T 0987/96 23-07-1998
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Endloser Keilriemen oder Keilrippenriemen und Antriebssystem
Ausführbarkeit (ja)
Hauptantrag (nicht gewährbar wegen Unklarheit)
Hilfsantrag (erfinderische Tätigkeit ja)
Sufficiency of disclosure - yes
Claims - clarity - main request - no
Inventive step - auxiliary request - yes
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 489 298 (Anmeldenummer 91 119 698.8).
II. Die Beschwerdeführerin legte gegen das erteilte Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen mangelnder Ausführbarkeit (Art. 83, 100 b)) und mangelnder Patentfähigkeit zu widerrufen. Sie berief sich dabei u. a. auf folgende Dokumente:
D1: EP-A-0 281 432
D2: EP-A-0 285 072
D3: EP-A-0 339 249
D5: US-A-2 792 319
D6: US-A-3 900 680
Die Einspruchsabteilung nannte das Dokument:
D12: Chemie Fasern, Chemie-Technologie, Von Zakhar Aleksandrovitch Rogowin, Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York 1982, Seite 238.
III. Mit der am 30. September 1996 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 8. November 1996 unter rechtzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.
Die Beschwerdebegründung wurde am 20. Januar 1997 eingereicht.
V. Es wurde am 23. Juli 1998 vor der Kammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, das Patent auf der Basis des mit Schreiben vom 23. Juni 1998 eingereichten Haupt- bzw. Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag läßt sich in folgende Merkmale gliedern:
a) Endloser elastischer Keilriemen oder Keilrippenriemen zur Übertragung von Umfangskräften zur Montage auf Riemenscheiben ohne Änderung des Riemenscheibenabstandes und zur Gewährleistung einer für eine Kräfteübertragung ausreichenden Betriebsspannung nach der Montage,
b) mit einem in elastomerem Werkstoff eingebetteten Zugstrang, der aus in Längsrichtung verlaufendem synthetischen Seilcord besteht,
c) wobei jeder Seilcord aus mehreren Polyamidgarnen besteht,
d) die verstreckt sind,
e) und hochelastisch sind,
f) wobei die Polyamidgarne mit höchstens 298 Umdrehungen pro laufenden Fadenmeter verzwirnt sind,
g) der elastomere Werkstoff aus einer Chloroprenkautschukmischung (CR) besteht,
h) der Seilcord unter einer geringen Vorspannung von max. 8 N im Riemenkörper eingebettet ist,
i) die Dehnungscharakteristik des Keilriemens oder Keilrippenriemens bei einer Riemenbreite von 1 cm zwischen 25 N und 150 N pro 1 % Dehnung liegt.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von demjenigen gemäß Hauptantrag lediglich bezüglich Merkmal h);
dieses lautet:
h') der Seilcord unter einer geringen Vorspannung von 5. N bis 8 N im Riemenkörper eingebettet ist,
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Patents und den Widerruf des europäischen Patents.
Zur Begründung ihres Antrags führte sie im wesentlichen aus:
i) Ausführbarkeit (Art. 83, 100 b)) und Stützung durch die Beschreibung (Art. 84)
Das Merkmal d) ("Verstreckung der Garne") offenbare keine klare technische Lehre und sei von der Beschreibung nicht gestützt; die bloße Tatsache, daß die Polyamidgarne verstreckt seien, reiche für sich allein nicht aus; diese Verstreckung müsse vielmehr entsprechend bestimmter Werte durchgeführt werden, die zur Realisierung der Erfindung geeignet seien. Die Beschreibung des angefochtenen Patents gebe nur eine Verstreckung auf etwa das Vierfache an; das Merkmal d) sei hinsichtlich dieser Offenbarung somit zu breit abgefaßt und müsse auf diesen Wert beschränkt werden. Dies gelte auch für das Merkmal f) ("Verzwirnung der Garne mit höchstens 298 Umdrehungen pro laufenden Fadenmeter"), wo der beanspruchte Bereich ohne klar definierte untere Grenze nur durch einen offenbarten Wert 298 Umdrehungen pro laufenden Fadenmeter gestützt sei.
Die Offenbarung der dem angefochtenen Patent zugrundeliegenden Erfindung hinsichtlich des Merkmals f) sei ebenfalls zu unbestimmt, um dem Fachmann die Ausführung der Erfindung zu ermöglichen. Der hier zuständige Fachmann sei ein Experte für die Herstellung von Riemen, nicht jedoch von Garnen. Der Riemenfachmann sei jedenfalls nicht in der Lage, die Seilcorde aus Polyamidgarnen nach den Merkmalen d) und f) herzustellen, um die Erfindung auszuführen, zumal die Beschreibung keine Angaben über die Garndicke und die Anzahl der Garne enthalte.
ii) Patentfähigkeit:
Der Keilriemen gemäß Patentanspruch 1 unterscheide sich von demjenigen des Dokuments D3 durch folgende Merkmale:
d) "verstreckt"
f) "Garnenverzwirnung mit höchstens 298 Umdrehungen/m"
g) "Chloropren-Kautschuk-Elastomermischung"
h) "Einbettung unter einer geringen Vorspannung von maximal 8 N bzw. von 5 N bis 8 N" (Hilfsantrag)
Der Fachmann wisse, daß die Verstreckung der Polyamidgarne eine übliche Stufe ihrer Herstellung sei, siehe Dokument D12. Die Auswahl der wohlbekannten Chloroprenkautschukmischung als elastomerer Werkstoff (Merkmal g)), die schon bei der Herstellung von gattungsgemäßen Keilriemen verwendet wurde (siehe Dokument D1) sei ebenfalls als naheliegend zu betrachten, zumal lediglich die bekannten Eigenschaften dieses Werkstoffs ausgenutzt werden.
Da der zuständige Fachmann ein Experte für die Herstellung von Riemen sei, nicht jedoch von Garnen, habe er keine Möglichkeit, andere Werte für die Verdrehung als den in der Streitpatentschrift angegebenen Wert, nämlich 298 Umdrehungen, in Betracht zu ziehen. Das Merkmal f) sei somit bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit auf diesen Wert zu beschränken.
Die aus dem nächstkommenden Dokument D3 bekannten elastischen Riemen haben Seilcorde mit 310 Umdrehungen. Dokument D2 offenbare einen elastischen Riemen mit Seilcorden, bei denen die Zahl der Umdrehungen 300 betragen könne. Diese Umdrehungszahlen kämen dem beanspruchten Wert (298) sehr nahe. Eine Abweichung von lediglich 2. Umdrehungen sei für die erzielte und angestrebte Wirkung nicht kritisch. Die Beschwerdeführerin habe nämlich selbst eingeräumt, daß die Änderung der Elastizität in Abhängigkeit von der Umdrehungszahl nur relativ klein sei. Bei der Herstellung von elastischen Riemen seien die in den Dokumenten D2 und D3 offenbarten Umdrehungen (300 bzw. 310) somit im wesentlichen wirkungsgleich (äquivalent) mit den beanspruchten 298 Umdrehungen, so daß auch das Merkmal f) keine erfinderische Tätigkeit begründen könne.
Ergänzend werde auch auf Dokument D5 verwiesen, das eine Umdrehungszahl von 232 für einen Rayon-Cord lehre. Konfrontiert mit der Aufgabe, verzwirnte Polyamidgarne mit der gleichen Dehnungsfähigkeit wie die dort beschriebenen verzwirnten Rayon-Seilcorde herzustellen, würde der Fachmann die Zahl der Umdrehungen kleiner als 232 wählen, denn Polyamid sei bekannterweise viel dehnbarer und elastischer als Rayon.
Die beanspruchte Vorspannung gemäß Merkmal h) falle unter die Begriffe "une tension très faible ou quasiment nulle" aus dem gattungsgemäßen Dokument D1 und "at substantially zero tension" aus Dokument D5. Die Werte innerhalb des Bereichs von ungefähr 0 bis 8 N seien damit wirkungsgleich und als glatte Äquivalente anzusehen. Die untere Grenze von 5 N gemäß Hilfsantrag sei mehr oder weniger willkürlich und könne daher keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei somit durch die Zusammenschau der Lehren der Dokumente D5 und D3 bzw. D5 und D1 nahegelegt worden.
Die fehlende erfinderische Tätigkeit gehe auch aus folgender Überlegung hervor:
Ersetze der Fachmann bei den aus dem Dokument D5 bekannten Riemen die zu wenig elastischen Rayon-Seilcorde durch wohlbekannte Polyamidgarne, um elastische Riemen herstellen zu können, so sei das unmittelbare Ergebnis ein Riemen, der alle im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen wesentlichen Merkmale aufweise. Hieraus folge, daß es keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, um mit Hilfe von Dokument D5 und dem Fachwissen zu dem Gegenstand nach Patentanspruch zu gelangen.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach in allen Punkten detailliert dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausführbarkeit (Art. 83, 100 b) EPÜ)
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, die Lehre des Streitpatents sei wegen der beanspruchten unklaren Merkmale d) und f) nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß sie ein Fachmann ausführen kann.
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Frage der Ausführbarkeit der Erfindung im Sinne des Artikels 83 bzw. 100 b) EPÜ nicht allein nach den Angaben in dem Patentanspruch 1 zu beurteilen. Vielmehr ist diese Frage anhand des Gesamtinhalts der Streitpatentschrift, also unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen zu beantworten (siehe z. B. T 169/83, ABl. EPA 1985, 193).
Die Angaben in der Streitpatentschrift insgesamt müßten also im vorliegenden Fall den Fachmann in die Lage versetzen, den beanspruchten elastischen Riemen herzustellen.
Hierzu ist allgemein festzustellen, daß von einem mit der Herstellung von elastischen Riemen befaßten Fachmann erwartet werden kann, daß er die dazu nötigen Ausgangsstoffe, nämlich die Polyamidgarne bezüglich ihrer charakteristischen Eigenschaften und ihrer Verarbeitung zu verzwirnten Seilcorden kennt, da die Eigenschaften der Riemen im wesentlichen von diesen Polyamidgarnen vorbestimmt sind. Sofern ihm Detailkenntnisse fehlen, wird er sich mit dem Cordhersteller in Verbindung setzen.
Der Ansicht der Beschwerdeführerin, daß der zuständige Fachmann von der Herstellung und der Verarbeitung der Polyamidgarne keine Kenntnisse habe, kann daher nicht gefolgt werden.
In der Patentbeschreibung ist als beispielhafter Wert für die Verstreckung eine Verstreckung "um das Vierfache" angegeben (Spalte 2, Zeilen 28 bis 30 und Spalte 3, Zeilen 37 bis 39). Das Patent offenbart also hinsichtlich des Merkmals d) einen Weg zur Ausführung der Erfindung. Wie es durch das Fachbuch D12 dokumentiert ist, bildet die Verstreckung der Polyamidgarne um das 3.5 - 4fache eine übliche Stufe bei ihrer Herstellung. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß das Merkmal d) und somit der Patentanspruch 1 auf ein Verstreckungsverhältnis von 1:4 beschränkt werden sollte steht offensichtlich nicht in Einklang mit obigem Fachwissen. Das Verstreckungsverhältnis von exakt 1:4 ist nicht wesentlich für die Erfindung und gehört somit nicht in den Patentanspruch 1.
Bezüglich des Merkmals f) trifft es zu, daß der Bereich "mit höchstens 298 Umdrehungen pro laufenden Fadenmeter" nur mit seiner Obergrenze und deshalb sehr dürftig gekennzeichnet ist.
Die Beschwerdeführerin hat in dieser Hinsicht bemängelt, daß auch die Beschreibung der Streitpatentschrift dem fachmännischen Leser keinen Hinweis über die untere Grenze des beanspruchten Bereichs für die Umdrehungszahl gibt. Für den fachmännischen Leser sei somit nicht erkennbar, daß das in dem angefochtenen Patent angestrebten Ergebnis für einen Wert geringer als 298 zu erreichen sei.
Hierzu ist festzustellen, daß mit der Angabe 298 Umdrehungen pro laufenden Fadenmeter wenigstens ein Weg zur Ausführung der Erfindung angegeben ist. Des weiteren weiß der fachmännische Leser, daß er von dieser oberen Grenze zu niedrigeren Umdrehungswerten übergehen kann, bis er eine durch das die Elastizität betreffende Merkmal i) vorgegebene Grenze erreicht. Es gehört dabei zum Fachwissen, daß das Verringern der Umdrehungszahl zu einer Verringerung der Elastizität des Keilriemens führt. Das Merkmal i) gibt eine obere und eine untere Grenze für die Elastizität des Riemens an (eine Kraft zwischen 25 N und 150 N, bezogen auf eine Riemenbreite von einem Zentimeter, soll zu 1 % Dehnung führen). Je geringer die Umdrehungszahl gewählt wird, desto unelastischer wird also der Riemen bis die Grenze von 150 N pro 1 % Dehnung überschritten wird. Der Fachmann ist somit in der Lage, die durch das Merkmal i) gegebene untere Grenze der Umdrehungszahl durch einfache Versuche im Rahmen seines üblichen Könnens zu bestimmen. Es bestehen auch keine Bedenken, daß innerhalb des so erhaltenen Bereichs das angestrebte Ergebnis, d. h. ein elastischer Riemen mit der Dehnungscharakteristik gemäß Merkmal i) erreichbar ist.
Richtig ist allerdings, daß das Realisieren der Erfindung im vorliegenden Fall dadurch erschwert ist, daß die Streitpatentschrift keine Angaben über die Garndicke und die Anzahl der Fäden pro Garn enthält.
Jedoch ist, wie die Beschwerdegegnerin überzeugend ausgeführt hat, die Ausführung der Erfindung dadurch nicht entscheidend behindert, denn der Fachmann, der sich mit der Herstellung von durch Dehnung auflegbaren Riemen befaßt, wählt üblicherweise aus einer Gruppe von einigen wenigen handelsüblichen Polyamidgarnen aus, und zwar wird hauptsächlich eines von zwei verschiedenen Garnen eingesetzt, nämlich 940 X 2 decitex (vgl. Dokument D1, Spalte 5, Zeile 36 und Dokument D3, Spalte 7, Zeile 9) oder 1400 X 3 decitex (vgl. Dokument D3, Spalte 6, Zeile 36). Für jedes dieser üblichen Polyamidgarne kann der Fachmann ohne weiteres ermitteln, wie weit er die Umdrehungszahl verringern kann, ohne die obere Grenze von 150 N pro 1 % Dehnung des beanspruchten Bereichs gemäß Merkmal i) zu überschreiten. Trotz der fehlenden Garnangaben wird somit der Fachmann in die Lage versetzt, die Erfindung zu realisieren, und zwar über einen größeren Bereich.
Aus alledem folgt, daß die Erfindung im Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart ist, daß ein Fachmann sie ausführen kann (Art. 100 b) EPÜ).
3. Zum Hauptantrag
Dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß Hauptantrag kann laut Artikel 102 (3) EPÜ nur stattgegeben werden, wenn das europäische Patent den Erfordernissen des EPÜ genügt. Daher ist auch zu prüfen, ob die Einwände der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf Artikel 84 berechtigt sind.
Obwohl keine untere Grenze für den beanspruchten Bereich der Umdrehungszahl gemäß Merkmal f) angegeben ist, ist nach Auffassung der Kammer dieses Merkmal ausreichend klar, denn wie vorstehend im Punkt 2 ausgeführt, ist diese untere Grenze durch die im Patentanspruch 1 angegebene Dehnungscharakteristik gemäß Merkmal i) implizit definiert.
Dies gilt jedoch nicht für das Merkmal h) "Einbettung unter einer geringen Vorspannung von höchstens 8 N". In diesem Fall ist die untere Grenze der Vorspannung nicht mehr durch das Merkmal i) indirekt definiert.
Es ist auch festzustellen, daß die Beschwerdegegnerin dieses Merkmal als erfindungswesentlich betrachtet. Sie legte im wesentlichen ihrer Argumentation bezüglich des Nichtnaheliegens der beanspruchten Lösung das Merkmal h) zusammen mit dem Merkmal f) zugrunde. Im Hinblick auf den völlig unklaren Ausdruck "gering", auch wenn man ihn im Kontext der Offenbarung des gesamten Patentanspruchs 1 liest, ist die Kammer nicht in der Lage zu prüfen, ob dieses Merkmal h) bei dem Keilriemen gemäß Dokument D1 verwirklicht ist, wo der Begriff "une tension très faible ou quasiment nulle" benutzt wird.
Aus den vorstehend genannten Gründen entspricht der Patentanspruch des Hauptantrags nicht den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ, weshalb der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin zurückzuweisen ist.
4. Zum Hilfsantrag
4.1. Artikel 123 EPÜ:
Im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag wurde der ursprünglich nur nach oben auf einen Wert von maximal 8 N begrenzte Bereich für die Vorspannung der Seilcorde nun auch mit einer unteren Grenze versehen; die beanspruchte Vorspannung reicht nun von 5 N bis 8 N.
Der als untere Grenze hinzugefügte Wert von 5 N ist der Seite 5, fünfter Absatz der ursprünglichen Beschreibung zu entnehmen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 geht somit nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Patenanmeldung hinaus (Art. 123 (2)).
Eine Erweiterung des Schutzbereichs (Art. 123 (3) EPÜ) liegt ebenfalls nicht vor. Im vorliegenden Fall führt das Ersetzen der erteilten Fassung "unter einer geringen Vorspannung von max. 8 N" durch die geänderte Fassung des Hilfsantrags "unter einer geringen Vorspannung von 5. N bis 8 N" vielmehr eindeutig zu einer Beschränkung des Schutzbereichs gegenüber der erteilten Fassung. Deshalb ist diese geänderte Fassung auch im Hinblick auf Artikel 123 (3) nicht zu beanstanden.
4.2. Aufgabe/Lösung
Die beiden Parteien sind sich darüber einig, daß der Ausgangspunkt für die Erfindung ein sogenannter elastischer Keilriemen gemäß Dokument D3 oder D1 ist. Die dort bekannten Riemen wurden für besondere Einsatzbedingungen zur Leistungsübertragung entwickelt. Sie sind einerseits dehnbar genug, um sie ohne Änderung des Abstandes der Riemenscheiben auf diesen anbringen zu können, und andererseits elastisch genug, um nach der Anbringung die für eine gute Leistungsübertragung erforderliche Betriebsspannung zu gewährleisten.
Dokument D3 offenbart die folgenden Merkmale gemäß Patentanspruch 1:
a) "elastischer, durch Dehnung auflegbarer Riemen";
b) "Seilcord-Zugstrang";
c) "bestehend aus mehreren Polyamidgarnen";
e) "hoch elastisch"; und
i) "Dehnungscharakteristik".
Hingegen offenbart Dokument D3 nicht folgende Merkmale
d) "verstreckt";
f) "Garnverzwirnung mit höchstens 298 Umdrehungen pro laufenden Fadenmeter";
g) "Chloropren-Kautschuk-Elastomermischung "
h') "Einbettung unter einer geringen Vorspannung von 5. N bis 8 N".
Hinsichtlich des Merkmals f) offenbart diese Druckschrift beispielhaft Werte von 310 und 480 Umdrehungen pro laufenden Fadenmeter. Zum Thema der Einbettung der Zugträger unter Vorspannung (Merkmal h) enthält Dokument D3 keine Angaben.
Wie die Beschwerdegegnerin überzeugend dargelegt hat, ergibt die Anwendung der Maßnahmen f) und h') bei einem elastischen Riemen den Vorteil, daß der so erhaltene erfindungsgemäße Riemen eine höhere Standzeit als herkömmliche elastische Riemen aufweist.
Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe ist daher, wie in der Streitpatentschrift im wesentlichen angegeben (Spalte 2, dritter Absatz und Brückenabsatz zwischen Spalten 2 und 3) darin zu sehen, einen durch Dehnung auflegbaren elastischen Riemen derart weiterzuentwickeln, daß er eine höhere Standzeit aufweist.
Diese Aufgabe wird durch die Merkmale f) und h') in Verbindung mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst.
Die im Patentanspruch 1 angegebene Lösung der des angefochtenen Patents zugrundegelegten Aufgabe beruht auf dem Gedanken, daß eine geringere Umdrehungszahl der Seilcorde sowie deren Einbettung unter einer Vorspannung von 5 N bis 8 N ein geringeres Hystereseverhalten mit sich bringen, ohne daß das elastische Verhalten des Riemens in anderer Hinsicht negativ beeinflußt würde. Und zwar bedeutet ein geringeres Hystereseverhalten, daß sich der Riemen nach einer Dehnung wieder im stärkeren Maße in seine Ursprungslänge zusammenzieht als bei herkömmlichen elastischen Riemen. Es wurde erkannt, daß das Hystereseverhalten im wesentlichen für den Spannungsabfall verantwortlich ist, der bei Riemen im Lauf der Zeit auftritt.
4.3. Neuheit
Die Neuheit des elastischen Riemens gemäß Patentanspruch 1 ist offensichtlich.
Sie wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht bestritten, so daß sich ein näheres Eingehen hierauf erübrigt.
4.4. Erfinderische Tätigkeit
Die genannten Druckschriften geben dem Fachmann , der von einem elastischen Keilriemen nach dem Dokument D3 ausgeht, keinen Hinweis, die Standzeit eines durch Dehnung auflegbaren, elastischen Riemens durch eine geringere Umdrehungszahl der Seilcorde (nämlich höchstens 298 pro Meter) sowie deren Einbettung unter einer Vorspannung von 5 N bis 8 N zu vergrößern.
4.4.1. Zum Thema Verzwirnung und zur Anzahl von Umdrehungen pro Meter (Merkmal f)) schweigt Dokument D1 vollständig. Damit gibt auch Dokument D1 keine Anregung, die Zahl der Umdrehungen kleiner als 298 zu wählen. Was die Vorspannung der Zugträger betrifft, geht es bei dieser Druckschrift offenbar gerade darum, die Zugträger praktisch ohne Vorspannung einzubetten ("Ils sont stabilisés sous une tension très faible ou quasiment nulle"): Im Gegensatz zu den diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin entnimmt der Fachmann dem Dokument D1 mithin die Lehre, die Einbettung im Rahmen des praktisch Möglichen ohne Vorspannung vorzunehmen. Infolgedessen gibt Dokument D1 keine Anregung für die Einbettung unter einer Vorspannung von 5 N bis 8 N (Merkmal h')).
Weder die beanspruchten Maßnahmen f) und h') noch die von der Erfindung angestrebte und erzielte Wirkung, nämlich eine verbesserte Standzeit, sind demnach durch dieses Dokument nahegelegt worden.
4.4.2. Dies gilt gleichermaßen für das Dokument D2, das einen elastischen Keilrippenriemen offenbart, bei dem ausdrücklich die Zahl der Umdrehungen größer als 300 pro Meter ist (vgl. Spalte 5, Zeile 1, sowie Patentanspruch 1, letzter Teilsatz). Bei dieser Druckschrift ist auch das Merkmal h') (Einbettung unter einer Vorspannung von 5 N bis 8 N) nicht vorhanden. Dieses Dokument gibt daher ebenfalls keine Anregung in Richtung der Lehre des Streitpatents.
4.4.3. Dokument D5 (Veröffentlichungsjahr 1957) betrifft einen schwingungsabsorbierenden Keilriemen. Dieser hat eine gewisse Dehnbarkeit, um Vibrationen, die z. B. durch kleine Exzentritäten der Riemenscheiben erzeugt werden, zu absorbieren. Es geht jedoch nicht um die Erzielung einer so großen Dehnbarkeit, wie sie bei elastischen Riemen für den Betrieb auf Riemenscheiben mit festem Achsabstand und ohne Spannvorrichtung nötig ist. Derartige elastische Riemen mit Seilcorden als Zugträger waren im Jahr 1957 offenbar noch gar nicht bekannt. Diese Druckschrift lehrt somit einen teilelastischen Keilriemen, also keinen durch Dehnung auflegbaren elastischen Riemen.
Der Riemen gemäß Dokument D5 erzielt im übrigen seine teilelastischen Eigenschaften dadurch, daß bei ihm im Vergleich zu herkömmlichen unelastischen Riemen die sog. Umdrehungsmultiplizität ("twist multiple") erhöht ist. Die Umdrehungsmultiplizität ist dabei ein dimensionsloses Maß für die Umdrehungszahl, bei der auch die Feinheit des Fadens berücksichtigt wird. Für einen Faden aus einem bestimmten Material und mit einer bestimmten Feinheit ist die Umdrehungsmultiplizität proportional zur Anzahl von Umdrehungen pro m.
Wie aus der Beschreibung und dem Patentanspruch 1 hervorgeht, vermittelt diese Druckschrift die Lehre, zur Erreichung des schwingungsabsorbierenden Verhaltens eine Umdrehungsmultiplizität und somit eine Umdrehungszahl derart zu wählen, daß der Riemen eine Bruchdehnung (elongation under breaking stress) von 6 bis 15 % hat. An eine verbesserte Standzeit durch eine geringere Umdrehungszahl der Polyamidgarne sowie deren Einbettung unter Vorspannung von 5 bis 8 N ist also nicht gedacht.
In dem einzigen Ausführungsbeispiel ist ein Riemen mit einem Rayon-Cord mit einer ganz bestimmten Feinheit (1650 denier) genannt, der eine Umdrehungsmultiplizität von 8,75 hat, was bei diesem speziellen Rayon-Cord 5,9 Umdrehungen pro inch, d. h. 232 Umdrehungen pro m entspricht. Der Werkstoff Polyamid ("Nylon") ist nur an einer anderen Stelle im Zusammenhang mit der Erläuterung der "Umdrehungsmultiplizität", nicht aber im Zusammenhang mit diesem Beispiel erwähnt (vgl. Spalte 3, Zeile 24). Der mit der Weiterentwicklung elastischer Riemen befaßte Fachmann kann dem Ausführungsbeispiel "Rayon-Cord mit 232 Umdrehungen pro m" entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin schon deshalb keine Anregung entnehmen, einen elastischen Gurt mit Polyamid-Seilcorden mit weniger als 298 Umdrehungen auszurüsten, weil die Aufgabe, die durch die Umdrehungszahl bei Dokument D5 gelöst wird, völlig anders ist als diejenige, die in der Erfindung durch die niedrigere Umdrehungszahl gelöst ist.
4.4.4. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, der Fachmann müßte nur das Cordmaterial Rayon von Dokument D5 durch Polyamid ersetzen, um aufgrund seines Fachwissens zur Erfindung zu gelangen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.
Zuerst einmal fällt die Einbettung durch eine Vorspannung von 5 N bis 8 N (Merkmal h')) keinesfalls unter den Begriff "at substantially zero tension" aus Dokument D5. Auch wenn es naheliegend gewesen wäre, das Cordmaterial Rayon von Dokument D5 durch Polyamid zu ersetzen, hätte der Fachmann schon aus diesem Grund nicht zur Erfindung gelangen können. Vor allem aber hat die Beschwerdeführerin verkannt, daß es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht darauf ankommt, ob der Fachmann durch Modifikation des teilelastischen Keilriemens gemäß Dokument D5 aus nachträglicher Sicht zur Erfindung hätte gelangen können; zu fragen ist vielmehr ob er in Erwartung eines erzielbaren Vorteils, d. h. im Lichte der bestehenden technischen Aufgabe so vorgegangen wäre. Dies ist, wie schon vorstehend dargelegt, hier nicht der Fall.
4.4.5. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorgebracht hat, führt die Wahl einer niedrigeren Umdrehungszahl zu einer kaum veränderten Elastizität. Diese schwache Abhängigkeit ist eine zwingende Voraussetzung für die Realisierung der Erfindung, denn eine starke Abhängigkeit würde mit geringerer Umdrehung ausgestattete Riemen zu unelastisch machen und so aus der Gattung der "durch Dehnung auflegbaren Riemen" herausführen. Dieses Argument spricht mithin ebenfalls nicht gegen das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit.
Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Er ist daher patentfähig.
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 betreffen besondere Ausführungsformen der Erfindung gemäß Patentanspruch 1 und werden von deren Patentfähigkeit getragen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.
3. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag vom 23. Juni 1998
- Patentansprüche 2 bis 6, Beschreibung und Figuren 1 bis 3 wie erteilt.