T 2272/16 08-06-2020
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VERFAHREN ZUR ZERSTÖRUNGSFREIEN PRÜFUNG VON ROHREN AUF OBERFLÄCHENFEHLER
Zulässigkeit der Beschwerde (nein)
Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde nicht ausreichend begründet
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die am 28. April 2016 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 06 775 800.3 aufgrund des Artikels 97 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.
II. Die Prüfungsabteilung hat die Patentanmeldung mit einer Entscheidung nach Aktenlage zurückgewiesen, in der sie auf ihre Mitteilung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ vom 9. Oktober 2015 verwiesen hat, in der der Anmelderin mitgeteilt worden war, dass und aus welchen Gründen die Anmeldung nicht die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
In dieser Mitteilung hat die Prüfungsabteilung mehrere Einwände gegen den Anspruch 1 des damals vorliegenden und mit Schreiben vom 5. August 2013 eingereichten einzigen Antrags erhoben, und zwar unter anderem die Folgenden:
Die Prüfungsabteilung hielt den Anspruch 1 für nicht klar (Artikel 84 EPÜ) und beanstandete unter Punkt 1 der Mitteilung mit einer Begründung:
a) das Merkmal "die Zeit zwischen dem Eintreffen der digitalen Daten",
b) die Merkmale "die Ausführungszeit für die Filterung kleiner ist als die Zeit zwischen dem Eintreffen der digitalen Daten des kontinuierlichen Datenstromes" und "ein ermitteltes Fehlersignal der Position des Fehlers eindeutig zugeordnet werden kann",
c) den Ausdruck "in nahezu Echtzeit", und
d) den Widerspruch zwischen dem Anspruch und der (noch nicht) angepassten Beschreibung.
Die Prüfungsabteilung hielt den Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D1 oder dem Dokument D2 in Kombination mit dem Dokument D3 oder D4 bzw. einem der Dokumente D5 - D7 (Punkt 3 der Mitteilung) für nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruhend.
III. Die Beschwerdeführerin reichte ihre Beschwerdeschrift vom 10. Mai 2016 ohne Angabe der Anschrift der Beschwerdeführerin am 11. Mai 2016 per Telefax beim EPA ein und entrichtete am selben Tag die gemäß Artikel 108 Satz 2 EPÜ erforderliche Beschwerdegebühr. Sie erklärte in ihrer Beschwerdeschrift, dass gegen "den Beschluss der Prüfungsabteilung vom 28.04.2016" Beschwerde eingelegt werde, und beantragte, "den Beschluss der Prüfungsabteilung im vollen Umfang aufzuheben und die Erteilung des Patentes zu beschließen". Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
IV. Mit Schreiben vom 26. August 2016, das am selben Tag per Telefax beim EPA einging, reichte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerdebegründung ein, die die Angabe der Anschrift der Beschwerdeführerin enthielt.
V. In einer Mitteilung der Kammer vom 13. November 2019 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Kammer nach ihrer vorläufigen Meinung die vorliegende Beschwerde für unzulässig halte, da sie mangels ausreichender Begründung nicht die Voraussetzungen des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ erfülle. Der Beschwerdeführerin wurde auch mitgeteilt, dass sie dazu innerhalb von 2 Monaten Stellung nehmen könne.
VI. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage. Zu der Mitteilung der Kammer nahm sie inhaltlich nicht Stellung.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit der Beschwerde
1. Die gemäß Artikel 108 Satz 1 i.V.m. Regel 99 (1) a) EPÜ erforderliche Angabe der Anschrift der Beschwerdeführerin enthält die Beschwerdeschrift zwar nicht, aber dieser Mangel wurde in zulässiger Weise mit der Angabe der Anschrift in der Beschwerdebegründung behoben (Regel 101 (2) EPÜ).
2. Da die Beschwerdeschrift eine Erklärung enthält, in der die angefochtene Entscheidung angegeben ist, erfüllt sie auch die Voraussetzungen des Artikels 108 Satz 1 i.V.m. Regel 99 (1) b) EPÜ.
3. Die Beschwerdeschrift muss nach Artikel 108 Satz 1 i.V.m. Regel 99 (1) c) EPÜ einen Antrag enthalten, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt ist.
Nach der Rechtsprechung ist dieses Erfordernis erfüllt, wenn die Beschwerdeschrift einen Antrag (der auch implizit sein kann) auf die vollständige oder (gegebenenfalls) nur teilweise Aufhebung der Entscheidung enthält, da durch diese Erklärung der Beschwerdegegenstand dahingehend festgelegt wird (siehe T 358/08, Punkt 5 der Entscheidungsgründe und weitere bestätigende Entscheidungen in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts",
9. Auflage 2019, V.A.2.5.2.c)). Die vorliegende Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin enthält einen Antrag auf Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung und erfüllt deshalb das Erfordernis nach Artikel 108 Satz 1 i.V.m. Regel 99 (1) c) EPÜ.
4. Eine Beschwerde muss gemäß Artikel 108 Satz 3 i.V.m. Regel 99 (2) EPÜ ausreichend begründet sein.
Für die Zulässigkeit einer Beschwerde ist es gemäß Artikel 108 Satz 3 EPÜ erforderlich, dass die Beschwerde innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung nach Maßgabe der Ausführungsordnung begründet wird. Nach Regel 99 (2) EPÜ muss die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung darlegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel sie ihre Beschwerde stützt.
4.1 Um diesen Anforderungen zu entsprechen, muss nach der gefestigten Rechtsprechung der Kammern die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung darlegen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden soll. Damit soll sichergestellt werden, dass eine objektive Überprüfung des Beschwerdevorbringens auf seine Richtigkeit hin möglich ist, ohne dass die Kammer dabei eigene Ermittlungen durchführen muss (siehe z.B. T 220/83, ABl. EPA 1986, 249, Punkt 4 der Entscheidungsgründe; J 10/11, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe und die dort zitierte Rechtsprechung). Eine für die Zulässigkeit der Beschwerde ausreichende Begründung muss sich daher nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und in konkret nachprüfbarer Weise darlegen, warum die angefochtene Entscheidung falsch sein soll ("Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes", 9. Auflage, 2019, V.A.2.6.3 e)). Dabei ist eine Begründung, die pauschal auf ein im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegtes Vorbringen verweist, prinzipiell nicht ausreichend im Sinne von Artikel 108 Satz 3 EPÜ ("Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes", 9. Auflage 2019, V.A.2.6.4 a)).
Ob die Anforderungen des Artikels 108 Satz 3 in Verbindung mit Regel 99 (2) EPÜ erfüllt sind, muss anhand der Beschwerdebegründung und der Gründe in der angefochtenen Entscheidung entschieden werden. Die Mindestanforderungen an eine Beschwerdebegründung sind daher nicht erfüllt, wenn sie sich nur mit einigen von mehreren unabhängigen Zurückweisungsgründen auseinandersetzt (vgl. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage 2019, V.A.2.6.3 c) bis e); sowie T 1045/02, Punkt 4 der Entscheidungsgründe; T 395/12, Punkt 1.7 der Entscheidungsgründe; und T 899/13, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe).
4.2 Im vorliegenden Fall hat die Prüfungsabteilung in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ vom 9. Oktober 2015 mehrere Einwände gegen den Anspruch 1 des damals vorliegenden und mit Schreiben vom 5. August 2013 eingereichten einzigen Antrags erhoben.
4.3 In ihrer Beschwerdebegründung nimmt die Beschwerdeführerin mehrfach pauschal Bezug auf ihr eigenes Vorbringen, das sie im erstinstanzlichen Verfahren mit ihren Schreiben vom 19. Februar 2007,
27. Mai 2009 und 25. Mai 2011 vorgelegt hat.
Die Kammer ist der Ansicht, dass diese pauschalen Verweise auf das eigene Vorbringen in der ersten Instanz die explizite Angabe der rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Beschwerde nicht ersetzen können.
4.3.1 Auf Seite 2 ihrer Beschwerdebegründung führt die Beschwerdeführerin zu der Frage der Klarheit der Ansprüche, die mit Schreiben vom 5. August 2013 eingereicht wurden und der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen, Folgendes aus:
"Mit dem Bescheid vom 21.01.2009 wurden von der Prüfungsabteilung formale Einwände vorgebracht, u.a. hinsichtlich des Begriffs "echtzeitnah" als vage und unbestimmt. Zu diesen formalen Beanstandungen [...] war mit der Eingabe vom 27.05.2009 ausführlich Stellung genommen worden."
und
"Die mit dem Bescheid vom 06.02.2013 beanstandeten Unklarheiten wurden mit der geänderten Anspruchsfassung vom 05.08.2013 korrigiert."
Damit verweist die Beschwerdeführerin lediglich pauschal auf das eigene Vorbringen in der ersten Instanz. Zu der Frage der Klarheit trägt sie in ihrer Beschwerdebegründung jedoch inhaltlich nichts vor. Sie trägt noch nicht einmal vor, dass und aus welchen Gründen ihrer Ansicht nach die im Bescheid vom 9. Oktober 2015 erhobenen Klarheitseinwände (vgl. Punkt 1 dieser Mitteilung) nicht berechtigt sein sollen. Es ist daher für die Kammer nicht ersichtlich, warum die angegriffene Entscheidung hinsichtlich der erhobenen Klarheitseinwände fehlerhaft sein soll und aufgrund welcher Überlegungen dies der Fall sein soll.
4.3.2 Hinsichtlich des Einwands der fehlenden erfinderischen Tätigkeit in der angefochtenen Entscheidung (vgl. Punkt 3 der Mitteilung vom 9. Oktober 2015) trägt die Beschwerdeführerin auf Seite 2 ihrer Beschwerdebegründung Folgendes vor:
" ... und zum nachgewiesenen Stand der Technik war mit der Eingabe vom 27.05.2009 ausführlich Stellung genommen worden."
und
"Mit der diesseitigen Eingabe vom 25.05.2011, die als Antwort auf das Interview erfolgte, wurden überarbeitete Ansprüche vorgelegt, wobei die Merkmalskombination im Anspruch 1 deutlich wiedergibt, was aus dem Stand der Technik nicht zu entnehmen ist, und zwar unter Berücksichtigung der diesseitigen Interpretation des Standes der Technik gemäß der Eingabe vom 27.05.2009."
und
"Die sachlichen Ausführungen zu den Entgegenhaltungen vom 27.05.2009 haben nach diesseitiger Sicht weiterhin Bestand, so dass ausdrücklich hierauf verwiesen wird."
Zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit trägt sie in ihrer Beschwerdebegründung inhaltlich nichts vor. Sie trägt noch nicht einmal vor, dass der beanspruchte Gegenstand ihrer Ansicht nach erfinderisch sei. Sie setzt sich auch nicht mit der erfinderischen Tätigkeit der vorliegenden Erfindung gegenüber dem zitierten Stand der Technik auseinander. Damit überlässt sie es der Kammer, Mutmaßungen darüber anzustellen, inwiefern die angefochtene Entscheidung zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht richtig sein könnte. Die Kammer ist deshalb der Ansicht, dass der alleinige Verweis auf das eigene Vorbringen in der ersten Instanz die erforderliche explizite Angabe der rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Beschwerde, d.h. warum die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die erfinderische Tätigkeit inhaltlich nicht richtig sein soll, nicht ersetzen kann.
4.4 Zusammenfassend ist die Kammer der Meinung, dass die Beschwerdebegründung hinsichtlich der oben angesprochenen Zurückweisungsgründe keine Ausführungen und Argumente enthält, die darlegen, dass und warum die Beschwerdeführerin ggf. überzeugt ist, dass die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf diese Gründe unrichtig und deshalb aufzuheben ist. Es fehlt damit die erforderliche explizite Angabe der rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Beschwerde. Damit hat es die Beschwerdeführerin gänzlich der Kammer überlassen, Mutmaßungen darüber anzustellen, inwiefern die Beschwerdeführerin die angefochtene Entscheidung in diesen Punkten als fehlerhaft ansehen könnte. Genau dies soll aber das Erfordernis der Einreichung einer substantiierten Beschwerdebegründung verhindern.
Deshalb ist keiner dieser Gründe, die nach der klaren Formulierung der Entscheidung für sich jeweils allein genommen bereits zu der Zurückweisung der Anmeldung führten, mit der Beschwerdebegründung angefochten worden. Die Kammer kann auch nicht unmittelbar erkennen, dass einer dieser erhobenen Einwände nicht nachvollziehbar wäre. Da sich die vorliegende Beschwerde mit keinem der mehreren unabhängigen Zurückweisungsgründe auseinandersetzt, erfüllt sie nicht die Mindestanforderungen an eine Beschwerdebegründung.
5. Aus den oben genannten Gründen hält die Kammer die vorliegende Beschwerde für nicht ausreichend begründet, da sie nicht die Voraussetzungen des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ erfüllt. Die Beschwerde ist daher gemäß Regel 101 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.