Glieds einer Kette). Diese Überlegungen bilden die Grundlage für die Klärung der Frage, ob die vorstehend definierte technische Aufgabe gelöst wurde. Sie führen zu dem folgenden grundsätzlichen Ergebnis:
Ist es für ein Produkt wesentlich, daß eine Eigenschaft unter verschiedenen Bedingungen immer zuverlässig gegeben ist, so kommt es für die Überlegenheit der Erfindung darauf an, daß diese Eigenschaft unter allen für die Praxis maßgebenden Bedingungen, insbesondere unter den hierfür entwickelten verschiedenen Testbedingungen, verbessert wird. Werden zum Nachweis für die Überlegenheit Vergleichsversuche vorgelegt, so sind die Ergebnisse solcher Tests im Zusammenhang zu sehen. Ausschlaggebend ist hierbei, ob die Erfindung insgesamt in den verschiedenen Tests der Vergleichssubstanz überlegen ist, auch wenn die Vergleichssubstanz sich in einem einzelnen Test als besser erweist.
Wendet man den oben entwickelten Grundsatz auf den vorliegenden Fall an, so zeigt sich, daß bei Kombination B der schlechteste obere Grenzwert für Dichlofluanid (6,6 unter Bedingung c) mit dem schlechtesten oberen Grenzwert für Tolylfluanid (6,0 unter Bedingung b) und bei Kombination C wiederum der schlechteste obere Grenzwert für Dichlofluanid (5,1 unter Bedingung b) mit dem schlechtesten oberen Grenzwert für Tolylfluanid (2,5 unter Bedingung c) zu vergleichen sind, mit dem Ergebnis einer etwa 10%igen bzw. 50%igen Verbesserung, d.h. Verringerung der erforderlichen Wirkstoffmenge. Bezieht man noch die Kombination A mit ein, wo keine Verbesserung feststellbar ist, so ergibt sich im Durchschnitt immerhin eine 20%ige, also signifikante Verbesserung; denn nach der unwidersprochenen Erklärung der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ist eine 10-15%ige Verbesserung bereits als signifikant anzusehen.
7.2.5. Ein überschlagsmäßiger Vergleich der obigen Zahlenwerte mit denjenigen, die nach der Methode von Sutter erhalten wurden (siehe die am 1. Juli 1982 vorgelegten Vergleichsversuche), ergibt keinen Widerspruch, sondern führt zu qualitativ gleichen Ergebnissen. Unter den Bedingungen b und c ist daher die bestehende Aufgabe glaubhaft gelöst.
7.3. Im übrigen ist nach Auffassung der Kammer auch ein Vergleich der beiden Holzschutzmittel unter Bedingung a, d.h. ohne Simulation von Witterungseinflüssen, nicht ohne Beweiswert, weil sich hierin die Verhältnisse beim Holzschutz in Innenräumen widerspiegeln. Auch diese Zahlenwerte (siehe Vergleichsversuch vom 18. November 1985) zeigen eine etwa 55%ige Verbesserung für Kombination A, eine knapp 10%ige für B, gleiche Werte für C, im Durchschnitt also wieder rund 20% Verbesserung. Nach allem ist die bestehende technische Aufgabe gelöst.
8. Die beanspruchte Lösung ist keinem der entgegengehaltenen Dokumente zu entnehmen, also - unstreitig - neu.
9. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit ist zu untersuchen, ob die übrigen Entgegenhaltungen dem Fachmann, der sich - ausgehend von (6) - die oben definierte Aufgabe gestellt hatte, die beanspruchte Lösung nahegelegt hätten.
9.1. Dokument (1) beschreibt unter den entsprechenden Stichworten die Eigenschaften von Dichlofluanid und von Tolylfluanid im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Pilzkrankheiten gewisser lebender Pflanzen. Ein Hinweis auf die Verwendung der genannten Substanzen in Holzschutzmitteln (also zum Schutz lebloser Werkstoffe) ist jedenfalls (1) allein nicht zu entnehmen. Es mag zwar zutreffen, daß ein Fachmann, der bloß nach einem weiteren Wirkstoff für Holzschutzmittel suchte, bei seinem Wissen aus (6) um die Eignung von Dichlofluanid als Holzschutzkomponente durch (1) zu Versuchen mit dem strukturell sehr nahestehenden Tolylfluanid angeregt worden wäre; solche Versuche konnten jedoch angesichts der hier bestehenden Aufgabe, eine verbesserte Holzschutzmittelkomponente anzugeben, im Hinblick auf den Erfahrungssatz, wonach strukturnahe Verbindungen regelmäßig nur vergleichbare Wirkungen hervorrufen, nicht erfolgversprechend erscheinen.
9.2. Nach Dokument (2) zeigt Tolylfluanid eine gegenüber Dichlofluanid verstärkte Wirkung gegen echte Mehltaupilze (vgl. Seite 194, zweite bis dritte Zeile nach der zweiten Formel). Diese Aussage ist also auf eine spezifische Verwendung auf dem Pflanzenschutzgebiet beschränkt. Daß hieraus keine Vorhersage einer verbesserten Wirkung gegen andere Pilzarten - noch dazu auf einem anderen Gebiet, dem des Holzschutzes - möglich ist, hat auch die Beschwerdegegnerin eingeräumt (Schriftsatz vom 7. Dezember 1984, Seite 1, Absatz 1); sie meint jedoch, daß der genannte Hinweis in (2) den Fachmann zu dies bezüglichen Versuchen anregen würde. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht:
9.2.1. Keinesfalls kann die bloße Behauptung durchgreifen, solche Versuche seien naheliegend gewesen, ohne daß hierfür eine eingehende Begründung gegeben wird. In einer solchen Begründung wäre sowohl der Frage nachzugehen, welches der maßgebliche Fachmann ist, für den Versuche nahegelegen haben sollen; als auch, auf Grund welcher Überlegungen ein solches Naheliegen für diesen gegeben sein sollte.
9.2.2. Wenn die Beschwerdegegnerin meint, auf Grund des obigen Hinweises in (2) - stärkere Wirkung gegen Mehltau - habe es für "den Fachmann" nahegelegen zu versuchen, ob Tolylfluanid auch gegen holzschädigende Pilze stärker wirksam sei als Dichlofluanid, so unterstellt sie damit stillschweigend, daß es sich bei dem Fachmann, der sich mit der Bekämpfung holzschädigender Pilze befaßt, um den gleichen Fachmann handelt wie bei demjenigen, der sich mit der Bekämpfung der Pilzkrankheiten von Nutzpflanzen beschäftigt. Selbst wenn man dieser Unterstellung einmal folgte, so ließe sich aus der isolierten Offenbarung der stärkeren Wirkung eines bestimmten Fungizids gegenüber einer einzigen Pilzspezies (echter Mehltau) noch nicht darauf schließen, daß es nahegelegen habe zu untersuchen, ob das gleiche Fungizid auch gegenüber einer oder mehreren (beliebigen) anderen Pilzspezies wirksamer ist; es wäre vielmehr eine im einzelnen zu untersuchende Tatfrage, welche Offenbarung (z.B. stärkere Wirkung gegenüber wie vielen, wie nahe verwandten Pilzspezies einerseits, schlechtere Wirkung gegenüber wie vielen, wie nahe verwandten Pilzspezies andererseits) erforderlich wäre, ehe entsprechende Versuche als naheliegend anzunehmen wären.
9.2.3. All dem braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden; denn die Betrachtungsweise der Beschwerdegegnerin läßt außer acht, daß es sich bei dem für die Beurteilung des Streitpatentes maßgebenden Fachmann eben nicht um den gleichen handelt wie bei dem für Pflanzenschutzprobleme zuständigen: Maßstab für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist der Fachmann, der üblicherweise mit der Lösung der bestehenden Aufgabe betraut wird, hier also der mit dem Gebiet des Holzschutzes vertraute Fachmann. Dieser wertet das in (2) mitgeteilte Ergebnis von der Überlegenheit des Tolylfluanids gegenüber Dichlofluanid beim Einsatz gegen echte Mehltaupilze mit seinem begrenzten Fachwissen, das es ihm nicht ermöglicht, eine Verbindung zwischen dieser Erkenntnis und der aufgabengemäßen Suche nach verbesserten Holzschutzmittelkomponenten herzustellen; denn hierfür liegt das Gebiet des Pflanzenschutzes, dem Dokument (2) zuzurechnen ist, viel zu weit von seinem eigenen, mit totem Material befaßten Fachgebiet ab.
9.2.4. Zudem regt auch der bloße Umstand, daß die in (2) angesprochenen Schadorganismen wie auch diejenigen, deren Bekämpfung hier angestrebt wird, unter den Sammelbegriff der Pilze fallen (dem übrigens auch so unterschiedliche Pilze wie die Penicillin erzeugenden Penicilliumarten und der giftige Knollenblätterpilz angehören), nicht dazu an, die - unstreitig - nicht vorhersehbare Übertragbarkeit der Lehre nach (2) auf das Holzschutzgebiet im Experiment zu prüfen. Hierfür fehlt - jedenfalls aus der Sicht des Holzschutzfachmanns - jeder technische Zusammenhang zwischen den echten Mehltaupilzen und den drei international als repräsentativ angesehenen holzschädigenden Pilzen. Unter diesen Umständen wäre der hier einschlägige Fachmann aufgrund von (2) nicht auf die Idee verfallen, die von der Beschwerdegegnerin als naheliegend angesehenen Versuche anzustellen.
9.3. Dokument (4) befaßt sich mit einem von Tolylfluanid strukturell völlig verschiedenen Wirkstoff und ist somit ohne jede Relevanz. Als solches ist (4) zudem erst 1979, d.h. nach dem maßgeblichen Prioritätsdatum, veröffentlicht.
9.4. Dokument (4a) war im Einspruchsverfahren insofern von Bedeutung, als sich die Beschwerdeführerin auf die dort gemachten Angaben zur Wasserlöslichkeit von Dichlofluanid einerseits und Tolylfluanid andererseits berief, um die Überwindung eines Vorurteils gegen die patentgemäße Lösung zu begründen. Nachdem sie ein solches Vorurteil zuletzt nicht mehr geltend gemacht hat und es eines solchen angesichts der Bereitstellung eines verbesserten Wirkstoffes zur Verwendung in Holzschutzmitteln auch nicht mehr bedarf, erübrigt sich auch hierauf ein weiteres Eingehen.
9.5. Die angezogenen weiteren Dokumente konnten daher gleich falls weder für sich, noch in Verbindung miteinander oder mit (6) den Gegenstand von Anspruch 1 nahelegen. Dieser beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit.
10. Die Ansprüche 2 und 3 werden von der Patentfähigkeit des Anspruches 1 getragen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.