T 0387/05 (Vorform aus synthetischem Kieselglas/SCHOTT LITHOTEC AG) 17-12-2008
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Vorform aus synthetischem Kieselglas und Vorrichtung zu ihrer Herstellung
Gültigkeit der Priorität (nicht entscheidungserheblich)
Ausführbarkeit (Einwand nicht aufrechterhalten)
Zulässigkeit der Änderungen: ja
Neuheit: ja
Erfinderische Tätigkeit: nein (Umformulierung der Aufgabe notwendig wegen fehlender Vergleichbarkeit mit dem Stand der Technik; vom Fachmann zu treffende Maßnahmen nahegelegt durch Eigenschaften des Erzeugnisses)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 964 832 (Anmeldenummer 98921387.1) in geänderter Fassung gemäß dem Hilfsantrag aufrechterhalten wurde.
II. Gegen das erteilte Patent hatte der Einsprechende wegen mangelnder Neuheit, mangelnder erfinderischer Tätigkeit und unzureichender Offenbarung Einspruch eingelegt (Artikel 100(a) und (b) EPÜ). Der Einsprechende hatte den Widerruf des Patents in vollem Umfang beantragt. In seiner Begründung stützte er sich auf folgende Entgegenhaltungen:
D1 : EP 0 401 845 A;
D2 : EP 0 720 970 A.
III. Das Streitpatent enthält in der von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen geänderten Fassung 13 Patentansprüche. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 7, lauten wie folgt:
"1. Vorform aus synthetischem Kieselglas, die nach dem Verfahren der Flammenhydrolyse mit nachfolgender Kühlung hergestellt worden und zur Anwendung mit energiereicher DUV-Strahlung im Wellenlängenbereich unter 250 nm geeignet ist, gekennzeichnet durch einen Kernbereich, dessen OH-Gehalt >= 1150 ppm, dessen Spannungsdoppelbrechung <= 5 nm/cm, dessen H2-Gehalt >= 1·10**(18) Moleküle/cm**(3), dessen Cl-Gehalt <= 20 ppm beträgt, dessen Gehalt an Spurenverunreinigungen der Elemente Cr, Co, Fe, Ni, Cu, V, Zn, Al, Li, K, Na bis zu 500 ppb beträgt und der im wesentlichen frei von Schichtungen ist und dessen Widerstandsfähigkeit gegenüber energiereicher DUV-Strahlung durch eine Transmissionsverringerung von Delta T <= 0,1 %/cm Dicke gegeben ist, wenn das Kieselglas folgende Bestrahlung erfahren hat: Wellenlänge lambda1 = 248 nm, Laserschußfrequenz >= 300 Hz, Laserschußzahl >= 10**(9) und Energiedichte <= 10 mJ/cm**(2) sowie Wellenlänge lambda2 = 193 nm, Laserschußfrequenz >= 300 Hz, Laserschußzahl >= 10**(9) und Energiedichte <= 5 mJ/cm**(2)."
"7. Vorrichtung zur Herstellung der Vorform gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 6, bei der eine Muffel mit einem Innenraum horizontal angeordnet ist, der an gegenüberliegenden Seiten der Muffel je eine unterschiedlich große Öffnung aufweist, von denen die größere Öffnung zur Entnahme der Vorform und die kleinere Öffnung zur Einführung eines Brenners dient, dadurch gekennzeichnet, daß der Muffelinnenraum sich von der größeren zur kleineren Öffnung im wesentlichen kontinuierlich verengt und zumindest der die Vorform umschließende Teil des Muffelinnenraums zur Drehachse der Vorform wenigstens annähernd rotationssymmetrisch gestaltet ist."
IV. In der angefochtenen Entscheidung führte die Einspruchsabteilung aus, die beanspruchte Vorform gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei neu gegenüber der Entgegenhaltung D2, da bei D2 ein zusätzlicher Verfahrensschritt zur Erzielung von Schichtenfreiheit notwendig sei.
Der abhängige Anspruch 2 gemäß Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 100(b) EPÜ nicht. Zwei Merkmale dieses Anspruchs, nämlich "eine veränderte Transmissionsverringerung" und "ein unverändertes Damageverhalten" seien "nicht definiert".
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags sei neu. Beim Anspruch 1 handle es sich um einen "product by process" Anspruch, wobei ein schichtenfreies SiO2 Glas "direkt durch Flammenhydrolyse und anschließende Kühlung - ohne einen zusätzlichen Verfahrensschritt -" hergestellt werden könne. Weder aus den einzelnen Entgegenhaltungen D1 oder D2, noch aus der Kombination der beiden Dokumente sei der Gegenstand des Anspruchs 1 herleitbar. Insbesondere werde durch diese Dokumente keine technische Lehre vermittelt, wie ein Glas erhalten werden könne, das ohne einen zusätzlichen Behandlungsschritt "im wesentlich frei von Schichtungen" sei, und dessen "Cl-Gehalt <= 20 ppm" betrage.
Die Einspruchsabteilung kam zum Schluss, dass das Patent auf der Basis des Hilfsantrags aufrechterhalten werden könne.
V. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) widersprach der Auffassung der Einspruchsabteilung. Er trug in der Beschwerdebegründung vom 9. Juni 2005 vor, die Einspruchsabteilung habe es unterlassen, die Unwirksamkeit des Prioritätsanspruchs beim Streitpatent festzustellen. Diese Unterlassung stelle einen Verstoß gegen den Prüfungsauftrag und gegen die Prüfungsrichtlinien des Europäischen Patentamts dar.
Die mit Datum vom 22. Oktober 2004 eingereichten Normen ISO 10110 und MIL-G-174B seien zu Unrecht unberücksichtigt gelassen worden.
D3: International Standard ISO 10110-4 : 1997(e), "Optics and optical instruments - Preparation of drawings for optical elements and systems - Part 4: Material imperfections - Inhomogeneity and striae"
D3a:DIN ISO 10110-4: "Erstellung von Zeichnungen für optische Elemente und Systeme. Teil 4: Materialfehler - Inhomogenitäten und Schlieren (ISO 10110-4 : 1997".
[Deutsche Entsprechung von D3];
D4: MIL-G-174B, "Military Specification. Glass, optical", 5 December 1986.
Die beanspruchte Vorform gemäß Anspruch 1 sei gegenüber der Lehre von D2 nicht neu. Hilfsweise fehle die Neuheit gegenüber D2 in Verbindung mit der Industrienorm D3.
Die Vorform beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Im Übrigen enthalte das Patent kein nacharbeitbares Ausführungsbeispiel.
VI. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) nahm mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 Stellung zu der Beschwerde. Er widersprach der Auffassung des Beschwerdeführers. Zur Frage der Ausführbarkeit machte er geltend, der Beschwerdeführer habe diesen Einwand erstmals in der Beschwerdebegründung substantiiert. Das Vorbringen entspreche einem neuen Einspruchsgrund, der nicht ohne das Einverständnis des Patentinhabers (Beschwerdegegners) eingeführt werden dürfe.
VII. Am 17. Dezember 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in dessen Verlauf der Beschwerdegegner einen geänderten Anspruchssatz vorlegte, den er als einzigen Antrag weiterverfolgte.
VIII. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Vorform aus synthetischem Kieselglas, die nach dem Verfahren der Flammenhydrolyse mit nachfolgender Kühlung hergestellt worden und ohne dass eine zusätzliche Dotierung benötigt wird zur Anwendung mit energiereicher DUV-Strahlung im Wellenlängenbereich unter 250 nm geeignet ist, gekennzeichnet durch einen Kernbereich, dessen OH-Gehalt >= 1150 ppm, dessen Spannungsdoppelbrechung <= 5 nm/cm, dessen H2-Gehalt >= 1·10**(18) Moleküle/cm**(3), dessen Cl-Gehalt <= 20 ppm beträgt, dessen Gehalt an Spurenverunreinigungen der Elemente Cr, Co, Fe, Ni, Cu, V, Zn, Al, Li, K, Na bis zu 500 ppb beträgt und der ohne dass eine Verdrillung der Vorform erforderlich ist frei von Schichtungen ist und dessen Widerstandsfähigkeit gegenüber energiereicher DUV-Strahlung durch eine Transmissionsverringerung von Delta T <= 0,1 %/cm Dicke gegeben ist, wenn das Kieselglas folgende Bestrahlung erfahren hat: Wellenlänge lambda1 = 248 nm, Laserschußfrequenz = 300 Hz, Laserschußzahl = 1,1·10**(9) und Energiedichte = 10 mJ/cm**(2) sowie Wellenlänge lambda2 = 193 nm, Laserschußfrequenz = 300 Hz, Laserschußzahl = 1,1·10**(9) und Energiedichte = 5 mJ/cm**(2)."
Der geltende Anspruch 6 hat folgenden Wortlaut:
"6. Vorrichtung zur Herstellung der Vorform gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 5, bei der eine Muffel mit einem Innenraum horizontal angeordnet ist, der an gegenüberliegenden Seiten der Muffel je eine unterschiedlich große Öffnung aufweist, von denen die größere Öffnung zur Entnahme der Vorform und die kleinere Öffnung zur Einführung eines Brenners dient, dadurch gekennzeichnet, daß der Muffelinnenraum sich von der größeren zur kleineren Öffnung im wesentlichen kontinuierlich verengt und zumindest der die Vorform umschließende Teil des Muffelinnenraums zur Drehachse der Vorform wenigstens annähernd rotationssymmetrisch gestaltet ist."
IX. Der Beschwerdeführer argumentierte im Wesentlichen, der Anspruch 1 beziehe sich auf ein Erzeugnis, nämlich auf eine Vorform, und nicht auf ein Verfahren. Das angebliche Unterscheidungsmerkmal, wonach kein zusätzlicher Verfahrensschritt erforderlich sei, komme im Anspruch 1 nicht vor. Auf Grund des Wortlauts des Anspruchs 1 sei nicht auszuschließen, dass ein solcher Verfahrensschritt durchgeführt werde. Entsprechend sei die beanspruchte Vorform nicht mehr neu.
Da die Beschreibung kein Ausführungsbeispiel enthalte, das vom Fachmann nachgearbeitet werden könne, sei nicht erkennbar, wie ein Quarzglas mit den im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen, insbesondere mit den im Anspruch 1 angegebenen Wasserstoff- und Chlorgehalten, hergestellt werden könne.
X. Demgegenüber argumentierte der Beschwerdegegner, die Entgegenhaltung D2 beschreibe weder das Merkmal, dass der Kernbereich der Vorform frei von Schichtungen sei, noch das Merkmal, dass die Widerstandsfähigkeit gegenüber energiereicher DUV-Strahlung durch eine Transmissionsverringerung DeltaT <= 0,1 %/cm Dicke gegeben sei, wenn das Kieselglas die im Anspruch 1 definierte Bestrahlung erfahren habe. Eine schichtungsfreie Vorform herzustellen, also Schichtungsfreiheit praktisch während der Herstellung des Glases ohne einen zusätzlichen Verfahrensschritt zu erreichen, sei zum Prioritätsdatum etwas völlig Neues gewesen. Aus dem Umstand, dass das Problem der Schichtungsfreiheit in D2 nicht angesprochen werde, könne man nicht den Schluss ziehen, dass Schichtungsfreiheit bereits vor dem Prioritätsdatum des Patents selbstverständlich gewesen sei. Außerdem beziehe sich D2 nicht auf Vorformen, sondern auf fertige optische Elemente.
Auch aus dem Dokument D3 ergebe sich nicht, dass die Vorformen gemäß D2 schichtungsfrei seien. Im deutschen Sprachraum unterscheide die Fachwelt nämlich - anders als im Englischen - zwischen "Schichtungen" bzw. "Schichten" einerseits, und "Schlieren" andererseits. "Schichtungen" seien ausgedehnte Inhomogenitäten, die sich, bei seitlicher Betrachtung, praktisch über den gesamten Querschnitt der Vorform erstreckten. Die dadurch verursachte Brechzahlinhomogenität lasse sich nur durch eine seitliche Betrachtung quer zur Aufwachsrichtung der Vorform bestimmen. "Schlieren" seien hingegen lokale, zumeist punkt- oder fadenförmige Inhomogenitäten mit kleiner räumlichen Ausdehnung. Die durch "Schlieren" erzeugte, wenige Millimeter oder Zentimeter große Brechzahlinhomogenität lasse sich in allen Betrachtungsrichtungen feststellen. Im Englischen könne das Wort "striae" sowohl "Schichtungen", als auch "Schlieren" bedeuten. Der Ausdruck "extremely free of striae" in D3 bedeute nicht "extrem schichtungsfrei", sondern "extrem schlierenfrei".
Eine der technischen Aufgaben des Patents habe darin bestanden, ein Glas herzustellen, das widerstandsfähig gegenüber Excimerlaserbestrahlung sei. Zur Angabe der Lösung werde die Vorform im Anspruch 1 durch eine messbare Eigenschaft, nämlich die Transmissionsverringerung DeltaT nach einer definierten Strahlenbehandlung charakterisiert. Eine andere Charakterisierung der Vorform, etwa in Form von Angaben über die innere Struktur des Quarzglases, sei zum Prioritätszeitpunkt nicht möglich gewesen.
Die in D2 angegebenen Werte für die Transmissionsverringerung DeltaT seien nicht mit den Werten des Patents vergleichbar, da bei D2 ein herkömmliches Messverfahren verwendet worden sei, bei dem eine geringe Anzahl von Laserpulsen mit einer hohen Energiedichte eingesetzt werden. Demgegenüber beruhten die Werte des Patents auf einem neuen Langzeit-Meßverfahren, das durch eine hohe Anzahl von Laserpulsen mit geringer Energiedichte gekennzeichnet sei (vgl. Anspruch 1).
Zum Einwand der mangelnden Ausführbarkeit führte der Beschwerdegegner aus, in sachlicher Hinsicht sei der Einwand unzutreffend, denn das Patent enthalte detaillierte Angaben über die zur Herstellung der Vorform verwendete Muffel. Geeignete Einströmgeschwindigkeiten der Gase und die übrigen Verfahrensbedingungen könne der Fachmann auf dem Gebiet der Glasherstellung auf Grund seines allgemeinen Fachwissens festlegen, ohne dass er dabei erfinderisch tätig werden müsse.
XI. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 964 832.
Außerdem beantragte er, dass ihm im Hinblick auf die "Ungereimtheiten bei der Entscheidung der Einspruchsabteilung" die Beschwerdegebühr erlassen werde.
Der Beschwerdegegner beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2008 eingereichten Hauptantrag.
Entscheidungsgründe
1. Gültigkeit der Priorität - Artikel 87 EPÜ
1.1 Die Gültigkeit der Priorität ist im vorliegenden Fall nur im Zusammenhang mit der Frage von Bedeutung, ob das Dokument D3 uneingeschränkt dem Stand der Technik gemäß Artikel 54(1),(2) EPÜ zuzurechnen ist, oder ob es zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ gehört. Aus den nachstehend genannten Gründen ist diese Frage jedoch nicht entscheidungserheblich. Es ist deshalb nicht erforderlich, auf die Frage der Gültigkeit der Priorität näher einzugehen.
1.2 Das Dokument D3 enthält kein Veröffentlichungsdatum. Auf Grund der Bezeichnung "ISO 10110-4:1997(e)", kann zwar vermutet werden, dass das Dokument im Verlauf des Jahres 1997 erstellt und/oder veröffentlicht worden ist. Ob dies vor oder nach dem Prioritätsdatum, d.h. dem 7. März 1997, geschehen ist, bleibt indessen offen. Auch das Dokument D3a gibt darüber keinen Aufschluß. Der Titel von D3a ("Internationale Norm ISO 10110-4, Ausgabe 1997-08-01") lässt keinen eindeutigen Rückschluss auf das Veröffentlichungsdatum von D3 zu. Der Beschwerdeführer hat seinerseits keine einschlägigen Beweismittel vorgelegt. Demnach muss der genaue Zeitrang von D3 als ungeklärt gelten.
1.3 Die Kammer erachtet es als nicht erforderlich, darüber weitere Nachforschungen anzustellen, da der Inhalt von D3 für die vorliegende Entscheidung nicht von Bedeutung ist. Der Beschwerdeführer hat die Normen D3 und D4 lediglich herangezogen, um die terminologische Frage zu klären, was Fachleute auf dem Gebiet der Glasherstellung unter dem englischen Begriff "striae", bzw. den deutschen Ausdrücke "Schlieren" bzw. "Schichten", zum maßgeblichen Zeitpunkt üblicherweise verstanden haben. Nach Auffassung der Kammer kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht auf solche Feinheiten im deutschen und englischen Sprachgebrauch an. Wie das Merkmal "frei von Schichtungen" zu verstehen ist, ergibt sich nämlich eindeutig aus der Beschreibung des Patents, in der ausgeführt wird, dass die Vorform "weder eine axiale noch eine zu ihrer Aufwachsrichtung quer liegende Schichtung" aufweist (vgl. Kolonne 5, Zeilen 45 - 48). Demnach ist die Vorform frei von Schichtungen, welche typischerweise bei der Herstellung von synthetischem Kieselglas nach dem Verfahren der Flammenhydrolyse ("Aufwachsen") mit nachfolgender Kühlung auftreten. Zum Verständnis des Begriffs "Schichtung" im vorliegenden Zusammenhang bedarf es keines Rückgriffs auf die Normen D3 oder D4.
2. Ausführbarkeit - Artikel 100(b) EPÜ
2.1 Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Einspruchsschrift vom 25. Februar 2002 die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung als Einspruchsgrund genannt (vgl. Einspruchsschrift EPA Form 2300, Abschnitt VI). Zur Begründung hat er damals ausgeführt, die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 2 des erteilten Patents seien weder über den Rückbezug auf Anspruch 1, noch über die entsprechenden erläuternden Textteile in der Beschreibung nachvollziehbar. Somit gebe der Anspruch 2 keine Lehre zum Handeln (vgl. Anlage 1 der Einspruchsschrift, Seite 6, Abschnitt "Anspruch 2").
2.2 Die Einspruchsabteilung hat sich in dieser Beziehung der Auffassung des Beschwerdeführers angeschlossen, und in der Folge hat der Beschwerdeführer den wegen mangelder Ausführbarkeit angegriffenen Anspruch 2 gestrichen (vgl. Entscheidung vom 4. Februar 2005, Seite 4, zweiter Abschnitt).
2.3 Im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer einen auf andere sachliche Grundlagen gestützten Einwand wegen mangelnder Ausführbarkeit erhoben. Nach seiner Auffassung fehlen im Patent ein nacharbeitbares Beispiel, sowie genaue Angaben darüber, wie die im Anspruch 1 angegebenen Wasserstoff- und Chlorgehalte des Quarzglases erzielt werden können (vgl. Beschwerdebegründung vom 9. Juni 2005, Seite 10, Abschnitt C).
2.4 Der Beschwerdeführer hat diesen Einwand wegen mangelnder Ausführbarkeit allerdings im Hinblick auf das vom Beschwerdegegner eingewandte allgemeine Fachwissen nicht näher erläutert. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung hat er erklärt, er halte seinen Einwand wegen mangelnder Ausführbarkeit nicht länger aufrecht.
Aufgrund dieser Sach- und Beweislage kommt die Kammer zum Schluss, dass die Ausführbarkeit gegeben ist.
3. Zulässigkeit der Änderungen - Artikel 123(2), (3) EPÜ
3.1 Mehrere Merkmale des geänderten Anspruchs 1 sind im ursprünglich eingereichten Anspruch 1, wie er unter dem PCT-Vertrag veröffentlicht worden ist, nicht enthalten. Diese Merkmale haben jedoch alle eine Basis in der ursprünglichen Anmeldung (nachstehend "PCT-Anmeldung" genannt), wie aus folgender Aufstellung zu ersehen ist:
"ohne dass eine zusätzliche Dotierung benötigt wird", vgl. Seite 8, Zeilen 1 - 3 der PCT-Anmeldung.
"OH-Gehalt >= 1150 ppm", vgl. Seite 12, Zeilen 9 - 13.
"H2-Gehalt >= 1·10**(18) Moleküle/cm**(3)", vgl. Anspruch 7 der PCT-Anmeldung.
"Cl-Gehalt <= 20 ppm", vgl. Anspruch 6 der PCT-Anmeldung.
"Gehalt an Spurenverunreinigungen der Elemente Cr, Co, Fe, Ni, Cu, V, Zn, Al, Li, K, Na bis zu 500 ppb", vgl. Anspruch 8 und Seite 7, Zeile 35 bis Seite 8, Zeile 1 der PCT-Anmeldung.
"frei von Schichtungen", vgl. Anspruch 4; Seite 7, Zeilen 3 - 6; Seite 10, Zeile 31.
"ohne dass eine Verdrillung der Vorform erforderlich ist", vgl. Seite 9, Zeilen 1 - 2 der PCT-Anmeldung.
3.2 Im geltenden Anspruch 1 sind die Angaben über die Bestrahlungsbedingungen insofern präzisiert worden, als anstelle der im ursprünglichen Anspruch 1 enthaltenen Symbole für "größer oder gleich" (>=) bzw. "kleiner oder gleich" (<=) jeweils ein Gleichheitszeichen (=) eingesetzt wurde. Dadurch werden der Laserschußfrequenz, der Laserschußzahl und der Energiedichte feste Werte zugeordnet, während vorher lediglich Minimal- bzw. Maximalbedingungen festgelegt waren. Im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ ist diese Änderung zulässig, da die Symbole "größer oder gleich" und "kleiner oder gleich" den Fall der Gleichheit ausdrücklich als eine vorgesehene Möglichkeit umfassen.
3.3 Der Beschwerdeführer hat allerdings geltend gemacht, es liege ein Verstoß gegen Artikel 123(3) EPÜ vor, weil der geänderte Anspruch 1 nun Vorformen einschließe, die ursprünglich nicht umfasst gewesen seien. Beispielsweise habe sich der ursprüngliche Anspruch 1 nur auf Vorformen bezogen, die sowohl bei einer Laserschußfrequenz von 300 Hz, als auch bei höheren Frequenzen dem angegebenen Kriterium für die Transmissionsverringerung DeltaT entsprechen. Gemäß dem geänderten Anspruch 1 genüge es jedoch, wenn eine Vorform die Bedingung für DeltaT ausschließlich bei der Pulszahl von 300 Hz erfülle.
3.4 Die Kammer hält den Einwand des Beschwerdeführers unter Artikel 123(3) EPÜ nicht für überzeugend. Nach ihrer Auffassung können die Symbole ">=" und "<=" im vorliegenden technischen Zusammenhang, d.h. bei der Definition der genauen Bedingungen zur Messung einer Eigenschaft der beanspruchten Vorformen, nicht anders als im Sinn von "größer oder gleich" bzw. "kleiner oder gleich" verstanden werden, was auch der üblichen mathematischen Bedeutung dieser Symbole entspricht. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine andere Bedeutung in Betracht kommt, etwa "sowohl, als auch", wie es der Beschwerdeführer unterstellt. Im Übrigen ist die spezifische Kombination der Messbedingungen (Wellenlänge lambda1 = 248 nm, Laserschußfrequenz = 300 Hz, Laserschußzahl = 1,1·10**(9) und Energiedichte = 10 mJ/cm**(2)) in der Figur 1 der ursprünglichen Anmeldung offenbart (vgl. Messpunkt außen rechts bei 1100·10**(6) [= 1,1·10**(9)] Pulsen). Fig. 2 der ursprünglichen Anmeldung zeigt die entsprechende Kombination bei der Wellenlänge lambda2 = 193 nm (vgl. auch Seite 11, Zeilen 4 - 24 der ursprünglichen Anmeldung). Dass die Energiedichte im Beispiel gemäß Figur 3 bei lambda2 = 193 nm lediglich 1,5 mJ/cm**(2) statt der im geltenden Anspruch 1 genannten 5 mJ/cm**(2) beträgt, ist unerheblich, weil der höhere Wert von 5 mJ/cm**(2) in der ursprünglichen Anmeldung ausdrücklich offenbart ist, nämlich als Obergrenze der Energiedichte (vgl. Anspruch 1 der PCT-Anmeldung).
Die Einfügung der Gleichheitszeichen anstelle der Zeichen für "größer oder gleich" bzw. "kleiner oder gleich" führt somit nicht zu einer Erweiterung des Geltungsbereichs des Anspruchs 1. Ein Verstoß gegen Artikel 123(3) EPÜ liegt somit nicht vor.
4. Neuheit - Artikel 54 EPÜ
4.1 Im Dokument D1 werden unter anderem Vorformen aus synthetischem Kieselglas ("synthetic silica glass ingots", vgl. Seite 7, Zeilen 43 - 44; Figur 3) beschrieben, die nach dem Verfahren der Flammenhydrolyse mit nachfolgender Kühlung hergestellt wurden (Seite 7, Zeilen 42 - 55), und die zur Anwendung mit energiereicher DUV-Strahlung im Wellenlängenbereich unter 250 nm geeignet sind (vgl. Seite 12, Zeilen 1 - 17: 248 nm bzw. 193 nm). Der OH-Gehalt kann 1200 ppm betragen, der H2-Gehalt 4·10**(18) Moleküle/cm**(3) (vgl. Seite 13, Tabelle 2A, Experiment 8). Die Spannungsdoppelbrechung ("birefrigerence") liegt im Allgemeinen bei 5 nm/cm oder weniger (vgl. Seite 10, Zeilen 43 - 44). Bezüglich der optischen Homogenität wird in D1 ausgeführt, dass eine bestimmte Wärmebehandlung und Verdrillung des Glasmaterials zu Vorformen führe, die "free of striae in three dimensions" seien (vgl. Seite 10, Zeilen 48 - 56). Damit sind nach Auffassung der Kammer zweifellos Vorformen gemeint, die unter anderem keine Schichtungen im Sinne von Anspruch 1 des Patents aufweisen. Der Gehalt an Spurenverunreinigungen der Elemente Cr, Fe, Ni, Cu, Li, K und Na liegt bei mehreren Beispielen unterhalb des Werts von 500 ppb (vgl. Seite 11, Tabelle 1, Beispiele No. 1 und 6). D1 enthält jedoch keinerlei Angaben über den Gehalt bzw. den zulässigen Höchstgehalt von Co, V, Zn und Al. Ebenso wenig nennt D1 einen Höchstwert für den Cl-Gehalt (vgl. Figur 10, zweite Kolonne, "Cl distribution"). Zumindest im Hinblick auf diese beiden Merkmale ist die Vorform gemäß geltendem Anspruch 1 neu gegenüber D1.
4.2 Auch im Dokument D2 werden Vorformen aus synthetischem Kieselglas beschrieben, die nach dem Verfahren der Flammenhydrolyse mit nachfolgender Kühlung hergestellt wurden (vgl. Seite 3, Zeilen 30 - 34; Seite 4, Zeilen 26 - 27; Figur 10, Bezugszeichen 409, "glass ingot"; Seite 10, Zeilen 20 - 40; Seite 11, Zeilen 14 - 31). Diese Vorformen sind zur Anwendung mit energiereicher DUV-Strahlung im Wellenbereich unter 250 nm geeignet (vgl. Seite 5, Zeile 49 bis Seite 6, Zeile 2: 248 nm bzw. 193 nm). Der OH-Gehalt beträgt mindestens 1000 ppm, beispielsweise 1200 ppm oder 1250 ppm (vgl. Seite 3, Zeile 23; Seite 10, Zeilen 20 - 22; Seite 15, Tabelle 3, Beispiele 1 bis 6, 12 bis 14: 1200 ppm; Beispiel 7: 1250 ppm). Die Spannungsdoppelbrechung beträgt vorzugsweise 2 nm/cm oder weniger (vgl. Seite 6, Zeilen 7 - 8) und der Cl-Gehalt 10 ppm oder weniger (vgl. Seite 6, Zeilen 9 - 10). Der H2-Gehalt kann den Wert von 1·10**(18) Moleküle/cm**(3) übertreffen und etwa 2,1·10**(18) Moleküle/cm**(3) erreichen (vgl. Seite 13, Tabelle 1, Beispiel 14). Der Gehalt an Spurenverunreinigungen der Elemente Cr, Co, Fe, Ni, Cu, Zn, K und Na beträgt je 50 ppb oder weniger, d.h. insgesamt höchstens 400 ppb, vorzugsweise je 20 ppb oder weniger, d.h. insgesamt höchstens 160 ppb (vgl. Seite 6, Zeilen 12 - 13).
4.3 D2 enthält keine Angaben über die zulässigen Höchstgehalte der Elemente V, Al und Li. Außerdem geht aus D2 nicht ausdrücklich hervor, ob die beschriebenen Vorformen frei von Schichtungen sind. Demnach ist die Vorform gemäß dem geltenden Anspruch 1 neu gegenüber D2.
4.4 Gemäß Anspruch 1 verläuft das Verfahren zur Herstellung der beanspruchten Vorform "ohne dass eine zusätzliche Dotierung benötigt wird" und "ohne dass eine Verdrillung der Vorform erforderlich ist". Nach Auffassung des Beschwerdegegners sind diese beiden Merkmale als Verfahrensmerkmale anzusehen, die eine weitere Abgrenzung der erfindungsgemäßen Vorform gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere gegenüber D1 und D2, bewirken.
Der Beschwerdegegner hat jedoch nicht nachgewiesen, dass diese Verfahrensmaßnahmen zwangsläufig zu Eigenschaften des beanspruchten Erzeugnisses führen, die dieses Erzeugnis von den im Stand der Technik bekannten Vorformen unterscheiden. Die Merkmale "ohne dass eine zusätzliche Dotierung benötigt wird" und "ohne dass eine Verdrillung der Vorform erforderlich ist" können deshalb nicht als Abgrenzungsmerkmale, d.h. als unterscheidende Merkmale der beanspruchten Vorform gegenüber dem Stand der Technik, angesehen werden.
4.5 Das Merkmal "frei von Schichtungen" ist als solches im Stand der Technik bekannt. Vorformen, die bezüglich der optischen Homogenität hohen Ansprüchen genügen, und die praktisch frei von Schichtungen sind, werden beispielsweise in D1 beschrieben. Der Beschwerdegegner hat diesen Sachverhalt nicht bestritten, sondern darauf hingewiesen, dass die erforderliche hohe optische Homogenität im Stand der Technik seines Wissens nur mit Hilfe von aufwendigen Maßnahmen zum Entfernen der Schichtungen, also zusätzlichen Verfahrensschritten, insbesondere dem Verdrillen der Vorformen, erreicht werden konnte. Dies wird durch die Beschreibung des vorliegenden Patents gestützt, in der mehrere Dokumente zitiert werden, welche sich auf die Herstellung von homogenen, schlieren- und schichtungsfreien Körpern aus synthetischem Kieselglas beziehen, wobei jeweils besondere Schritte zur Erzielung von optischer Homogenität vorgesehen sind (vgl. Spalte 1, Zeilen 27 - 39, Abschnitt [0003]; Spalte 3, Zeilen 23 - 53, Abschnitt [0012]; Spalte 3, Zeile 54 bis Spalte 4, Zeile 8, Abschnitt [0013]).
4.6 Da bei einer fertigen Vorform nicht feststellbar ist, ob sie von Anfang an frei von Schichtungen gewesen ist, oder ob sie die Schichtenfreiheit nur dank einem zusätzlichen Verfahrensschritt, beispielsweise durch eine Verdrillung, erlangt hat, würde selbst eine Formulierung wie "ohne dass eine Verdrillung der Vorform erfolgt" nicht zu einer Abgrenzung des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik führen. Beim Anspruch 1 handelt es sich nämlich um einen Erzeugnis- und nicht um einen Verfahrensanspruch. Enthält ein Erzeugnisanspruch ein oder mehrere Verfahrensmerkmale, dann können diese nur dann als unterscheidende Merkmale berücksichtigt werden, wenn sie zu einem am Erzeugnis selbst feststellbaren Unterschied führen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
4.7 Es stellt sich die Frage, ob die Widerstandsfähigkeit der Vorform gegenüber energiereicher DUV-Strahlung, die im Anspruch 1 durch die Bedingung ausgedrückt wird, dass die Transmissionsverringerung DeltaT unter den angegebenen Messbedingungen höchstens 0,1 %/cm Dicke betragen darf, zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik herangezogen werden kann. Der Beschwerdeführer hat diese Frage mit der Begründung verneint, es handle sich hier um ein Merkmal, das lediglich die gestellte technische Aufgabe nenne. Demgegenüber hat der Beschwerdegegner während der mündlichen Verhandlung ausgeführt, das Kriterium für die Transmissionsverringerung DeltaT stelle eine quantitative Aussage über eine wesentliche Materialeigenschaft dar, die durchaus geeignet sei, die beanspruchte Vorform vom Stand der Technik zu unterscheiden. Der Beschwerdegegner räumte ein, dass die im Anspruch 1 angegebenen Messbedingungen vom herkömmlichen Messverfahren zur Bestimmung von Transmissionsänderungen abweichen, nämlich durch eine größere Laserschußzahl, verbunden mit einer geringeren Energiedichte. Dieser Unterschied sei jedoch erforderlich, um zuverlässige Anhaltspunkte für das Langzeitverhalten der Vorform zu erhalten.
4.7.1 Die Kammer sieht die Erläuterungen des Beschwerdegegners grundsätzlich als plausibel an. Jedoch stellt sich die Frage, ob diese Erläuterungen ausreichen, um die beanspruchte Vorform gegenüber dem Stand der Technik abzugrenzen.
Die Messbedingungen gemäß Anspruch 1, d.h. eine Laserschußzahl von 1,1·10**(9) und eine Energiedichte von 10 mJ/cm**(2) bei einer Wellenlänge lambda1 von 248 nm und einer Laserschußfrequenz von 300 Hz, bzw. eine Laserschußzahl von 1,1·10**(9) und eine Energiedichte von 5 mJ/cm**(2) bei einer Wellenlänge lambda2 von 193 nm und einer Laserschußfrequenz von 300 Hz, weichen nämlich so stark von den im Stand der Technik üblichen Bedingungen ab (vgl. z.B. D2, Seite 5, Zeilen 49 - 59: Laserschußzahl 1·10**(6,)Energiedichte von 400 mJ/cm**(2), Wellenlänge lambda 248 nm; bzw. Laserschußzahl 1·10**(6,)Energiedichte von 100 mJ/cm**(2), Wellenlänge lambda 193 nm), dass kein sinnvoller und aussagekräftiger Vergleich der Messergebnisse möglich ist. Es kann somit nicht eindeutig ermittelt werden, ob die Vorform gemäß Anspruch 1 gegenüber den Vorformen des Stands der Technik, insbesondere den Vorformen von D2, eine verbesserte Widerstandsfähigkeit gegenüber energiereicher DUV-Strahlung, bzw. eine geringere Transmissionsverringerung aufweist, oder ob dies nicht der Fall ist. Der Beschwerdegegner, der in dieser Beziehung die Beweislast trägt, hat dazu keine einschlägigen Beweismittel vorgelegt.
Demzufolge kommt die Kammer zum Schluss, dass die Transmissionsverringerung DeltaT im vorliegenden Fall nicht als Abgrenzungsmerkmal berücksichtigt werden kann.
5. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
5.1 Das vorliegende Patent betrifft eine Vorform aus synthetischem Kieselglas und eine Vorrichtung zu ihrer Herstellung.
5.2 Das Dokument D2 beschreibt Vorformen aus synthetischem Kieselglas, die nach dem Verfahren der Flammenhydrolyse mit nachfolgender Kühlung hergestellt wurden (vgl. oben, Ziffern 4.2 und 4.3). Beide Verfahrensbeteiligte betrachten das Dokument D2 als nächstliegenden Stand der Technik. Die Kammer kann dieser Auffassung folgen.
5.3 Wie der Beschwerdegegner während der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, stellte sich, ausgehend von D2, die technische Aufgabe, unter Anwendung der Flammenhydrolyse eine Vorform aus synthetischem Kieselglas bereitzustellen, die frei von Schichtungen ist, die bezüglich der Widerstandsfähigkeit gegenüber Excimerlaserstrahlung im DUV-Bereich bei hohen Energiedichten höchsten Ansprüchen genügt, und die auf besonders einfache Weise hergestellt werden kann.
Die Kammer geht zu Gunsten des Beschwerdegegners im Folgenden ebenfalls von dieser technischen Aufgabe aus.
5.4 Zur Lösung der oben angegebenen Aufgabe schlägt das vorliegende Patent eine Vorform gemäß Anspruch 1 vor, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie einen Kernbereich aufweist, dessen OH-Gehalt >= 1150 ppm, dessen Spannungsdoppelbrechung <= 5 nm/cm, dessen H2-Gehalt >= 1·10**(18) Moleküle/cm**(3), dessen Cl-Gehalt <= 20 ppm und dessen Gehalt an Spurenverunreinigungen der Elemente Cr, Co, Fe, Ni, Cu, V, Zn, Al, Li, K, Na bis zu 500 ppb beträgt.
5.5 Es ist zu untersuchen, ob die Vorform, wie sie im geltenden Anspruch 1 definiert ist, die gestellte technische Aufgabe über den gesamten beanspruchten Bereich löst.
5.5.1 Aus der Beschreibung sind unter anderem folgende Messdaten zu entnehmen:
Die über den Radius ermittelten Werte für die laserinduzierte Fluoreszenz (LIF) von 0,7 bis 2,5 liegen bei etwa 1/10 der LIF-Werte von einschlägigen Erzeugnissen, die im Stand der Technik bekannt sind. Die Werte der Spannungsdoppelbrechung (SDB) liegen im Kernbereich bis 4 cm weit unter dem Grenzwert von 5 nm/cm Schichtdicke. In der Randzone (Radius r = 5 bis 6 cm) der Vorform wird dieser Grenzwert wenigstens nahezu eingehalten (vgl. Kolonne 9, Zeilen 26 - 44 und 51 - 58, Figuren 5 a, b, d). Angesichts dieser Messergebnisse der laserinduzierten Fluoreszenz und der Spannungsdoppelbrechung ist es glaubhaft, dass der Kernbereich der Vorform effektiv frei von Schichtungen ist, wie der Anspruch 1 dies vorsieht.
5.5.2 Hingegen lässt sich mangels einschlägiger Vergleichsdaten (vgl. oben, Ziffern 4.7 und 4.7.1, Messmethode zur Bestimmung von DeltaT) nicht eindeutig feststellen, wie es sich mit der Widerstandsfähigkeit gegenüber Excimerlaserstrahlung gegenüber energiereicher DUV-Strahlung im Vergleich zu den bekannten Vorformen gemäß D2 verhält.
5.5.3 Was die besonders einfache Herstellung der Vorform anbetrifft, stimmt die Kammer der Auffassung des Beschwerdegegners zu, dass das Wegfallen der Verdrillung eine bedeutende Vereinfachung darstellt. Dieser Sachverhalt ist jedoch für die Prüfung des Anspruchs 1 ohne Bedeutung, da sich der Anspruch 1 auf ein Erzeugnis und nicht auf ein Verfahren bezieht.
5.5.4 Bezüglich der strukturellen Merkmale, durch die sich die Vorform gemäß Anspruch 1 von den in D2 beschriebenen Vorformen unterscheidet, stellt die Kammer fest, dass weder aus dem Inhalt der Beschreibung, noch aus der von den Verfahrensbeteiligten zitierten Literatur erkennbar ist, inwiefern eine Kausalität zwischen diesen Merkmalen einerseits, und den angestrebten guten Eigenschaften der beanspruchten Vorform andererseits bestehen könnte.
5.5.5 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass die Vorform, so wie sie im geltenden Anspruch 1 definiert ist, die gestellte technische Aufgabe nicht im vollen Umfang löst.
5.5.6 Unter den gegebenen Umständen muss deshalb eine weniger anspruchsvolle technische Aufgabe definiert werden, die darin gesehen werden kann, zusätzlich zu den aus D2 bekannten Vorformen eine weitere Vorform zur Verfügung zu stellen.
Für die Kammer steht außer Zweifel, dass die auf diese Weise umformulierte Aufgabe durch die Vorform gemäß Anspruch 1 gelöst wird.
5.6 Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung für den Fachmann naheliegend gewesen ist.
5.6.1 Ausgehend vom Beispiel 14 von D2, das eine Vorform aus synthetischem Kieselglas beschreibt, welche einen OH-Gehalt von 1200 ppm, eine Spannungsdoppelbrechung von 2 nm/cm oder weniger und einen H2-Gehalt von etwa 2,1·10**(18) Moleküle/cm**(3) aufweist (vgl. Seite 13, Tabelle 1; Seite 15, Tabelle 3; Seite 16, Zeilen 4 - 7, 14), gelangt der Fachmann zu einer Vorform gemäß dem geltenden Anspruch 1, indem er - soweit erforderlich - allfällig vorhandene Schichtungen entfernt und zusätzlich sicherstellt, dass der Gehalt der Elemente V, Al und Li nicht zu einer Überschreitung des zulässigen Höchstwerts von metallischen Verunreinigungen von insgesamt 500 ppb führt. Diese Maßnahmen drängen sich dem Fachmann jedoch auf, weil sie eine Voraussetzung für die gewünschte Widerstandsfähigkeit der Vorform gegenüber energiereicher DUV-Strahlung darstellen.
5.6.2 Selbstverständlich wird der Fachmann auch bestrebt sein, die Menge der metallischen Verunreinigungen allgemein möglichst klein zu halten. In D2 werden zwar nur die Elemente Mg, Ca, Ti, Cr, Fe, Ni, Cu, Zn, Co, Mn, Na und K ausdrücklich als unerwünscht genannt (vgl. Seite 16, Zeilen 5 - 7). Dies bedeutet jedoch nicht, dass nur gerade diese Elemente zu einer Verschlechterung der Eigenschaften der Vorform führen und andere Elemente folglich selbst in größeren Mengen vorhanden sein dürfen. Vielmehr gehört es zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, dass grundsätzlich sämtliche Verunreinigungen durch Metalle vermieden werden sollten. Dieser Sachverhalt wird in der Beschreibung des Patents dadurch zum Ausdruck gebracht, dass "Spuren von Verunreinigungselementen", also nicht nur die im Anspruch 1 ausdrücklich genannten Elemente, generell nur bis zu einem Gehalt von insgesamt 500 ppb zugelassen werden (vgl. Kolonne 6, Zeilen 27 - 30). Aus diesem Grund liegt es für den Fachmann nahe, jegliche metallische Verunreinigungen, einschließlich V, Al und Li, soweit als möglich auszuschließen, d.h. höchstens geringe Gehalte zu tolerieren.
5.7 Insgesamt ergibt sich, dass die Vorform gemäß Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinn von Artikel 56 EPÜ beruht.
5.8 Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, zu dem unabhängigen Anspruch 6 Stellung zu nehmen. Dieser Anspruch bezieht sich auf eine Vorrichtung zur Herstellung der beanspruchten Vorform. Da der Beschwerdegegner den Anspruch 6 nicht im Rahmen eines getrennten Antrags verfolgt hat, sondern neben dem Anspruch 1 im Rahmen des geltenden Anspruchssatzes, steht und fällt er zusammen mit dem Anspruch 1.
6. Rückerstattung der Beschwerdegebühr - Regel 103(2) EPÜ
6.1 Der Beschwerdeführer hat Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung geltend gemacht und die Rückerstattung der Beschwerdegebühr beantragt.
6.2 Nach Regel 103(2) EPÜ ordnet die Beschwerdekammer die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an, wenn die Kammer der Beschwerde stattgibt und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
6.3 Im vorliegenden Fall ist die erste Bedingung von Regel 103(2) EPÜ erfüllt. Zwischen den Gründen, die für die Stattgabe der Beschwerde maßgebend sind, und den geltend gemachten Verfahrensfehlern gibt es jedoch keinen Zusammenhang. Deshalb entspräche die Rückzahlung der Beschwerdegebühr selbst dann nicht dem Grundsatz der Billigkeit, wenn die Einspruchsabteilung tatsächlich einen wesentlichen Verfahrensmangel begangen hätte. Ob ein solcher Verfahrensmangel tatsächlich vorliegt, braucht unter den gegebenen Umständen nicht geprüft zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.