T 0873/18 26-08-2022
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Vorrichtung und Verfahren zum Detektieren von Streulichtsignalen
Hekatron Vertriebs GmbH
Minimax GmbH
Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 6, 9 bis 11, 13, 3A, 9A und 13A
Ausreichende Offenbarung - (nein)
Reformatio in peius - Hilfsanträge 7, 8, 12, 14, 15
Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden 1 (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 706 515 in geänderter Fassung.
Die Einspruchsabteilung war unter anderem zu dem Schluss gekommen, dass das Streitpatent die Erfindung gemäß damaligem Hilfsantrag 2 (jetzt Hauptantrag) so ausführlich und deutlich offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
II. Die Einsprechende 2 hat keine Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung eingelegt. Sie ist daher weitere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Artikel 107 EPÜ, zweiter Satz.
III. In dieser Entscheidung wird Bezug auf die folgenden Dokumente genommen:
E1|DE 42 31 088 A1 |
E4|W. Wang et al.: "Multi-angle Scattering Characteristic of Test Fire Smoke and Typical Interference Aerosol", AUBE '09, 14thInternational Conference on Automatie Fire Detection, Duisburg (DE), September 2009, Proceedings, Bd.1, S.173-180, (2009-09-08)|
IV. Am 26. August 2022 fand eine mündlichen Verhandlung vor der Kammer, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, per Videokonferenz statt. Wie mit ihren Schreiben vom 15. Juli 2022 und 30. Juni 2022 angekündigt, waren die Beschwerdegegnerin und die weitere Verfahrensbeteiligte bei der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten.
Die Anträge der Verfahrensbeteiligten waren wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragt,
die angefochtenen Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt schriftlich,
die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 15, 3A, 9A oder
13A aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende 2 hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und sich nicht geäußert.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (die Kammer übernimmt die Merkmalsgliederung der angefochtenen Entscheidung und der Verfahrens-beteiligten):
M1.1 |"Vorrichtung (100) zum Detektieren von Streulichtsignalen, wobei die Vorrichtung Folgendes aufweist: |
M1.2 |eine Lichtquelle (10); |
M1.3 |eine Mehrzahl von optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) zum Detektieren von Streulicht; |
M1.4 |und eine Auswertungseinrichtung zum Auswerten der von den optische Sensoren detektierten Signale, |
M1.5 |wobei die Lichtquelle (10) Licht in einen Streulichtbereich (15) emittiert, wobei das einfallende Licht eine Einfallsachse (11) definiert, |
M1.6 |wobei jeder der optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) bezogen auf die Einfallsachse (11) in einem Sensorwinkel (Wl, W2, W3, W4, W5, W6, W7, W8, W9, Wl0) angeordnet ist, um Streulicht aus dem Streulichtbereich (15) zu detektieren, |
M1.7 |wobei einer der Mehrzahl von optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) ein Referenzsensor ist, |
M1.8 |wobei die Auswertungseinheit dazu ausgelegt ist, Signalverläufe der übrigen optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) auf den Signalverlauf des Referenzsensors zu beziehen, |
M1.9 |wobei die Signalverläufe der optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) zur Klassifizierung der Art gegebenenfalls im Streulichtbereich (15) befindlicher Partikel dienen, |
M1.10|wobei mehrere der optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) jeweils einen Polarisationsfilter (41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50) zum Polarisieren des zu detektierenden Streulichts aufweisen, wobei die Polarisationsebenen von mindestens zwei Polarisationsfiltern (41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50) im Wesentlichen senkrecht zueinander angeordnet sind, |
M1.11|wobei die Auswertungseinrichtung ferner dazu ausgelegt ist, die Signalverläufe der detektierten Signale der Mehrzahl von optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 28, 29, 30) mit Mustersignalverläufen fortlaufend über die Zeit zu vergleichen und bei einem hinreichend großen Übereinstimmungsgrad mit einem der Mustersignalverläufe ein Kennzeichnungssignal auszugeben, welches den erkannten Mustersignalverlauf kennzeichnet."|
Anspruch 16 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Verfahren zum Detektieren von Streulichtsignalen, wobei das Verfahren die folgenden Verfahrens-schritte aufweist:
- Zuführen von Licht in einen Streulichtbereich (15), wobei das einfallende Licht eine Einfallsachse (11) definiert;
- Detektieren von Streulicht, welches an im Streulichtbereich (15) gegebenenfalls vorhandenen Partikeln reflektiert wird, mit einer Mehrzahl von optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30), mit einer Mehrzahl von Fotodioden, die jeweils bezogen auf die Einfallsachse (11) in einem Sensorwinkel (Wl, W2, W3, W4, W5, W6, W7, W8, W9, Wl0) angeordnet sind
- Polarisieren des zu detektierenden Streulichts mittels Polarisationsfilter (41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, SO), wobei mehrere der optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) jeweils einen Polarisationsfilter (41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50) aufweisen, wobei die Polarisationsebenen von mindestens zwei Polarisationsfiltern (41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50) im Wesentlichen senkrecht zueinander angeordnet sind;
- Beziehen von Signalverläufen der optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30) auf einen Signalverlauf eines Referenzsensors zum Klassifizieren der Art der gegebenenfalls im Streulichtbereich (15) befindlichen Partikel, und
- Vergleichen von Signalverläufen der detektierten Signale mit Mustersignalverläufen unter Verwendung des Signalverlaufes des Referenzsensors, wobei das Vergleichen fortlaufend über die Zeit erfolgt."
Die Kammer verzichtet in der vorliegenden Entscheidung auf eine Wiedergabe der Anspruchswortlaute der Hilfsanträge und verweist stattdessen auf die Akte. Die Darstellung wäre so umfangreich, dass sie der Lesbarkeit der Entscheidung abträglich wäre. Gleichzeitig sind die präzisen Wortlaute für das Verständnis der Entscheidungsgründe nicht notwendig. Für das Verständnis der Entscheidung ist es lediglich notwendig darauf hinzuweisen, dass die unabhängigen Vorrichtungsansprüche der Hilfsanträge 7, 8, 12, 14 und 15 das Merkmal M1.11 nicht enthalten, die Vorrichtungsansprüche der übrigen Hilfsanträge schon.
VI. Das für die vorliegende Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt wiedergeben:
Das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und ausführlich, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
In Absatz [0096] würden die Figuren 8 bis 12 des Streitpatents beschrieben. Dazu werde dort angegeben, dass diese Figuren "Mustersignalverläufe, deren Regressionsgeraden sowie deren steigungsbezogene Musterverteilungen" darstellten. Vergleiche man die gezeigten Figuren mit dem, was sie angeblich darstellen sollten, so würde der Fachmann feststellen, dass die Figuren 8 bzw. 10 Signalverläufe zeigten, welche als Mustersignalverläufe gelten könnten. Die zugehörigen Regressionsgeraden seien in den Figuren 9 und 11 dargestellt. Diese Figuren zeigten zwar Regressionsgeraden, könnten aber ersichtlich keine Regressionsgeraden von Mustersignalverläufen sein, denn die Figuren enthielten keine Zeitachsen mehr, welche für Mustersignalverläufe und deren Regressionsgeraden erforderlich seien. Die Figur 12 wiederum zeige eine grafische Darstellung der Steigungen aus den Figuren 9 und 11. Figur 12 stelle jedoch keine steigungsbezogene Musterverteilung von Mustersignalverläufen oder deren Regressionsgeraden dar. Tatsächlich stelle die Figur 12 nichts anderes dar, als die mittleren Intensitäten der Mehrzahl von optischen Sensoren bezogen auf die Intensität des Referenzsensors. Somit zeige die Figur 12 im Prinzip nichts anderes als eine grafische Darstellung einer einzelnen Zeile der aus der Figur 3 der E1 bekannten numerischen Tabelle und habe damit den identischen Informationsgehalt. Dies treffe folgerichtig auch auf die Steigungen der in den Figuren 9 und 11 gezeigten Regressionsgeraden zu. In den Figuren 9 und 11 würden über die Abszisse die Werte des Referenzsensors 3 aufgetragen, während über die Ordinate die Werte aller Sensoren aufgetragen würden. Die ablesbaren Steigungen entsprächen daher ebenfalls nur den gemittelten relativen Intensitäten der Mehrzahl von optischen Sensoren. Durch den Anspruchswortlaut werde der tatsächliche Offenbarungsgehalte des Streitpatentes nicht korrekt wiedergegeben, und es könne nicht mehr von einer vollständigen und deutlichen Offenbarung gesprochen werden.
VII. Das für die vorliegende Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt wiedergeben:
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei so vollständig und deutlich offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei es angeblich mit der in der Patentbeschreibung offenbarten Lehre unmöglich, die Partikelart zu klassifizieren. Mit den Ansprüchen 1 und 16 des Hauptantrags werde jedoch beansprucht (Merkmal M1.11),
"dass die Signalverläufe der übrigen optischen Sensoren auf den Signalverlauf des Referenzsensors zu beziehen seien, wobei die Signalverläufe der optischen Sensoren zur Klassifizierung der Art gegebenenfalls im Streulichtbereich befindlicher Partikel dienten, wobei die Signalverläufe der detektierten Signale der Mehrzahl von optischen Sensoren mit Mustersignalverläufen fortlaufend über die Zeit verglichen und wobei bei einem hinreichend großen Übereinstimmungsgrad mit einem der Mustersignalverläufen ein Kennzeichnungssignal ausgegeben werde, welches den erkannten Mustersignalverlauf kennzeichnete."
Die unabhängigen Ansprüche schränkten die Erfindung nicht dahingehend ein, dass eine Regression zu erfolgen habe. Somit sei für die Frage der ausreichenden Offenbarung zu ermitteln, ob die in der Patentschrift gegebenen Informationen es dem Fachmann ermöglichten, die der beanspruchten Erfindung innewohnende technische Lehre anhand seines allgemeinen Fachwissens zu erkennen und nachzuarbeiten, das heißt im vorliegenden Fall, ob der Fachmann auf Basis des Patents ein Beziehen der Signalverläufe der übrigen optischen Sensoren auf den Signalverlauf des Referenzsensors durchführen und einen hinreichend großen Übereinstimmungsgrad mit einem Mustersignalverlauf bestimmen könne.
Diesbezüglich offenbare das Patent in Absatz [0018], dass die Intensitätsverläufe des von unterschiedlichen Partikelarten gestreuten Streulichts von der Positionierung des Sensors bezogen auf den Streulichtbereich und vor dem Sensor eventuell vorhandener Polarisationsfilter abhingen.
Nach Absatz [0019] werde sich der Umstand zunutze gemacht, dass die Zusammensetzung der bei einer bestimmten Brandart entstehenden Partikel eine charakteristische oder positionsabhängige Intensitäts-verteilung bedinge.
Dem Fachmann werde somit von dem Patent gelehrt, zur Herstellung einer Beziehung zwischen den Signal-verläufen der optischen Sensoren und dem Signalverlauf des Referenzsensors orts- oder polarisationsabhängige charakteristische Muster zu nutzen.
Für die Bestimmung des Übereinstimmungsgrades offenbare das Streitpatent in Absatz [0050], dass der Über-einstimmungsgrad durch Korrelation der Signalverläufe der Signale mit den Mustersignalverläufen bestimmt werden könne, wobei das Korrelieren durch ein Anwenden eines bekannten stochastischen Verfahrens auf die detektierten Signale beziehungsweise auf die Mustersignale erfolge. Entsprechende Mustersignalverläufe seien beispielhaft in den Figuren 8 und 10 des Streitpatents gezeigt.
Diese Mustersignalverläufe wiesen Zeitachsen auf, so dass sie anspruchsgemäß für einen über die Zeit fortlaufenden Vergleich mit Signalverläufen der detektierten Signale der Mehrzahl von optischen Sensoren verwendet werden könnten. Der Fachmann könne daher die Erfindung gemäß Anspruch 1 und 16 anhand des Patentes sowie seines allgemeinen Fachwissens nacharbeiten.
Darüber hinaus offenbare das Patent eine bevorzugte, die Vorrichtung und das Verfahren gemäß Hauptantrag nicht einschränkende Ausführungsform unter Verwendung einer Regression. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin sei diese bevorzugte Ausführungsform jedoch nicht irreführend. Der Einwand der Beschwerdeführerin basiere auf einem willentlich falschen Verständnis des Ablaufs des Verfahrens und der Bedeutung der Begriffe "Normieren" und "Regression". Nach der Beschwerdebegründung erfolge patentgemäß angeblich zuerst eine Normierung der Signalverläufe auf das Signal des Referenzsensors, wonach alle Signalverläufe im Wesentlichen konstante Werte aufwiesen, sodass durch eine Regression bestimmte Ausgleichsgeraden sämtlicher normierter Signalverläufe die Steigung 0 aufwiesen. Eine Klassifizierung der Partikelarten sei dann nicht mehr möglich.
Ein solches Verfahren werde in dem Patent jedoch nicht beschrieben. Nach Absatz [0029] des Patents könne die Normierung auf das Signal des Referenzsensors im Rahmen einer Regression der einzelnen Messpunkte über den Zeitverlauf erfolgen. Die Normierung müsse somit dem Regressionsverfahren nicht vorausgehen, sondern lediglich während der Durchführung des Regressions-verfahrens erfolgen. Wie dabei konkret die Normierung umgesetzt werden könne, ginge aus den Figuren 3 bis 7 und der dazugehörigen Figurenbeschreibung in den Absätzen [0090] bis [0095] hervor: Nach Absatz [0090] und Figur 3 würden die Signalverläufe mittels der Ausgangsspannungen der optischen Sensoren über den Zeitverlauf ermittelt. Einzelne Messpunkte der Signalverläufe würden gemäß Absatz [0091] und Figur 4 auf das Ausgangssignal des Referenzsensors bezogen. Auf der X-Achse des Diagramms der Figur 4 werde die Ausgangsspannung DS bzw. das Ausgangssignal S3PAP des Referenzsensors 23 abgetragen. Gegenüber dieser Ausgangsspannung würden die Ausgangsspannungen der übrigen Sensoren, auf der Y-Achse abgetragen und dadurch auf den Signalverlauf des Referenzsensors bezogen. Es ergebe sich für jeden der übrigen Sensoren eine Schar von auf das Ausgangssignal des Referenzsensors bezogenen Messpunkten, welche im Rahmen eines Regressionsverfahrens durch Ermittlung einer Ausgleichsgeraden charakterisiert würden. Die Steigungen der Ausgleichsgeraden sei charakteristisch für ein bestimmtes Brandmuster.
Laut Absatz [0091] würden die Regressions- oder Ausgleichsgeraden nach dem Beziehen der einzelnen Messpunkte auf den Referenzsensor ermittelt. Ferner betrage nach Absatz [0091] "nach der somit erfolgten Normierung der Messsignale auf das Ausgabesignal des Referenzsensors" die Steigung von dessen Ausgleichsgerade eins, während die Steigungen der übrigen Ausgleichsgeraden, welche sich auf die optischen Sensoren beziehen, von eins verschieden seien. In der bevorzugten Ausführungsform finde folglich eine Normierung der Ausgangssignale der übrigen optischen Sensoren auf das Signal des Referenzsensors durch die Bezugnahme der Signalverläufe und die Bestimmung der Steigungen der Ausgleichsgeraden und somit im Rahmen einer Regression statt (Absätze [0029] und [0091] des Patents). Der Normierungsfaktor entspräche der Steigung der einzelnen Ausgleichs-geraden. Diese Normierungsfaktoren würden in der Figur 7 als Balkendiagramm dargestellt (Absatz [0094]) und könnten zur Klassifizierung der Partikelart verwendet werden. Dies habe auch die Beschwerdeführerin erkannt, welche auf Seite 8 im zweiten Absatz der Beschwerdebegründung das bevorzugte Verfahren im Wesentlichen korrekt wiedergebe, und ausdrücklich beschreibe, dass die ablesbaren Steigungen den gemittelten relativen Intensitäten der Mehrzahl von optischen Sensoren, also deren im Rahmen des Regressionsverfahrens normierten Intensitäten, entsprächen. Entgegen der Behauptung der Beschwerde-führerin sei das bevorzugte Verfahren des Streitpatents zur Klassifizierung der Partikelarten geeignet.
Ferner behaupte die Beschwerdeführerin, dass die Regressionsgeraden in den Figuren 4, 6, 9 und 11 keine Regressionsgeraden von Mustersignalverläufen sein könnten, denn die Figuren enthielten keine Zeitachsen mehr, welche angeblich für Mustersignalverläufe und deren Regressionsgeraden erforderlich seien. Auch diese Behauptung sei falsch. Nach Absatz [0033] der Patentschrift seien die Begriffe "Signalverlauf" und "Mustersignalverlauf" nicht dahingehend einengend auszulegen, dass nur die tatsächlich aufgezeichneten Signalverläufe der einzelnen Sensoren miteinander verglichen werden sollten, ohne dass beispielsweise eine Signalverarbeitung dieser Signale vorgenommen werde. Für eine derartige Signalverarbeitung sei es denkbar, eine Regression der Signalverläufe vorzunehmen und die jeweilige Steigung der Ausgleichsgeraden der detektieren Signale mit der Schar von Steigungen der Mustersignalverläufe zu vergleichen. Eine vorangehende Normierung werde in Absatz [0033] nur als Beispiel erwähnt. Ein solches Verfahren werde, wie vorstehend bereits erläutert wurde, in den Figuren 3 bis 7 und den Absätzen [0090] bis [0095] offenbart, wobei in dem Schritt des Beziehens der Signalverläufe auf den Signalverlauf des Referenzsensors gemäß den Figuren 3 und 4 die in Absatz [0033] beschriebene Signal-verarbeitung stattfinde. Bei der Bezugnahme der Ausgangsspannungen der optischen Sensoren auf die Ausgangsspannung des Referenzsensors gemäß Figur 4 würden Messwerte der Sensoren aus dem Zeitverlauf nach Figur 3 verwendet. Jeder dieser Messwerte entspräche einem anderen Zeitpunkt der Messung nach Figur 3, und die Regression werde über diese Schar von Messwerten über den Zeitverlauf durchgeführt.
Bei Änderungen der Partikelart oder bei Verschmutzungen der Sensoren variierten die Steigungen der Ausgleichsgeraden (die Normierungsfaktoren) oder die Y-Achsenabschnitte der Ausgleichsgeraden über den Zeitverlauf. Auch wenn in den Figuren 4, 6, 9 und 11 keine Zeitachse mehr gezeigt sei, seien die dargestellten Regressionsgeraden doch Regressionsgeraden von Mustersignalverläufen, in die die Zeitabhängigkeit der Signalverläufe nach dem bevorzugten Auswertungsverfahren über die einzelnen, zu unterschiedlichen Messzeiten ermittelten Messpunkte eingehe, sodass die Signalverläufe der detektierten Signale der Mehrzahl von optischen Sensoren mit Mustersignalverläufen patentgemäß fortlaufend über die Zeit verglichen werde.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die vorliegende Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 und 108 EPÜ, und der Regel 99 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
2. Hauptantrag - Ausführbarkeit
2.1 Das Streitpatent offenbart die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
2.2 Gemäß Merkmal M1.11 von Anspruch 1 des Hauptantrages
"[ist] die Auswertungseinrichtung ferner dazu ausgelegt, die Signalverläufe der detektierten Signale der Mehrzahl von optischen Sensoren (21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 28, 29, 30) mit Mustersignalverläufen fortlaufend über die Zeit zu vergleichen und bei einem hinreichend großen Übereinstimmungsgrad mit einem der Mustersignalverläufe ein Kennzeichnungssignal auszugeben, welches den erkannten Mustersignalverlauf kennzeichnet."
2.3 Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Begriff "Signalverlauf" im Rahmen des Streitpatents Messwerte der optischen Sensoren als Funktion der Zeit bezeichnet. Der Begriff "Mustersignalverläufe" bezeichnet die Zeitverläufe von Messwerten der optischen Sensoren, welche aufgezeichnet wurden, während sich im Detektionsvolumen der Vorrichtung bekannte Partikelarten befanden. Das Verständnis der Kammer deckt sich mit demjenigen der Beschwerde-gegnerin, siehe hierzu Punkt 1 b) des Schreibens der Beschwerdegegnerin vom 10. Juni 2022.
2.4 Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages werden Signalverläufe mit Mustersignalverläufen verglichen. Der Anspruch stellt also darauf ab, dass zeitliche Verläufe von Signalen der optischen Sensoren verglichen werden. Anspruchsgemäß wird bei einem hinreichend großen Übereinstimmungsgrad mit einem der Mustersignalverläufe ein Kennzeichnungssignal auszugeben, welches den erkannten Mustersignalverlauf kennzeichnet. Dies unterstreicht, dass anspruchsgemäß die zeitlichen Verläufe von Signalen auch einzeln mit Mustersignalverläufen verglichen werden können.
Unter normaler Verwendung der Fachbegriffe des Anspruches würde ein Vergleich der zeitlichen Verläufe von Signalen mit Mustersignalverläufen Feststellungen beinhalten, wie zum Beispiel, dass das Ausgangssignal mit der Zeit in ähnlicher Weise steige, falle, oder fluktuiere wie das Mustersignal.
2.5 Die Beschwerdeführerin weist hingegen, zutreffend nach Ansicht der Kammer, in ihrer Beschwerdebegründung auf Seite 8 darauf hin, dass bei den vorgeschlagenen Auswertemethoden Normierung und/oder Regression gerade die Information über den zeitlichen Verlauf der Signale keine Rolle mehr spiele. Es käme mithin nicht zu einem Vergleich von Signalverläufen mit Mustersignal-verläufen. Des Weiteren weisen die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin, wiederum zutreffend nach Auffassung der Kammer, darauf hin, dass die Information über die Partikelart in der Winkelverteilung des Streulichts enthalten sei.
Beidem stimmt die Kammer zu. Nach der Lehre des Streitpatents ist die Information über die zu klassifizierende Partikelart nicht im zeitlichen Verlauf der Signale einzelner optischer Detektoren enthalten, sondern in der Winkelverteilung des Streulichtes. Nichts anderes trägt auch die Beschwerdegegnerin vor, wenn sie auf Absatz [0019] des Streitpatents verweist.
Vor diesem technischen Verständnis gibt der Anspruch in inkorrekter Weise an, dass ein Vergleich der zeitlichen Verläufe auf die zu klassifizierende Partikelart schließen lasse. Insbesondere sagt Merkmal M1.11 eindeutig aus, dass ein hinreichend großer Übereinstimmungsgrad mit einem der Mustersignalverläufe ein Kennzeichnungssignal auslöse, und damit eine Erkennung des Rauchtyps gemäß Merkmal M1.9 erfolgen könne.
2.6 Dies steht im Widerspruch zu der im Streitpatent offenbarte Signalanalyse. Gemäß den Figuren 3, 5, 8 und 10, sowie den Absätzen [0028] und [0029] wird durch die Normierung gemäß Paragraph [0028] oder durch die Ermittlung des Proportionalitätsfaktors zwischen den Signalen der übrigen Sensoren und dem Referenzsensor gemäß der vorgenannten Figuren gerade die Information über den zeitlichen Verlauf der Signale unterdrückt.
Dies verwundert eine fachkundige Person auch nicht. Der zeitliche Verlauf der Ausgangssignale der optischen Sensoren dürfte im Wesentlichen von den Änderungen der Konzentration der Rauchpartikel in der Detektionskammer und deren Bewegung herrühren, wie die Beschwerdeführerin zutreffend in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Der zeitliche Verlauf der Sensorsignale ist also im Wesentlichen von der Rauchentwicklung und den Strömungsverhältnissen während der Messung geprägt. Informationen über die zu klassifizierende Partikelart hingegen enthält der zeitliche Verlauf nicht. Die Beschwerdeführerin hat hierzu auch nichts Gegenteiliges vorgetragen.
2.7 Dieses technische Verständnis ist auch im Einklang mit dem zitierten Stand der Technik.
Auch beim Dokument E4 wird durch die Normierung der Signale der übrigen optischen Detektoren auf den bei 90° angeordneten Referenzsensor gerade die Information über den zeitlichen Verlauf unterdrückt. Alles, was für die Klassifizierung der Partikelart von Bedeutung ist, ist das Verhältnis der Signalstärken der optischen Sensoren und des Referenzsensors. Was in E4 und in Absatz [0029] durch die Normierung auf den Referenzsensor erreicht wird, ist dass die Winkelverteilung der Streulichtintensität an diskreten Punkten gemessen wird, ohne dabei durch den störenden zeitliche Verlauf der Sensorsignale, welcher für die Klassifikation der Partikelart nicht von Interesse ist, überlagert zu werden.
Auch die Lehre der E1 ist mit diesem Verständnis im Einklang. Gemäß Spalte 4, Zeilen 40 bis 52 der E1 zufolge ist die Korrelation zwischen dem Streuwinkel theta und der empfangenen Lichtintensität ein eindeutiges Merkmal für jeden Rauchtyp. Dass im zeitlichen Verlauf Information über den Rauchtyp stecke, ist E1 nicht zu entnehmen. Vielmehr wird in E1 gemäß Spalte 4, Zeile 40 bis 49 das Prinzip der Raucherkennung beschrieben und nicht ein tatsächlicher Rauchwarnmelder. Für die Beschreibung des Prinzips wird die Rauchdichte in der Detektionskammer gemäß der vorgenannten Passage konstant gehalten. Bei einer solchen experimentellen Anordnung ist zu erwarten, dass die Signale der optischen Sensoren zeitlich konstant sind. Daher ist es verständlich, dass in Figur 3 einzelne Messwerte anstelle von zeitlichen Verläufen für die Signale der optischen Sensoren angegeben werden.
2.8 Daher steht eine fachkundige Person vor dem Widerspruch, dass gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages die Partikelart aufgrund des Übereinstimmungsgrades mindestens eines der Signalverläufe und einem Mustersignalverlauf erkannt werden solle, was nichts anderes bedeuten kann, als dass der zeitliche Verlauf der Signale Informationen über die Partikelart enthalten muss. Andererseits lehrt aber die Beschreibung und die Figuren des Streitpatents, im Einklang mit E1 und E4, dass im zeitlichen Verlauf keine Information über die zu klassifizierende Partikelart enthalten sind. Eine fachkundige Person würde überhaupt nicht erwarten, dass der zeitliche Verlauf der Mustersignale, welche in einem Kalibrierschritt aufgezeichnet werden, und dann unter anderen Strömungsbedingungen und anderer Brandentwicklung aufgezeichnete Sensorsignale eine Übereinstimmung aufweisen.
Daher offenbart das Streitpatent den Anspruchs-gegenstand nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann ihn ausführen kann.
2.9 Die Beschwerdegegnerin verweist in diesem Zusammenhang auf den Absatz [0033], nach dem mit der Begriff "Signalverlauf" beziehungsweise "Mustersignalverlauf" nicht dahingehend einengend auszulegen, dass nur die tatsächlich aufgezeichneten Signalverläufe der einzelnen Sensoren miteinander verglichen werden sollen, ohne beispielsweise eine Signalverarbeitung dieser Signale vorzunehmen. Auch wenn die Auswertungseinrichtung zu einem selbstständigen Vergleich der Signalverläufe mit Mustersignalverläufen ausgelegt sei, sei es denkbar, eine Regression der Signalverläufe beispielsweise nach Normierung auf das Signal des Referenzsensors vorzunehmen und die jeweiligen Steigungen der Ausgleichsgraden der detektierten Signale mit der Schar von Steigungen der Mustersignalverläufe zu vergleichen.
2.10 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt.
Es kommt bei der Prüfung der Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ auf den Offenbarungsgehalt der gesamten Anmeldung, beziehungsweise des gesamten Patents an. Die Frage ausreichender Offenbarung darf daher jedenfalls nicht allein vom Inhalt der Ansprüche her beurteilt werden.
Andererseits darf der Anspruchswortlaut nicht als eine technisch unverbindliche Skizze angesehen werden, die den Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, nur andeutet, und die technische Unrichtigkeiten beinhalten kann, die gegebenenfalls mithilfe der Beschreibung zu berichtigen wären. Ein solches Vorgehen würde den eindeutigen Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ zuwiderlaufen. Es mag statthaft sein, unter Heranziehung der Beschreibung, der Zeichnung und der Ansprüche ein konsistentes Verständnis von Begriffen eines Patents oder einer Anmeldung zu entwickeln. Dies hat aber dort seine Grenze, wo die Beschreibung etwas offenbart, dass sich nicht unter den Anspruchswortlaut subsumieren lässt.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definiert den Anspruchs-gegenstand eindeutig derart, dass ein Vergleich von Signalverläufen und Mustersignalverläufen stattfinden muss und dass eine Übereinstimmung von nur einem Signalverlauf mit einem Mustersignalverlauf schon zur Klassifizierung der Partikelart ausreichen kann.
Hiermit ist der Inhalt von Absatz [0033] schlicht nicht vereinbar, denn er verweist auf Ausführungsbeispiele in der Beschreibung, bei denen durch die Signal-verarbeitung die Sensorsignale gerade um ihren zeitlichen Verlauf bereinigt werden. Es geht aus den Ausführungsbeispielen, auf die hier Bezug genommen wird, klar hervor, dass die Winkelverteilung des Streulichtes ermittelt werden muss. Beispielsweise wird in den Figuren 7, 12 und 17 die Winkelverteilung des Streulichts indirekt über die bekannte Winkelposition der Detektoren normiert auf die Intensität des Referenzsensors dargestellt. Diese Winkelverteilung wird mit der Muster-Winkelverteilung verglichen. Hingegen enthält die Beschreibung des Streitpatents keinerlei Offenbarung eines Vergleichs der Signalverläufe mit Mustersignalverläufen und schon gar keine Offenbarung, wie die zeitlichen Verläufe einzelner Sensoren mit den Mustersignalverläufen ausreichen könnten, um auf den Rauchtypen zu schließen. Ganz im Gegenteil stellt das Streitpatent in seiner Lehre darauf ab, dass die Winkelverteilung gemessen wird, und dies verlangt, dass mehrere Sensorsignale, welche an verschiedenen Winkelpositionen angeordnet sind, miteinander verglichen werden.
2.11 Auch der Verweis auf die Hauptkomponenten-Analyse in den Absätzen [0098] bis [0102] und den Figuren 18 bis 20 des Streitpatents ändert an dieser Sichtweise nichts. Auch hier kommt es auf die Winkelverteilung des Streulichts an und nicht auf die zeitlichen Verläufe der Signale.
2.12 Absatz [0050] des Streitpatents offenbart, dass die Ähnlichkeit zwischen Signalverläufen und Mustersignalverläufen durch deren Korrelation bestimmt werden könnte. Dies ist im Prinzip zutreffend. Aber auch dieser Absatz löst das eigentliche Problem nicht, dass nämlich gar nicht zu erwarten ist, dass die zeitlichen Verläufe von nicht gleichzeitig gemessenen Signale für ein und denselben Rauchtypen übereinstimmen, weil nicht zu erwarten ist, dass die Strömungsverhältnisse und die Brandentwicklung identisch sein werden und der zeitliche Verlauf keine Information über den Rauchtypen enthält.
2.13 Zuletzt argumentierte die Beschwerdeführerin noch, dass auch wenn in den Figuren 4, 6, 9 und 11 keine Zeitachse mehr gezeigt sei, die dargestellten Regressionsgeraden "Regressionsgeraden von Mustersignalverläufen" seien, in die die Zeitabhängigkeit der Signalverläufe nach dem bevorzugten Auswertungsverfahren über die einzelnen, zu unterschiedlichen Messzeiten ermittelten Messpunkte eingehe, sodass die Signalverläufe der detektierten Signale der Mehrzahl von optischen Sensoren mit Mustersignalverläufen patentgemäß fortlaufend über die Zeit verglichen werde.
Dies überzeugt die Kammer nicht. Durch die Art der graphischen Darstellung und die Ermittlung der Steigung der Regressionsgeraden kommt es gerade nicht zu einem Vergleich der zeitlichen Verläufe von Signalen und Mustersignalen, sondern zu einer Bereinigung der Signale von ihren zeitlichen Verläufen. Dort wird lediglich ein zeitunabhängiger Proportionalitätsfaktor zwischen dem Signal des Referenzsensors und den übrigen optischen Sensoren ermittelt.
3. Hilfsanträge 1 bis 6, 9 bis 11 und 13 sowie 3A, 9A und 13A - mangelnde Ausführbarkeit
3.1 Die unabhängigen Ansprüche gemäß der Hilfsanträge 1 bis 6, 9 bis 11 und 13 weisen alle das Merkmal M1.11 auf. Die gemäß dieser Hilfsanträge hinzugefügten Merkmale sind nicht geeignet, den Mangel an Ausführbarkeit zu beheben. Die Gründe, aus denen der Hauptantrag nicht gewährbar ist, gelten auch für die hier genannten Hilfsanträge.
3.2 Bei den Hilfsanträgen 3A, 9A und 13A wurden die Vorrichtungsansprüche gestrichen. Die unabhängigen Verfahrensansprüche gemäß der Hilfsanträge 9A und 13A enthalten aber das Merkmal M1.11 in Form eines entsprechenden Verfahrensmerkmals. Die Gründe, aus denen der Hauptantrag nicht gewährbar ist, gelten auch für diese Hilfsanträge.
Der unabhängige Anspruch von Hilfsantrag 3A enthält ein ähnliches Merkmal, nämlich den Verfahrensschritt des Vergleichens von Signalverläufen der detektierten Signale mit Mustersignalverläufen. Die Kammer ist zur Überzeugung gelangt, dass die Gründe, aus denen die vorgenannten Hilfsanträge nicht gewährbar sind, auch auf dieses Merkmal analog zutreffen, weswegen auch der Hilfsantrag 3A nicht gewährbar ist.
3.3 Damit genügen die Hilfsanträge 1 bis 6, 9 bis 11, 13, 3A, 9A und 13A nicht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ.
4. Hilfsanträge 7, 8, 12, 14 und 15 - reformatio in peius
4.1 Die Kammer bemerkt, dass sie die Verfahrensbeteiligten in Punkt 6.1 ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 vor der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die Zulassung der Hilfsanträge gegebenenfalls in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein wird. Zumindest in Bezug auf die Hilfsanträge 7 und 8 hat die Kammer zusätzlich darauf hingewiesen, dass deren unabhängigen Ansprüche das Merkmal M1.11 nicht enthielten und daher breiter als der Hauptantrag zu sein schienen (Punkt 6.3 der Mitteilung).
4.2 In der Entscheidung G 4/93 hat die Große Beschwerdekammer festgestellt: Ist der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so ist der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat. Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ vorschlägt, können von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind.
Bei der Frage, ob die vorliegende Hilfsanträge 7, 8, 12, 14 und 15 zuzulassen sind, ist daher zu berücksichtigen, ob die Einsprechende als alleinige Beschwerdeführerin durch die geänderten Ansprüche 1 und 16 gemäß dieser Hilfsanträge schlechter gestellt würde als durch die angefochtene Entscheidung, d.h. ob die Hilfsanträge gegen das Verschlechterungsverbot im Sinne der Entscheidungen G 9/92 und G 4/93 verstoßen würden, wobei gegebenenfalls auch zu untersuchen wäre, ob mögliche Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot im Sinne der Entscheidung G 1/99 zu berücksichtigen wären.
4.3 Die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 7, 8, 12, 14 und 15 enthalten das Merkmal M1.11 nicht. Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin hat keine eigene Beschwerde eingelegt und sich somit im Wesentlichen darauf beschränkt, das Patent in der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachteten Fassung zu verteidigen. Hier war das Merkmal M1.11 von zentraler Bedeutung. Durch die Aufrechterhaltung des Streitpatents in einer Fassung ohne die Einschränkung von Merkmal M1.11 wäre die einzige Beschwerdeführerin und Einsprechende schlechter gestellt, als wenn sie keine Beschwerde eingelegt hätte, da die Ansprüche 1 und 16 der Hilfsanträge 7, 8, 12, 14 und 15 den Schutzumfang der Ansprüche 1 und 16 des Hauptantrags erweitern. Daraus folgt, dass diese Hilfsanträge gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen, so dass zu untersuchen ist, ob im vorliegenden Fall eine der in der Entscheidung G 1/99 begrenzten Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot in Betracht kommt.
4.4 Gemäß der Entscheidung G 1/99 müssen bei einer Ausnahme von dem Grundsatz des Verschlechterungsverbots bestimmte Voraussetzungen vorliegen, nämlich, dass die vorgeschlagenen Änderungen darauf gerichtet sind, "einen im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte".
4.5 Diese Ausnahme entspricht der Billigkeit und ist eng auszulegen, d.h. sie betrifft ausschließlich Fälle, in denen die vom Patentinhaber vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich durch die Beschwerde veranlasst sind, z.B. aufgrund eines neuen, erst im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwandes, oder aufgrund neuer Fakten, durch die ein im erstinstanzlichen Verfahren bereits erhobener Einwand untermauert wurde (siehe auch T 2242/18, Gründe, Nr. 4.3.3 unter Berücksichtigung von G 1/99, Gründe Nr. 12).
Auch in den Fällen, in denen eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot aus Billigkeitsgründen bei einem anderen Einwand als dem nach Artikel 123 (2) EPÜ anerkannt wurde, kam es darauf an, ob der Patentinhaber durch das Verschlechterungsverbot daran gehindert würde, sein Patent angemessen "gegen im Beschwerdestadium neu in das Verfahren eingeführte Tatsachen und Einwände" zu verteidigen (siehe auch T 1843/09, Gründe, Nr. 2.4.4, letzter Satz und T 1979/11, Gründe Nr. 2.1).
4.6 Vorliegend greift daher auch die sehr restriktiv zu handhabende Ausnahme vom Verschlechterungsverbot aus Gründen der Billigkeit nicht. Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit in Bezug auf den Hauptantrag wurde von der Beschwerdeführerin bereits im Einspruchsverfahren erhoben und begründet, jedoch von der Einspruchsabteilung als nicht stichhaltig angesehen. Dieser Einwand wurde im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt, ohne dass dabei der Einwand mit neuen Fakten, bzw. neuen Gründen untermauert wurde. Die Änderung durch Streichung des Merkmals M1.11 ist daher nicht "durch die Beschwerde veranlasst", denn sie ist nicht auf einen neuen Einwand oder auf einen vorhandenen Einwand, der mit neuen Gründen oder neuen Fakten untermauert ist, zurückzuführen (siehe G 1/99, Entscheidungsgründe, Nr. 10 und 12).
Unter diesen Umstände musste die Beschwerdegegnerin damit rechnen, dass, auch wenn die Einspruchsabteilung den Einwand der unzureichenden Offenbarung gegen den Hilfsantrag 2 nicht als stichhaltig betrachtet hatte, dieser Einwand im Fall einer Beschwerde durch die Einsprechende im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt werden könnte. Jedoch beschloss die Beschwerdeführerin, auf die Möglichkeit, eine eigene Beschwerde einzureichen, um damit den breiteren Hauptantrag zu verteidigen, zu verzichten und stattdessen die Fassung der unabhängige Ansprüche, die nach Auffassung der Einspruchsabteilung gewährbar war, als Hauptantrags vorzulegen. Mit dieser Vorgehensweise hat die Beschwerdeführerin eine Beschwerde seitens der Einsprechenden als alleinige Beschwerdeführerin mit den möglichen verfahrensrechtlichen Folgen in Kauf genommen.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine nach der Entscheidung G 1/99 eng auszulegende Ausnahmeregelung nicht erfüllt sind.
4.7 In Anbetracht der obigen Ausführungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Hilfsanträge 7, 8, 12, 14 und 15 Änderungen enthält, die gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen. Die Kammer lässt somit diese Hilfsanträge nicht zu.
5. Schlussfolgerungen
Weder der Hauptantrag noch die Hilfsanträge 1 bis 3, 3A, 4 bis 6, 9, 9A bis 11, 13, 13A erfüllen die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ. Die Hilfsanträge 7, 8, 12, 14 und 15 sind aufgrund des Verschlechterungsverbotes unzulässig.
Daher gibt die Kammer dem Antrag der Beschwerdeführerin statt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.