T 0152/82 18-05-1984
Download und weitere Informationen:
Verfahren zur Behandlung von Butandiol, das als Kondensat bei der Herstellung von Polybutylen- terephthalaten erhalten wurde
Erfinderische Tätigkeit
Experimentieren auf gut Glück
Grosse Beschwerdekammer
inventive step
experiments on the off chance
enlarged Board of Appeals
I. Auf die europäische Patentanmeldung 78 100 177.1, die am 16. Juni 1978 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Voranmeldung vom 24. Juni 1977 angemeldet worden ist, ist am 23. Juli 1980 das europäische Patent 0 000 159 auf der Grundlage von fünf Patentansprüchen erteilt worden. Anspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Behandlung von Butandiol, das als Kondensat bei der Herstellung von Polybutylenterephthalaten anfällt, mit alkalischen Mitteln, dadurch gekennzeichnet, daß man dem Kondensat bei einer Temperatur von 40°C bis zu einer Temperatur unter dem Siedepunkt des Butandiols bei dem jeweils angewandten minimalen Druck 0,01 bis 0,2 Gew.%, bezogen auf das Kondensat, Alkalialkoholate oder Alkalihydride zusetzt."
II. Gegen die Erteilung des europäischen Patents hat die Einsprechende am 15. Januar 1981 Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt. Die Begründung wurde auf neu genannten Stand der Technik gestützt.
III. Durch Entscheidung vom 4. Juni 1982 hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen und hierzu folgendes ausgeführt:
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei von (4) US-A-2 793 235 auszugehen, der eine ähnliche Augabenstellung, nämlich die Zerlegung der Polyester in niedermolekulare besser lösliche Bruchstücke zugrunde liegt. Wenn die Anmelderin festgestellt habe, daß die direkte Übertragung des Verfahrens nach (4) auf das bei der Polybutylenterephthalat-Herstellung anfallende Butandiol fehlschlage, habe es nahegelegen, schärfere Reaktionsbedingungen anzuwenden. Wie allgemein bekannt, seien die Alkalialkoxide am effektivsten; dies ergebe sich aus (1) Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, Band 8, Seite 356-7. Wenn man zudem (2) FR-A-l 081 681 berücksichtige, wonach Polybutylenterephthalat durch Umesterung mit Alkalialkoholaten als Katalysatoren in niedermolekulare Ester überführbar sind, sei für den Fachmann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen, daß die anmeldungsgemäße Aufgabe durch Alkoholyse mit Alkalialkoholat-Katalysatoren zu lösen war.
Der alternative Vorschlag, Alkalihydride zu verwenden, sei gleichfalls nicht erfinderisch), weil Alkalihydride in Gegenwart von Butandiol sofort in die entsprechenden Alkoholate übergingen und daher als Äquivalente zu diesen anzusehen seien.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin am 4. August 1982 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, allerdings in unzureichender Höhe, Beschwerde eingelegt und diese am 15. September 1982 begründet. Hierzu wird im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Würde man den Empfehlungen nach dem Stand der Technik folgen, so müßte man entweder Alkali in Überschuß anwenden oder die Polyester enthaltene Lösung zunächst erhitzen und dann mit Natriummethylat behandeln. Die Verwendung von Alkalialkoxid-Katalysatoren könne nicht nahegelegen haben, denn (1) besage nicht anderes, als daß es unerheblich ist, ob Alkali in Form von Natriumalkoholat oder in Form von Nariumhydroxid in überschüssigem Alkohol angewandt wird, da auf jeden Fall Natriumalkoxylat vorliegt. Diese Ansicht werde gestützt durch (7) J. Chem. Soc. 1954, Seiten 3737 bis 3742.
Ein tatsächlicher Unterschied zwischen Alkalialkoxiden und Lösungen von Alkalihydroxiden in Alkoholen werde nach gängiger Lehrmeinung nicht gemacht. Dies werde auch insofern bestätigt, als in (2) Natronlauge und Natriumalkoholat gleichwertig hingestellt werden. Tatsächlich mußte auch nach dem in (4) beschriebenen Verfahren, bei dem Natriumhydroxid in Diolen angewandt wird, das entsprechende Alkoxid vorliegen. Schließlich wird das dort beschriebene Verfahren nicht nur für die Behandlung von Polyethylenterephthalat empfohlen, sondern auch für polymerenhaltige Lösungen von Butandiol-1,4. Bei der Lösung der gestellten technischen Aufgabe konnte deshalb im Hinblick auf den aufgezeigten Stand der Technik kein Unterschied zwischen Natriumhydroxid in Alkohol oder Natriumalkoxylat als Katalysatoren bei der Alkoholyse gemacht werden. Von einem schärferen oder weniger wirksamen Mittel könne deshalb - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - nicht gesprochen werden.
Offensichtlich bestünden jedoch erhebliche Unterschiede bei der Behandlung von Polymeren. Entsprechend dem in (4) beschrieben Verfahren solle Alkali in dem im wesentlichen wasserfreien Medium im Überschuß angewandt werden. Ziehe man zur Lösung der technischen Aufgabe noch (2) zu Rate, so komme man zu einem ganz anderen Schluß. Dort werde nämlich das Polymere zunächst mit dem entsprechenden Diol auf eine Temperatur über 100°C längere Zeit erhitzt und anschließend das niedermolekulare Produkt katalytisch umgeestert.
Demgegenüber empfehle das Verfahren der Erfindung die Behandlung von Butandiol bei 40 - 60°C mit katalytischen Mengen an Alkalialkoholat oder -hydrid, wodurch ein reineres Produkt erhalten werde, das ohne Schwierigkeiten destilliere.
Die Beschwerdefuhrerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben, und das Patent in beschränktem Umfang auf der Grundlage von 4 Patentansprüchen aufrechtzuerhalten, von denen Anspruch 1 folgende Fassung hat:
"Verfahren zur Behandlung von Butandiol, das als Kondensat bei der Herstellung von Polybutylenterephthalaten anfällt, mit alkalischen Mitteln, dadurch gekennzeichnet, daß man dem Kondensat bei einer Temperatur von 40°C bis 60°C 0,01 bis 0,2 Gew.%, bezogen auf das Kondensat, Alkalialkoholate oder Alkalihydride zusetzt."
V. Die Einsprechende vertritt weiterhin die Auffassung, daß der Gegenstand des vorliegenden Patents nicht das Merkmal der erfinderischen Tätigkeit aufweise. Hierzu bezieht sie sich auf die in der Widerrufsentscheidung gegebenen Gründe. Zudem macht sie geltend, daß (7) eine rein wissenschaftliche Veröffentlichung sei, die keine Lehre zum technischen Handeln vermittle und außerdem die Umesterung, auf die es hier ankomme, insbesondere die Alkoholyse, nicht gezielt anspreche. Demgegenüber gebe das für den Praktiker geschriebene Nachschlagewerk (1) eine geschlossene Lehre, wonach Alkalialkoxide bei derartigen Reaktionen am wirksamsten seien. Wenn die Patentinhaberin auf (3), Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, 2. Auflage (1965), Band 8, Seite 361 und damit auf die bei der Esterspaltung beschriebenen hohen Temperaturen verweise, übersehe sie, daß (8), d. h.. Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, 2. Auflage (1965), Band 8, Seite 362 im Absatz "Ester-Ester-Interchange" unter ausdrücklichem Bezug auf die Alkoholyse zur Vermeidung destruktiver Temperaturen zur Verwendung von Katalysatoren rate und hierbei speziell die Natriumalkoxide nenne; von Hydroxiden sei keine Rede.
Außerdem seien in dem gleichen Werk an anderer Stelle (9), d. h. Kirk-Othmer, Encyclopedia of Chemical Technology, Band 2, Seite l5, die Alkoxide als Katalysatoren für Um-esterung und Alkoholyse hervorgehoben. Insgesamt vermittelten (1), (8) und (9) einzeln wie zusammen die klare Lehre, zur Umesterung und speziell zur Alkoholyse Alkalialkoxide zu verwenden.
(2) und (4) führe von der beanspruchte Arbeitsweise nicht weg. Zwar nenne (2) in der Beschreibung Natriummethylat und alkoholisches Natriumhydroxid nebeneinander; die beiden Beispiele indessen arbeiteten nur mit Natriummethylat und beschrieben bei etwa 700C eine fast augenblickliche Umesterung. (4) bediene sich der Alkalihydroxide für den Abbau der dort beschriebenen Ester des Ethylenglykols; stelle der Fachmann fest, daß die Alkalihydroxide für den Abbau der Ester des Butandiol-1,4 nicht taugten, habe ihm sofort die Lehre aus (2) zur Verfügung gestanden, nämlich statt der Hydroxide besser die Alkoholate einzusetzen.
Auch die Beschränkung auf den Temperaturbereich von 40 bis 60°C könne den Anmeldungsgegenstand nicht schutzfähig machen. Schon (1) offenbare im Absatz "Temperatures", daß die Alkoholyse mit (den zwei Absätze später definierten) alkalischen Katalysatoren oft schon bei Zimmertemperatur oder darunter gelinge; eine ähnliche Auskunft gebe (9). Nach (2) bilde sich der Ester des zugefügten Alkoholes nach kurzem Erwärmen bei niederer Temperatur. Bei den angewendeten niederen Temperaturen habe man auch mit einem reineren Produkt rechnen können.
VI. Beide Parteien haben mündliche Verhandlung beantragt. Diese hat am 3. April 1984 stattgefunden.
Die Kammer hat am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet, daß sie die Aufrechterhaltung des angegriffenen europäischen Patents in geändertem Umfang mit den näher bezeichneten Unterlagen beschließen wird und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, hierzu im Fall des Nichteinverständnisses Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin hat am 14. April 1984 erklärt, daß sie mit der zur Aufrechterhaltung vorgesehenen Fassung nicht einverstanden ist. Dabei hat sie einen Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wegen Abweichung von den Prinzipien der Entscheidung T 15/81 (Amtsbl. EPA 1982 S. 2) gestellt.
1. Über die Zulässigkeit der Beschwerde wurde bereits in der Entscheidung vom 5. September 1983 in positivem Sinne vorab entschieden.
2. Gegen die derzeitige Fassung der geltenden Patentansprüche bestehen keine formalen Bedenken, da sie den Schutzbereich des europäischen Patents nicht erweitern (Art. 123 (3) EPÜ).
Der neu vorgelegte Anspruch 1 ist eine Zusammenfassung der Ansprüche 1 und 3 aus der europäischen Patentschrift 159. Sie wird im übrigen auch von der Beschwerdeführerin "aus den Anmeldungsunterlagen herleitbar" angesehen.
3. Die Entscheidung geht zutreffend von (4) aus, welche die Rückgewinnung von Glycolen aus der Polyesterherstellung
Diese Rückgewinnung ist aus ökonomischen Gründen notwendig, weil in der ersten Stufe der zweistufigen Polyesterherstellung mit einer Glycolmenge gearbeitet werden muß, die weit über der stöchiometrischen Menge liegt. In der zweiten Stufe, der eigentlichen Polykondensationsstufe, wird dann dieser chemisch gebundene Glycolüberschuß wieder frei, nach dem folgenden Schema, gezeigt am Beispiel der Herstellung von Polyethylenglycolterephthalat (PETP).
Formel i)
Formel ii)
Das in der zweiten Stufe dampfförmig anfallende Glycol wird kondensiert, üblicherweise durch rückgeführtes Glycol, das in die Glycoldämpfe eingespritzt wird (vgl. (4), Spalte l, Zei- len 49 - 52 und EP-159, Spalte 3, Zeilen 57 - 63). Normalerweise sind in diesem Kondensat 1,5 - 3,5 Gew.% Therephthalat- ester und -polyester enthalten, wobei bis zu 0,08 Gew.% in Glycol unlöslich sind (vgl. (4), Spalte 3, Zeilen 1 - 6), was zur Verstopfung der Sprühdüsen führt (vgl. (4), Spalte 1, Zeilen 52 - 61).
Bei diesen störenden Feststoffen handelt es sich um polymere Terephthalsäureester (vgl. Sp. 1, Z. 55 - 61).
Gemäß dem Vorschlag nach (4) wird dieser Nachteil dadurch verhindert, daß man diese störenden Ester mit im wesentlichen wasserfreien Alkali, besonders mit Natriumhydroxid und Natriumcarbonat verseift (vgl. Ansprüche 1, 3 und 4). Dabei wird Alkali in leichtem Überschuß, bezogen auf die Ester, angewendet und schließlich Glycol und Alkaliterephthalat erhalten (vgl. Spalte 2, Zeilen 1 - 6 und Spalte 3, Zeilen 52 - 55). Die hierfür eigens vorgeschlagenen Temperaturen betragen bis zu 70°C (vgl. Spalte 2, Zeilen 55 - 57 in Verbindung mit der Abbildung). Dieses Verfahren läßt sich nicht nur auf die Behandlung von Ethylenglycol, sondern auch auf die von Butandiol anwenden (vgl. Spalte 4, Zeilen 5 - 9).
Die Patentinhaberin hat nun festgestellt, daß gerade diese Arbeitsweise nicht das versprochene Resultat zeigt (vgl. die Vergleichsversuche in der EP-159 sowie Beispiele 3 und 4, eingereicht am 15.09.1982). Vielmehr wird bereits nach einigen Tagen eine Verstopfung von Einspritzdüsen beobachtet, was zu mechanischer Reinigung der Leitungen und zum Auswechseln der Kühler nach einer Betriebszeit von 4 Wochen zwingt (vgl. bes. Vergleichsversuch 4).
Gleichzeitig weist das nach der Alkalibehandlung durch Destillation zurückgewonnene gelb gefärbte Butandiol den typischen Aldehydgeruch auf und setzt sich bei erneuter Verwendung zur Polybutylenterephthalatherstellung zu einem schwach gelb gefärbten Produkt verminderter Viskosität um (vgl. nachgereichtes Beispiel 2, eingegangen am 15.9.1982).
Dem Verfahren nach dem vorliegenden Patent liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Behandlung von Butandiol, wie es als Kondensat bei der Herstellung von PBTP anfällt vorzuschlagen, bei dem die geschilderten Nachteile nicht auftreten, d. h. die störenden Feststoffabscheidungen vermieden werden und zugleich ein reines, bei der Polyesterherstellung problemlos wiederverwendbares Butandiol anfällt`
Zur Lösung dieser Aufgabe wird die Kombination dreier Merkmale vorgeschlagen:
a) Zusatz von Alkalialkoholaten oder Alkalihydriden;
b) in einer Menge zwischen 0,01 - 0,2 Gew.-%;
c) bei Temperaturen zwischen 40 und 60°C.
Dieser Lösungsweg wird nachfolgend - der Kürze halber - als alkalialkoxid-katalysierte Alkoholyse oder einfach katalytische Alkoholyse bei niedriger Temperatur bezeichnet, weil die Esterbindungen des die Butandiolrückgewinnung hauptsächlich störenden polymeren Butylenterephthalats vom Alkohol Butandiol gelöst werden.
Die Patentinhaberin hat auch - unwidersprochen - demonstriert, daß diese Aufgabe tatsächlich gelöst wird. Dies ergibt sich einmal aus Beispiel 3, wonach - im Gegensatz zu der Verfahrens weise nach den Vergleichsversuchen 4 und 5 - keine Feststoffabscheidungen im Butandiolkreislauf während einer 3-monatigen kontinuierlichen Betriebsdauer beobachtet wurden. Zum anderen wird die höhere Reinheit des zurückgewonnenen Butandiols neben dem Geruchstest durch die Verbesserung der Aphazahl von 38 (Gelbfärbung) auf 5 (farblos) belegt (vgl. die am l5.9`82 nachgereichten Beispiele 1 und 2). Es ist auch glaubhaft, daß sich die höhere Reinheit des Butandiols bei seiner Wiederverwendung zur Polyesterherstellung in der vorstehend angegebenen Weise vorteilhaft niederschlägt.
4. Eine derartige Lehre ist in dem der Kammer vorliegenden Stand der Technik nicht vorbeschrieben, also - unstreitig - neu.
Es ist daher zu prüfen, ob sie auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Die Argumentation der Vorinstanz, die sich die Einsprechende zu eigen macht, wonach der Fachmann bei Fehlschlag des Verfahrens nach (4) auf der Suche nach einem wirksamen Verfahren mit ähnlicher Aufgabenstellung der oben genannten Art schärfere Reaktionsbedingungen, d. h. den besseren Alkalialkoxid-Katalysator nach (1) angewendet hätte, läßt außer Acht, daß es sich bei (4) um ein mit mindestens stöchiometrischen Mengen Alkali ablaufendes Verseifungsverfahren handelt (vgl. Spalte l, Zeile 73, Spalte 2, Zeilen 13, l7, l9, 2l, Spalte 3, Zeilen 30, 54 und 65 sowie die Ansprüche l, 6, 10, 11, 14 und 16), während sich (1) mit einem unterschiedlichen Reaktionstyp, der Alkoholyse und den hierfür geeigneten Katalysatoren befaßt. Das patentierte Verfahren ist daher keinesfalls eine Modifikation des Verfahrens nach (4), bei dem bloß verschärfte Reaktionsbedingungen angewendet werden, es stellt vielmehr eine Abkehr vom bekannten Verseifungsverfahren mit den hierfür verwendeten stöchiometrische Alkalimengen dar.
Die Lehre nach (1)` wonach bei der Alkoholyse von Estern Alkalialkoholate die wirksamste Katalysatoren darstellen, eröffnet dem Fachmann keine Aussicht, daß gerade die katalytische Alkoholyse zu den anvisierten Verbesserungen im Sinne der zu lösenden Aufgabe führen würde. Auch (2) nennt Alkali-alkoxid-Katalysatoren nur im Zusammenhang mit der Alkoholyse von depolymerisierten, d. h. monomeren Terephthalsäureestern mit niederen Alkoholen (vgl. Seite 2, linke Spalte, Abs. 3 und die beiden Beispiele). Aus der Sicht der bestehenden technische Aufgabe bot der nächstliegende Stand der Technik nach (l) und (2), geschweige denn die übrigen weiter abliegenden Entgegenhaltungen, keinen Anreiz zu deren Lösung. Es kann daher auch keine Rede davon sein, es hätten - ähnlich wie bei dem der Entscheidung "Wirbelstromprüfeinrichtung" (Amtsbl. EPA 1982, 2) zugrunde liegenden Fall - nur zwei Möglichkeiten zur Lösung der anvisierten Aufgabe bestanden.
5. Nachdem der Stand der Technik keine Voraussagen darüber zuläßt, wie die bei der Butandiolrückgewinnung aus Kondensaten der Polyesterherstellung anfallenden störenden und nach (4) nicht zu beseitigenden Feststoffe in Lösung zu bringen sind, bei gleichzeitiger Verbesserung der Reinheit des Butandiols gegenüber der Verfahrensweise nach (4), waren Erkenntnisse über die Lösung dieser Aufgabe nur auf experimentellem Wege zu erlangen. Es ist daher zu untersuchen, ob der Fachmann bei den auf gut Glück anzulegenden Versuchen nicht deshalb zur katalytischen Alkoholyse gegriffen hätte und so zwangsläufig auf das patentierte Verfahren gestoßen wäre, weil dies der einzig mögliche oder doch der allernächstliegende Weg gewesen wäre.
Hierzu verweist die Einsprechende besonders auf (l), (8) und (9). Diese Entgegenhaltungen stellen, zusammen mit (3), Ausschnitte aus dem Standardwerk der chemischen Technologie von Kirk-Othmer dar und befassen sich in sehr allgemeiner Weise mit Esteraustauschreaktionen. Nach (1), Seite 356 wird hierbei zwischen der Reaktion eines Esters mit Alkohol (Alkoholyse), mit einer Carbonsäure (Acidolyse) und mit einem anderen Ester (Interesterifikation) unterschieden. Demnach stehen dem Fachmann mehrere Methoden zur Umesterung zur Verfügung, so daß kein Zwang zu Versuchen mit der Alkoholysemethode bestand.
6. Bleibt noch zu prüfen, ob sich nicht die katalytische Alkoholyse im Hinblick auf nicht zu übersehende, eindeutige Vor- bilder für den auf Geratewohl experimentierenden Fachmann geradezu aufgedrängt hätten. Wenngleich in (1), (8) und (9) die Alkoholyse von Esterbindungen des polymeren Grundgerüsts nicht angesprochen ist, so weiß der Fachmann, daß solche Polyesterbindungen mittels überschüssigem Alkohol bei hohen Temperaturen gespalten werden.
So nennt (3) die Rückumwandlung von Polyethylenterephthalat in Dimethylterephthalat durch Anwendung eines großen Metha- nolüberschusses bei hoher Temperatur und hohem Druck. Auch (2) bedient sich in der ersten und hier einzig interessieren- den Verfahrensstufe der thermischen Alkoholyse. Dabei werden Polyester, auch Polybutylenterephthalat mittels ein oder mehrwertiger Alkohole, auch Butandiol (vgl. Seite 1, rechte Spalte, Abs. 3) bei Temperaturen über 1O0°C (vgl. Seite 1, rechte Spalte, letzter Absatz) in niedermolekulare Ester umgewandelt. In den beiden Beispielen werden Temperaturen um 200°C (bei Reaktionszeiten von 4 - 5 Stunden), aber - entsprechend der bevorzugten und einzig demonstrierten Arbeitsweise (vgl. Résumé 1° und die beiden Beispiele ) - kein Katalysator angewendet.
Daraus ist zu entnehmen, daß der Stand der Technik beim Polyesterabbau den Weg der nicht katalysierten thermischen Alkholyse gewählt hat. Dies bestätigt nur die häufig zu machende Feststellung, daß allgemeine Aussagen, wie die nach (1) und (9) nicht ohne weiteres auf Spezialgebiete ausgedehnt werden können.
Nachdem also die katalytische Alkoholyse keine generell genutzte oder gar im Vordergrund stehende Methode zum Polyesterabbau darstellt, geht auch der Hinweis auf (8) ins Leere, Katalysatoren seien hierfür schon deshalb nötig gewesen, um die Reaktionsgeschwindigkeit den praktischen Bedürfnissen anzupassen und so destruktive Temperaturen zu vermeiden, eine Lehre, die nicht nur für den Ester-Ester-Austausch, sondern auch für die Alkoholyse durch den ausdrücklichen Rückbezug hierauf gelte.
7. Wenn die Einsprechende meint, daß der Fachmann die drasti schen Bedingungen der thermischen Alkoholyse nach (2), d. h. die hohen Temperaturen schon wegen des zu fordernden hohen Reinheitsgrades des zur Wiederverwendung vorgesehenen Butandiols vermieden und daher zur katalystischen Alkoholyse bei niedriger Temperatur gegriffen hätte, übersieht sie, daß die Reinheit dieses Butandiols offenbar nicht von der Temperatur, sondern der Art des Katalysators abhängt; dies zeigt das nachgereichte Beispiel 2, eingegangen am 15.9.1.982, welches das Verfahren nach (4) bei den hierfür vorgesehenen Temperaturen (vgl. Spate 2, Zeile 55: Höchsttemperatur 70°C), nämlich 55 - 60°C nacharbeitet mit dem Ergebnis, daß trotz Anwendung niederer Temperaturen ein gelbgefärbtes, nicht geruchfreies Butandiol resultiert, das sich nur zu einem gelblich gefärbten Polyester verminderter Qualität verarbeiten läßt.
8. Bei dieser Sachlage braucht nicht untersucht zu werden, ob die Literaturstelle (7), der die Äquivalenz zwischen Natriumäthylat und einer äthanolischen Natriumhydroxidlösung zu entnehmen ist, den Fachmann eingedenk des schlechten Reinigungsergebnisses mit alkoholischer Natriumhydroxidlösung nach (4) nicht von Versuchen mit Alkalialkoxiden abgehalten hätte.
9. Daraus ergibt sich, daß das patentierte Verfahren nach Anspruch 1 weder aus der Sicht der Aufgabenstellung, noch aus anderen Gründen durch den angezogenen Stand der Technik nahegelegt wurde; es gilt daher als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend. Diese Schlußfolgerung trifft auch für die auf den Anspruch l rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 zu, die von der Patentfähigkeit des Hauptanspruchs getragen werden.
10. Zu einer Fortsetzung des Einspruchsverfahrens nach Regel 58 (5) EPÜ besteht daher keine Veranlassung.
11. Der Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer war aus den oben (Nr. 4) dargelegten Gründen abzulehnen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Es wird wie folgt entschieden:
l. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das europäische Patent 159 in folgendem Umfang aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung nach der europäischen Patentschrift mit der Maßgabe, daß Spalte 2, Zeilen 12 - 56 ersetzt wird durch Seite 3, eingegangen am 7.3.1984 sowie Spalte 3, Zeilen 47 - 56 ersetzt wird durch Absatz 2 aus Seite 5, eingegangen am
- Patentansprüche 1 - 4, eingegangen am 4.8.1982.
3. Der Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wird abgelehnt.