T 0560/95 02-09-1997
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Verfahren und Vorrichtung zur Sanierung einer Treppe
I: Manzey, Horst-Peter
II: Gebr. Geissler GmbH
Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja)
Entitlement to priority (yes)
Inventive step (after amendment - yes)
Sachverhalt und Anträge
I. Mit Entscheidung vom 25. April 1995, die schriftliche Entscheidung gemäß Artikel 102 (1) EPÜ erging am 5. Mai 1995, hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 312 488 u. a. im Lichte der Druckschrift
(D1) DE-U-8 713 770
widerrufen. Gemäß Entscheidung G 3/93, ABl. EPA 95, 018, wurde (D1) als Stand der Technik betrachtet.
II. Gegen vorgenannte Entscheidung hat die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdeführerin - am 6. Juli 1995 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 11. September 1995 begründet. Sie stellte den Antrag die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfange bestehen zu lassen.
III. Nach vorbereitenden Bescheiden der Kammer vom 19. September 1995 bzw. vom 27. Juni 1997 fand am 2. September 1997 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der neben der Beschwerdeführerin die Einsprechende II - nachfolgend Beschwerdegegnerin - nicht aber der ordnungsgemäß geladene Einsprechende I vertreten war.
IV. Nach Diskussion der Frage der Inanspruchnahme der Priorität stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, das europäische Patent Nr. 0 312 488 im Umfange folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten (Hauptantrag):
- einziger Patentanspruch
- Beschreibung Spalte 1 mit 12
- Figuren 1 bis 5 (6 mit 15 gestrichen)
jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. September 1997.
Hilfsweise wurde seitens der Beschwerdeführerin beantragt, der Aufrechterhaltung des Patents den am 12. Juli 1997 eingegangenen Anspruch zugrundezulegen.
V. Der vorstehend genannte Anspruch gemäß Hauptantrag hat nachfolgenden Wortlaut:
"Vorrichtung zum Sanieren von Treppen mit einem Trittflächenprofil (1, 46, 74, 82), das drei im wesentlichen übereinander und parallel zueinander angeordnete Schenkel (2, 3, 4) und ein dieses verbindendes Profilteil (6, 46, 74, 85) aufweist, wobei der obere und der mittlere Schenkel (2, 3) zum Umgreifen eines neuen Trittflächenelements (14) und der mittlere und der untere Schenkel (3, 4) zum Umgreifen einer vorspringenden Trittkante (11a) der Treppe bestimmt sind, dadurch gekennzeichnet, daß das Profilteil (6, 46, 74, 85) auf seiner Sichtseite eine einzige zur Aufnahme eines Endes, z. B. des oberen Endes, einer Deckschicht (10, 87) bestimmte Aufnahmenut (9, 83, 90) aufweist, und daß das Profilteil (6, 46, 74, 85) zum unteren Schenkel (4) hin konkav gewölbt ausgebildet ist sowie nach hinten verläuft."
VI. Zur Stützung ihres Hauptantrags hat die Beschwerdeführerin folgendes vorgetragen:
- der einzige Anspruch sei voll vom prioritätsbegründenden deutschen Gebrauchsmuster (D1) abgedeckt;
- dieser Anspruch gehe im Oberbegriff von dem DE-U-8 504 095 (= D2) aus, also einem Profil mit drei Schenkeln, die auch die zu sanierende Trittstufe voll abdecken;
- der Gegenstand des einzigen Anspruches sei nach seiner geltenden Formulierung neu - da (D1) nicht mehr als Stand der Technik herangezogen werden dürfe - und sei vom hier zu berücksichtigenden einschlägigen Stand der Technik, nämlich (D2) und DE-U-8 604 260 (= D5), nicht nahegelegt;
- (D2) offenbare zwar eine Vorrichtung zum Sanieren von Treppen und ein Dreischenkelprofil, offenbare aber keinerlei Abdeckung von dessen Stirnseite, was ein unschönes Aussehen der sanierten Treppe ergebe;
- zudem sei die Stirnseite des Trittflächenprofils geradlinig von oben nach unten gezogen;
- (D5) betreffe zwar auch das Sanieren von Treppen, bleibe aber mit seinem dort offenbarten Trittflächenprofil hinter dem Gegenstand des einzigen Anspruches zurück, weil die Trittstufe durch das Fehlen eines dritten Profilschenkels nicht umfaßt werde; andererseits lehre (D5) aber eine stirnseitige Deckschicht und reiche insoweit weiter als (D2);
- die Gestaltung und Fixierung der Deckschicht gemäß (D5) lasse aber wesentliche Aspekte wie Kräfteeinleitung bzw. -aufnahme unberücksichtigt, so daß auch eine Kombination von (D2) und (D5) das Beanspruchte nicht nahezulegen vermöge;
- die beanspruchte konkave Ausbildung der Deckschicht ergebe im Zusammenhang mit ihrer einseitigen Festlegung in einer Aufnahmenut des Trittflächenprofils eine federnde Kraftaufnahme und sei der geradlinigen und unnachgiebigen Deckschicht "3" der (D5) somit überlegen.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende II) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und verwies zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Änderungen
2.1. Der geltende Anspruch stützt sich auf den erteilten Anspruch 1 ohne seine Oberbegriffsalternative "oder" d. h. sein Zweischenkelprofil, wobei seine Kennzeicheneinfügung "einzige" sich aus der Figur 1 und der Beschreibung ergibt.
2.2. Die Ausbildung des Trittflächenprofils "konkav gewölbt" und "nach hinten verlaufend" gemäß Kennzeichenteil hat seine Stütze in Spalte 2, Zeilen 46/47 ("hohlkehlenartig gewölbt") bzw. in Spalte 10, Zeilen 34/35 ("konkav") bzw. ist den Figuren 1, 5, 7, 8 bis 10 der EP-B1-0 312 488 zu entnehmen.
2.3. Gegenüber der erteilten Fassung des Anspruchs 1 ist der geltende Anspruch damit eingeschränkt worden.
2.4. Bei diesen Gegebenheiten ist der geltende Anspruch im Sinne von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.
3. Beanspruchte Priorität
3.1. Der geltende Anspruch ist voll von (D1) gestützt, mit Blick auf sein z. B. - Merkmal insbesondere durch Anspruch 3 und Figur 2 von (D1).
3.2. Das in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer im Mittelpunkt der Diskussion stehende Merkmal der einzigen Aufnahmenut ist erkennbar vom Wortlaut des Anspruchs 1 und vom Ausführungsbeispiel der (D1) abgedeckt.
3.3. Zusammenfassend spricht nichts dagegen (D1) als prioritätsbegründend anzuerkennen. Die Entscheidung G 9/93 ist nach Neufassung des Anspruchs gemäß Hauptantrag somit nicht mehr anwendbar, so daß sich die Sachlage gegenüber dem Einspruchsverfahren gravierend geändert hat.
4. Neuheit
Nach Wegfall der Möglichkeit (D1) als Stand der Technik zu berücksichtigen, ist die Neuheit des Gegenstands gemäß einzigem Anspruch nicht infrage gestellt und bedarf keiner weiteren Erörterung.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Ausgangspunkt der Erfindung ist - nach Wegfall von (D1) als Stand der Technik - in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (D2), weil sie ein Dreischenkelprofil, also ein Profil, das die zu sanierende Trittstufe voll umschließt, offenbart.
5.2. Gemäß (D2) ist die Stirnseite "24" des Trittflächenprofils geradlinig und ohne Verkleidungsmöglichkeit ausgebildet; es ist somit nicht an die Umgebungsbedingungen anpaßbar und als unschön anzusehen.
5.3. Von (D2) ausgehend liegt der Erfindung die Spalte 1, Zeilen 43 mit 49 der EP-B1-0 312 488 entnehmbare Aufgabe zugrunde, mit dem Schwerpunkt der Erzielung einer dauerhaft guten Stabilität und eines ansprechenden äußeren Erscheinungsbildes der sanierten Treppe.
5.4. Die Lösung dieser Aufgabe gemäß einzigem Anspruch basiert auf dem einseitigen Festlegen einer Deckschicht in einer Aufnahmenut und der zum unteren Profilschenkel hin konkav gewölbten sowie nach hinten verlaufenden Ausbildung des Profilteils.
5.5. Damit ist eine sowohl in beanspruchungstechnischer wie in ästhetischer Hinsicht vorteilhafte Aufgabenlösung gegeben, indem einerseits ein Nachgeben/Federn der Treppenstufe vom Profilteil und seiner Deckschicht problemlos aufnehmbar ist, weil ein Teil der Kraft von der konkaven Form aufnehmbar ist und nichts abplatzen kann, andererseits die Deckschicht alle Wünsche hinsichtlich Farbe und Oberflächenstruktur realisierbar macht und eine Anpassung an Umgebungsbedingungen möglich ist.
5.6. Die beanspruchte Aufgabenlösung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 und 100 a) EPÜ:
5.6.1. Eine konkave Wölbung zum unteren Schenkel hin ist im hier relevanten Stand der Technik - nämlich (D2) und (D5) - ohne Vorbild was bereits für sich für die erfinderische Qualität der beanspruchten Aufgabenlösung spricht.
5.6.2. (D2) lehrt zwar ein Dreischenkelprofil, bleibt dem Fachmann aber zum Aspekt der ästhetischen Ausbildung einer Vorrichtung zum Sanieren von Treppen jede Anregung schuldig.
5.6.3. In dieser Richtung ergiebiger ist (D5), der eine Deckschicht "3", die die Stirnseite abdeckt, entnehmbar ist.
Unmittelbar erkennbar ist aber, daß das feste Einspannen der Deckschicht in beanspruchungsmäßiger Hinsicht unvorteilhaft ist, weil beim Nachgeben/Federn der Treppenstufe die Deckschicht aus dem Profil herausgequetscht wird. Im Falle einer Klebeverbindung zwischen Deckschicht und Trittflächenprofil bedeutet dies ein Zerstören dieser Verbindung.
5.6.4. Selbst wenn ein Fachmann somit (D2) und (D5) in Kombination betrachten würde, würde er nicht notwendigerweise den Gegenstand des einzigen Anspruchs erhalten, weil dann wohl von einem Dreischenkelprofil ausgehend der ästhetische nicht aber der beanspruchungstechnische Aspekt, einer Lösung zugeführt wäre.
5.6.5. Es bedurfte somit eines erfinderischen Zutuns um im gegebenen Fall auch noch die konkave Wölbung und die einseitige Festlegung der Deckschicht in einer Aufnahmenut zu erzielen.
5.6.6. Damit erfüllt der einzige Anspruch alle Anforderungen des EPÜ für seinen Rechtsbestand, so daß die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist.
6. Die geltende Beschreibung und die Zeichnung trägt dem neugefaßten Anspruch Rechnung, so daß damit alle Voraussetzungen zur beschränkten Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 312 488 erfüllt sind.
7. Der globale Hinweis der Beschwerdegegnerin (Einsprechende II) auf das erstinstanzliche Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer kann nicht als sachliche Auseinandersetzung mit dem im Beschwerdeverfahren mehrfach abgeänderten Schutzbegehren seitens der Beschwerdeführerin gewertet werden, zumal der Anspruch gemäß Hauptantrag wie in der mündlichen Verhandlung vorgelegt ganz erheblich von dem abweicht was im Einspruchsverfahren zu entscheiden war. Das vorgenannte Vorbringen vermag die sachliche Entscheidung der Kammer mithin nicht zu beeinflussen.
Hilfsantrag
8. Bei gewährbarem Hauptantrag erübrigt sich ein Eingehen auf den Hilfsantrag.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des einzigen Anspruchs (Hauptantrag), einer geänderten Beschreibung und den Figuren 1 bis 5, wie in der mündlichen Verhandlung überreicht, aufrechtzuerhalten.