T 0721/96 15-09-1998
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Traversenwaage
Sachverhalt und Antrage
I. Die Einspruchsabteilung wies mit der am 7. Juni 1996 zur Post gegebenen Entscheidung einen Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 0 525 220 zurück. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) frist- und formgerecht Beschwerde ein.
II. Nachdem die Verfahrensbeteiligten im Beschwerdeverfahren mehrere Stellungnahmen ausgetauscht hatten, lud die Kammer die Beteiligten am 4. Dezember 1997 zu einer mündlichen Verhandlung, die am Donnerstag, den 5. Marz 1998, stattfinden sollte.
III. Mit Schreiben vom 27. Februar 1998 teilte der Patentinhaber (Beschwerdegegner) der Kammer mit, er verzichte auf sein Europäisches Patent für die zwei Vertragsstaaten Osterreich und Deutschland, in denen es noch in Kraft stehe und beantrage deshalb die Aufhebung des Termins für die mündliche Verhandlung. Dieses Schreiben übermittelte der Beschwerdegegner am gleichen Tag per Telefax auch an die Beschwerdeführerin.
IV. Am 3. Marz 1998 teilte die Kammer dem Beschwerdegegner per Fax mit, seine Verzichtserklärung beziehe sich auf zwei im Patent benannte Vertragsstaaten und sei deshalb unklar und interpretationsbedürftig. Für die angestrebte Beendigung des Verfahrens bedürfe es eines unmißverständlichen Antrags auf Widerruf des Patents. Ein entsprechender Antrag ging noch am gleichen Tag ein und wurde der Beschwerdeführerin am Morgen des 4. Marz 1998 zusammen mit der Nachricht über die Terminaufhebung zugestellt.
V. Mit Entscheidung vom 3. Marz 1998 widerrief die Kammer das Europäische Patent Nr. 0 525 220 gemäß dem Antrag des Patentinhabers.
VI. Im Anschlug an diese Entscheidung stellte die Beschwerdeführerin mit Brief vom 16. Marz 1998 den Antrag, die Kosten für ihre Vorbereitung der mündlichen Verhandlung seien gemäß Artikel 104 EPU aus Billigkeitsgründen dem Beschwerdegegner aufzuerlegen. Wegen seines Verhaltens sei ihr die Nachricht über die Terminaufhebung erst 5 Stunden vor dem Abreisetermin zur Verhandlung zugegangen.
VII. Am 27. Marz 1998 teilte die Kammer den Verfahrensbeteiligten in einem Bescheid die Gründe mit, weshalb dem genannten Antrag voraussichtlich nicht stattgegeben werden könne und forderte sie zur Stellungnahme auf.
VIII. Mit Schreiben vom 25. Mai 1998 wandte sich der Vertreter des Beschwerdegegners (Patentinhabers) gegen den Antrag der Beschwerdeführerin. Er habe den Vertreter der Gegenseite als Kollegen schon am 27. Februar 1998 davon unterrichtet, daß der Patentinhaber das Patent nicht weiterverfolge und die Aufhebung des Verhandlungstermins beantragt worden sei. Im übrigen dürfte es der Gegenseite schwerfallen, die Kosten nachzuweisen, die ihr durch die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung entstanden sein sollen, zumal die letzte Eingabe von ihr stamme.
IX. Die Beschwerdeführerin bestand mit Schreiben vom 5. Juni 1998 auf ihrem Antrag. Der Verzicht des Patentinhabers vom 27. Februar 1998 habe für sie nur bedeutet, daß das Patent ex nunc erloschen sei, so daß sich noch Rechte aus dem Patent vor diesem Zeitpunkt ergeben hatten. Sie habe deshalb auch weiterhin davon ausgehen oder gegebenenfalls selbst beantragen müssen, daß die Verhandlung vom 5. Marz 1998 stattfinde, um eine Entscheidung auch für die Vergangenheit herbeizufuhren. Erst mit dem Schreiben des Patentinhabers vom 3. Marz 1998 habe sich herausgestellt, daß dieser aus Fahrlässigkeit den falschen Antrag gestellt habe, so daß sich schon hieraus eine Kostenübernahme rechtfertige. Ferner habe sich mit dem Verzicht vom 27. Februar 1998 für die Beschwerdeführerin eine neue Rechtslage ergeben, deren Klärung zusätzliche Kosten verursacht habe.
1. Nachdem die Beschwerde in der Sache mit der Entscheidung vom 3. Marz 1998 rechtskräftig entschieden worden ist, kann sich das Verfahren nur noch auf die prozessuale Frage der Kostenverteilung gemäß Artikel 104 EPÜ richten.
2. Artikel 104 EPÜ sieht vor, daß im Einspruchsverfahren jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst tragt. Wenn und soweit es der Billigkeit entspricht, kann über die Verteilung der Kosten, die durch eine mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme verursacht worden sind, anders entschieden werden. Es stellt sich im vorliegenden Fall deshalb die Frage, ob unter Berücksichtigung aller Umstände die von der Beschwerdeführerin beantragte Kostenverteilung der Billigkeit entspricht.
3. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei nach der Rechtsprechung der zeitliche Ablauf der Ereignisse, die zur Aufhebung des Verhandlungstermins führten. In der Sache T 0614/89 war die Zurücknahme einer Beschwerde vier Tage vor dem Termin der mündlichen Verhandlung als noch so rechtzeitig beurteilt worden, daß sich eine Verteilung der Kosten für die Vorbereitung der Verhandlung nicht rechtfertigte.
Wie sich im vorliegenden Fall aus den Akten ergibt, hat der Beschwerdegegner am Freitag, den 27. Februar 1998 nicht nur die Kammer, sondern auch die Beschwerdeführerin vom Verzicht auf das Patent und vom Antrag auf Aufhebung der mündlichen Verhandlung unterrichtet. Dieser Zeitpunkt lag fast eine Woche oder 4 Arbeitstage vor dem Termin vom 5. Marz 1998 für die mündliche Verhandlung. Auch wenn diese Verzichtserklärung wegen ihrer Bezugnahme auf zwei benannte Staaten für eine Beendigung des Beschwerdeverfahrens zunächst nicht eindeutig genug erschien, so machte sie doch klar, daß sich die mündliche Verhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit erübrigte. Sollten bei der Beschwerdeführerin hierüber Zweifel bestanden haben, so hatte sie sich bei der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer über den weiteren Verlauf des Verfahrens informieren können. Auch die Befürchtung der Beschwerdeführerin, der Verzicht solle sich nicht auf die Vergangenheit beziehen, wofür die Verzichtserklärung selbst keinen Anhaltspunkt bietet, hatte sich durch Ruckfrage bei der Gegenpartei klaren lassen.
4. Im Zusammenhang mit dem zeitlichen Aspekt ist aber auch der zu erwartende zeitliche Aufwand der Beschwerdeführerin für ihre Vorbereitungen zu berücksichtigen. Hierzu ist in Erwägung zu ziehen, daß die letzte Eingabe vor der Verhandlung von der Beschwerdeführerin selbst stammte und am 2. Februar 1998 per Telefax an das EPA übermittelt wurde. Damit befand sich die Beschwerdeführerin zu jenem Zeitpunkt auf dem letzten Stand des Verfahrens und wurde danach mit keinen neuen Argumenten mehr konfrontiert. Unter diesen Umstanden war es zumindest nicht unbillig, wenn der Beschwerdegegner seinen Verzicht nicht vor dem 27. Februar 1998 erklärte.
5. Das auf den Bescheid der Kammer bin vorgebrachte Argument der Beschwerdeführerin, die Klärung der Rechtslage nach der Verzichtserklärung habe ihr zusätzliche Kosten verursacht, ist für den hier zu entscheidenden Antrag insofern ohne Bedeutung, als diese Kosten auch ohne die (abgesagte) mündliche Verhandlung entstanden waren. Da sie somit nicht durch die mündliche Verhandlung verursacht worden sind, unterliegen sie nicht einer Verteilung nach Artikel 104 EPÜ.
6. In Abwägung der Umstände des vorliegenden Falls kommt die Kammer deshalb zum Ergebnis, daß eine Verteilung der Kosten gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin aus Billigkeitsgründen nicht gerechtfertigt ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenverteilung wird abgelehnt.