T 0743/18 (ODORIERMITTEL/ Th. Geyer) 30-07-2021
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SCHWEFELARME ODORIERMITTEL MIT VERBESSERTER STABILITÄT
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet such gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 066 766 zurückgewiesen wurde.
II. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:
"1. Odoriermittel umfassend oder bestehend aus
(A) zumindest 75 Gew.-% Acrylsäuremethylester und/oder Acrylsäureethylester,
(B) 2-19,5 Gew.-% Tetrahydrothiophen (THT),
(C) 5-50 ppm Hydrochinonmonomethylether,
sowie keiner, einer oder beiden Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus
(D) 0,025 - 0,2 Gew.-% Butylhydroxytoluol und/oder Butylhydroxyanisol
und
(E) 5 - 500 ppm einer oder mehrerer Verbindungen der Formel (I)FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei R gewählt ist aus der Gruppe bestehend aus H, -OH, -NH2 und -O2CR**(1), wobei R**(1) einen Alkylrest mit 1 bis 4 C-Atomen bedeutet,
bezogen auf das Gesamtgewicht des Odoriermittels."
III. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende die Entgegenhaltung D25 ein und erhielt ihren Einwand aufrecht, dass der beanspruchte Gegenstand nahe lag, sowohl ausgehend von D2 (US 2006/0009372) als nächstliegendem Stand der Technik, unter Berücksichtigung von einer der weiteren Entgegenhaltungen, unter anderem D20 (Ulmann's Encyclopedia of Indust. Chem., 5th Ed., 1985, Seiten 169-170) oder D1 (WO 2005/061680 A1), als auch ausgehend von D3 (WO 2005/103210) als nächstliegendem Stand der Technik, unter Berücksichtigung von unter anderem D20 oder D1.
IV. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung legte die Patentinhaberin einen Hilfsantrag 1 vor.
V. Mit ihrer Stellungnahme teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass der beanspruchte Gegenstand des Streitpatents und des Hilfsantrags nahe lag, ausgehend aus D2 oder D3 als nächstliegendem Stand der Technik.
VI. Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2021 nahm die Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
VII. Mit ihrer Erwiderung vom 21. Juli 2021 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung nur für den Fall aufrechterhalten würde, dass die Kammer das Patent nicht widerrufe.
VIII. Die für den 24. September 2021 geplante mündliche Verhandlung wurde annulliert.
IX. Die aus den Schriftsätze der Parteien hervorgehenden endgültigen Anträge lauten wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf Grundlage des Hilfsantrags 1, vorgelegt mit Beschwerdeerwiderung vom 2. August 2018.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Auslegung
1.1 Anspruch 1 definiert verschiedene Alternativen, sodass folgende Ausführungsformen vom Anspruch 1 umfasst sind:
(1) Odoriermittel umfassend oder bestehend aus den Komponenten A, B und C;
(2) Odoriermittel umfassend oder bestehend aus den Komponenten A, B, C und D;
(3) Odoriermittel umfassend oder bestehend aus den Komponenten A, B, C und E; sowie
(4) Odoriermittel umfassend oder bestehend aus den Komponenten A, B, C, D und E.
1.2 Die Ausdrücke "umfassend" und "bestehend aus" sind gemäß Rechtsprechung (Juli 2019, II.A.6.2) respektiv als offene Formulierung, die das Vorhandensein von zusätzlichen Bestandteilen nicht ausschließt, bzw.
geschlossene Formulierung, unter Ausschluss anderer als der angegebenen Bestandteile, auszulegen.
1.2.1 Aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 ist ersichtlich, dass die durch "bestehend aus ..." definierten Ausführungsformen mit zumindest 75 Gew.-%, und bis ungefähr 80 Gew.-%, an Komponente A keine vollständigen Zusammensetzungen darstellen können, zumal die jeweilige Summe der Mindestmenge an Komponente A (z.B. 75 Gew.-%) auch unter Berücksichtigung von allen Maximalmengen der weiteren Komponenten B und C, oder bis E, nicht 100 Gew.-% betragen kann. Fraglich ist daher, ob diese durch "bestehend aus ..." definierten Ausführungsformen auch mit nicht definierten weiteren Komponenten versehen, und trotzdem vom Anspruch 1 mitumfasst sein können. Der Wortlaut "bestehend aus ..." in vorliegendem Anspruch 1 ist insoweit auslegungsbedürftig.
2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
2.1 Das Streitpatent (siehe Absatz [0001]) betrifft u. A. schwefelarme Odoriermittel umfassend
A) Acrylsäuremethylester und/oder -ethylester,
B) Tetrahydrothiophen (THT) und
C) Hydrochinonmonomethylether
in bestimmten Konzentrationen.
Neben A), B) und C) kann das Odoriermittel noch ein, zwei oder mehr stabilisierend wirkende Komponenten umfassen, wie die in der Patentschrift beschriebenen Komponenten D) und E).
2.1.1 Aus dem in Absätze [0012] bis [0027] des Streitpatents dargestellten Stand der Technik, insbesondere aus der Würdigung von D3 (siehe Absätze [0025] bis [0027], geht hervor, dass die in D3 vorgeschlagenen Stabilisatoren (N-oxide) alleine keine vollkommen ausreichende Stabilisierung des bekannten Odoriermittels bewirken,
zumal es zu Wechselwirkungen zwischen den N-Oxiden und den Thioethern kommen kann, insbesondere in Gegenwart von Metallen und Metalloberflächen, so dass sich der Warngeruch der dort vorgeschlagenen Odoriermittel ändern und verschlechtern kann, wobei durch Wechselwirkungen der N-Oxide mit Metallen und Metalloberflächen es auch zu einem Verbrauch durch Abreaktion der N-Oxide kommen kann, so dass eine umfassende Stabilisierung der Acrylsäureester nicht mehr in jedem Fall gewährleistet ist. So können N-Oxide in Gegenwart von Kupferionen oxidiert (zu den entsprechenden Nitronen) bzw. in Gegenwart von Eisenionen reduziert (zu den entsprechenden N-Hydroxyverbindungen) werden.
2.1.2 Vor diesem Hintergrund lag der Erfindung die Aufgabe zugrunde (siehe Absatz [0028] des Streitpatents), alternative schwefelarme Mittel zur Odorierung von hauptsächlich aus Methan bestehenden Brenngasen zu suchen, wobei neben der Qualität des Warngeruchs auch die Lagerstabilität des Odoriermittels von Bedeutung ist, damit die Qualität des Warngeruchs auch über einen längeren (Lagerungs)Zeitraum gewährleistet werden kann.
2.1.3 Laut Streitpatent (siehe Absatz [0038]) ermöglicht die Erfindung aufgrund der Anwesenheit der Komponente (C), insbesondere in Kombination mit einer oder beiden weiteren Komponenten (D) und/oder (E), eine hohe Lagerstabilität zu erreichen. Tests haben gezeigt, dass der warnende Geruch erfindungsgemäßer Odoriermittel in einem Brenngas über einen Zeitraum von mehr als 8 Monaten bei 40°C weitgehend gleich bleibt. Bei gleichzeitiger Anwesenheit der Komponente (C) und einer der Komponenten (D) und/oder (E) wird eine besonders hohe Lagerstabilität erreicht.
2.2 D2 und D3 werden von der Beschwerdeführerin als nächstliegender Stand der Technik betrachtet, wobei D2 gegen das Odoriermittel umfassend Komponenten (A) bis (D) und D3 gegen das Odoriermittel umfassend Komponente (E) geltend gemacht wurden.
Die Beschwerdegegnerin hat hierzu Stellung genommen, ohne die jeweilige Wahl von D2 und D3 in Frage zu stellen.
2.2.1 D2 (Absatz [0001]) betrifft Acrylsäurealkylester-Mischungen enthaltend einen geringen Anteil an schwefelhaltigen Verbindungen sowie deren Verwendung zur Odorierung von Flüssiggas. Somit gehört D2 dem gleichen technischen Gebiet und verfolgt eine ähnliche Zielsetzung wie das Streitpatent.
Vor dem Hintergrund des in D2 dargestellten Standes der Technik lag der Erfindung die Aufgabe zugrunde (Absatz [0020] von D2), alternative schwefelarme Mittel zur Odorierung von Flüssiggas bereitzustellen, welche thermische Stabilität bei Lagerung und langhaltenden Warngeruch aufweisen (Beispiel 12, [0088] bis [0090]).
Diese Aufgabe wird gelöst durch die Mischung (Odoriermittel) gemäß Anspruch 1 von D2, enthaltend
A) mindestens zwei verschiedene Ester ausgewählt aus Acrylsäuremethylester und Acrylsäureethylester;
B) mindestens eine Verbindung aus der Gruppe Thiophen, Tetrahydrothiophen, [...];
C) mindestens eine Verbindung aus der Gruppe Norbornen, 2,5-Norbornadien, der C2-C5-Carbonsäuren, der C2-C5-Aldehyde, der C1-C4-monoacylierten Pyrazine, der C1-C4-monoalkylierten Phenole; sowie
D) mindestens ein Antioxidans.
Die nächstliegende Ausführungsform in D2 ergibt sich aus Beispiel 3/Tabelle 11, wo ein Odoriermittel veranschaulicht wird, enthaltend:
- 50 % Ethylacrylat und 36 % Methylacrylat,
- 3,3 % von THT (Tetrahydrotiophen),
- zwischen 1 und 3% an dem in D2 definierten Komponenten C; sowie
- 0,7 % BHA (t-Butylhydroxyanisol) als Antioxidans.
Somit offenbart Tabelle 11 ein Odoriermittel mit Komponenten (A), (B) und (D) gemäß vorliegendem Anspruch 1, jedoch ohne die zwingende Anwesenheit von 5-50 ppm Hydrochinonmonomethylether (MeHQ).
2.2.2 Dokument D3 (Seite 1, erster Absatz) betrifft Odoriermittel für gasförmige Brennstoffe, insbesondere eine Zusammensetzung enthaltend Alkylsulfid und Alkylacrylat.
D3 verfolgt die Aufgabe, ein neues Odoriermittel zur Verfügung zu stellen, welches kleinere Mengen an Alkylsulfid verwendet (Seite 2, vierter Absatz) und die Stabilität des leicht reagierenden Ethylacrylats nicht beeinträchtigt, wodurch eine Vereinfachung der Lagerung des Odoriermittels erzielt werden kann (Absatz überbrückend die Seiten 2 und 3), und somit die Bereitstellung einer schwefelarmen, stabilen Zusammensetzung als Odoriermittel (Seite 3, zweiter vollständiger Absatz).
Diese Aufgabe wird in D3 durch eine Zusammensetzung gelöst (siehe Anspruch 1), die insbesondere als Odorierungsmittel ganz besonders für Erdgas verwendbar ist und die unter anderem enthält:
- 0,1 bis 49,9 % eines Alkylsulfids (I) der Formel
R**(1)-S-R**(2), worin R**(1) und R**(2), die gleich oder verschieden sind, unter anderem bedeuten - zusammen mit dem Schwefelatom an dem sie gebunden sind, einen gesättigten Ring mit 3 bis 5 Kohlenstoffatomen;
- 50 bis 99,8 % eines Alkylacrylats (II), dessen Alkylgruppe 1 bis 12 Kohlenstoffatome aufweist,
- 0,001 bis 0,1 % einer Verbindung (III), die einen Inhibitor der Polymerisation des Alkylacrylats (II) darstellt und
- ein stabiles Nitroxid-Radikal der Formel (IV)
R**(3)R**(4)N-O aufweist, worin R**(3) und R**(4) zusammen mit dem Stickstoffatom, an dem sie gebunden sind, eine zyklische Kohlenwasserstoffgruppe mit vorzugsweise 4 bis 6 Kohlenstoffatomen, die gegebenenfalls substituiert ist, bilden.
Die Zusammensetzung kann (Ansprüche 2 und 3)
- 5 bis 14,95 % der Verbindung (I),
- 85 bis 94,95 % der Verbindung (II) und
- 0,005 bis 0,05 % der Verbindung (III) enthalten,
wobei das Alkylsulfid (I) Tetrahydrothiophen sein kann.
Die nächstliegende Ausführungsform in D3 ergibt sich aus Beispiel 2, worin ein Odoriermittel veranschaulicht wird, enthaltend:
- 87 % Ethylacrylat,
- 12 % von THT (Tetrahydrotiophen),
- 0,01 von Hydroxy TEMPO (ein stabiles Nitroxid-Radikal der Formel
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei R=OH.
Somit offenbart Beispiel 2 aus der D3 eine geschlossene Formulierung mit Komponenten (A), (B) und (E) gemäß vorliegendem Anspruch 1, die jedoch weder 5-50 ppm Hydrochinonmonomethylether (MeHQ), noch die Anwesenheit einer Verbindung III (einen Inhibitor der Polymerisation des Alkylacrylats) zulässt.
2.2.3 Somit ist Beispiel 11 aus D2 die nächstliegende Ausführungsform im Hinblick auf das Odoriermittel mit Komponenten A bis C und D gemäß vorliegendem Anspruch 1, zumal nur die Kombination einer Anzahl von gemeinsamen Merkmalen mit dem Odoriermittel laut vorliegendem Anspruch 1 konkret gezeigt wird, einschließlich der Anwesenheit eines Antioxidans wie BHA.
2.2.4 Beispiel 2 aus D3 kann demgegenüber die nächstliegende Ausführungsform gegen das Odoriermittel umfassend zusätzlich auch Komponente (E) darstellen.
2.2.5 Zusammenfassend unterscheidet sich das Odoriermittel laut erteiltem Anspruch 1 sowohl von Beispiel 11 von D2, als auch von Beispiel 2 von D3 durch die Anwesenheit von 5 - 50 ppm Hydrochinonmonomethylether (MeHQ).
2.3 In ihrer Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass die zu lösende Aufgabe sowohl gegenüber D2 als auch D3 darin bestehe, ein Odoriermittel bereitzustellen, das neben der Qualität des Warngeruchs auch die Lagerstabilität verbessert.
2.4 Gemäß Streitpatent wird diese Aufgabe durch das im vorliegenden Anspruch 1 definierte Odoriermittel mit Komponenten A, B und C, oder A bis D, gelöst, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass das Odoriermittel als Bestandteil (C) 5-50 ppm Hydrochinonmonomethylether enthält.
2.5 Erfolg der beanspruchten Lösung
2.5.1 Die Beispiele 1 bis 4 des Streitpatents veranschaulichen Odoriermittel mit Komponenten (A), (B) und (C), welche auch nach einer Lagerzeit von mehr als 8 Monaten bei 40°C einen noch hervorragend wahrnehmbaren Warngeruch aufwiesen ([0063]).
Beispiel 5 des Streitpatents veranschaulicht ein Odoriermittel mit 91 Gew.-% Ethylacrylat, 8.8985 Gew.-% THT, 15 ppm MeHQ und zusätzlich 0.10 Gew.-% BHT (also mit Komponenten (A) bis (D) gemäß vorliegendem Anspruch 1), welches im odorierten Gas eine besonders hohe Lagerstabilität besaß. Selbst nach einer Lagerzeit von weit mehr als 8 Monaten bei 40°C war der Warngeruch nahezu unverändert im Vergleich mit dem frisch odorierten Erdgas ([0064]).
Somit beweisen diese Beispiele, dass mit den beanspruchten Odoriermitteln auch nach einer längeren Lagerzeit ein noch hervorragend wahrnehmbarer Warngeruch aufrechterhalten wird.
2.5.2 Das Streitpatent enthält kein Vergleichsbeispiel, auch nicht gegenüber dem in der ursprünglich eingereichten Anmeldung gewürdigten D3.
2.5.3 Es ist für die Kammer trotzdem plausibel, dass die im Streitpatent veranschaulichten Odoriermittel auch gegenüber dem gemäß Beispiel 11 nach D2 einen besser wahrnehmbaren Warngeruch nach Lagerzeit aufweisen, weil im Hinblick auf die nächstliegende Ausführungsform von D2 (Tabelle 11 in Beispiel 11) kommt Beispiel 4 des Streitpatents am nächsten zum Beispiel 11 von D2, das nicht nur mehr Ethyl- und Methylacrylate (90>86), sondern auch dreifach mehr THT (9,99>3,3) enthält; außerdem weist THT bekanntlich hervorragende und zuverlässige Odoriereigenschaften für Gase auf (siehe Streitpatent, [0010]); Methyl- und Ethylacrylate weisen hingegen schwache Odoriereigenschaften auf, siehe Absatz [0012]), so dass bei einer dreifache Menge an THT ein längerer Warngeruch zu erwarten ist. Daraus folgt auch, dass das veranschaulichte Odoriermittel des Beispiels 4 vom Streitpatent schwefelreicher ist, verglichen mit dem von Beispiel 11 nach D2.
2.5.4 Die Kammer hat jedoch große Bedenken, dass der im Streitpatent veranschaulichte länger wahrnehmbare Warngeruch im gesamten Umfang des vorliegenden Anspruchs 1 zu erwarten ist, weil D2 wurde in der ursprünglich eingereichten Anmeldung des Streitpatents nicht gewürdigt, und auch nicht bei der Formulierung der zu lösenden Aufgabe berücksichtigt (wie im Absatz [0028] des Streitpatents). Unabhängig davon unterscheidet sich das veranschaulichte Odoriermittel (siehe z.B. Beispiel 4) vom Beispiel 11 nach D2 nicht nur durch die Anwesenheit von 15 ppm MeHQ, oder in den (größeren) Mengen an Acrylaten, vielmehr in dem dreifach größeren Gehalt an THT, so dass die geltend gemachte Verbesserung der Lagerstabilität und der Qualität des Warngeruchs nicht nur auf der geltend gemachten Anwesenheit von 15 ppm MeHQ als Unterscheidungsmerkmal zurückzuführen ist, wobei hingegen laut vorliegendem Anspruch 1 der Gehalt an THT zumindest 2 Gew.-% betragen kann, also viel kleiner als der veranschaulichte Gehalt an THT, und die Menge an Acrylaten zumindest 75 Gew.-% betragen kann.
2.5.5 Somit geht die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte ehrgeizigere Aufgabe über die im Streitpatent ([0028]) formulierte Aufgabe hinaus, welche lediglich "alternative" schwefelarme Odoriermittel betrifft, die die geltend gemachten Wirkungen gewährleisten sollen.
2.5.6 Folglich besteht die tatsächlich gelöste Aufgabe, wie in [0028] des Streitpatents formuliert, nur darin, alternative schwefelarme Mittel zur Odorierung von Brenngasen bereitstellen, die neben der Qualität des Warngeruchs auch die Lagerstabilität des Odoriermittels und damit die Qualität des Warngeruchs auch über einen längeren (Lagerungs)Zeitraum gewährleisten.
2.5.7 Es ist unbestritten, dass diese nicht ambitionierte Aufgabe durch die beanspruchten, vollständigen, Odoriermittel tatsächlich gelöst wird.
2.6 Naheliegen der Lösung A+B+C oder A bis D
2.6.1 Es verbleibt demnach zu untersuchen, ob es ausgehend von der Ausführungsform nach Beispiel 11 von D2 für den mit der obigen technischen Aufgabe befassten Fachmann naheliegend war, das Odoriermittel gemäß Beispiel 11 von D2 so abzuändern, dass es dann unter den Anspruch 1 fällt.
2.6.2 Das in Beispiel 11/Tabelle 11 von D2 veranschaulichte Odoriermittel für Brenngase enthält:
- 50 % Ethylacrylat und 36 % Methylacrylat,
- 3,3 % THT (Tetrahydrotiophen),
- zwischen 1 und 3% an einem Komponenten C gemäß D2,
- 0,7 % BHA (t-Butylhydroxyanisol) als Antioxidans.
Somit weist dieses Odoriermittel die Komponenten A, B und D in den beanspruchten Mengen auf, wie im vorliegenden Anspruch 1 definiert, enthält aber nicht 5-50 ppm Hydrochinonmonomethylether.
2.6.3 Bezüglich der Anwesenheit von (MeHQ) Hydrochinonmonomethylether in Odoriermitteln offenbart D2, dass gängige Antioxidantien den Odoriermittel zur Stabilitätserhöhung zugesetzt werden, wobei die bevorzugten Antioxidantien tert.-Butyl-hydroxytoluol (BHT), tert.-Butylhydroxyanisol (BHA) und Hydrochinonmonomethylether (MeHQ) sind (siehe [0045] von D2, insbesondere den letzten Satz); außerdem durch Zugabe von Antioxidantien wird insbesondere eine hohe Lagerstabilität des Odoriermittels wie auch des odorierten Gases erreicht, wie ein weitgehend gleich bleibender warnender Geruch über einen Zeitraum von 3 Monaten bei 20°C bzw. 14 Tagen bei 40°C (siehe [0046]).
Übrigens können dem Odoriermittel bevorzugt ein oder zwei Antioxidantien (siehe [0047])zugesetzt werden; wobei die Gesamtmenge an Antioxidantien im Odoriermittel üblicherweise im Bereich 0,05 - 2 Gew.-%, besonders bevorzugt im Bereich 0,3 - 0,8 Gew.-%, liegt ([0048]).
Somit findet der Fachmann in D2 eine Veranlassung MeHQ als alleiniges oder zusätzliches Antioxidans, wie etwa als Zusatz zu dem 0.7 Gew.-% BHA in Beispiel 11 von D2, also in naheliegender Weise zu verwenden.
2.6.4 In D2 findet sich allerdings kein Hinweis auf eine Menge an MeHQ allein von 5-50 ppm, denn die Mindestmenge an Antioxidantien in D2 beträgt 0,05 Gew.-% (siehe [0048]), also 500 ppm.
2.6.5 Bezüglich der Menge an MeHQ in Kombination mit einem oder beiden bevorzugten Antioxidantien BHT und/oder BHA ist D2 aber offen.
2.6.6 Somit liegt es für den Fachmann nahe, falls MeHQ nicht schon in den Acrylatmischungen vorhanden ist (wie geltend gemacht, weil allgemein bekannt, siehe z.B. D20,Tabelle 6, jede beliebige kleine Menge an MeHQ zu den 0,7 Gew.-% Gehalt an BHA des Beispiels 11 zuzusetzen, in der Erwartung, dass dadurch sowohl die in D2 offenbarte Stabilisierungswirkung der Antioxidantien ([0045]) verstärkt wird, als auch die bekannte Stabilisierung der Alkylacrylate des Odoriermittels erhalten wird (siehe [0019]). Schon daher legt D2 das Odoriermittel mit Komponenten A bis C oder A bis D nahe.
2.6.7 Hierzu hat sich die Beschwerdeführerin insbesondere auf Beispiel 5 von D1 bezogen, welches Dokument betrifft, wie das Streitpatent und D2, die Verwendung einer Acrylsäurealkylester-Mischung enthaltend einen geringen Anteil einer schwefelhaltigen Verbindung sowie eine weitere Komponente zur Odorierung von Brenngas.
Im Beispiel 5 wird der Warngeruch geprüft, zur Untersuchung der Lagerungsstabilität von Odoriermitteln und odorierten Gasen mit verschiedenen Antioxidantien zugesetzt, und zwar nach bestimmten Lagerzeiträumen bei 40°C. Das Odoriermittel besteht aus 60% EtAc abzüglich y% Antioxidans, 31% MeAc, 7% TBM, 2% IVS und y% Antioxidans. Tabelle 5 zeigt die Ergebnisse im Vergleich, wobei a = weniger als 6 Wochen; b = maximal 3 Monate; c = maximal 5 Monate, und d = mehr als 5 Monate Stabilität bezeichnet. Bezüglich der alleinigen Anwesenheit von Hydrochinonmonomethylether ergibt sich aus der Tabelle 5, dass eine Stabilität von mehr als 5 Monaten durch 0.05 Gew.-% (500 ppm) MeHQ erreicht werden kann, welche hingegen mit größeren Mengen von 0.3 bis 1 Gew.-%, nicht erreicht wird. Leider werden in Tabelle 5 von D1 weder BHA allein noch kleinere Mengen an MeHQ weiter getestet, so dass unter anderem nicht ersichtlich ist, ob und bis zu welcher kleineren Menge an MeHQ der Verbesserungstrend der Reduzierung der Menge an MeHQ weiter anhält.
2.6.8 Für die Kammer wird aus der Tabelle 5 von D1 bestätigt, dass das in D2 offenbarte Minimum von 0,05 Gew.-% an Antioxidantien - wie MeHQ - tatsächlich eine hervorragende Stabilität leisten kann, welche der im Streitpatent gezeigten Stabilität gleicht.
2.6.9 Somit lag es für den Fachmann ausgehend aus Beispiel 11/Tabelle 11 von D2 nah, MeHQ, wie in [0047] der D2 vorgesehen, in den beanspruchten Mengen, zum Odoriermittel laut Beispiel 11 von D2 zuzusetzen, in der Erwartung, dass dieser Zusatz zur besseren Lagerstabilität des Odoriermittels führt.
2.6.10 Daher kann die Kammer keine erfinderische Tätigkeit in der Zusetzung einer kleinen Menge an MeHQ zum Odoriermittel nach Beispiel 11 von D2 erkennen, weil D2 selbst diese Kombination von TBA und MeHQ offen zulässt, und zumindest veranlasst wird, um die Stabilität der Acrylate zu verbessern.
2.7 Odoriermittel mit Komponenten A bis C und E
2.7.1 Die geltend gemachte nächstliegende Ausführungsform in D3 ergibt sich aus Beispiel 2, in dem ein Odoriermittel veranschaulicht wird, enthaltend:
- 87 % Ethylacrylat,
- 12 % THT (Tetrahydrotiophen),
- 0,01 Hydroxy TEMPO (ein stabiles Nitroxid-Radikal der Formel
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei R=OH.
Somit offenbart Beispiel 2 eine geschlossene Formulierung mit nur Komponenten (A), (B) und (E) gemäß vorliegendem Anspruch 1, die somit weder die zwingende Anwesenheit von 5-50 ppm Hydrochinonmonomethylether (MeHQ) zulässt, noch die Anwesenheit einer Verbindung III (einen Inhibitor der Polymerisation des Alkylacrylats) gemäss D3.
2.7.2 Das Odoriermittel laut erteiltem Anspruch 1 unterscheidet sich somit vom Beispiel 2 aus D3 durch
die Anwesenheit von 5 - 50 ppm und von Hydrochinonmonomethylether (MeHQ).
2.7.3 Obwohl D3 in der ursprünglich eingereichten Anmeldung gewürdigt war, enthält das Streitpatent keinen Vergleich mit D3, und noch weniger gegenüber dem Odoriermittel dessen Beispiel 2, das einen Gehalt an THT von 12%, an Acrylaten von 88% sowie einen Gehalt an einer Hydroxy TEMPO Verbindung von 0,01% als stabilisierende Verbindung enthält (vergleichbar mit den entsprechenden Gehalten von im Streitpatent veranschaulichten Odoriermitteln laut Beispiel 2), so dass das einzige Unterscheidungsmerkmal in der Anwesenheit von 13 ppm MeHQ liegt, statt der 0,01% an Hydroxy TEMPO. Auch die Beschwerdeführerin hat hierzu keinen Vergleich eingereicht.
Somit ist nicht ersichtlich, ob die veranschaulichte Verbesserung auch gegenüber dem Odoriermittel von Beispiel 2 nach D3 tatsächlich eintritt.
Folglich kann die technische Aufgabe lediglich als die Bereitstellung von alternativen, lagerstabilen Odoriermitteln formuliert werden (wie in Absatz [0028] des Streitpatents).
Bezüglich des Naheliegens der Lösung bemerkt die Kammer, dass D2 in Dokument D3 gewürdigt wird, so dass die Erfindung von D3 unter anderem von der Offenbarung von D2 ausgeht. In D3, um die Polymerisation der Acrylate (Komponente (II)) zu inhibieren, und somit als Stabilisator zu verwenden, wird vorzugsweise eine der TEMPO (Tetramethylpiperidyneoxid) Verbindungen vorgeschlagen(siehe letzter Absatz der Seite 5 von D3). Als Grund für die Verwendung von TEMPO erwähnt D3 (Seite 5, zweiter vollständiger Absatz) den Vorteil, dass Verbindungen wie TEMPO ermöglichen, dass das Odoriermittel nicht unter Luft gelagert werden soll, was für die Anlage von Vorteil ist. Hingegen sei für Inhibitoren wie Hydrochinonen eine Lagerung unter Luft notwendig, zumal die aktive radikalische Form davon erst nach Reaktion mit Sauerstoff erzeugt wird. Außerdem ist der Mechanismus von MeHQ auch allgemein bekannt, wie z.B. aus D20 (siehe insbesondere Seite 169, Punkt 1.5, und Tabelle 6) ersichtlich.
Zusammenfassend bevorzugt D3 eindeutig die Verwendung von radikalischen Verbindungen wie TEMPO als Inhibitor der Polymerisationreaktion der Acrylate vor der Verwendung von bekannten Hydrochinonen Inhibitoren.
Für die Kammer gilt dies jedoch lediglich für Anlagen, wo das Odoriermittel z.B. unter Stickstoff gelagert wird, nicht jedoch für solche, in denen das Odoriermittel unter Luft gelagert werden kann.
Auf jeden Fall stellt für den Fachmann ausgehend aus D3 in Kenntnis von D2, um die weniger ehrgeizigere Aufgabe zu lösen, die Verwendung von TEMPO Verbindungen lediglich einen analogen Ersatz oder Zusatz von Inhibitoren dar. Abhängig von den Anlagen zur Lagerung des Odoriermittels kann der Fachmann eine der beiden Inhibitoren dosieren, oder sogar beide, falls er nicht weiß, wo das Odoriermittel zu lagern ist.
Darüber hinaus, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, werden die kommerziell zugänglichen Acrylate schon per se stabilisiert z.B. mit MeHQ, was allgemein bekannt (D20, Tabelle 6) ist.
Infolgedessen, da sich die beanspruchte Menge an MeHQ schon aus der Anwesenheit von Acrylaten üblicherweise ergibt, kann die Kammer keine erfinderische Tätigkeit für das beanspruchte Odoriermittel erkennen.
2.7.4 Folglich ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit
3.1 Anspruch 1 (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag durch die Kammer hervorgehoben) kautet:
"1. Odoriermittel umfassend oder bestehend aus
(A) zumindest 75 Gew.-% Acrylsäuremethylester und/oder Acrylsäureethylester,
(B) 2-19,5 Gew.-% Tetrahydrothiophen (THT),
(C) 5-50 ppm Hydrochinonmonomethylether,
sowie [deleted: keiner, einer oder beiden Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus]
(E) 5 - 500 ppm einer oder mehrerer Verbindungen der Formel (I)
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei
R gewählt ist aus der Gruppe bestehend aus H, -OH, -NH2 und -O2CR**(1), wobei R**(1) einen Alkylrest mit 1 bis 4 C-Atomen bedeutet, und optional
D) 0,025 - 0,2 Gew.-% Butylhydroxytoluol und/oder Butylhydroxyanisol,
bezogen auf das Gesamtgewicht des Odoriermittels."
3.1.1 Anspruch 1 wird dahingehend konkretisiert, dass das Odoriermittel auch 5-500 ppm einer Verbindung (E) umfasst. Somit wird versucht klarzustellen, dass bei dem Odoriermittel sowohl 5-50 ppm von Hydrochinonmonomethylether als auch 5-500 ppm einer TEMPO Verbindung anwesend sein müssen.
3.1.2 Da dies ein Odoriermittel mit Komponenten (A), (B), (C) und (E) bedeutet, gilt auch hier der oben (siehe Punkte 2.7 bis 2.7.3) gezogene Schluss, weil für die Kammer geht ein derartiges Odoriermittel aus einer Zusammenschau der E3 (welches Verbindung (C) nicht erwähnt) und E2 in naheliegender Weise hervor.
3.1.3 Folglich ist auch der Hilfsantrag nicht gewährbar
4. Zusammengefasst steht keiner der vorliegenden Anträge im Einklang mit dem EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.