T 0355/14 (Katalysatorformkörper/BASF) 14-07-2016
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KATALYSATOREXTRUDATE AUF BASIS KUPFEROXID UND IHRE VERWENDUNG ZUR HYDRIERUNG VON CARBONYLVERBINDUNGEN
Clariant Produkte (Deutschland) GmbH
Johnson Matthey Public Limited Company
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 694 438 zu widerrufen.
II. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass der einzige damals vorliegende Antrag zwar die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ und der Artikel 123(2),(3) und 84 EPÜ erfülle, die beanspruchte Erfindung jedoch nicht ausreichend offenbart sei (Artikel 100(b)/83 EPÜ).
III. Anspruch 1 gemäß diesem Antrag lautet wie folgt (Änderungen im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 durch die Kammer kenntlich gemacht):
"1. Katalysatorformkörper von makroskopisch einheitlichen Strukturaufbau enthaltend 5 bis 85 Gew.-% Kupferoxid und ein oxidisches Trägermaterial, der in der Aktivmasse und als Binder das gleiche oxidische Trägermaterial aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass
(a) der Formkörper ein Porenvolumen >0,15 ml/g im Bereich der Porendurchmesser 10 nm bis 100 nm zeigt und
(b) das oxidische Trägermaterial im Formkörper sowohl feindispers verteilt vorhanden ist, als auch zu einem Volumenanteil von 1 bis 95 Vol.-% des Formkörpers in partikulärer Form, vorliegt,
wobei falls der Katalysator Zinkoxid als optionales weiteres Metall enthält, der Anteil an Zinkoxid bei < 500 ppm liegt."
IV. In ihrer Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin den von der Einspruchsabteilung für nicht gewährbar erachteten Anspruchssatz als Hauptantrag aufrecht und argumentierte im Wesentlichen, dass die Erfindung ausreichend offenbart sei.
V. In ihrem Antwortschreiben hielt die Beschwerde-
gegnerin I/Einsprechende 1 bezüglich dieses Hauptantrags Einwände nach Regel 80 und den Artikeln 83, 84 und 123(2) EPÜ aufrecht.
VI. Auch die Beschwerdegegnerin II/Einsprechende 2 beanstandete in ihrer Erwiderung die mangelnde Klarheit des Wortlauts von Anspruch 1 gemäß diesem Hauptantrag und die ungenügende Offenbarung der Erfindung.
VII. In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erließ die Kammer einen Bescheid mit einer vorläufigen Stellungnahme und wies ausdrücklich darauf hin, dass inter alia die Klarheit von Anspruch 1 zu erörtern sein werde.
VIII. Mit Schreiben vom 2. Juni 2016 übermittelte die Beschwerdeführerin weitere Argumente bezüglich ihres Hauptantrags, reichte aber auch einen weiteren geänderten Anspruchssatz als Hilfsantrag ein.
IX.
Anspruch 1 laut Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 laut Hauptantrag lediglich durch die Hinzufügung des Merkmals
"wobei das oxidische Trägermaterial Al2O3 ist".
X. Die mündliche Verhandlung fand am 14. Juli 2016 statt. Es wurde unter anderem die Frage der Klarheit (Artikel 84 EPÜ) von Anspruch 1 (Haupt- und Hilfsantrag) kontrovers erörtert, insbesondere bezüglich des in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmals "wobei falls der Katalysator Zinkoxid als optionales weiteres Metall enthält, der Anteil an Zinkoxid bei <500 ppm liegt".
XI. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf Grundlage der Ansprüche gemäß dem mit Schreiben vom 26. Juni 2012 eingereichten Hauptantrag, hilfsweise auf Grundlage der Ansprüche gemäß dem mit Schreiben vom 2. Juni 2016 eingereichten Hilfsantrag.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
XII. Die Argumente der Beschwerdeführerin betreffend die Klarheit (Artikel 84 EPÜ) von Anspruch 1 (beide Anträge) lauten im Wesentlichen wie folgt:
- Das eingefügte Merkmal "wobei falls der Katalysator Zinkoxid ... < 500 ppm liegt" sei aus folgenden Gründen klar:
- Im Streitpatent würden die Ausdrücke "Katalysator" und "Katalysatorformkörper" synonym verwendet.
- Alle Angaben in Anspruch 1 würden sich auf den fertigen, geformten, getrockneten und calcinierten Katalysatorformkörper beziehen. Dies sei etwa aus Absatz [0025] der Beschreibung ersichtlich.
- Bei der Angabe "ppm" könne es sich nur um eine Gewichtsangabe handeln. Dies sei aus der Beschreibung, Absatz [0011] ersichtlich.
- Ein Trocknungs- und Calcinierungsschritt fände im Rahmen der Herstellung des "Katalysatorformkörpers" immer statt.
- Diese Überlegungen würden in gleicher Weise für beide Anträge gelten.
Die entsprechenden Argumente der Beschwerdegegnerinnen können wie folgt zusammengefasst werden::
- Das zusätzlich in Anspruch 1 wie erteilt (beide Anträge) eingefügte Merkmal sei in mehrfacher Hinsicht unklar:
- Anspruch 1 betreffe einen "Katalysatorformkörper", das eingefügte Merkmal beziehe sich im Widerspruch dazu aber auf einen "Katalysator".
- Es sei auch nicht klar, worauf sich die (relative) Angabe "ppm" beziehe (Gewicht, Volumen oder Mol).
- Bei der Herstellung des Katalysators würde eine Reihe von Bestandteilen, nämlich eine aktive Komponente, ein oxidisches Trägermaterial, optional weitere Metalle und zumindest ein Binder verwendet. Es sei jedoch nicht klar, ob alle oder nur manche dieser Bestandteile bei der Berechnung der "ppm" zu berücksichtigen seien.
- Es sei zudem nicht klar, ob sich die Angabe der "ppm" auf das extrudierte, getrocknete oder calcinierte Produkt beziehe.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag - Anspruch 1 - Deutlichkeit (Artikel 84 EPÜ)
1. Anspruch 1 des Hauptantrags enthält im Vergleich zu Anspruch 1 der erteilten Fassung das zusätzliche Merkmal (Hervorhebungen durch die Kammer)
"wobei falls der Katalysator Zinkoxid als optionales weiteres Metall enthält, der Anteil an Zinkoxid bei < 500 ppm liegt".
2. Dieses Merkmal stammt unstreitig aus der Beschreibung und nicht aus einem anderen erteilten Anspruch.
2.1 Es ist demnach zu überprüfen, ob die geltend gemachten Einwände betreffend die Klarheit (Deutlichkeit) des geänderten Anspruchs 1 stichhaltig sind (G 9/91, ABl. 1993, 408, Entscheidungsgründe, 19 sowie G 3/14, ABl. 2015, A102, Entscheidungsformel).
2.2 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass ein Anspruch dann deutlich ist, wenn er in sich widerspruchsfrei ist und ein Heranziehen der Beschreibung nicht erforderlich ist (siehe etwa T 2006/09 vom 8. Juli 2011; T 2/80, ABl. 1981, 431, Entscheidungsgründe, 2 und 3.
3. Nach dem Dafürhalten der Kammer ist die Einfügung dieses Merkmals in Anspruch aus folgenden Gründen zu beanstanden:
3.1 Durch die Änderung bewirkter Widerspruch im Wortlaut des Anspruchs 1
3.1.1 Die Ansicht der Beschwerdeführerin, wonach die Begriffe "Katalysator" und "Katalysatorformkörper" in Anspruch 1 als Synonyme anzusehen seien, wird von der Kammer nicht geteilt.
3.1.2 Für den Fachmann haben die beiden Begriffe durchaus unterschiedliche Bedeutungen. Während ein "Katalysator" einen Formgebungsprozess durchlaufen haben kann, aber nicht notwendigerweise muss, ist dies bei einem "Katalysatorformkörper" obligatorisch. Somit hat der Begriff "Katalysator" eine allgemeinere Bedeutung als der Begriff "Katalysatorformkörper". Letzterer ist vom Begriff "Katalysator" mit umfasst, während dies umgekehrt nicht der Fall sein muss.
3.1.3 Daher nimmt der Fachmann nach dem Dafürhalten der Kammer a priori an, dass durch die Verwendung zweier Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung in ein und demselben Anspruch auf zwei unterschiedliche Gegenstände Bezug genommen wird. Lediglich im geänderten Anspruch 1 wird der Ausdruck "der Katalysator" verwendet, allerdings ohne dass im vorangehenden Teil des Anspruchs von einem "Katalysator" (im allgemeinen Sinn) die Rede ist. Es ist demnach aus dem für sich genommenen Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ersichtlich, ob bzw. inwieweit "der Katalysator" anders zu verstehen ist als "Katalysatorformkörper".
Ob sich dieser Widerspruch in Anspruch 1 bei Heranziehung der Beschreibung tatsächlich eindeutig in dem von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sinn (XII, supra) auflösen ließe, was von der Gegenpartei bestritten wurde, ist im vorliegenden Fall nach dem Dafürhalten der Kammer nicht ausschlaggebend. Dass ein Heranziehen der Beschreibung überhaupt erforderlich zu sein scheint, bestätigt vielmehr den durch die Änderung hervorgerufenen Mangel an Deutlichkeit (siehe 2.2, supra).
3.1.4 Schon allein aufgrund dieses durch die Änderung bewirkten Widerspruchs ist Anspruch 1 unklar (Artikel 84 EPÜ).
3.2 Fehlende Angabe zur Natur der Größe "ppm"
3.2.1 Aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 alleine ist auch nicht erkennbar, ob sich die Angabe "ppm" (parts per million) auf Gewichts-, Volums- oder Mol-Anteile bezieht.
3.2.2 Anspruch 1 enthält einerseits die Angabe, dass der "Katalysatorformkörper" 5 bis 85 "Gew.-%" Kupferoxid enthalten müsse, andererseits aber auch die Angabe, dass "1 bis 95 "Vol.-%"" oxidisches Trägermaterial in partikulärer Form vorliegen müsse.
3.2.3 Demnach ist auch unter Berücksichtigung des gesamten Wortlauts von Anspruch 1 nicht eindeutig klar, auf welches Mengenverhältnis mit der Angabe "ppm" Bezug genommen werden soll.
Ob die Beschreibung (etwa Absatz [0011]) eindeutig für die Bedeutung Gewichts-% spricht oder nicht, ist nach dem Dafürhalten der Kammer wiederum nicht ausschlaggebend (siehe Punkt 2.2, supra).
3.2.4 Auch aufgrund dieser weiteren, durch die Aufnahme des zusätzlichen Merkmals bewirkte Mehrdeutigkeit erfüllt der geänderte Anspruch 1 nicht das Erfordernis der Deutlichkeit (Artikel 84 EPÜ).
3.3 Fehlende Bezugsbasis der relativen Größe "ppm"
3.3.1 Wie zuvor unter Punkt 3.1 et seq., supra, festgestellt, ist aus dem Anspruchswortlaut nicht eindeutig ersichtlich, ob die Begriffe "Katalysator" und "Katalysatorformkörper" als Synonyme zu verstehen sind. Aus dieser Unklarheit ergibt sich, dass die Bezugsbasis des in "ppm" ausgedrückten Mengenverhältnisses, ebenfalls nicht eindeutig ist.
3.3.2 Diese Frage lässt sich selbst dann nicht eindeutig klären, wenn, lediglich arguendo, der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend, die Beschreibung konsultiert wird und bezüglich der Bedeutung des eingefügten Merkmals insbesondere Absatz [0011] der Beschreibung herangezogen wird. Absatz [0011] bezieht sich auf eine "Aktivkomponente" (Seite 2, Zeile 46), ein "oxidisches Trägermaterial" (Seite 2, Zeile 48) und den "Katalysator" (Seite 2, Zeilen 46 und 52). Jedoch ist in diesem Absatz nicht eindeutig definiert, ob sich die Obergrenze für den Zinkoxidgehalt - in ppm - auf die Gesamtmenge der Bestandteile oder nur auf die Aktivkomponente beziehen soll (so werden in Absatz [0006] vorbekannte CuO/ZnO-Katalysatorextrudate mit Al2O3 als Binder erwähnt).
3.3.3 Selbst wenn, wiederum lediglich arguendo, den Ausführungen der Beschwerdeführerin dahingehend gefolgt wird, dass als Bezug der gesamte Katalysatorformkörper gemeint ist, so ist noch immer nicht erkennbar, auf welchen Zeitpunkt der Herstellung des Katalysatorformkörpers sich die Angabe bezieht: Absatz [0016] erwähnt die Verwendung von Zusatzstoffen wie Wasser, Graphit, Stärke, Kohlenhydrate, Wachse und Alginate bei der Herstellung der Extrudate. Diese Stoffe sind bei der Trocknung bzw. Calcinierung entweder flüchtig oder zersetzen sich. Somit macht es einen Unterschied, ob sich die Angabe "ppm" auf den extrudierten, getrockneten oder calcinierten Katalysatorformkörper bezieht.
Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, dass sich sämtliche Angaben auf den fertigen, getrockneten und calcinierten Katalysatorformkörper bezögen. Darauf gibt es jedoch in der Beschreibung - auch implizit - keinen Hinweis, insbesondere deshalb nicht, da der Calcinierungsschritt optional ist. In diesem Zusammenhang sei auf den von der Beschwerdeführerin herangezogenen Absatz [0025] verwiesen (erster Satz: "... werden die Katalysatoren getrocknet und ggf. calciniert"; Hervorhebung durch die Kammer).
3.3.4 Aus dem Wortlaut von Anspruch 1 per se ist also auch nicht eindeutig ersichtlich, welches Material (Natur, Zusammensetzung, Zustand) als Bezugsbasis für die Angabe "< 500 ppm" dienen soll. Zudem blieben selbst bei einer eventuellem Heranziehung der Beschreibung diesbezüglich Fragen offen.
3.3.5 Auch diese Uneindeutigkeit wird durch die Aufnahme des zusätzlichen Merkmals bewirkt und trägt dazu bei, dass der geänderte Anspruch 1 nicht das Erfordernis der Deutlichkeit erfüllt (Artikels 84 EPÜ).
4. Aus den obigen Gründen wird also gerade durch die Einführung des fraglichen, der Beschreibung entnommenen Merkmals in den erteilten Anspruch 1 in mehrfacher Hinsicht ein Mangel an Deutlichkeit generiert.
5. Da Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt, ist der Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar.
Hilfsantrag - Deutlichkeit - Anspruch 1
6. Anspruch 1 laut Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 laut Hauptantrag lediglich durch das zusätzliche Merkmal "wobei das oxidische Trägermaterial Al2O3 ist".
6.1 Dieses zusätzliche Merkmal ändert jedoch nichts an dem Mangel an Deutlichkeit, der sich durch die Einfügung des Merkmals betreffend den "Anteil an Zinkoxid" (Punkt 1, supra) ergibt.
6.2 Die bezüglich Anspruch 1 laut Hauptantrag angestellten Überlegungen gelten demnach mutatis mutandis auch bezüglich des vorliegenden Anspruchs 1. Folglich erfüllt auch dieser Anspruch nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.
7. Demnach ist auch der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.