T 1260/16 14-06-2019
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Verfahren zur Herstellung von Siliconemulsionen
Unklar definierter Parameter - Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 10. März 2016 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 2 385 077 in geänderter Fassung auf Grundlage des einzigen Antrags (Ansprüche 1 bis 5), eingereicht mit Schreiben vom 6. März 2014, und einer nicht geänderten Beschreibung, aufrecht erhalten wurde.
II. Anspruch 1 dieses Antrags lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung von Emulsionen von Organopolysiloxanen (O), bei dem in wässrigem Medium
(1) 100 Gewichtsteile Hydroxy-terminierte Organopolysiloxane und
(2) mindestens 0,01 Gewichtsteile Trialkylsilyl-terminierte Organopolysiloxane der allgemeinen Formel 2
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei
R einen einwertigen, unsubstituierten oder Substituenten, die Elemente enthalten, die ausgewählt werden aus N, P, S, O, Si, H und Halogen tragenden, gesättigten oder ungesättigten Kohlenwasserstoffrest mit 1 bis 36 Kohlenstoffatomen bedeutet,
R**(1) einen Alkylrest mit 1 bis 18 Kohlenstoffatomen, der durch Sauerstoffatome unterbrochen sein kann, bedeutet und
z so zu wählen ist, dass die Viskosität des Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxans (2) von 55 bis 50 000 mm2/s bei 25 deg. C beträgt,
in Gegenwart von
(3) oberflächenaktiven sauren Polymerisationskatalysatoren, die ausgewählt werden aus Sulfonsäuren und Hydrogensulfaten und
(4) Emulgator
bis zum Erreichen der gewünschten Molekülgröße polymerisiert werden."
Ansprüche 2 bis 5 stellten Unteransprüche vom Anspruch 1 dar.
III. Vor der Einspruchsabteilung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: ASTM D445-12
D2: DIN 51562-1, Januar 1999
D3: US 4,962,153
D4: US 5,001,186
D5: EP 1 167 456 A1
D6: US 5,504,150
D10: Testreport
IV. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die für die vorliegende Beschwerde von Relevanz sind, können folgendermaßen zusammengefasst werden. Der beanspruchte Gegenstand erfülle die Bedingungen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ. Obwohl die Definition eines Viskositätsbereichs für die Komponente (2) ohne Angabe einer Messmethode zur Bestimmung der Viskosität als unklar zu betrachten sei, führe die fehlende Klarheit des Anspruchs 1 nicht zu einem Mangel der Ausführbarkeit seines Gegenstands. Die Neuheit gegenüber der Entgegenhaltungen D3 und D4 sei anerkannt worden. Außerdem vertrat die Einspruchsabteilung die Meinung, dass die in den Beispielen 2 und 3 des Dokuments D6 beschriebenen Verfahren den nächstliegenden Stand der Technik darstellten. Von D6 ausgehend sei eine erfinderische Tätigkeit anerkannt worden.
V. Gegen diese Entscheidung erhob die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde.
VI. Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde eine Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK erlassen. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 14. Juni 2019 statt.
VII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Ausführbarkeit
a) Das Streitpatent enthalte keine Angabe, wie die beanspruchte Viskosität der Komponente (2), die ein wesentliches Merkmal der Erfindung darstelle, zu bestimmen sei. Wie in der D10 gezeigt worden sei, stelle die im Anspruch 1 definierte Viskosität eine kinematische Viskosität dar, wofür, wie in D1 und D2 dargelegt, mehrere Meßmethoden zu deren Bestimmung bekannt seien. Wie in D10 jedoch gezeigt worden sei, führe eine Bestimmung der Viskosität mit zwei in der Norm D1 genannten Apparaten zu erheblichen Unterschieden der gemessenen Viskositätswerten desselben Trimethylsiloxy-terminierten Polysiloxans, welche Unterschiede in den Viskositätswerten über einen Messfehler hinausgehen würden. Je nach verwendeter Meßmethode zur Bestimmung der kinematischen Viskosität des Trimethylsiloxy-terminierten Polysiloxans, befinde sich dieses Produkt innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs. Im vorliegenden Fall gehe die fehlende Angabe einer Meßmethode über eine mangelnde Klarheit des beanspruchten Gegenstands hinaus, da sie ebenfalls zu einer mangelnden Ausführbarkeit führe.
b) Der Fachmann sei auf Grund der erheblichen Unterschiede in der gemessenen Viskosität nicht in der Lage über die gesamte Breite des Anspruchs "passende" oder "geeignete" Trialkylsilyl-terminierte Organopolysiloxane auszuwählen, um das beanspruchte Verfahren durchzuführen. Den Entscheidungen T 0464/05 vom 14. Mai 2007 und T 0593/09 vom 20. Dezember 2011 folgend, sei die Ausführbarkeit der vorliegenden Erfindung, d.h. die Ausführbarkeit des Gegenstands, der die Aufgabe des Streitpatents löse, über die gesamte Breite des Anspruchs 1 zu verneinen.
Erfinderische Tätigkeit
c) Die in den Beispielen 1 und 3 von D3 offenbarten Verfahren würden einen besseren Ausgangspunkt für die vorliegenden Erfindung als die in D6 offenbarten Verfahren darstellen, weil sie sich wie im Streitpatent ebenfalls auf ein Verfahren zur Herstellung von Emulsionen von Organosiloxanen beziehen würden. Die Verfahren der Beispiele 1 und 3 von D3 würden daher den nächstliegenden Stand der Technik bilden. Davon unterscheide sich das beanspruchte Verfahren nur dadurch, dass die Trialkylsilyl-terminierten Polysiloxane der Formel (2) gemäß Anspruch 1 keine an der Hauptkette gebundenen reaktiven Wasserstoffatome enthielten.
d) Das Streitpatent enthalte keine Information, ob die Verwendung eines Organopolysiloxans (2) gemäß Anspruch 1 gegenüber einem Organopolysiloxan mit an der Hauptkette gebundenen reaktiven Wasserstoffatomen vorteilhaft sei, bzw. ob die Verwendung des Organopolysiloxans (2) gemäß Anspruch 1 mit einem technischen Effekt verbunden sei. Unter solchen Umständen liege die gegenüber den Verfahren aus den Beispielen 1 und 3 von D3 tatsächlich gelöste Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung von Emulsionen von Organopolysiloxanen.
e) Für den Fachmann sei es naheliegend gewesen, alternative Verbindungen für das Verfahren nach D3 auszusuchen. Wie in den Beispielen 1 bis 9, insbesondere im Absatz [0056] von D5, gezeigt worden sei, sei es für die Polymerisation von Hydroxy-terminierten Organopolysiloxanen und Trimethylsilyl-terminierten Organopolysiloxanen dem Fachmann bekannt gewesen, Polymethylwasserstoff-siloxane durch Polydimethylsiloxane zu ersetzen. Die Viskosität der in Absatz [0056] von D5 beschriebenen Trimethylsilyl-terminierten Organopolysiloxanen liege auch im definierten Bereich des vorliegenden Anspruchs 1. Es sei auch auf Seite 2, Zeile 23 und Absatz [0017] verwiesen. Aus D6 sei es auch nahegelegt, die Polymerisation mit Polydimethylsiloxanen anstatt Polymethylwasserstoffsiloxanen durchzuführen. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass eine Vernetzung des Organopolysiloxans der Formel (2) gemäß Anspruch 1 möglich sei, da R einen mit Si-H substituierten gesättigten oder ungesättigten Kohlenwasserstoffrest darstellen könne. Es werde außerdem in D3 (Spalte 2, Zeilen 40 ff.) gelehrt, dass jede Organosiloxanhydridverbindung, die sich einpolymerisieren lasse, als Vernetzter verwendbar sei. Somit sei es dem Fachmann gelehrt worden, dass ein Organopolysiloxan mit einem Si-H substituierten gesättigten oder ungesättigten Kohlenwasserstoffrest R, wie im Anspruch 1 mit der Formel (2) definiert, in D3 einsetzbar sei. Aus diesen Gründen beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) können wie folgt zusammengefasst werden:
Ausführbarkeit
a) Der Fachmann finde genügend Information in der Beschreibung des Streitpatents, um die Erfindung auszuführen. Es sei auf die Verwendung von verschiedenen Ausgangsstoffen in den Beispielen 1 bis 8 verwiesen. Ferner würden die Abweichungen der gemessenen Viskositätswerte, die auf die Verwendung von unterschiedlichen Meßmethoden zurückzuführen seien, nicht über den üblichen Messfehler hinausgehen. Dies sei im Schreiben der Patentinhaberin vom 5. März 2014 gezeigt worden. Die Erfindung sei aus diesen Gründen ausführbar.
Erfinderische Tätigkeit
b) Der Erfindung des Streitpatents liege die Aufgabe zugrunde, Emulsionen von Organopolysiloxanen durch Emulsionspolymerisation sehr gezielt und mit hoher Reproduzierbarkeit der Kettenlänge und damit der Ölviskosität herzustellen (Absätze [0009] bis [0011] des Streitpatents). In den Beispielen 1 und 3 von D3 sei die Herstellung von Emulsionen HO-endständiger Siloxane beschrieben. Aus diesem Grund stelle das in D3 offenbarte Verfahren den nächstliegenden Stand der Technik dar. Angaben über das Molekulargewicht oder die Viskosität der in D3 beschriebenen Organipolysioxane seien nicht vorhanden. Eine Viskositätssteuerung durch die H-Siloxane sei in D3 nicht vorgesehen und auch nicht möglich.
c) Das Ziel von D3 sei die Herstellung eines Elastomerfilms, da das in der Emulsion vorhandene H Siloxan durch Zusatz von Zinn-Katalysatoren querzuvernetzen sei. Es erfolge eine Reaktion zwischen Si-H und Si-OH Gruppen, bei der der Elastomerfilm gebildet werde (D3, Beispiel 1, Spalte 6, Zeilen 43 bis 51). Ein Fachmann würde daher D3 nicht heranziehen, um Kettenlänge und Ölviskosität von Organopolysiloxanen gezielt und mit hoher Reproduzierbarkeit herzustellen. In D6, Beispiele 2 und 3, finde keine Polymerisation in einem wässrigen Medium statt, d.h. D6 betreffe keine Emulsionspolymerisation. Deshalb würde der Fachmann D6 ebenfalls nicht in Betracht ziehen, um Organopolysiloxane durch Emulsionspolymerisation herzustellen.
d) Eine erfinderische Tätigkeit sei daher anzuerkennen.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen.
X. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Ausführbarkeit
1. Gemäß Artikel 100 b) EPÜ muss das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass der im Anspruch definierte Gegenstand anhand der Lehre der Patentschrift und unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand, d.h. ohne erfinderisches Zutun, vollständig, d.h. innerhalb des gesamten beanspruchten Bereiches, ausführbar sein muss.
1.1 Es wurde nicht angezweifelt, dass die Herstellung von Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxanen der allgemeinen Formel (2) gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 dem Fachmann bekannt ist. Es ist ebenfalls nicht strittig, dass der Anspruch 1 keine Einschränkung bezüglich der zu verwendeten Messmethode zur Bestimmung der Viskosität dieser Organopolysiloxane enthält. Ferner sind sich die Parteien einigt, dass es sich bei der im Anspruch 1 definierten Viskosität, um eine kinematische Viskosität handelt, für deren Messung unterschiedliche Methoden zum Prioritätstag zur Verfügung standen, die zu voneinander abweichenden Ergebnissen führen (siehe Ausführungen der Beschwerdeführerin im Hinblick auf D1, D2 und D10; Beschwerdebegründung; Seite 2, 2., 3. und 5. Absatz; Seite 3, 3. Absatz), so dass sich dasselbe Produkt je nach ausgewählter Meßmethode innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs befinden kann.
1.2 Damit besteht bezüglich des Merkmals, das die Viskosität dieser Komponente definiert, zunächst eine Unklarheit, die nicht auf eine Änderung im Streitpatent zurückzuführen ist und somit im Einspruchs(beschwerde)verfahren nicht beanstandet werden kann (siehe G 3/14, ABl. EPA 2015, A102).
1.3 Der Einwand der Beschwerdeführerin betrifft lediglich die Frage, ob der Fachmann am Rand des beanspruchten Bereichs in der Lage sei, ein "Trialkylsilyl-terminiertes Organopolysiloxan" gemäß der Definition im vorliegenden Anspruch 1 auszuwählen (Beschwerdebegründung, Seite 3, 3. Absatz), d.h. mit einer Viskosität gemessen bei 25°C zwischen 55 und 50 000 mm**(2)/s. Es wird argumentiert, dass der Fachmann nicht in der Lage sei ein "passendes" oder "geeignetes" Trialkylsilyl-terminiertes Organopolysiloxan auszuwählen (Beschwerdebegründung, Seite 2, letzen Absatz; Seite 3, 3. und 5. Absatz). Die Beschwerdeführerin meint damit auf der Basis der Entscheidungen T 0464/05 vom 14. Mai 2007 und T 0593/09 vom 20. Dezember 2011, dass alle Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxane, die unter die Definition des vorliegenden Anspruchs 1 fallen, nicht geeignet sind, die technische Aufgabe gemäß Streitpatent zu lösen, womit die vorliegende Erfindung nicht ausführbar sei. Mit anderen Worten würden nur Trialkylsilyl-terminierte Organopolysiloxane mit einer Viskosität zwischen 55 und 50 000 mm**(2)/s, gemessen bei 25°C mit einer bestimmten im Patent nicht offenbarten Messmethode, die technische Aufgabe gemäß Streitpatent lösen können. Da der Anspruch 1 keine Messmethode spezifiziert und andere Meßmethoden abweichende Werte liefern, würden Produkte unter die Definition des Anspruchs 1 fallen, die sich aber gemessen anhand dieser bestimmten, nicht offenbarten Messmethode, außerhalb des beanspruchten Bereichs befinden würden. Somit wäre die technische Aufgabe gemäß Streitpatent nicht über die gesamte Breite des Anspruchs gelöst, mit der Folge, dass die Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sei.
1.4 Dem Einwand der Beschwerdeführerin vermag die Kammer nicht zu folgen, da die Argumentation auf einer Definition der "Erfindung" beruht, die nicht im Einklang mit der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer ist. Es wird auf die Entscheidung T 1845/14 vom 8. November 2018 (Punkte 9.6 bis 9.9 der Entscheidungsgründe) verwiesen. Die "Erfindung" ist als die spezifische Merkmalskombination eines Anspruchs zu verstehen (vgl. Regel 43 (1) EPÜ und Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/98, ABl. EPA 2001, 413; Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Im vorliegenden Fall bildet die Wirkung, die durch diese Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxane, deren Viskosität unscharf definiert ist, erzielt werden soll, kein Merkmal des beanspruchten Gegenstands. In einem solchem Fall ist die Frage, ob diese Wirkung durch den beanspruchten Gegenstand erzielt wird, keine Frage der Ausführbarkeit der (beanspruchten) Erfindung, sondern eine Frage der erfinderischen Tätigkeit, d.h. die Frage, welche Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik tatsächlich vom beanspruchten Gegenstand über die ganze Breite des Anspruchs gelöst wird (siehe G 1/03, ABl. EPA 2004, 413; Punkt 2.5.2 der Entscheidungsgründe).
1.5 Infolgedessen kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer mangelnden Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands nicht überzeugen.
Erfinderische Tätigkeit
Nächstliegender Stand der Technik
2. Der Anspruch 1 des Streitpatents betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Emulsionen, das in wässrigem Medium stattfindet. Gemäß dem Absatz [0007] des Streitpatents ist das Ziel der vorliegenden Erfindung, Verfahren zur Herstellung von Emulsionen von Organopolysiloxanen durch Emulsionspolymerisation hinsichtlich sowohl der Einstellung der Kettenlänge der hergestellten Organopolysiloxanen bzw. der Ölviskosität als auch der Emulsionseigenschaften zu verbessern.
2.1 D6, das nach Auffassung der Einspruchsabteilung als nächstliegender Stand der Technik galt, betrifft aber kein Polymerisationsverfahren in einem wässrigen Medium, weil sowohl das Wasser als auch der Emulgator nach der Polymerisation zugesetzt werden (Anspruch 1; Spalte 1, Zeilen 32-35; Spalte 9, Zeilen 1-21; Abbildung 1). Da die vorliegenden Ansprüche nur auf das Verfahren zur Herstellung einer Emulsionen, aber nicht auf die resultierenden Emulsionen, gerichtet sind, kann D6 objektiv betrachtet für den Fachmann, der sich mit der Aufgabe gemäß Streitpatent auseinandersetzt, keinen realistischen Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung darstellen. Folglich kann D6 den nächstliegenden Stand der Technik nicht bilden.
2.2 Obwohl die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK Zweifel geäußert hatte, ob D3 einen realistischen Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung und somit den nächstliegenden Stand der Technik darstellen kann, waren sich beide Parteien während der mündlichen Verhandlung aber einigt, dass das Verfahren gemäß den Beispielen 1 und 3 von D3, das die Herstellung einer Emulsion betrifft, den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Unter diesen Umstände wird D3 als Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit genommen.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von Beispiel 1 von D3
3. D3 beschreibt mit dem Beispiel 1 (Spalte 6, ab Zeile 28) ein Verfahren, in dem in einem ersten Schritt ein Hydroxy-terminiertes Polydimethylsiloxan und ein Trimethylsiloxy-terminiertes Polymethylhydrosiloxan mit einem Gehalt an Silicium gebundenen Wasserstoffatomen von 1,6 Gew.-% in Wasser und in Gegenwart von Natriumlaurylsulfat als Emulgator und Dodecylbenzolsulfonsäure als Polymerisationskatalysator reagiert werden. Die Reaktion führt zu einer Emulsion, die ein Hydroxy-terminiertes Organopolysiloxan mit an der Hauptkette gebundenen reaktiven Wasserstoffatomen enthält (Anspruch 1 und Spalte 2, Zeilen 18-21). In einem zweiten Schritt wird ein Katalysator (Dioctylzinndilaurat) zugesetzt, der die Reaktion zwischen den Si-H und den Si-OH Gruppen ermöglicht, so dass eine Emulsion mit einem quervernetzten Organopolysiloxan erhalten wird (Beispiel 1 und Anspruch 1).
Es wurde nicht bestritten, dass sich das Verfahren gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 von der Herstellung der Emulsion in Beispiel 1 von D3 lediglich durch die Verwendung eines Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxans der allgemeinen Formel (2) unterscheidet.
Objektive Aufgabe
4. Ausgehend von diesem Stand der Technik soll der Erfindung gemäß Vortrag der Beschwerdegegnerin die Aufgabe zugrunde liegen, ein Verfahren zu Verfügung zu stellen, das die Herstellung von Emulsionen von Organopolysiloxanen durch Emulsionspolymerisation sehr gezielt und mit hoher Reproduzierbarkeit der Kettenlänge und damit der Ölviskosität ermöglicht. Die Beschwerdegegnerin bezog sich auf die Absätze [0009] bis [0011] des Streitpatents.
4.1 Es wird bemerkt, dass sich diese im Streitpatent genannten Vorteile nicht auf den nächstliegenden Stand der Technik, aber auf einen anderen Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung beziehen (Absätze [0002] bis [0007]). Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es aber erforderlich die Aufgabe zu ermitteln, die sich gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik aus objektiver Sicht stellt und gelöst wird.
4.2 Die Kammer stellt auch fest, dass weder Versuche vorliegen, anhand derer ein technischer Vorteil gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik belegt ist, noch anderweitig glaubhaft gemacht wurde, dass ein solcher Vorteil gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik durch die Verwendung eines Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxans der Formel (2) gemäß Anspruch 1 erzielt wird.
4.3 Infolgedessen ist die von der Beschwerdegegnerin angegebene technische Aufgabe umzuformulieren. Ausgehend von der Herstellung der Emulsion in Beispiel 1 von D3 als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent somit lediglich die objektive technische Aufgabe zugrunde, ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Emulsionen von Organopolysiloxanen bereitzustellen.
Naheliegen der Lösung
5. Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens zu lösen, welches durch die Verwendung eines Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxans der allgemeinen Formel (2) gemäß Anspruch 1 gekennzeichnet ist.
5.1 Es ist festzustellen, dass das Zwischenprodukt, das im ersten Schritt der Reaktion gemäß der allgemeinen Lehre von D3 erhalten wird, reaktive Wasserstoffatome, die an der Siloxanhauptkette gebunden sind, enthalten muss, sodass in einem zweiten Schritt eine Quervernetzung dieses Zwischenprodukts durch Reaktion zwischen den an der Hauptkette gebunden Si-H und den Si-OH Endgruppen stattfinden kann (Anspruch 1 und Spalte 2, Zeilen 8-26). Die Verwendung von reaktiven Wasserstoffatomen, die an der Siloxanhauptkette gebunden sind, welche Verwendung in Beispiel 1 von D3 veranschaulicht wird, ist folglich gemäß der allgemeinen Lehre von D3 zwingend.
5.2 Es ist daher ersichtlich, dass der Fachmann im Hinblick auf die Lehre von D3 keine Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxane der allgemeinen Formel (2) gemäß vorliegendem Anspruch 1 zur Lösung der vorliegenden Aufgabe in Betracht ziehen würde, wenn diese Trialkylsilyl-terminierten Organopolysiloxane nicht zu einem reaktive Wasserstoffatome enthaltenden Zwischenprodukt führen können. Die ist der Fall für die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Trialkylsilyl-terminierte Organopolysiloxane aus D5 und D6, die keine Si-H Verbindung enthalten. Mit anderen Worten würde der Fachmann im Hinblick auf den zwingenden Charakter der Lehre von D3 die von der Beschwerdeführerin dargestellte Kombination von D3 mit entweder D5 oder D6 nicht erwägen, womit der Einwand einer mangelnden erfinderischen Tätigkeit im Lichte des Beispiels 1 der D3 in Kombination mit D5 oder D6 nicht überzeugen kann.
5.3 Es wurde des Weiteren von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass der Fachmann der allgemeinen Lehre von D3 folgend, eine Vernetzung durchzuführen, trotzdem Trialkylsilyl-terminierte Organopolysiloxane der allgemeinen Formel (2) verwendet hätte, da die Kohlenwasserstoffreste R dieser Organopolysiloxane mit Elementen ausgewählt aus N, P, S, O, Si und H substituiert sein können. Das bloße Argument, dass diese Elemente als Substituenten für den Kohlenwasserstoffrest verwendet werden können, stellt aber keinen Hinweis, geschweige denn einen Beweis, dar, dass solche Verbindungen, die unter die Definition der Formel (2) fallen, tatsächlich eine Quervernetzung des damit hergestellten Zwischenprodukts ermöglichen oder wie es in D3 verlangt wird, zu Organopolysiloxanen mit reaktiven Wasserstoffatomen, die an der Siloxanhauptkette gebunden sind, führen. Darüber hinaus wurde kein Beweis geliefert, dass solche hypothetischen Verbindungen am Anmeldetag bzw. Prioritätsdatum des Streitpatents zum Stand der Technik gehörten und somit deren Verwendung, um die obige Aufgabe zu lösen, für den Fachmann naheliegend gewesen wäre. Daher wurde selbst unter Berücksichtigung dieser breiten Auslegung des Gegenstands des Anspruchs 1 des Streitpatents durch die Beschwerdeführerin, nicht gezeigt, dass der Fachmann ausgehend vom Beispiel 1 der Entgegenhaltung D3 in naheliegender Weise zum Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gelangt wäre.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend vom Beispiel 3 der D3
6. Der Einwand einer mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin ging zudem von einem weiteren Verfahren aus, nämlich vom Beispiel 3 der D3. Dieses weitere Verfahren und das Verfahren aus dem Beispiel 1 der D3 wurden von den Parteien für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als gleichwertig betrachtet. Das Vorbringen der Parteien bezog sich auf die Beispiele 1 und 3 von D3 gleichermaßen, ohne diese in ihrer Argumentation zu differenzieren. Die Kammer hat daher keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens, je nachdem ob man vom Beispiel 1 oder vom Beispiel 3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass das Verfahren gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 ausgehend vom Beispiel 3 als nächstliegendem Stand der Technik ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, kann daher aus den gleichen Gründen, wie in den Punkten 3 bis 5.3 oben dargelegt, nicht überzeugen.
7. Eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ ist somit anzuerkennen.
8. Da andere Einwände gegen das Streitpatent in der Fassung des einzigen Antrags nicht erhoben wurden, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.