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J 0004/86 (Klimaanlage) 04-03-1987
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Rücknahmefiktion mangels Prüfungsantrag
Zeitpunkt des Rechtsverlusts
Jahresgebühr -Fälligkeit innerhalb der Nachfrist gemäß Regel 85b EPÜ
Verfahrensfehler (nein) - unrichtige Rechtsauslegung
Sachverhalt und Anträge
I. Am 24. Mai 1983 reichte die Beschwerdeführerin eine europäische Patentanmeldung unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 27. Mai 1982 ein. In üblicher Weise stellte sie dabei den Prüfungsantrag ohne bereits die Prüfungsgebühr zu bezahlen. Am 7. November 1984 wurde im europäischen Patentblatt auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts für diese Anmeldung hingewiesen. Die Frist, um den Prüfungsantrag durch Zahlung der Gebühr wirksam zu machen, lief damit am 7. Mai 1985 ab. Es schloß sich die Nachfrist nach Regel 85b EPÜ bis 8. Juli 1985 an. Eine Prüfungsgebühr wurde nicht gezahlt.
II. Die 3. Jahresgebühr für die europäische Patentanmeldung in Höhe von 460,- DEM wurde am 3. Mai 1985 gezahlt; nach Regel 37 EPÜ wurde sie am 31. Mai 1985 fällig. Am 25. Juni 1985 beantragte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der Jahresgebühr. Sie legte dar, daß die Prüfungsgebühr absichtlich nicht gezahlt wurde, damit die Anmeldung nach Artikel 94 (3) EPÜ als zurückgenommen gelten soll. Die versehentlich gezahlte Jahresgebühr sei erst nach dem Eintritt der Rücknahmefiktion fällig geworden und daher zurückzuzahlen.
III. Mit Entscheidung vom 8. August 1985 lehnte die Eingangsstelle des EPA die Rückzahlung mit folgenden Erwägungen ab: Die Rücknahme-Fiktion sei erst mit Ablauf der Nachfrist für die Zahlung der Prüfungsgebühr eingetreten, so daß die gezahlte und dann innerhalb der Nachfrist fällig gewordene Jahresgebühr verfallen sei. Dies ergäbe sich daraus, daß der Anmelder bis zum Ende der Nachfrist die Möglichkeit habe, durch Zahlung der Prüfungsgebühr mit Zuschlag das Patenterteilungsverfahren fortzusetzen. Die Patentanmeldung sei auch während der Nachfrist noch "anhängig".
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 20. Dezember 1985 unter Zahlung der Gebühr Beschwerde ein
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Regeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Die Bedeutung dieser Beschwerde liegt darin, daß mit ihr geklärt wird, ob eine während der Nachfrist nach Regel 85 b EPÜ gezahlte Jahresgebühr zurückerstattet werden kann, wenn von dem Rechtsbehelf nach dieser Regel kein Gebrauch gemacht wird. Bei Ablauf der Frist für die Stellung des Prüfungsantrags nach Artikel 94 (2) EPÜ werden regelmäßig auch schon Jahresgebühren nach Artikel 86 (1) i.V.m. Regel 37 (1) EPÜ geschuldet. Die Anmelder haben sich daher häufig auf regelmäßige Jahresgebührenzahlungen eingerichtet, die auch durch Computer vorgenommen werden. Daher kann es zu einer unbeabsichtigten, d.h. irrtümlichen Zahlung der Jahresgebühr kommen. Die Zahlung kann auch bewußt, d. h. vorsorglich für den Fall eines etwaigen Gebrauchs der Heilungsmöglichkeit nach Regel 85b EPÜ gezahlt sein. Die Jahresgebühr mit Zuschlag muß sogar vorsorglich gezahlt werden, wenn die 6-Monatsfrist nach Artikel 86 (2) EPÜ innerhalb der Nachfrist nach Regel 85b EPÜ abläuft. Andernfalls wäre der Anmelder auf eine Wiedereinsetzung in die erstgenannte Frist angewiesen, wenn er die Anmeldung durch Gebrauch des Rechtsbehelfs nach Regel 85b EPÜ fortführen will.
3.1. Die Nachfristen mit Zuschlagsgebühr nach den Regeln 85a und 85 b EPÜ finden ihr Vorbild in der Nachfrist nach Artikel 86 (2) EPÜ betreffend die noch wirksame Zahlung einer Jahresgebühr mit Zuschlag innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit. Diese Vorschrift geht ihrerseits auf Artikel 5 bis PVÜ zurück. Daher liegt es nahe, zunächst zu prüfen, ob aus dem System der Nachfrist nach Artikel 5 bis PVÜ bzw. 86 (2) EPÜ eine logisch zwingende Antwort gefunden werden kann, ob eine Patentanmeldung, falls von einem Rechtsbehelf zu ihrer Erhaltung kein Gebrauch gemacht wurde, mit dem Beginn oder erst mit dem Ende der Rechtsbehelfsfrist entfallen ist.
3.2. Artikel 5bis PVÜ wurde zuletzt auf den Konferenzen von Den Haag und Lissabon diskutiert (s. hierüber Bodenhausen, Kommentar zur PVÜ, 1971). Die Diskussionen zeigen, daß das Schutzrecht während der Nachfrist als fortbestehend anzusehen ist. Dafür aber, ob es bei Nichtzahlung als mit Ablauf der Grundfrist oder mit Ablauf der Nachfrist als weggefallen anzusehen ist, gibt es keine logisch zwingende Lösung. Dementsprechend hat man die Regelung dem anwendbaren Recht überlassen. Eine Bedeutung hat die Frage bei erteilten Schutzrechten im Hinblick auf das Ende der Schutzdauer. Bei europäischen Patentanmeldungen entfällt nach Artikeln 67 (1) und 69 (2) EPÜ der vorläufige Schutz rückwirkend, so daß es in dieser Hinsicht nicht auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem die Patentanmeldung entfällt. Auch für die Anwendung von Artikel 122 (6) EPÜ, also für die Entstehung eines Zwischenbenutzungsrechts, kommt es kaum darauf an, ob der dort erwähnte "Eintritt des Rechtsverlusts" mit dem Ende der Grundfrist oder dem Ende der Nachfrist eintritt.
3.3. Ein Blick auf die Rechtslage bei erteilten Patenten zeigt deutlich, daß der Zeitpunkt des Wegfalls keine logische Gesetzmäßigkeit ist, sondern aus dem anwendbaren Recht abgeleitet werden muß. So ist in Artikel 51 (3) des Gemeinschaftspatentübereinkommens von 1975 (GPÜ) gesagt: "Das Erlöschen des Gemeinschaftspatents wegen nicht rechtzeitiger Entrichtung einer Jahresgebühr und ggf. der Zuschlagsgebühr gilt als am Fälligkeitstag der Jahresgebühr eingetreten". Diese Regelung geht auf eine von Anbeginn der Arbeiten getroffene Entscheidung zurück (Bericht über die Sitzung der Arbeitsgruppe "Patente" vom 1. Januar 1962, Dok. IV/215/62, auf der Grundlage der Vorschläge ihres Vorsitzenden vom 15. November 1961). Dieser Lösung folgt Artikel 48 des französischen Patentgesetzes, während 20 (1) Nr. 3 des deutschen Patentgesetzes den Rechtsverlust erst mit dem Ablauf der Nachfrist eintreten läßt.
3.4. Hinsichtlich der europäischen Patentanmeldungen gab es noch im Zweiten Vorentwurf von 1971 (dort Artikel 130 Abs. 3) eine ausdrückliche Vorschrift, die den Rechtsverlust mit dem Ende der Nachfrist eintreten ließ. Der geltenden Fassung des Artikels 86 (3) EPÜ dürfte in dieser Hinsicht keine eindeutige Regelung zu entnehmen sein. Daraus folgt, daß von dem Vorbild der Nachfristregelungen in den Regeln 85a und 85 b, nämlich Artikel 86 (2) und (3) EPÜ, keine Antwort auf die Frage des Zeitpunkts des Rechtsverlusts gewonnen werden kann. Die hier zu entscheidende Frage kann daher nur aus Artikel 94 und Regel 85 b EPÜ beantwortet werden.
4. Der Wortlaut von Artikel 94 (3) EPÜ bezeichnet eindeutig - worin dem Beschwerdeführer zuzustimmen ist - das Ende der Grundfrist als den Zeitpunkt des Rechtsverlusts. Durch die später mit Regel 85b EPÜ hinzugetretene Möglichkeit, daß der Prüfungsantrag "noch innerhalb einer Nachfrist ... wirksam gestellt werden" kann, sollte keine Fristverlängerung, sondern eine Heilungsmöglichkeit gegeben werden. Durch Zahlung des Zuschlags innerhalb der Nachfrist sollte der Prüfungsantrag "noch wirksam" i.S.v. "rückwirkend heilend" gestellt werden können. Dies muß nicht unbedingt aus Artikel 33 (1) a) EPÜ gefolgert werden, der eine Verlängerung der Prüfungsantragsfrist verbietet. Eine kurze Nachfrist, mit der nur ein Rechtsbehelf zur Überwindung einer Fristversäumnis gewährt wird, fällt nicht unter dieses Verbot. Es ist aber der Wortlaut und damit die Systematik von Artikel 94 (3) EPÜ, die es ausschließt, daß der Eintritt der Rücknahmefiktion durch Regel 85b EPÜ an das Ende der Nachfrist verlegt wird. Dies war mit Regel 85b EPÜ auch nicht beabsichtigt, wozu auf die diesbezügliche Literatur (vgl. Schatz in GRUR Int. 1981, 677) Bezug genommen sei. Es wird dort ausgeführt, daß der Rechtsverlust bei Nichtgebrauch der Heilungsmöglichkeit mit Ablauf der 6-Monatsfrist (Grundfrist) eintritt (a.a.O. S. 678 unten). Es werde hier die "nicht ungewöhnliche" Lösung gewählt, daß "im Wege der Fiktion eine Heilungsmöglichkeit derart vorgesehen wird, daß eine verspätete Handlung als rechtzeitig gilt" (a.a.O. S. 679). Dementsprechend ist davon auszugehen, daß nach Wortlaut und Sinn der genannten Regel der Rechtsverlust vorbehaltlich einer Heilung mit dem Ablauf der Grundfrist eintritt. Dieses Ergebnis hat wohl nur für eine etwa gezahlte Jahresgebühr Bedeutung (vgl. oben 2.), darf hier aber als ein sinnvolles Ergebnis angesehen werden, das zu einer vernünftigen Anwendung des Übereinkommens führt.
5. Ein vergleichender Blick auf die Situation, wenn nach eingetretener Rücknahmefiktion eine Weiterbehandlung nach Artikel 121 EPÜ möglich ist, aber nicht erfolgt, mag dieses Ergebnis bestätigen. In dieser analogen Situation ist die Frage, wann der Rechtsverlust bei Nichtgebrauch des Rechtsbehelfs eintritt, durch den Wortlaut von Artikel 121 (1) klar beantwortet. Es ist gesagt, daß durch den Rechtsbehelf "die bereits eingetretene" Rechtsfolge "rückgängig gemacht" wird. Auch hier entspricht das Ergebnis einer vernünftigen Anwendung des Übereinkommens. Eine Jahresgebühr, die innerhalb der Rechtsbehelfsfrist fällig wird, ist zurückzuzahlen, falls von dem Rechtsbehelf der Weiterbehandlung kein Gebrauch gemacht wird. Auch hier wird vom Anmelder somit nicht verlangt, daß er die Anmeldung unter Zahlung einer verlorenen Jahresgebühr aufrechterhält - nur um die Möglichkeit einer Weiterbehandlung nicht zu verlieren.
6. Die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist im Hinblick auf Regel 67 EPÜ nicht möglich. Der hierzu als Voraussetzung geforderte Verfahrensmangel liegt nicht vor (siehe auch J 08/84 "Anspruchsgebühren/BLENDAX" in ABl. EPA 1985, 261, 266, Gründe Nr. 12). Die Tatsache, daß die Eingangsstelle des EPA die Rechtsfrage, wann die Rücknahmefiktion nach Artikel 94 (3) EPÜ wirksam wird, anders beantwortet hat als die Beschwerdekammer, kann nicht als Verfahrensmangel angesehen werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Rückzahlung der 3. Jahresgebühr wird angeordnet.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.