T 0726/17 18-01-2021
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Befestigungelement und Verfahren zur Befestigung von Dämmstoffplatten
Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Änderungen - Streichung von Merkmalen (ja)
Patentansprüche - funktionelle Merkmale (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 857 607 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein "Befestigungelement (sic) und Verfahren zur Befestigung von Dämmstoffplatten".
II. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 9 eine unzulässige Erweiterung gemäß Artikel 123(2) EPÜ darstellt.
Die Einspruchsabteilung hat auch festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt und hat daher entschieden, das Patent in der so geänderten Fassung aufrechtzuerhalten.
III. Gegen diese Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung hat sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Da beide Beteiligten Beschwerdeführerinnen sind, werden beide Beteiligten der Einfachheit halber weiterhin als Patentinhaberin und Einsprechende bezeichnet.
IV. Anträge
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, den Widerruf des Patents und die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, hilfsweise in geänderter Fassung gemäß Hilfsanträgen Ia, IIa, IIIa, IVa, Va, Ib, IIb, IIIb, IVb, Vb, Ic, IIc, IIIc, IVc, Vc, Id, IId, IIId, IVd und Vd, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
V. Der unabhängige Anspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut (mit der Nummerierung der Merkmale wie von den Beteiligten vorgeschlagen):
1.1 |Befestigungselement (1) für die Befestigung einer Dämmstoffplatte (2) an einem Untergrund (3), |
1.2 |wobei das Befestigungselement (1) eine Dübelhülse (4), |
1.3 |ein Spreizelement (5) |
1.4 |und einen Halteteller (6) aufweist, |
1.5 |wobei das Befestigungselement (1) ein Anschlagselement (15) aufweist, |
1.5.1|das dazu geeignet ist auf einer Außenseite der Dämmstoffplatte (2) aufzusitzen, |
1.5.2|das am Halteteller (6) angeordnet ist |
1.5.3|und das gegenüber dem Halteteller (6) gesondert ist, dadurch gekennzeichnet, |
1.6 |dass dass der Halteteller (6) eine Verlängerung (16) |
1.7 |und die Dübelhülse (4) eine korrespondierende Anschlagsfläche (21) aufweist, |
1.8 |derart dass der Eintreibweg des Spreizelements (5) in die Dübelhülse (4) durch ein Aufsitzen der Verlängerung auf der Anschlagsfläche (21) begrenzt ist|
1.9 |und/oder dass das Befestigungselement (1) ein Kontrollelement (22) derart aufweist, |
1.10 |dass das Erreichen der definierten Eindringtiefe in den Dämmstoff visualisiert wird, |
1.11 |wobei das Kontrollelement (22) als Vorsprung am Halteteller (6) ausgeführt ist, |
1.12 |der in die der Einbringrichtung des Befestigungselements (1) entgegengesetzte Richtung weist. (Unterstreichung durch die Kammer) Die Kombination der Merkmale 1.1 bis 1.8 wird im Folgenden als Alternative "Anschlagsfläche", die Kombination der Merkmale 1.1 bis 1.5.3 und 1.9 bis 1.12 als Alternative "Kontrollelement" bezeichnet. |
VI. Der unabhängige Verfahrensanspruch hat für diese Entscheidung keine Rolle gespielt.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge Ia, Ib, Ic und Id ist identisch zum Anspruch 1 des Hauptantrags, abgesehen von dem zusätzlichen Merkmal "..., der drehbar gegenüber der Dübelhülse (4) und drehfest mit dem Spreizelement (5) und nicht axial verschiebbar gegenüber dem Spreizelement (5) ist,..." zwischen den Merkmalen 1.4 und 1.5.
Die Hilfsanträge mit der jeweiligen Kennung a-d unterscheiden sich bei allen Gruppen von Hilfsanträgen (I, II, III, IV und V) nur in ihren Verfahrensansprüchen.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge IIa, IIb, IIc und IId ist identisch zum Anspruch 1 der Hilfsanträge Ia, Ib, Ic und Id, abgesehen von dem zusätzlichen Merkmal "..., die sich in Richtung des Untergrunds (3) erstreckt und das Spreizelement (5) umfasst,..." zwischen den Merkmalen 1.6 und 1.7.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge IIIa, IIIb, IIIc und IIId ist identisch zum Anspruch 1 der Hilfsanträge Ia, Ib, Ic und Id, abgesehen von dem zusätzlichen Merkmal "..., die sich in Richtung des Untergrunds (3) erstreckt, das Spreizelement (5) umfasst und teleskopartig in eine die Dübelhülse (4) einstückig verlängernde hülsenförmige Aufnahme (17) eingreift,..." zwischen den Merkmalen 1.6 und 1.7.
X. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge IVa, IVb, IVc und IVd entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags ohne die Merkmale 1.6, 1.7 und 1.8, wobei die Wörter "und/oder dass" in Merkmal 1.9 nicht vorhanden sind (Alternative "Kontrollelement").
XI. Der unabhängige Anspruch 1 der Hilfsanträge Va, Vb, Vc und Vd ist identisch zum Anspruch 1 der Hilfsanträge IVa, IVb, IVc und IVd, abgesehen von dem zusätzlichen Merkmal "..., der drehbar gegenüber der Dübelhülse (4) und drehfest mit dem Spreizelement (5) und nicht axial verschiebbar gegenüber dem Spreizelement (5) ist,..." zwischen den Merkmalen 1.4 und 1.5.
XII. Der unabhängige Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung (Hilfsantrag 5 des Einspruchsverfahrens) entspricht dem Anspruch 1 der Hilfsanträge IIIa, IIIb, IIIc und IIId.
XIII. Der ursprünglich eingereichte unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Befestigungselement (1, 1a) für die Befestigung von Dämmstoffplatten (2) an einem Untergrund (3), wobei das Befestigungselement (1, 1a) eine Dübelhülse (4), ein Spreizelement (5, 5a) und einen Halteteller (6, 6a) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass das Befestigungselement (1, 1a) ein Anschlagselement (15, 32) derart aufweist, dass der Halteteller (6, 6a) beim Verankern in die Dämmstoffplatte (2) einbricht und mit definierter Eindringtiefe eindringt."
Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 wird als Merkmal A bezeichnet.
XIV. Mit Schreiben vom 4. Mai 2020 lud die Kammer die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung. In der Mitteilung im Anhang zur Ladung wurde darauf hingewiesen, dass während der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein wird, ob der beanspruchte Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (s. insbesondere Punkte 9.1.1 und 9.1.5).
XV. Die Patentinhaberin hat mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 mitgeteilt, dass ihr Antrag auf eine mündliche Verhandlung zurückgenommen werde, und dass sie und ihr Vertreter an der Verhandlung am 18. Januar 2021 nicht teilnehmen würden.
XVI. Die Einsprechende argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Das Merkmal A (der kennzeichnende Teil des ursprünglich eingereichten unabhängigen Anspruchs 1) sei in Anspruch 1 sämtlicher Anträge weggelassen worden, was zu einer unzulässigen Erweiterung des Gegenstands des Patents führe.
Das Merkmal A sei zwar ein funktionelles Merkmal, das jedoch körperliche Einschränkungen des nun beanspruchten Befestigungselements in Hinblick auf die ursprünglich offenbarte Funktion erfordere. Zum einen müsse der Halteteller für das Einbrechen in die Dämmstoffplatte ausreichend stabil ausgeführt sein. Zum anderen spiele das Aufsitzen des Anschlagselements 15 auf der Dämmstoffplatte (Merkmale 1.5 und 1.5.1) die Rolle eines "Nullens" in Bezug auf das erforderliche Spiel zwischen Verlängerung 16 und Anschlagsfläche 21 (Merkmale 1.6, 1.7 und 1.8), welches vorhanden sein müsse, um das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte überhaupt zu ermöglichen. Sei dieses Spiel nicht ausreichend, so breche nämlich lediglich das Anschlagselement 15, nicht aber der Halteteller in die Dämmstoffplatte ein.
Nachdem Anspruch 1 wie erteilt weder eine ausreichend stabile Ausführung des Haltetellers definiere, noch die für das Einbrechen des Haltetellers notwendige Relation zwischen der Länge des durch die Elemente 16 und 21 definierten Spiels und der Länge des Anschlagselements, sei der Gegenstand in der Alternative "Anschlagsfläche" über die ursprüngliche Offenbarung hinaus erweitert.
Die Alternative "Kontrollelement" basiere auf den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 9, die selbst wiederum abhängig vom ursprünglichen Anspruch 1 seien. Das Weglassen des Merkmals A resultiere deshalb auch bei der Alternative "Kontrollelement" in einer unzulässigen Erweiterung des beanspruchten Gegenstands. Selbst wenn Merkmal 1.10 eine "definierte Eindringtiefe" erfordere, so sei nicht festgelegt, dass es sich bei dieser Eindringtiefe um diejenige des Haltetellers in die Dämmstoffplatte handle. Der Ausdruck "definierte Eindringtiefe" könne sich vielmehr auf jedes beliebige Eindringen beziehen, z.B. auf das Eindringen des Spreizelements in die Dübelhülse oder auf das Eindringen allein des Anschlagelements 15 in die Dämmstoffplatte bei noch außerhalb liegendem Halteteller. Eine Visualisierung z.B. der Eindringtiefe des Spreizelements auch bei einem bloßen Aufsetzen des Haltetellers auf der Dämmstoffplatte könne durchaus durch ein - in die der Einbringrichtung des Befestigungselements entgegengesetzte Richtung weisendes - Kontrollelement erfolgen, wobei der ggf. noch hervorragende Teil des Kontrollelements dazu benutzt werde, um anschließend eine Putzschicht gewünschter Dicke aufzutragen.
Das weggelassene funktionelle Merkmal A impliziere somit auch in der Alternative "Kontrollelement" körperliche Einschränkungen, die in dem erteilten Anspruch 1 abwesend seien.
In der ganzen Offenbarung finde sich überdies kein Ausführungsbeispiel oder sonstiger Hinweis auf ein Befestigungselement ohne Eignung für das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte.
XVII. Die Patentinhaberin hat sich bezüglich des Weglassens des Merkmals A im erteilten Anspruch 1 bzw. im Anspruch 1 der jeweiligen Hilfsanträge nicht geäußert, obwohl die Einsprechende das Weglassen des Merkmals A sowohl in ihrer Beschwerdebegründung (siehe Seite 7) als auch in ihrer Antwort auf die Beschwerde der Patentinhaberin (siehe Seite 10 der Antwort) thematisiert hat. Auch auf die Mitteilung der Kammer vom 4. Mai 2020 (s. Punkt XIV) mit entsprechenden Hinweisen hat die Patentinhaberin nicht reagiert.
Nur in Verbindung mit der Diskussion über den erteilten Verfahrensanspruch 9 hat die Patentinhaberin bereits mit der Beschwerdebegründung zur Abwesenheit des kennzeichnenden Teils des ursprünglich eingereichten unabhängigen Verfahrensanspruchs 13 argumentiert (siehe Beschwerdebegründung, Seiten 11 und 12).
Dieses im erteilten Verfahrensanspruch weggelassene Merkmal
"..., dass der Halteteller (6, 6a) beim Verankern in die Dämmstoffplatte (2) eindringt und diese dabei entlang des Umfangs (12) des Haltetellers (6, 6a) einbricht."
wird im Weiteren als Merkmal A* bezeichnet.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte diesbezüglich im Wesentlichen wie folgt:
Das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte sei in der ursprünglichen Anmeldung lediglich als fakultativ offenbart (Seite 3, Zeilen 17 bis 20; Seite 7, Zeilen 8 bis 10).
Es sei nicht notwendig, alle Schritte eines Verfahrens bis zu einem gewünschten Ergebnis in den unabhängigen Anspruch aufzunehmen, wenn sich das Verfahren auch mit weniger Schritten durchführen oder vor einem solchen gewünschten Ergebnis beenden lasse.
Es müsse nicht das Endprodukt oder das fertige Werkstück beansprucht werden, sondern es stehe einem Patentanmelder frei, seinen Schutz auf ein unfertiges Zwischenprodukt oder ein Halbzeug zu richten, sofern es herstellbar sei.
Entscheidungsgründe
1. Regel 115(2) EPÜ
Die Patentinhaberin ist - wie angekündigt mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 - nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Das Verfahren wurde daher gemäß Regel 115(2) EPÜ ohne sie fortgesetzt. Die Patentinhaberin wurde dabei so behandelt, als stütze sie sich lediglich auf ihr schriftliches Vorbringen (Artikel 15(3) VOBK 2020).
2. Hauptantrag - Artikel 100 c) EPÜ
2.1 Das Merkmal A des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 wurde im erteilten Anspruch 1 weggelassen.
Das Merkmal A lautet: "...,dass das Befestigungselement ein Anschlagselement derart aufweist, dass der Halteteller beim Verankern in die Dämmstoffplatte einbricht und mit definierter Eindringtiefe eindringt".
2.2 Ausführungsbeispiele und Gegenstand der Anmeldung
2.2.1 Das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte war ein Merkmal beider unabhängiger Ansprüche der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe Merkmale A und A* wie in Punkten XIII und XVII oben definiert).
2.2.2 Auf Seite 1 der ursprünglich eingereichten Beschreibung, Zeilen 23 bis 30, wird angegeben, dass das Einwölben der Dämmstoffplatte unter den Haltetellern im Stand der Technik zu Problemen bezüglich der Herstellung einer ebenen Oberfläche nach dem Überputzen und bezüglich der Ausbildung von "Kältebrücken" führt.
Auf Seite 1, Zeile 32, bis Seite 2, Zeile 11, werden aus dem Stand der Technik bekannte Lösungen für die oben genannten Probleme diskutiert, bei denen die Dämmstoffplatte mit speziellen Werkzeugen ausgefräst oder eingeschnitten wird, um den Halteteller in die Dämmstoffplatte eindringen zu lassen. Anschließend wird eine Dämmstoffrondelle gesetzt. Auf diese Weise werden Kältebrücken vermieden und ein ebenes Verputzen ermöglicht.
Im unmittelbar darauffolgenden Absatz wird angegeben, dass der Erfindung die Aufgabe zugrunde liegt, "ein vereinfachtes Setzverfahren und ein verbessertes Befestigungselement vorzuschlagen", und dass "diese Aufgabe .... erfindungsgemäß durch das Befestigungselement nach Anspruch 1 sowie das Verfahren nach Anspruch 12 (sic) gelöst [werde]" (siehe Seite 2, Zeilen 13 bis 17).
Das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte durch die bei der Verankerung auftretende Drehbewegung wird in den nächsten Zeilen als überraschender Vorteil der Erfindung offenbart: siehe Seite 2, Zeilen 17 bis 30. Dieses Konzept wird in den weiteren Textpassagen der allgemeinen Beschreibung wiederholt als besonderes Element der Erfindung angesprochen: siehe z.B. Seite 2, Zeilen 34 bis 36, Seite 3, Zeilen 16 bis 20, Seite 4, Zeilen 18 bis 21, Seite 4, Zeilen 25 bis 36, Seite 5, Zeilen 7 bis 9.
Auch alle detaillierten Ausführungsbeispiele der Erfindung offenbaren ein Befestigungselement, das für das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte geeignet ist: siehe Abbildung 1, Seite 7, Zeilen 8 bis 10, Abbildung 2, Seite 9, Zeilen 11 bis 13.
2.2.3 Das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte ist an keiner Stelle als fakultativ offenbart, sondern stets als wesentlicher Bestandteil der Erfindung, um die Probleme bezüglich der Ausbildung von Kältebrücken bzw. des ebenen Verputzens und einer Vereinfachung der Installation zu lösen (siehe Punkt 2.2.1). Der Fachmann kann daher der ursprünglichen Anmeldung keine Ausführungsform eines Befestigungselements entnehmen, das nicht für das Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte geeignet wäre.
2.2.4 Auch die von der Patentinhaberin erwähnten Textpassagen können aus den folgenden Gründen keine Basis für das Weglassen des Merkmals A darstellen:
Auf Seite 3, Zeilen 17 bis 24, wird offenbart, wie das Befestigungselement zu benutzen ist, das heißt welche Schritte man durchführen muss, um das Befestigungselement zu installieren, und um die Probleme, die auf Seite 1, Zeilen 27 bis 30, und auf Seite 2, Zeilen 13 bis 14, genannt werden, zu lösen. Die genannte Textpassage beschreibt das Einsetzen des Befestigungselements vom Einschieben in das Bohrloch bis zum Ende des Einsetzvorgangs, nachdem der Halteteller in die Dämmstoffplatte eingebrochen ist, und durch eine Begrenzung des Eintreibwegs des Spreizelements eine definierte Eindringtiefe erreicht hat. Auch wenn erwähnt wird, dass für das Einbrechen des Haltetellers ein entsprechend starkes Drehmoment erforderlich ist, so kann dies nicht als Hinweis darauf verstanden werden, das Einsetzen des Befestigungselements bereits an dieser Stelle abzubrechen. Selbst wenn diesen Passagen ein Abbrechen des Einsetzvorgangs vor Eindringen des Haltetellers entnehmbar wäre (was nicht der Fall ist), so änderte dies noch nichts an der ursprünglich als Teil der Erfindung offenbarten grundsätzlichen Eignung des offenbarten Befestigungselements für ein Einbrechen des Haltetellers.
Das gleiche gilt für die Textpassage auf Seite 7, Zeilen 8 bis 10, in der die Schritte für die Installation des Befestigungselements des ersten Ausführungsbeispiels offenbart werden.
Beide Textpassagen offenbaren explizit ein Befestigungselement mit der Eignung, den Halteteller in die Dämmstoffplatte einbrechen zu lassen.
2.3 Alternativen im erteilten Anspruch 1
2.3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags enthält aufgrund der "und/oder" Formulierung des Merkmals 1.9, welche die Merkmale 1.9 bis 1.12 betrifft, drei alternative Ausgestaltungen.
Zunächst muss geklärt werden, welche der vorherigen Merkmale des Anspruchs durch die Formulierung "oder" ersetzbar sind.
2.3.2 Das Merkmal 1.9 beginnt mit den Worten "und/oder dass...".
Das vorherige "dass" in Merkmal 1.8 ist mit dem Wort "derart" verbunden, welches eine funktionelle Beziehung zwischen den Merkmalen 1.6 (Verlängerung) und 1.7 (Anschlagsfläche) einerseits und dem Merkmal 1.8 (Aufsitzen der Verlängerung auf der Anschlagsfläche) andererseits definiert. Da die Merkmale 1.9 bis 1.12 einen völlig anderen Sachverhalt betreffen (Kontrollelement am Halteteller zur Visualisierung der Eindringtiefe), erkennt der Fachmann, dass die Merkmale 1.9 bis 1.12 keine Alternative für die in Merkmal 1.8 definierte Beziehung der Merkmale 1.6 und 1.7 darstellen können.
Das "und / oder dass" in Merkmal 1.9 muss sich also auf das einzige verbleibende "dass" vor dem Merkmal 1.6 beziehen.
2.3.3 Anspruch 1 schließt somit drei Alternativen ein:
a) Ein Befestigungselement mit den Merkmalen 1.1 bis 1.8 (Alternative "Anschlagsfläche")
b) Ein Befestigungselement mit den Merkmalen 1.1 bis 1.5.3, sowie den Merkmalen 1.9 bis 1.12 (Alternative "Kontrollelement")
c) Ein Befestigungselement mit sämtlichen Merkmalen 1.1-1.12
2.4 Implizite körperliche Beschränkungen durch das weggelassene Merkmal A
2.4.1 Alternative "Anschlagsfläche"
a) Das weggelassene Merkmal A ist zwar ein funktionelles Merkmal. Es impliziert jedoch körperliche Einschränkungen des Befestigungselements, und zwar, dass das Befestigungselement geeignet sein muss, ein Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte zu ermöglichen.
Dies erfordert einerseits eine ausreichend stabile Ausführung des Haltetellers.
Weiterhin ist eine bestimmte Relation zwischen der Länge des durch die Elemente 16 und 21 definierten Spiels und der Länge des Anschlagselements 15 notwendig, wie nachfolgend dargelegt wird:
Die Merkmale 1.5 bis 1.5.3 des Anspruchs 1 des Hauptantrags definieren ein Anschlagselement (15), das dazu geeignet ist, auf einer Außenseite der Dämmstoffplatte aufzusitzen.
Um im weiteren Verlauf des Einsetzens (d.h. nach dem Aufsetzen des Anschlagselements auf der Dämmstoffplatte) ein Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte zu ermöglichen, muss das Befestigungselement eine vertikale Bewegung des Haltetellers einer bestimmten Mindestlänge in Richtung der Dämmstoffplatte erlauben. Insbesondere muss das Befestigungselement, wenn das Anschlagselement 15 auf der Außenseite der Dämmstoffplatte aufsitzt (siehe die nachfolgend wiedergegebene Abbildung des Patents, Situation links) eine Bewegung erlauben, die größer ist als die Höhe des Anschlagselements 15 über der Dämmstoffplatte 2. Das bedeutet der Abstand zwischen der Verlängerung 16 des Haltetellers und der Anschlagsfläche 21 muss bei auf der Dämmstoffplatte aufgesetztem Anschlagselement 15 größer sein, als der durch das aufgesetzte Anschlagselement 15 vorgegebene Abstand zwischen Halteteller und Dämmstoffplatte (s. Abb. links). Nur unter diesen Bedingungen wird der Halteteller in die Dämmstoffplatte einbrechen (siehe Situation rechts).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
b) Die Argumentation der Patentinhaberin bezüglich des Rechts eines Patentanmelders, ein unfertiges Produkt zu beanspruchen, kann in diesem Fall nicht überzeugen, da die ursprünglich eingereichte Patentanmeldung nur Befestigungselemente offenbart, die die im weggelassenen Merkmal A impliziten körperlichen Einschränkungen einschließen. Ein "unfertiges Produkt" im Sinne eines Befestigungselements ohne die durch das Merkmal A implizierten Gegenstandsmerkmale stellt daher eine unzulässige Erweiterung des ursprünglich offenbarten Gegenstands dar.
c) Das Befestigungselement der nun beanspruchten Alternative "Anschlagsfläche" erlaubt zwar eine gewisse Bewegung des Haltetellers in Richtung Dämmstoffplatte, die Länge dieser Bewegung ist durch den Anspruch jedoch nicht festgelegt.
Die Alternative "Anschlagsfläche" umfasst daher Ausführungsformen, bei denen die Bewegung des Haltetellers nicht ausreichen würde, um ein Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte zu ermöglichen. Sie umfasst zudem Ausführungsformen, bei denen der Halteteller nicht die erforderliche Eignung zum Einbrechen in die Dämmstoffplatte aufweist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Alternative "Anschlagsfläche" ist daher in unzulässiger Art und Weise über die ursprüngliche Offenbarung erweitert.
2.4.2 Alternative "Kontrollelement"
Das Merkmal 1.10 enthält das Merkmal "Visualisieren der definierten Eindringtiefe in den Dämmstoff". Allerdings findet eine Eindringtiefe vorher im Anspruch keine Erwähnung. Es ist daher nicht definiert, auf welches Element sich die Eindringtiefe bezieht. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die genannte Eindringtiefe einer Eindringtiefe des Haltetellers in die Dämmstoffplatte entspricht. Da Anspruch 1 u.a. ein Spreizelement, eine Dübelhülse und ein vom Halteteller gesondertes Anschlagselement definiert, die alle in den Dämmstoff eindringen, könnte sich die "definierte Eindringtiefe in den Dämmstoff" auf die Eindringtiefe jedes dieser Elemente beziehen.
Das Kontrollelement der Merkmale 1.9, 1.11 und 1.12, das das Erreichen der definierten Eindringtiefe visualisiert, impliziert daher - im Gegensatz zur ursprünglichen Offenbarung - keine Einschränkung auf eine Visualisierung der Eindringtiefe des Haltetellers und somit auch keine implizite Definition einer Eignung des Befestigungselements und insbesondere des Haltetellers für das Einbrechen in den Dämmstoff.
Die Alternative "Kontrollelement" umfasst vielmehr auch Ausführungsformen, bei denen die Bewegung und Struktur des Haltetellers nicht ausreichen würden, um ein Einbrechen des Haltetellers in die Dämmstoffplatte zu ermöglichen; beispielsweise ein Eindringen nur des gesonderten Anschlagselements bei außen auf der Dämmstoffplatte aufsitzendem Halteteller.
2.5 Schlussfolgerung zu Artikel 100 c) EPÜ
Angesichts der obigen Ausführungen geht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowohl in der Alternative "Anschlagsfläche" als auch in der Alternative "Kontrollelement" über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Gleiches gilt für ein Befestigungselement mit sämtlichen Merkmalen dieser beiden Alternativen.
3. Hilfsanträge - Artikel 100 c) EPÜ
3.1 Keiner der Hilfsanträge enthält Änderungen (s. Punkte 3.2 bis 3.6) welche sämtliche der diskutierten unzulässigen Erweiterungen des Gegenstands beheben. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob diese Anträge - wie von der Einsprechenden beantragt - gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht in das Verfahren zuzulassen sind oder nicht.
3.2 Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 der Hilfsanträge Ia, Ib, Ic und Id definiert, dass der Halteteller "drehbar gegenüber der Dübelhülse und drehfest mit dem Spreizelement und nicht axial verschiebbar gegenüber dem Spreizelement ist".
3.3 Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 der Hilfsanträge IIa, IIb, IIc und IId definiert, dass die Verlängerung "sich in Richtung des Untergrunds erstreckt und das Spreizelement umfasst".
3.4 Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 der Hilfsanträge IIIa, IIIb, IIIc und IIId definiert, dass die Verlängerung "sich in Richtung des Untergrunds erstreckt, das Spreizelement umfasst und teleskopartig in eine die Dübelhülse einstückig verlängernde hülsenförmige Aufnahme eingreift".
3.5 Anspruch 1 der Hilfsanträge IVa, IVb, IVc und IVd entspricht der Alternative "Kontrollelement" des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
3.6 Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 der Hilfsanträge Va, Vb, Vc und Vd definiert einen Halteteller wie in den Hilfsanträgen Ia, Ib, Ic und Id.
3.7 Da keines der zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge eine Einschränkung hinsichtlich der Länge der Bewegung des Haltetellers (Alternative "Anschlagsfläche") oder eine Einschränkung der "definierten Eindringtiefe" auf die "Eindringtiefe des Haltetellers" definiert, gelten hier die gleichen Gründe und Schlussfolgerungen wie im obigen Punkt 2 diskutiert.
4. Aufrechterhaltene Fassung - Artikel 100 c) EPÜ
Da Anspruch 1 des aufrechterhalten Hilfsantrags 5 dem Anspruch 1 der Hilfsanträge IIIa, IIIb, IIIc und IIId entspricht, gelten hier die gleichen Gründe und Schlussfolgerungen wie in den obigen Punkten 3.4 und 3.7.
5. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung aller vorgelegter Anträge entgegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.