T 0053/87 04-09-1989
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Hybridvektor, Verfahren zur Verbesserung der Amplifikation und Expression von Hybridvektoren durch die Verwendung von mitochondrialer DNA
Neuheit - Auslegung einer Veröffentlichung anhand
eines Bezugsdokuments
Neuheit - Disclaimer
Novelty - interpretation of a document on the basis
of a reference document
Novelty - disclaimer
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 26. Mai 1982 angemeldete und am 8. Dezember 1982 veröffentlichte Patentanmeldung 82 104 582.0 mit der Veröffentlichsnummer 66 249 wurde durch die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 9. September 1986 zurückgewiesen. Dieser Entscheidung liegen acht Patentansprüche zugrunde, von denen die Ansprüche 1 und 5 für zehn Vertragsländer in der Fassung der Eingabe vom 17. April 1986 folgenden Wortlaut haben:
1. Verfahren zur Transformation von eukaryotischen Zellen durch Hybridvektoren mit aus Mitochondrien stammender, einen mitochondrialen Replikationspunkt enthaltender DNA, dadurch gekennzeichnet, daß man einen Hybridvektor einsetzt, der erhalten wird durch a) Isolieren mitochondrialer DNA, b) Herausschneiden eines Fragmentes aus dieser DNA, das einen Replikationspunkt enthält und c) Einbau dieses Fragments in den Vektor.
5. Hybridvektor, dadurch gekennzeichnet, daß er ein aus der mitochondrialen DNA von Podospora- oder Acremoniumarten durch Einwirkung eines Restriktionsenzyms gewonnenes, einen Replikationspunkt aufweisendes Fragment enthält.
II. Die Zurückweisung wurde mit mangelnder Neuheit begründet. Gemäß Entgegenhaltung (III) (Tudzynski, P. u. a. Current Genetics, 1980, 2, 181-184) seien bereits eukaryotische Wirtzellen mit einem Hybridvektor transformiert worden, der ein, einen Replikationspunkt aufweisendes Segment einer mitochondrialen DNA enthält. Solche Vektoren waren weiterhin aus Dokument (II) bekannt gewesen (Stahl, V. u. a., Molec. gen. Genet. 1980, 178, 639-646). Die pl-DNA (d. h. ein plasmidartige DNA) sei gemäß diesen Veröffentlichungen aus mitochondrialer DNA von Podospora anserina hergestellt worden, was ebenfalls bereits bekannt gewesen sei (Esser, K. u. a., Molec. gen. Genet., 1980, 178, 213-215) (IV). Die pl- DNA trage einen Replikationspunkt und stelle daher ein Segment, d. h. somit ein Fragment dar. Der bekannte Vektor sei ein Hybridvektor, der die pl-DNA und die DNA des bakteriellen Plasmids pBR 322 aufweise und falle somit unter den Wortlaut der Ansprüche 1 und 5. Zwischen dem Ausdruck "Fragment" im Anspruch und dem Ausdruck "Segment" in der Entgegenhaltung bestehe kein Unterschied.
III. Gegen die Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 5. November 1986 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde erhoben und diese am 15. Januar 1987 begründet. Mit der Begründung wurde Anspruch 5 in geänderter Fassung mit folgendem Wortlaut vorgelegt:
"5. Hybridvektor, dadurch gekennzeichnet, daß er ein aus der mitochondrialen DNA von Podospora- oder Acremoniumarten, ausgenommen pl-DNA von Podospora anserina, durch Einwirkung eines Restriktionsenzyms gewonnenes, einen Replikationspunkt aufweisendes Fragment enthält.
Als Hilfsantrag wurden dieselben Ansprüche mit einem geänderten Anspruch 1 vorgelegt, in welchem in analoger Weise ein Disclaimer eingefügt wurde ("... DNA, ausgenommen pl-DNA von Podospora anserina, dadurch ...").
IV. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin folgendes aus:
Die Erfindung unterscheide sich von dem Stand der Technik gemäß Dokument (II/III) und (IV) dadurch, daß es sich um zielstrebig erhaltene Fragmente von pl-DNA handele, und nicht um solche, die aufgrund eines natürlichen Vorgangs aus midochondrialer DNA abgespalten worden seien. Allenfalls sei ein solches Fragment teilweise mit der pl-DNA homolog, also nicht identisch.
Das beanspruchte Fragment sei im Sinne eines Restriktionsfragments zu verstehen, d. h. als das Resultat einer Behandlung mit einem Restriktionsenzym. Solche Fragmentierung liefere zwangsläufig das richtige DNA- Fragment, weil nur dieses zu einem replikationsfähigen Vektor führe.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Gewährbarkeit der am 15.1.87 eingereichten 8 Patentansprüche sowie der 4 Patentansprüche für den Vertragsstaat Österreich gemäß Hauptantrag oder hilfsweise gemäß Hilfsantrag festzustellen. Die Beschwerdeführerin beantragte eine mündliche Verhandlung, sofern ihren Anträgen nicht entsprochen werden könne. Auf telefonische Rückfrage des Berichterstatters erklärte sie sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, sofern ihre Beschwerde nicht zurückgewiesen und die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen wird.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht Art. 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ, sie ist zulässig.
2. Die einzige Änderung, sowohl im Hauptantrag und Hilfsantrag im Vergleich mit den früheren Ansprüchen ist der Disclaimer für "pl-DNA von Podospora anserina" im Anspruch 5. Die Ausnahme dieses Materials stellt eine Einschränkung dar und verstößt daher nicht gegen Art. 123 (2) EPÜ.
3. Die Neuheit des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist gegenüber (II) schon dadurch gewährleistet, daß dieses Dokument Hybridvektoren ausschließlich für die Transformation von E. coli, d. h. prokaryotische Zellen verwendet. Die Entgegenhaltung enthält keine Information darüber, daß diese Vektoren auch für die Transformation von eukaryotischen Zellen in Frage kommen könnten.
4. Jedoch werden nach (III) eukaryotische Wirtszellen gerade mit einem Hybridvektor transformiert, der ein einen Replikationsprodukt aufweisendes Segment einer DNA enthält, die aus P. anserina, und insbesondere aus dessen pl-DNA hergestellt wurde. Das Dokument (III) definiert solche DNAs mit einem direkten Hinweis auf (II) (s. Seite 183, rechte Spalte, Z. 18-19: "Podospora pl-DNA integrated in the bacterial vector pBR 322, Stahl et al. 1980). Der experimentelle Teil von (II) beschreibt aber die Herstellung des Hybridvektors als das Ergebnis der gemeinsamen Spaltung von pBR 322 und pl-DNA von P. anserina mit dem Sal-I Enzym (s. Seite 640, rechte Spalte oben).
5. Die Anmeldung selbst erwähnt pl-DNA als ein mögliches Ausgangsmaterial für die Spaltung mit Sal-I (S. 7). Da die pl-DNA in (II), wie auch in der Anmeldung, mitochondrialer Abstammung sein kann, stand das entsprechende mit Enzym behandelte Segment oder Fragment zur Hybridvektorbildung und nachfolgenden Transformation dem Fachmann zur Verfügung. Daher ist der Anspruch vom Stand der Technik (III) nicht ausreichend abgegrenzt.
6. Aus der Entgegenhaltung (II) geht bereits hervor, daß die Gruppe von mitochondrialen DNAs von juvenilen und senescenten Mitochondrien abstammt (S. 641, Fig. 1). Im vorliegenden Fall kann daher Anspruch 1 nicht so ausgelegt werden, daß die isolierte "mitochondriale" DNA notwendigerweise ihren Ursprung nur von juvenilen Mitochondrien haben muß. Wenn gemäß (II) bewußt mit Sal-I fragmentiert wird, werden im Vorgang nach (III) alle Merkmale des beanspruchten Verfahrens verwirklicht. Wenn eine Entgegenhaltung eine Komponente, die durch einen unmittelbaren und eindeutigen Hinweis gemäß den Bedingungen einer anderen Entgegenhaltung hergestellt wurde, für eine Kombination verwendet, ist das Kombinationsprodukt und das Herstellungsverfahren, Teil des Stands der Technik (siehe T 153/85 "Alternative Ansprüche", ABl. EPA 1988, 1, Punkt 4).
7. Anspruch 1 des Hauptantrags ist daher neuheitsschädlich getroffen. Im Gegensatz dazu kann die Neuheit der geänderten Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags nicht beanstandet werden, weil der Disclaimer den oben genannten Stand der Technik ausschließt.
8. Da die Prüfung der Patentierbarkeit noch nicht abgeschlossen ist, wird die Anmeldung zur Fortsetzung des Verfahrens an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen. Es soll dabei auch geprüft werden, ob die Offenbarung des beanspruchten Verfahrens in der Anmeldung deutlich und vollständig ist, d. h. ob z. B. die Anweisungen für die Herstellung von Produkten in Bezug von Acremonium chrysogenum ausführlich genug sind.
9. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedürfte es nicht, da diese nur für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde, nicht aber für den Fall der Zurückverweisung an die erste Instanz beantragt worden ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens aufgrund der Ansprüche im Hilfsantrag an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.