T 0958/10 (Methionin Herstellung yjeH Gen/CONSORTIUM ELEKTROCHEMISCHE) 02-02-2016
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Verfahren zur fermentativen Herstellung von L-Methionin
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 25. Februar 2010 mit der das Europäische Patent Nr. 1 445 310 in geändertem Umfang, auf der Basis der Ansprüche 1 bis 13 eines in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten neuen Hauptantrages, aufrecht erhalten wurde. Anspruch 1 dieses Hauptantrages hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung von L-Methionin bei der ein Mikroorganismenstamm, der zur fermentativen Herstellung von L-Methionin geeignet ist, in einer Fermentation eingesetzt und L-Methionin aus dem Fermentationsansatz abgetrennt wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Mikroorganismenstamm, verwendet wird, der herstellbar ist aus einem Ausgangsstamm, und der eine gegenüber dem Ausgangsstamm erhöhte Aktivität eines yjeH-Genprodukts oder eines Genprodukts einer funktionellen Allelvariante des yjeH-Gens, die bei einer Analyse mit dem Algorithmus BESTFIT (GCG Wisconsin Package, Genetics Computer Group (GCG) Madison, Wisconsin) eine Sequenzidentität von größer 30 % zu SEQ ID No. 1 aufweist, besitzt, wobei die enzymatische Aktivität des jeweiligen Genproduktes jedoch erhalten bleibt und der Mikroorganismenstamm in einem Fermenter als kontinuierliche Kultur, als batch-Kultur oder vorzugsweise als fed-batch-Kultur angezogen wird."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1, wobei Anspruch 5 folgenden Wortlaut hat:
"5. Verfahren gemäß Anspruch 1, 2, 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Kopienzahl des yjeH-Gens in dem Mikroorganismus erhöht ist oder die Expression des yjeH-Gens durch Einsatz geeigneter Promotoren oder Translationssignale gesteigert ist."
II. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin die Entgegenhaltungen D20 bis D30 ein, beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
III. In ihrer Antwort beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin), die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der, von der Einspruchsabteilung genehmigten, geänderten Fassung aufrechtzuerhalten.
IV. Die Kammer erließ eine Mitteilung nach Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), die die vorläufige und nicht bindende Ansichten der Kammer enthielt.
V. Die Beschwerdegegnerin antwortete auf diese Mitteilung mit einem Schreiben vom 18. August 2015. Sie brachte weitere Argumente zur erfinderischen Tätigkeit vor und stützte sich dabei auf neu eingereichte Entgegenhaltungen.
Die Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 25. September 2015 mit, dass sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Sie hielt ihren Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen aufrecht. Das Schreiben der Beschwerdeführerin enthielt keinerlei substantiellen Ausführungen und zwar weder in Bezugnahme auf die Mitteilung der Kammer noch auf das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 18. August 2015.| |
VII. Die Kammer sagte daraufhin die anberaumte mündliche Verhandlung ab.
VIII. Folgende Dokumente werden in dieser Entscheidung angeführt:
D2: Englische Übersetzung des japanischen Patents
JP 2000139471;
D5: "The Complete Genome Sequence of Escherichia coli
K-12" Science, 5. September 1997, Bd. 277,
Seiten 1453-1462 und Anhang;
D13: "Assessment of Effects of Deletion and
Overexpression of yjeH on Methionine Production
in a Methionine Producing E. coli Strain"
Report by Rainer FIGGE, Metabolic Explorer,
August 20, 2008;
D20: "From Dr Wanda Dischert to Franck Tetaz, Saint
Beauzire, January 18, 2010" (Metabolic Explorer).
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Artikel 123(3) EPÜ
In der Anfangsphase des Einspruchsverfahrens hatte sich die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) stets auf Anträge beschränkt, in denen die Sequenzidentität einer Allelvariante des yjeH-Gens mit "größer 53 % zu SEQ ID No. 1" definiert wurde. In dem von der Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung aufrechterhaltenen Anspruch 1 ist diese Sequenzidentität erweitert und wird mit "größer 30 % zu SEQ ID No. 1" angegeben.
Artikel 84 und 83 EPÜ
Das Merkmal "... eine gegenüber dem Ausgangsstamm erhöhte Aktivität eines yjeH-Genprodukts oder eines Genprodukts einer funktionellen Allelvariante des yjeH-Gens ... " sei unklar. Weder aus dem Stand der Technik noch aus dem angefochtenen Patent selbst sei eine solche "Aktivität" bekannt. Auf jeden Fall könne eine solche "Aktivität" nicht mit einer erhöhten Herstellung von L-Methionin gleichgesetzt werden.
Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern sei ein solches unklares Merkmal breit zu interpretieren, sodass es dem Fachmann offen stehe, alle aus dem Stand der Technik bekannten Ausführungsformen dieses Merkmals zu berücksichtigen. Insbesondere könne, auf der Ebene des yjeH-Gens und der yjeH-mRNA, zum Beispiel die Nutzung von starken Promotoren, eine erhöhte Kopienzahl oder eine verbesserte RNA-Stabilität in Betracht gezogen werden, oder, auf der Ebene des Proteinprodukts, unter anderem die Verwendung von Mutanten mit verbesserten Eigenschaften. Der breite Schutzumfang der Patentansprüche umfasse viele Ausführungsformen zu deren Durchführung das Patent keine Anleitung gebe. Die Offenbarung des angefochtenen Patents, insbesondere in den Abschnitten [0021] bis [0024], sei nicht ausreichend um die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich auszuführen. Ein Patent solle jedoch nur Schutz für den tatsächlich geleisteten Beitrag zum Stand der Technik gewähren, nicht aber ein unerschlossenes Forschungsgebiet für sich reservieren (vgl. T 1063/06, ABI. 2009, Seite 516).
Darüber hinaus seien auch die spezifischen Ausführungsformen nach Ansprüchen 5 bis 8 im Streitpatent nicht ausreichend offenbart. Die Ergebnisse der in den Entgegenhaltungen D13 und D20 durchgeführten Experimente zeigen, dass eine erhöhte Kopienzahl des yjeH-Gens keine direkte Erhöhung der
L-Methionin Produktion zur Folge habe. Im Gegenteil, wie aus Entgegenhaltung D20 entnehmbar, könne sie sogar einen Rückgang der Ausbeute und Produktivität zur Folge haben.
Artikel 54 EPÜ
Wenn eine eindeutige und unmittelbare Verknüpfung zwischen einer erhöhten Produktion von L-Methionin und einer erhöhten Aktivität des yjeH-Genprodukts bestünde, würde dies zum Schluss führen, dass alle rekombinanten Mikroorganismenstämme die eine erhöhte Produktion von L-Methionin im Vergleich zum Ausgangsstamm aufweisen, eine erhöhte Aktivität des yjeH-Genprodukts aufweisen. Der Schutzumfang des Anspruchs 1 würde somit jedes Verfahren zur Erzeugung eines rekombinanten Mikroorganismenstammes beinhalten, welcher, im Vergleich zum Ausgangsstamm, zu einer erhöhten L-Methionin Produktion befähigt ist. Ein solches Verfahren wird u.a. schon in der Entgegenhaltung D2 offenbart.
Artikel 56 EPÜ
Die im Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe sei die Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens zur Herstellung von L-Methionin. Diese Aufgabe sei jedoch nicht über die gesamte Anspruchsbreite gelöst worden. Die Offenbarung und die Ausführungsbeispiele des Streitspatents erlaubten dem Fachmann diese Aufgabe nicht über den gesamten beanspruchten Bereich erfolgreich zu lösen.
Darüber hinaus zeigten die Entgegenhaltungen D13 und D20, im Gegensatz zu den in den Beispielen des Streitspatents (Beispiel 6) und in der Eingabe des Patentsinhaberin vom 16. November 2009 (Beispiel 9) beschriebenen Ergebnisse, dass je nach Ausgangsstamm unterschiedliche Ergebnisse erreicht würden. Die Einführung des yjeH-Gens in einem metA**(*)/thrA**(*) Ausgangsstamm ergäbe einen erheblichen Rückgang von L-Methionin. Die Lösung der zugrunde liegende Aufgabe sei abhängig vom verwendeten Ausgangsstamm und nur mit bestimmten Mikroorganismenstämmen erreichbar.
Ein Verfahren, das die Überexpression eines Genes beinhalte um eine erhöhte Produktion von L-Methionin zu erreichen, sei aus dem Stand der Technik schon bekannt. Die Entgegenhaltung D2, die den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, beschreibe rekombinante Mikroorganismen, die im Vergleich zum Ausgangsstamm eine veränderte Expression eines Genes zeigten. Diese Veränderung, nämlich eine Überexpression, führe zu einer erhöhten Produktion von L-Methionin. Die Überexpression des im Patent beschrieben yjeH-Gens stelle gegenüber der Entgegenhaltung D2 eine willkürliche Auswahl dar, die sowohl eine Erhöhung (Beispiele des Streitspatents) als auch eine Verminderung (Entgegenhaltungen D13 und D20) der Produktion von L-Methionin bewirken könne.
X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Artikel 123(3) EPÜ
Im Einspruchsverfahren wurden die Patentansprüche zweimal geändert. Die vom Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang angesprochene Sicherheit Dritter sei durch dieses Vorgehen nicht berührt, da das Patent bis zur Entscheidung im Einspruchsverfahren bzw. im Beschwerdeverfahren in seiner erteilten Fassung gültig sei. Die Argumentation der Beschwerdeführerin sei somit nicht zutreffend.
Artikel 84 und 83 EPÜ
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin richteten sich nicht gegen die im Einspruchsverfahren vorgenommen Änderungen des Anspruchs 1, sondern gegen den erteilten Anspruchs 1. Da Klarheit kein Einspruchsgrund sei, sei dieser Einwand unzulässig.
Anspruch 1 beanspruche ein Verfahren zur Herstellung einer konkret benannten Aminosäure (L-Methionin), bei dem ein Mikroorganismenstamm in einem Fermenter kultiviert werde, wodurch dieser, erfindungsgemäß, bezüglich der Expression eines definierten Gens (yjeH-Gen) verändert werde. Weder für die Durchführung dieses Verfahrens noch für die Realisierung einer derartigen Veränderung sei ein Forschungsprogramm erforderlich. Die Offenbarung der Erfindung in den Ansprüchen und gemäß der Beschreibung des Streitpatents mache der Öffentlichkeit konkrete technische Ergebnisse zugänglich, die in nacharbeitbarer Form erhältlich seien (vgl. T 1063/06, supra).
Eine Erhöhung der Aktivität eines Genproduktes erreiche man durch eine Erhöhung der Expressionsrate des für ein Genprodukt kodierende Gens. Diese Erhöhung werde erfindungsgemäß entweder durch eine Vervielfachung des Gens in der Zelle oder durch Verwendung eines stärkeren Promoters erreicht (Absätzen [0021] bis [0024] des Streitspatents). Für den Fachmann sei klar, dass das "Genprodukt einer funktionellen Allelvariante des yjeH-Gens, bei dem die enzymatische Aktivität des jeweiligen Genproduktes jedoch erhalten bleibt", eine Variante des yjeH-Gens sei, welches für ein Protein mit der gleichen Aktivität als das yjeH-Genprodukt kodiert, und das daher im erfindungsgemäßen Verfahren zum gleichen Effekt führt.
Die schon im Einspruchsverfahren am 17. November 2009 eingereichten Daten belegten ebenfalls, dass durch das beanspruchte Verfahren eine erhöhte Produktion von L-Methionin erreicht werde. Tabelle 2 dieser Eingabe zeigte auch, dass mit dem Stamm W3110DeltaJ/pKS-D13, der dem Stamm aus der Entgegenhaltung D13 entspräche, eine L-Methionin-Überproduktion erfolge. Jedoch seien die in den Entgegenhaltungen D13 und D20 vorgelegten Versuche ungeeignet um zu belegen, dass die Offenbarung des Streitspatent nicht ausreichend sei, da beide Entgegenhaltungen mit ungeeigneten Kontrollen und zum Teil inkompatiblen Plasmiden arbeiten würden (infra).
Artikel 54 EPÜ
Keine der von der Beschwerdeführerin genannten Entgegenhaltungen offenbare ein Verfahren das die in Anspruch 1 genannten Merkmale aufweise.
Artikel 56 EPÜ
Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe sei im Absatz [0013] des Streitpatents als die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von L-Methionin mittels eines Mikroorganismenstammes definiert, wobei eine Überproduktion von L-Methionin ermöglicht wird. In der Beschreibung und in den Beispielen fänden sich die zur Lösung diese Problems notwendigen Angaben.
Das Streitpatent zeige, dass ein zur Methioninherstellung befähigter Mikroorganismenstamm durch Einbringen einer erhöhten yjeH-Genproduktivität verstärkt Methionin produziert. Es sei richtig, dass sich durch Einbringen zusätzlicher Gene die durch eine verstärkte Expression des yjeH-Gens erzielten positiven Effekte auf die Methioninausbeute wieder aufheben lassen. Es sei dem Fachmann ferner bekannt, dass die Verwendung von Zwei-Plasmidsystemen, wie sie von der Beschwerdeführerin in den von ihr durchgeführten Experimenten in den Entgegenhaltungen D13 und D20 verwendet wurden problematisch sei. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Ergebnisse könnten keinesfalls die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens in Frage stellen.
XI. Die Beschwerdeführerin beantrage, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
XII. Die Beschwerdegegnerin beantrage, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Absage der mündlichen Verhandlung
1. Mit Schreiben vom 25. September 2015 unterrichtete die Beschwerdeführerin die Kammer davon, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen würde, und dass sie alle ihre Anträge aufrechterhalte. Sie reagierte inhaltlich weder auf den, von der Beschwerdekammer in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, verfassten Bescheid, noch auf die, von der Beschwerdegegnerin in Beantwortung dieses Bescheides verfasste Antwort vom 18. August 2015.
2. Die Erklärung der Beschwerdeführerin, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, erfolgte in Kenntnis der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer und des Antwortschreibens der Beschwerdegegnerin, in dem diese zusätzliche Argumente, gestützt durch zusätzliche Entgegenhaltungen, vorbrachte um das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit zu belegen.
3. Unter diesen Umständen kommt die Erklärung der Beschwerdeführerin einer Rücknahme des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gleich. Am 7. Oktober 2015 informierte die Kammer die Parteien, dass die anberaumte mündliche Verhandlung abgesagt werde.
Zulässigkeit der Entgegenhaltungen D20-D30
4. In ihrem Bescheid nach Artikel 15(1) VOBK hat die Kammer die Parteien informiert, dass sie, in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 12(4), 13(1) und 13(3) VOBK, nach Anhörung der Parteien in der anberaumten mündlichen Verhandlung, eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Entgegenhaltungen D20-D30 treffen würde. Jedoch stellte die Kammer fest, dass die Beschwerdeführerin keine Begründung angegeben hatte, um das späte Vorbringen dieser Entgegenhaltungen zu rechtfertigen.
5. Ferner bemerkte die Kammer in ihrem Bescheid, dass die experimentellen Ergebnisse der Entgegenhaltung D20 schon im erstinstanzlichen Verfahren am 18. Januar 2010 vorgelegt wurden (vgl. Seite 1, Punkt VII der angefochtenen Entscheidung) und von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung auch gewürdigt wurden (vgl. Seite 4, Punkt 5.2.1. der angefochtenen Entscheidung). Die Entgegenhaltung D20 wurde daher bereits in das Verfahren zugelassen und es besteht kein Grund sie im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.
6. Im Lichte der von der Beschwerdekammer getroffenen Entscheidung (siehe unten), ist eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Entgegenhaltungen D21-D30 nicht erforderlich.
Artikel 100 c) EPÜ (Artikel 123(2) EPÜ)
7. Die Beschwerdeführerin hat ihren, im Einspruchsverfahren erhobenen, Einwand gemäß Artikel 100 c) EPÜ (Artikel 123(2) EPÜ) nicht weiter verfolgt und in der Beschwerdebegründung die diesbezügliche Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht angefochten.
8. Die Ansprüche 1 bis 13 erfüllen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Artikel 123(3) EPÜ
9. Das angefochtene Merkmal, nämlich "eine Sequenzidentität von größer 30 % zu SEQ ID No. 1", war bereits im erteilten Anspruch 1 vorhanden. Die Anwesenheit dieses Merkmals in Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenden Anspruchssatzes kann daher keine Erweiterung des Schutzbereiches des erteilten Patents darstellen.
10. Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwand richtet sich eigentlich gegen die Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Patentinhaberin eingereichten und anschließend von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchsatzes. Dieser Einwand wurde zwar im Schreiben der Beschwerdeführerin/Einsprechenden vom 7. Dezember 2009 erhoben, jedoch in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht weiter verfolgt. Weder in der "Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung", die von der Beschwerdeführerin nicht angefochten wurde, noch in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, wird dieser Einwand erwähnt.
11. Das erneute Vorbringen dieses Einwandes im Beschwerdeverfahren, noch dazu fälschlicherweise unter Artikel 123(3) EPÜ, wird nicht zugelassen.
Artikel 84 EPÜ
12. Wie die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt hat (vgl. Seite 2, Punkt 3.2., zweiter Absatz), ist das Merkmal des Anspruchs 1, nämlich "... ein Mikroorganismenstamm ... der eine gegenüber dem Ausgangsstamm erhöhte Aktivität eines yjeH-Genprodukts ... besitzt", identisch mit dem entsprechenden Merkmal im erteilten Anspruch 1. Dieses Merkmal stellt daher keine Änderung dar, die auf der Grundlage von Artikel 84 EPÜ angegriffen werden kann (vgl. G 3/14 von 24. März 2015).
13. Im Beschwerdeverfahren wurde kein weiterer Einwand unter diesem Artikel erhoben. Die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Ansprüche 1 bis 13 entsprechen den Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.
Artikel 100 b) EPÜ (Artikel 83 EPÜ)
14. Die Ausführbarkeit der Erfindung muss, gemäß Artikel 100 b) EPÜ, über die gesamte Breite, also den vollen Schutzumfang der Ansprüche, gegeben sein.
15. Gemäß der ständigen Rechtssprechung der Beschwerdekammern (vgl. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 7. Auflage 2013, I.C.3.8., Seite 130), besteht kein Anlass, das im Anspruch 1 vorhandene Merkmal " ... eine gegenüber dem Ausgansstamm erhöhte Aktivität eines yjeH-Genprodukts oder eines Genprodukts einer funktionellen Allelvariante des yjeH-Gens ..." eng zu interpretieren. Dieses Merkmal kann nicht, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet (vgl. Schreiben vom 18. November 2010, Seiten 3 und 4), den Umfang des Anspruchs 1 lediglich auf eine "Überexpression des [wild-type] WT yjeH-Gens" beschränken. Vielmehr umfasst dieses Merkmal, und damit auch Anspruch 1, die von den Beschwerdeführerin erwähnten möglichen Ausführungs-formen (vgl. Punkt F der Beschwerdebegründung).
16. Im Hinblick auf den Schutzumfang der Ansprüche 1-4 und 11-13, stellt sich somit die Frage, ob die Patentschrift eine ausreichende Offenbarung für den
beanspruchten Gegenstand enthält. Insbesondere, stellt
sich diese Frage für die von der Beschwerdeführerin
erwähnten Ausführungsformen, die im Streitpatent nicht
veranschaulicht sind und für die keine Angaben zu ihrer
Durchführung gegeben werden. Es wird seitens der Beschwerdeführerin angeführt, dass es sich, aufgrund dieser zahlreichen anspruchsgemäß möglichen Ausführungsarten, die Aktivität des yjeH-Genprodukts zu erhöhen, um eine Aufforderung zur Durchführung eines Forschungsprogramms handelt, das der Fachmann nur mit unzumutbarem Aufwand durchführen kann (vgl. T 1063/06 vom 3. Februar 2009, ABI 2009, Seite 516).
16.1 Die Kammer schließt sich der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht an. Um eine mangelnde Offenbarung des Streitspatents zu belegen reicht es nicht alle denkbaren Ausführungsformen, die theoretisch unter einen Anspruch fallen, zu beschreiben. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin, um die Kammer von einem Ausführbarkeitsmangel zu überzeugen, konkret zu zeigen, wo Offenbarungslücken liegen. Gemäß ständiger Rechtssprechung der Beschwerdekammern muss ein solcher Nachweis auch durch nachprüfbare Fakten unterstützt werden (vgl. "Rechtsprechung", supra, II.C.8., Seite 379). Im gegenwärtigen Fall hat die Beschwerdeführerin aber weder konkrete Offenbarungslücken noch entsprechende, nachprüfbare Fakten vorgelegt.
16.2 Daher erfüllt die Erfindung gemäß den Ansprüchen 1-4 und 11-13 die Erfordernissen von Artikel 83 EPÜ.
17. Auch der von der Beschwerdeführerin unter Artikel 83 EPÜ erhobenen Einwand gegen den Gegenstand der Ansprüchen 5-8 ist nicht zielführend.
17.1 In der Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer G 1/03 (ABI 2004, Seite 413, Punkt 2.5.2. der Entscheidungsgründen) wird folgendes angeführt: "...ist eine Wirkung im Anspruch definiert, so liegt eine unzureichende Offenbarung vor. Wird hingegen die Wirkung nicht im Anspruch definiert, ist aber Teil der zu lösenden Aufgabe, so besteht ein Problem bezüglich der erfinderischen Tätigkeit".
17.2 Angesichts des konkreten Wortlauts von Anspruch 1 ist dieser lediglich auf ein "Verfahren zur Herstellung von L-Methionin" gerichtet, wobei keine Anforderungen bezüglich der Quantität des erhaltenen Produkts gemacht werden. Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument stützt sich fälschlicherweise auf eine Interpretation von Anspruch 1 die auf ein "verbessertes Herstellungsverfahren" gerichtet ist, d.h. auf ein Verfahren, das zu einer höheren L-Methionin Ausbeute führt (vgl. Punkt G der Beschwerdebegründung).
17.3 Die experimentellen Ergebnisse der Entgegenhaltungen D13 und D20 beweisen die Ausführbarkeit des in den Ansprüchen 5 bis 8 beanspruchten Verfahrens (siehe auch die von der Beschwerdegegnerin am 17. November 2009 eingereichten zusätzlichen Beispiele 7 bis 12).
17.4 Daher erfüllt auch der Gegenstand der Ansprüchen 5-8 die Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ.
Artikel 100 a) EPÜ (Artikel 54 EPÜ)
18. Der von der Beschwerdeführerin gegen den Gegenstand der Ansprüchen 1-4 und 11-13 erhobenen Einwand stützt sich auf eine bestimmte Interpretation des im Anspruch 1 erhaltenen Merkmals "erhöhte Aktivität eines yjeh-Genprodukts" (vgl. Punkt H der Beschwerdebegründung).
Diese Interpretation ("Erste Interpretation"), die von der Einspruchsabteilung in Punkt 5.2.1. der angefochtenen Entscheidung diskutiert wurde, basiert auf der Annahme, dass jeder modifizierte Mikroorganismenstamm, der eine Erhöhung der L-Methionin Produktion bewirkt, auch eine erhöhte Aktivität eines yjeH-Genprodukts gegenüber dem Ausgangsstamm aufweist, d.h. die Methioninproduktion ist unmittelbar proportional zur erhöhten Aktivität des yjeH-Genprodukts.
19. Eine derartige Interpretation von Anspruch 1 lässt sich weder aus der Lehre des Patents noch aus dem vorliegenden Stand der Technik oder aus dem allgemeinen Wissen eines Fachmanns ableiten. Die Tatsache, dass im Streitpatent keine spezielle Aktivität des yjeH-Genprodukts offenbart wird, bietet keinen Anlass zu der Hypothese, dass jede Erhöhung der Methioninproduktion auf eine erhöhte Aktivität des yjeH-Genprodukts zurückzuführen ist. Eine solche Produktionserhöhung kann auch völlig unabhängig von der Aktivität des yjeH-Genprodukts erreicht werden.
20. Das in Anspruch 1 genannten Merkmal "eine ... erhöhte Aktivität eines yjeH-Genprodukts oder eines Genprodukts einer funktionellen Allelvariante des yjeH-Gens ...", wird nicht in der Entgegenhaltung D2 offenbart, die das yjeH-Gen an keiner Stelle erwähnt.
21. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit neu und die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ sind erfüllt.
Artikel 100 a) EPÜ (Artikel 56 EPÜ)
22. Gemäß der angefochtenen Entscheidung wurde im Einspruchsverfahren von beiden Parteien die Entgegenhaltung D2 als nächstliegender Stand der Technik erachtet (vgl. Seite 6, Punkt 7.2.1. der angefochtenen Entscheidung). Auch in der Beschwerdebegründung wird diese Entgegenhaltung als nächstliegender Stand der Technik angeführt (vgl. Seite 15, dritte Absatz der Beschwerdebegründung).
23. In der Entgegenhaltung D2, die im angefochtenen Patent gewürdigt wird (Seite 2, Absatz [0011]), werden mehrere Gene/Allele beschrieben, die hochrelevant für die fermentative Herstellung von L-Methionin sind, und die für die Erzielung einer L-Methionin-Überproduktion in Betracht gezogen werden können. Insbesondere, offenbart die Entgegenhaltung D2 "ein Verfahren zur Herstellung von L-Methionin durch Deletion des metJ-Gens (Repressor der Methionin Biosynthese) oder durch Mutation des metA-Gens (mit einer Homoserin-Transsuccinylase Aktivität) oder durch Mutation des metk-Gens (einer S-Adenosylmethioninsynthetase) oder durch Deletion des thrBC-Gens (der L-Threonin-Auxotrophie) bzw. durch die Kombinationen aller Gene" (vgl. Seite 5, Punkt 6.2. der angefochtenen Entscheidung). Die zwei besten Mikroorganismenstämmen, die gegenüber dem Ausgangsstamm die am stärkste erhöhte L-Methionin-Produktion aufweisen, werden im Beispiel 3, Tabelle 2 (WDeltaBCDeltaJK-24/pMWPthrmetA-W (thrBC**(-), metJ**(-), metBL**(e), metK**(1), metA**(e))) und im Beispiel 5, Tabelle 4 (WDeltaBCDeltaJK-32/pMWPthrmetA-9+4+5) angegeben (vgl. Seiten 31-35 und Seiten 38-40 der Entgegenhaltung D2).
24. Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von L-Methionin, ohne auf eine Erhöhung der L-Methionin Produktion und somit auf eine Verbesserung bereits bekannter Verfahren abzuzielen.
25. Obwohl es laut Beschreibung des Streitpatents die Aufgabe der Erfindung ist "einen Mikroorganismenstamm zur Verfügung zu stellen, der eine Überproduktion von L-Methionin ermöglicht ... [und] ein Verfahren für die Herstellung von L-Methionin mittels des erfindungsgemäßen Mikroorganismenstammes zur Verfügung zu stellen" (vgl. Seite 3, Absatz [0013]), ist angesichts des Wortlauts von Anspruch 1, die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Herstellung von L-Methionin zu sehen (vgl. Punkt 17.2 supra).
26. Beispiel 6 des Streitspatents ist zu entnehmen, dass eine Erhöhung der Kopienzahl des yjeH-Gens (mit den Ausgansstämmen W3110DeltaJ/pKP228 und W3110DeltaJ/pKP446AC; Tabelle 1) zu einer höhere Ausbeute von L-Methionin führt. Dies wurde durch die von der Beschwerdegegnerin am 17. November 2009 vorgelegten Beispiele 7-12 nochmals bestätigt (mit den Ausgansstämmen W3110DeltaJ/pKP228 und W3110DeltaJlac::yjeH; Tabellen 2 und 3). Anderseits zeigen die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Entgegenhaltungen D13 und D20, dass eine Erhöhung der Kopienzahl des yjeH-Gens (mit dem Ausgansstamm MG1655 metA*11 DeltametJ (pME101-thrA*1); vgl. Tabelle 2 in der Entgegenhaltung D13 und Tabelle 3 in der Entegegenhaltung D20) zu einer niedrige Ausbeute von L-Methionin führen kann. Eine derartige Verschlechterung könnte Einfluss auf die Beantwortung der Frage haben, ob das zugrundeliegende Problem (siehe Punkt 25 supra) vom Anspruchsgegenstand tatsächlich gelöst wird.
27. In ihrem Schreiben vom 18. August 2015 in Antwort auf den mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangen Bescheid (vgl. Punkt V supra), hat die Beschwerdegegnerin nachgewiesen, dass die in Entgegenhaltungen D13 und D20 beschriebenen Versuche, mit ungeeigneten Kontrollen durchgeführt wurden. Der in diesen Entgegenhaltungen untersuchte Stamm enthielt nämlich zwei Plasmide, während der verwendete Kontroll-Stamm nur eines enthielt. Darüber hinaus, enthielt das zweite im untersuchten Stamm enthaltene Plasmid ein Resistenzgen, das einen gravierenden Wachstumsnachteil für die Wirtszelle bewirkt. Zusätzlich waren die beiden Plasmide im gleichen Stamm inkompatibel (siehe Schreiben der Beschwerdegegnerin, Seite 2). Diese Argumente wurden von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen (vgl. Punkt VI supra). Demzufolge sind von den Entgegenhaltungen D13 und D20 ausgehende Schlussfolgerungen, wonach der beanspruchten Gegenstandes nicht zur Lösung des zugrundeliegenden Problems geeignet sei, zu vernachlässigen.
28. Der Kammer liegen somit keine nachvollziehbaren Tatsachen vor, wonach das in Punkt (25) oben, definierte technische Problem nicht, durch den vom gesamten vom Anspruch 1 umfassten Gegenstand, gelöst wird.
29. Die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens wurde von der Einspruchsabteilung in den Punkten 7.2.1. und 7.2.2. der angefochtenen Entscheidung anerkannt. Dieser Teil der angefochtenen Entscheidung, worin festgehalten wird, dass sich der beanspruchte Gegenstand nicht in naheliegender Weise aus einer Kombination der Entgegenhaltungen D2 und D5 ableiten lässt, wurde von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht beanstandet oder in Frage gestellt. Die Kammer sieht keinen Anlass von der Beurteilung der Einspruchsabteilung abzuweichen.
30. Der Gegenstand des Anspruchs 1 und der abhängigen Ansprüche 2 bis 13 erfüllt die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.