T 0381/91 17-12-1993
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Verfahren zur Herstellung einer Fließmittelpackung
I Akerlund & Rausing Licens AB
II AB Akerlund & Rausing
Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer (Einsprechender II) hat gegen die am 18. März 1991 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der die Einsprüche gegen das Patent Nr. 0 096 826 zurückgewiesen wurden, Beschwerde eingelegt.
Die Einspruchsabteilung war zu der Auffassung gelangt, daß der in Artikel 100 a) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstehe.
II. Der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
III. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Ferner beantragt er hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
IV. Der Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung einer Fliessmittelpackung, bestehend aus miteinander über mindestens eine Längssiegelnaht tubusförmig verbundenen Seitenwänden (1) und Stirnwänden (2), die an den Enden eines im Querschnitt kreisrunden Tubus angebracht sind sowie Boden (2) und Deckel der Packung bilden, wobei die Seitenwände (1) aus mindestens einseitig mit thermoplastischem Kunststoff beschichtetem Karton bestehen, der Boden (2) der Packung als ebenes Wandstück an ein Werkzeug (8) gebracht und zusammen mit diesem - unter Aufbördeln des freien Randes (3) der Seitenwände (1) um 20 und 40 gegen die Vertikale - vertikal auf den Tubusrand (3) zubewegt wird, danach auf den Rand (3) aufgedrückt und der Rand (5) des Bodens (2) auf den Tubusrand (3) aufgesiegelt wird, danach das Werkzeug (8) abgezogen wird und wobei schliesslich die versiegelten Ränder (3, 5) von Seitenwand (1) und Boden (2) wieder in die Vertikale hochgestellt werden, dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Aufsiegeln des Bodenrandes (5) auf den Tubusrand (3) beim Abziehen des Werkzeuges (8) der Aussenrand (5) des Bodens (2) über die freie Kante (4) des Seitenrandes (3) umgelegt und um 180 gegenüber der Innenseite nach aussen auf die Aussenfläche der Seitenwand (1) umgelegt und dort verschweisst wird."
V. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Zusätzlich zu dem im Einspruchsverfahren vorgebrachten, in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgrund stehe auch der in Artikel 100 c) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegen. Das im Kennzeichen des Anspruchs 1 aufgeführte Merkmal, daß "beim Abziehen des Werkzeuges (8) der Außenrand (5) des Bodens (2) über die freie Kante (4) des Seitenrandes (3) umgelegt ..." werde, sei nämlich in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht offenbart. Vielmehr gehe aus den ursprünglichen Unterlagen (vgl. Seite 15, Zeilen 7 bis 13) hervor, daß das Umlegen des Außenrandes "nach Abziehen des Werkzeuges" erfolge, wie es auch in der Streitpatentschrift in Spalte 6, Zeilen 36 bis 38 beschrieben sei.
Bezüglich des in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgrunds seien die Entgegenhaltung SE-B-431 187 (E1) oder FR-A-926 130 (E2), aus der der nächstkommende Stand der Technik bekannt sei, sowie die Entgegenhaltung DE-B-1 008 560 (E3) in Betracht zu ziehen. Dabei sei zu prüfen, ob es für den vor der patentgemäßen Aufgabe stehenden Fachmann naheliegend sei, den aus E1 oder E2 bekannten nächstkommenden Stand der Technik im Hinblick auf die Lehre der Druckschrift E3 und den gesamten Stand der Technik derart zu modifizieren, daß sich ein unter den Patentanspruch fallender Gegenstand ergebe. Dies sei der Fall; das beanspruchte Verfahren beruhe somit auf keiner erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Außerdem enthalte der Anspruch 1 nicht alle zur Lösung der Aufgabe notwendigen wesentlichen Merkmale und erfülle damit nicht Artikel 84 EPÜ.
VI. Der Beschwerdegegner teilte auf Anfrage der Kammer (vgl. Bescheid vom 30. Juni 1993) mit, daß er mit der Einführung des neuen, erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemachten, auf Artikel 100 c) EPÜ gestützten Einspruchsgrunds nicht einverstanden sei (vgl. Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 10/91, ABl. EPA 1993, 420).
Er hat ferner vorgetragen, daß der Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht gerechtfertigt sei. Das beanspruchte Verfahren ergebe sich nicht ohne weiteres oder folgerichtig aus dem bisherigen Stand der Technik. Insbesondere werde die im Kennzeichen des Anspruchs 1 genannte Reihenfolge der Verfahrensschritte durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuer Einspruchsgrund
Der auf Artikel 100 c) EPÜ gestützte Einspruchsgrund, daß der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, wurde erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemacht.
Gemäß der Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 10/91 dürfen im Beschwerdeverfahren neue Einspruchsgründe nur mit dem Einverständnis des Patentinhabers geprüft werden (Punkt 3 der Stellungnahme). Der Patentinhaber hat der Einführung des neuen Grunds nicht zugestimmt. Deshalb kann die Kammer auf den neuen Einspruchsgrund sachlich nicht eingehen.
3. Neuheit
Das beanspruchte Verfahren zur Herstellung einer Fließmittelpackung ist gegenüber den im Beschwerdeverfahren aufgegriffenen Druckschriften E1 bis E3 und den übrigen im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften neu, denn keine dieser Schriften offenbart ein Verfahren mit sämtlichen im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen, wie anhand des Merkmals, daß das Umlegen des Bodenaußenrandes nach dem Aufsiegeln des Bodenrandes auf den Tubusrand erfolgt, ersichtlich ist. Da dies vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden ist, erübrigt sich eine nähere Begründung.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Von den im Verfahren befindlichen Druckschriften kommt die Entgegenhaltung SE-B-431 187 (E1) dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents am nächsten. Diese Entgegenhaltung ist zwar nach dem Prioritäts- und Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht worden. Sie basiert aber auf einer Patentanmeldung, die am 23. August 1981, also vor dem Prioritäts- und Anmeldetag des Streitpatents, als SE-A-431 187 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Aus dieser Patentanmeldung ist, wie von den Parteien eingeräumt wird, ein Verfahren zur Herstellung einer Fließmittelpackung bekannt, das sämtliche im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents genannten Merkmale aufweist.
4.2. Ausgehend von diesem nächstkommenden Stand der Technik liegt der Erfindung in Übereinstimmung mit Spalte 2, Zeilen 55 bis 61 der Streitpatentschrift objektiv die Aufgabe zugrunde, ein Herstellungsverfahren für Fließmittelpackungen der vorstehend bezeichneten Art zu schaffen, bei welchem ein Papier- bzw. Kartontubus mit einem flachen Boden zuverlässig so versehen werden kann, daß auch die Schnittkanten des Papiers gegen Feuchtigkeit geschützt sind.
Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 dadurch gelöst, daß bei einem Verfahren der genannten Art nach dem Aufsiegeln des Bodenrandes auf den Tubusrand beim Abziehen des Werkzeuges der Außenrand des Bodens über die freie Kante des Seitenrandes umgelegt und um 180 gegenüber der Innenseite nach außen auf die Außenfläche der Seitenwand umgelegt und dort verschweißt wird.
Durch Umlegen des Bodenaußenrandes um den Seitenrand des Tubus und Verschweißen des Bodenaußenrandes mit der Außenfläche der Seitenwand wird die Schnittkante des Papiers abgedeckt, und die Flüssigkeit hat keine Möglichkeit, in das ungeschützte Papier einzudringen und dieses zu beschädigen.
4.3. Die aus den Druckschriften E1 und E2 bekannten Verfahren führen zu Fließmittelpackungen, bei denen die Schnittkanten des Papiers gegen Feuchtigkeit nicht geschützt sind. Deshalb kann der Fachmann durch diese Schriften keine Anregung in der Richtung der Lösung der dem Patent zugrundeliegenden Aufgabe erhalten haben.
4.4. Bei dem aus E3 bekannten Verfahren wird dagegen der freie Rand der Seitenwand abgedeckt. Dies geschieht nach Spalte 3, Zeilen 31 bis 41 dadurch, daß in einen aus einem schlauchförmigen Behältermantel gebildeten Behälter ein vertieft liegendes Verschlußteil eingesetzt wird, dessen aufwärts gerichtete Zargen sich gegen die Innenseite des oberen Behältermantelrandes legen und diesen U-förmig umfassen. Die Verbindung zwischen dem Behältermantel und dem Verschlußteil wird in der Weise vorgenommen, daß die miteinander zu verpressenden und durch ein zuvor aufgebrachtes thermoplastisches Bindemittel miteinander zu verbindenen Teile in den Bereich von Preßwerkzeugen gebracht und verpreßt werden.
Bei diesem bekannten Verfahren wird, wie auch der Beschwerdeführer einräumt, ein vorgeformtes Verschlußteil verwendet, dessen U-förmiger Rand nach dem Einsetzen des Verschlußteils in den Behälter den oberen Behältermantelrand umfaßt und dadurch die Schnittkanten gegen das Eindringen von Feuchtigkeit schützen kann. Der U-förmige Rand wird somit nicht erst während des Anbringens des Bodens gebildet, wie es beim erfindungsgemäßen Verfahren durch Umlegen des Außenrandes des Bodens über die freie Kante des Behältermantelrands der Fall ist. Dieser erfindungsgemäße Verfahrensschritt kann daher durch die Druckschrift E3 nicht nahegelegt worden sein.
Dies gilt auch für die weiteren aus dem Kennzeichen des Anspruchs 1 hervorgehenden Verfahrensschritte, daß die Bildung der U-Form und das Verschweißen des Bodenaußenrandes auf der Außenfläche der Seitenwand erst nach dem Aufsiegeln des Bodenrandes auf den Tubusrand und beim Abziehen des Werkzeugs erfolgt. Bei dem aus E3 bekannten Verfahren findet nämlich das Verschweißen des Verschlußteils mit der Außenfläche gleichzeitig mit dem Aufsiegeln des Bodenrandes während des Verpressens und vor dem Abziehen des Werkzeugs statt.
4.5. Nach Auffassung des Beschwerdeführers geht es nicht über die bei einem Fachmann voraussetzbare Geschicklichkeit und Fähigkeit hinaus, zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe das aus E1 bekannte Verfahren im Licht der Entgegehaltung E3 und des gesamten Standes der Technik derart zu modifizieren, daß sich ein unter die beanspruchte Erfindung fallendes Verfahren ergibt. Die Kammer kann diese Auffassung aus folgenden Gründen nicht teilen:
Es mag dahingestellt bleiben, ob es im Hinblick auf die aus E3 bekannte Lehre naheliegend ist, den Randbereich des Bodens der aus E1 bekannten Packung derart auszubilden, daß er die freie Schnittkante des Seitenrandes abdecken kann.
Die Kammer kann sich jedoch nicht dem Argument des Beschwerdeführers anschließen, der Fachmann wisse, daß der Bodenaußenrand nicht über die freie Kante des Seitenrandes umgelegt werden könne, bevor der Bodenrand auf den Tubusrand aufgesiegelt sei. Es stellt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs die einzige Möglichkeit dar, den Bodenaußenrand erst umzulegen, nachdem das Aufsiegeln stattgefunden hat. Vielmehr ist ein Umlegen des Außenrandes auch vor dem Aufsiegeln möglich. Ferner wäre es denkbar und unter Umständen wirtschaftlich sinnvoll, das Aufsiegeln des Bodenrandes auf den Tubusrand und das Verschweißen des Bodenaußenrandes mit der Außenfläche der Seitenwand gleichzeitig und nicht, wie im Anspruch 1 angegeben, nacheinander durchzuführen. Es ergibt sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch nicht ohne weiteres und folgerichtig aus dem Stand der Technik, daß der Außenrand nicht umgelegt werden kann, solange sich das den Boden tragende Werkzeug in der anfänglichen Siegelposition befindet, und das Werkzeug deshalb beim Umlegen des Bodenaußenrandes abgezogen werden muß.
Die Argumentation des Beschwerdeführers basiert auf einer unzulässigen ex-post-facto-Analyse.
4.6. Die im Anspruch 1 offenbarte Reihenfolge der Verfahrensschritte folgt somit nicht in naheliegender Weise aus dem genannten Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ). Das beanspruchte Verfahren erfüllt daher die Voraussetzungen der Patentierbarkeit gemäß Artikel 52 (1) EPÜ.
5. Der vom Beschwerdeführer ferner erhobene Einwand fehlender Klarheit (Artikel 84 EPÜ) kann nicht berücksichtigt werden, da fehlende Klarheit keinen Einspruchsgrund darstellt.
Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß der Anspruch 1 bereits implizit das Merkmal enthält, daß das den Boden bildende Wandstück über den Rand der Seitenwand hinausragend vorgesehen ist, da sonst der Außenrand des Bodens nicht über die Randkante umgelegt werden könnte. Der Anspruch 2 definiert zusätzlich, daß die Außenkante des Bodens kreisförmig ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.