T 2723/18 21-09-2020
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System für Straßenfertiger mit einer Temperaturmessvorrichtung, Verfahren zur Bestimmung eines Abkühlverhaltens eines von einem Straßenfertiger eingebauten Belages und computerlesbares Speichermedium
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die Patentanmeldung mit Anmeldenummer 14182526.5 zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung sah das Dokument
D3 EP 2 666 908 A1
als neuheitsschädlich für das System nach Anspruch 1, den Fertiger mit dem System nach Anspruch 14, das Verwendungsverfahren des Straßenfertigers nach Anspruch 15 und das computerlesbare Speichermedium mit computer-ausführbaren Anweisungen nach Anspruch 16 an.
III. Nach einem verfahrensleitenden Bescheid, in dem die Kammer ihre vorläufige Meinung ausdrückte, wonach der erfindungsgemäße Gegenstand nicht neu, zumindest aber nicht erfinderisch zu sein scheint gegenüber D3, reichte die Beschwerdeführerin am 5. Juni 2020 einen modifizierten Anspruchssatz als Hauptantrag, sowie Hilfsanträge 1 und 2 ein.
IV. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents auf Basis des mit Schreiben vom 5. Juni 2020 eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf Basis des mit dem selben Schreiben eingereichten Hilfsantrags 1. Der Hilfsantrag 2 wurde während der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"System (100) bestehend aus einer Temperaturmessvorrichtung (120) und einer Auswerteeinheit (140, 140a), wobei die Temperaturmessvorrichtung (120) zur wiederholten Erfassung von Oberflächentemperaturwerten eines von einem Straßenfertiger (1) eingebauten Belages (3) konfiguriert ist,
das System (100) konfiguriert ist, einen Oberflächentemperaturwert für jeden aus einer Vielzahl von bestimmten Messpunkten (351, 351a, 351b) zu jeweils mindestens zwei unterschiedlichen Zeitpunkten mittels der Temperaturmessvorrichtung (120) zu ermitteln, wobei die Vielzahl von bestimmten Messpunkten (351, 351a, 351b) in einem Bereich des eingebauten Belages (3) liegt, und
die Auswerteeinheit (140) konfiguriert ist, ein Abkühlverhalten des eingebauten Belages (3) aus diesen von der Temperaturmessvorrichtung (120) ermittelten mindestens zwei Oberflächentemperaturwerten, welche für jeden der Vielzahl von bestimmten Messpunkten (351, 351a, 351b) zu den mindestens zwei unterschiedlichen Zeitpunkten von der Temperaturmessvorrichtung (120) erfasst wurden, zu bestimmen."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass anstelle des Ausdrucks
"... ein Abkühlverhalten des eingebauten Belages aus diesen ... Oberflächentemperaturwerten ... zu bestimmen"
der Ausdruck
"... ein Abkühlverhalten des eingebauten Belages nur aus diesen ... Oberflächentemperaturwerten ... zu bestimmen" (Unterstreichung hinzugefügt) verwendet wird.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Das Dokument D3 offenbare ein Verfahren zur Bestimmung des optimalen Zeitpunktes zur Verdichtung einer frisch ausgebrachten Asphaltschicht, bei dem an ausgesuchten Stellen in einem ersten Schritt die Kerntemperatur und die Oberflächentemperatur der frisch hergestellten Asphaltschicht bestimmt werde, um die Temperaturverteilung über die Schichtdicke ermitteln zu können. In einem zweiten Schritt werde dann eine zeitliche Entwicklung der Oberflächentemperatur ermittelt und extrapoliert, so dass durch eine Kombination aus den beiden Schritten den Zeitpunkt ermittelt werden könne, zu dem die Schicht im Kern eine geeignete Temperatur habe, um die Asphaltschicht durch Walzen optimal komprimieren zu können.
b) Erfindungsgemäß könne jedoch der erste Schritt ersatzlos gestrichen werden, da der optimale Zeitpunkt bereits nur über die zeitliche Entwicklung der Oberflächentemperatur bestimmt werden könne. So sei der Sensor zur Ermittlung der Kerntemperatur der Asphaltschicht einsparbar und das Verfahren wird weniger kompliziert.
c) Zudem werde bereits aus dem Wortlaut der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags klar, dass eine Temperaturmessung nur an der Oberfläche erfolge, spätestens aber der Wortlaut des Hilfsantrags würde dies zweifelsfrei klarstellen.
Entscheidungsgründe
1. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Haupt- und Hilfsantrags 1 ist nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
1.1 Das Dokument D3 offenbart ein Verfahren, bei dem an mehreren Referenzstellen ("representative spots") sowohl die Kerntemperatur, als auch die Oberflächentemperatur einer Asphaltschicht gemessen werden. Aus diesen Messungen kann ein empirischer Zusammenhang zwischen Oberflächentemperatur und Kerntemperatur bestimmt werden, so dass an anderen Stellen de Asphaltschicht ("target spots") durch eine Messung nur der Oberflächentemperatur die Kerntemperatur abgeschätzt werden kann (siehe Absatz [0038]).
1.2 Zudem wird in D3 an verschiedenen Stellen zu verschiedenen Zeitpunkten jeweils die Oberflächentemperatur gemessen, um so ein zeitliches Abkühlverhalten an der jeweiligen Stelle bestimmen und extrapolieren zu können. So kann aus dem zeitlichen Verlauf der Oberflächentemperatur und dem Zusammenhang zwischen Oberflächentemperatur und Kerntemperatur ein prognostizierter zeitlicher Verlauf der Kerntemperatur ermittelt werden und so der Zeitpunkt bestimmt werden, zu dem an diesen Stelle die optimale Kerntemperatur zum Komprimieren der frisch eingebauten Asphaltschicht vorliegt (siehe beispielsweise Flussdiagramm der Figur 2 und die korrespondierenden Passagen der Beschreibung).
1.3 Des weiteren offenbart D3 auch ein System (100) aus einer Temperaturmessvorrichtung ("IR camera" 160) und einer Auswerteeinheit ("processor" 170 und "memory" 150) zur Durchführung dieses Verfahrens. Das System ist dabei auf einem Fertiger montiert (siehe Spalte 8, Zeile 39 und Spalte 16, Zeilen 48 - 50) und das Verfahren kann in Form von computer-ausführbaren Anweisungen auf einem computer-lesbaren Speichermedium vorliegen (siehe Absatz [0022]).
1.4 Unter der Annahme, dass aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags klar hervorgeht, dass eine Temperaturmessung nur an der Oberfläche erfolgt, wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1 von dem aus D3 bekannten System unbestritten lediglich dadurch, dass die Auswerteeinheit konfiguriert ist, das Abkühlverhalten des eingebauten Belages nur aus den von der Temperaturmessvorrichtung ermittelten mindestens zwei Oberflächentemperaturwerten zu bestimmen, während die Auswerteeinheit der D3 neben den mit der Temperaturmessvorrichtung ermittelten Oberflächentemperaturwerten auch Kerntemperaturwerte berücksichtigt.
1.5 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass dadurch, dass der Zusammenhang zwischen Kerntemperatur und Oberflächentemperatur nicht ermittelt werden muss die Sensoren zur Messung der Kerntemperatur eingespart werden können und die gesamte Auswertung und Prognose einfacher wird. Dennoch sei es auch weiterhin möglich, zuverlässig den optimalen Zeitpunkt zum Verdichten der Asphaltschicht zu bestimmen.
1.6 Wie D3 in Spalte 3, Zeilen 22 - 26 jedoch explizit ausführt, dient die Bestimmung des Zusammenhangs zwischen Oberflächentemperatur und Kerntemperatur dazu, den optimalen Zeitpunkt zum Komprimieren noch besser bestimmen zu können als im Vergleich zu einem Verfahren, bei dem nur die Oberflächentemperatur gemessen wird. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach der optimale Zeitpunkt zum Verdichten des Asphalts nur aus dem zeitlichen Verlauf der Oberflächentemperatur ermittelt werden kann, steht daher im Widerspruch zur technisch nachvollziehbaren Lehre der D3, die gerade zur Verbesserung der Vorhersage des optimalen Zeitpunkts auch den Zusammenhang zwischen Kern- und Oberflächentemperatur zur Rate zieht. In Ermangelung eines Nachweises oder einer plausiblen technischen Erklärung ist die Argumentation der Beschwerdeführerin folglich als unsubstantiierte Behauptung anzusehen.
1.7 Das Weglassen des Schrittes der Bestimmung des Zusammenhangs zwischen Oberflächen- und Kerntemperatur führt daher lediglich zum offensichtlichen Vorteil, dass die Bauteile, die für diesen Schritt notwendig sind, eingespart werden können und einige Schritte des komplexen Vorhersageverfahrens eingespart werden können.
1.8 Das Weglassen der Ermittlung des Temperaturverlaufs über die Schichtdicke durch Messung von Oberflächen- und Kerntemperatur ist auch mit keinem anderen weiteren überraschenden Vorteil verbunden, sondern stellt eine für den Fachmann naheliegende Modifikation der D3 dar. Die Vereinfachung einer komplizierten Technologie ist Teil der normalen Tätigkeit des Fachmanns, wenn zu erwarten ist, dass die unter Umständen zu erwartende Leistungsminderung durch die durch die Vereinfachung erzielten Vorteile wettgemacht werden - wie es die Kammern auch schon in T61/88 (siehe Absatz 2.2.(b) der Entscheidungsgründe) oder T505/96 (siehe Absatz 3.4 der Entscheidungsgründe) entschieden haben.
1.9 Daher stellt ausgehend von D3 das Weglassen der Ermittlung des Temperaturverlaufs und die hierfür verwendeten Bauteile keine Erfindung im Sinne von Artikel 56 EPÜ dar, sondern ist nur Teil der normalen Tätigkeit des Fachmanns.
2. Ob der Hauptantrag bereits eindeutig und zweifelsfrei ausschließt, dass auch an anderen zusätzlichen Stellen als der Oberfläche die Temperatur des Asphalts bestimmt wird (so wie im Hilfsantrag 1 zweifelsfrei präzisiert), kann hierbei offen bleiben, da auch wenn Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dementsprechend breiter ausgelegt wird, sein Gegenstand aus den gleichen Gründen wie vorstehend ausgeführt in keinem Fall erfinderisch ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.