T 2175/15 23-06-2023
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Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit - Antrag zulässig (ja)
Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit - Antrag begründet (nein)
I. Diese Zwischenentscheidung behandelt den dritten Befangenheitsantrag der Einsprechenden im vorliegenden Beschwerdeverfahren.
II. Das Beschwerdeverfahren betraf ursprünglich die Beschwerden der Patentinhaber sowie der Einsprechenden gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. September 2015, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
III. In der mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2021 vor der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung stellten die Patentinhaber erstmals einen neuen Hilfsantrag I, welcher durch Streichung der erteilten Vorrichtungsansprüche nur die erteilten Verfahrensansprüche als Ansprüche 1 bis 6 umfasste. Die Einsprechende wandte sich gegen die Zulassung dieses Hilfsantrags und trug unter anderem vor, dass ihr ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung eine Befassung mit diesem Hilfsantrag unzumutbar sei. Die Patentinhaber waren demgegenüber der Auffassung, dass die Behandlung dieses Hilfsantrags für die Einsprechende und die Kammer in der mündlichen Verhandlung zumutbar sei, und dass daher deren Vertagung nicht notwendig sei. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung enthält hierzu auf Seite 8, vorletzter Absatz, folgende Feststellung:
"Die Patentinhaber trugen vor, dass eine Streichung von erteilten Ansprüchen in einem Antrag eigentlich nicht als verspätet angesehen werden könne. Da es für die Kammer und die Einsprechende zumutbar sei, sich mit den erteilten Verfahrensansprüchen auseinanderzusetzen, sei eine Vertagung der Verhandlung als ein Entgegenkommen der Kammer für die Einsprechende zu sehen und nicht als eine Notwendigkeit."
Die Kammer ließ gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 Hilfsantrag I in das Verfahren zu und beschloss, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Beide Beteiligten stellten in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zum Nachteil des jeweils anderen Beteiligten.
IV. Mit Schriftsatz vom 12. April 2021 lehnte die Einsprechende die Mitglieder der Kammer gemäß Artikel 24 (3) EPÜ wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (erster Befangenheitsantrag). Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Kammer durch die Zulassung des Hilfsantrags I in das Verfahren die für sie verbindliche Verfahrensordnung willentlich und wissentlich missachtet habe, um den Patentinhabern einen ungebührlichen Vorteil zu verschaffen.
V. Die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung (im Folgenden: "die ursprüngliche Kammer") lud zu einer neuen mündlichen Verhandlung und führte in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 29. Oktober 2021 unter anderem aus, dass in der mündlichen Verhandlung über die Frage der Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags zu entscheiden sei. Die ursprüngliche Kammer führte auch aus, welche Kriterien in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen seien.
VI. Mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2021 lehnte die Einsprechende daraufhin die Mitglieder der ursprünglichen Kammer gemäß Artikel 24 (3) EPÜ erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (zweiter Befangenheitsantrag). Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Kammer in ihrer Mitteilung vom 29. Oktober 2021 an die Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags Anforderungen angesetzt habe, die über das EPÜ hinausgingen und in der einschlägigen Rechtsprechung keine Grundlage fänden. Dies sei nur mit der absichtlichen Missachtung der der Einsprechenden zustehenden Rechte zu erklären.
VII. Zum Zwecke der Entscheidung über den zweiten Befangenheitsantrag wurde eine Ersatzkammer mit drei neuen Mitgliedern gebildet. Die Ersatzkammer entschied mit Zwischenentscheidung vom 1. April 2022, dass der zweite Befangenheitsantrag zulässig, aber unbegründet sei.
VIII. Die Patentinhaber haben mit Schriftsatz vom 4. Juli 2022 sowie die Einsprechende mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 ihre Beschwerden zurückgenommen. Aufrechterhalten blieben unter anderem die jeweiligen Kostenauferlegungsanträge der Beteiligten sowie der erste Befangenheitsantrag der Einsprechenden.
IX. Die ursprüngliche Kammer hat erneut zu einer mündlichen Verhandlung geladen und der Ladung eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 29. September 2022 beigefügt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte lediglich die Einsprechende mit Schreiben vom 4. Juli 2022 zu ihrem Kostenantrag schriftlich vorgetragen.
X. In der in Ziffer IX. genannten Mitteilung hat die ursprüngliche Kammer unter anderem folgende vorläufige Meinung zu der Frage geäußert, ob sie befugt ist, in ihrer ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags zu entscheiden:
"9.1 Entscheidungsbefugnis der Kammer in der ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit eines Antrags nach Artikel 24 (3) EPÜ
Es ist gefestigte Rechtsprechung, dass die Frage der Zulässigkeit einer Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit von der Kammer in der ursprünglichen Besetzung zu entscheiden ist, also in der Besetzung, die auch die Mitglieder umfasst, gegen die eine Ablehnung geltend gemacht wird (vgl. R 12/09 vom 3. Dezember 2009, Punkt 2 der Entscheidungsgründe; T 1028/96 vom 15. September 1999, Punkt 1 der Entscheidungsgründe; bestätigt in den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 1/21 vom 28. Mai 2021, Punkt 10 der Entscheidungsgründe, R 2/14 vom 17. Februar 2015, Punkt 10.1 der Entscheidungsgründe, und R 3/16 vom 6. Oktober 2017, Punkt 21 der Entscheidungsgründe)."
In Ziffer 10 der Mitteilung führte die ursprüngliche Kammer sodann wie folgt aus:
"Sollte die Kammer in der mündlichen Verhandlung entscheiden, dass die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach Artikel 24 (3) EPÜ zulässig ist, dann würde das Verfahren nach Artikel 24 (4) EPÜ zur Anwendung kommen und eine Beschwerdekammer in anderer Besetzung über diese Ablehnung zu entscheiden haben."
Hinsichtlich der Anträge der Beteiligten auf anderweitige Kostenverteilung enthielt die Mitteilung zunächst in Ziffer 11.1 eine Zusammenfassung des diesbezüglichen Vortrags der Einsprechenden, sodann in Ziffer 11.2 eine Darlegung der für die Anträge relevanten Rechtsnormen sowie im Anschluss folgende vorläufige Auffassung der ursprünglichen Kammer:
"11.3 Im vorliegenden Fall sind bei der Beantwortung der Frage, ob beide Beteiligten die ihnen erwachsenen Kosten selbst tragen sollen oder ob es unter Berücksichtigung des Verhaltens beider Beteiligten der Billigkeit entsprechen würde, eine anderweitige Kostenverteilung zu Gunsten der Patentinhaber oder zu Gunsten der Einsprechenden anzuordnen, nach der vorläufigen Ansicht der Kammer folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Der Hilfsantrag I wurde von den Patentinhabern erst in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 eingereicht, so dass es sich dabei um eine Änderung i.S.v. Artikel 13 VOBK 2007 handelte. Allerdings wurden in diesem Antrag im Vergleich zum erteilten Patent lediglich erteilte Ansprüche gestrichen, so dass er ausschließlich die erteilten Verfahrensansprüche umfasst. Zu den erteilten Verfahrensansprüchen gab es ein obiter dictum der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung und dazu hatten die Patentinhaber in ihrer Beschwerdebegründung Stellung genommen. Die Kammer hielt es in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 angesichts dieser besonderen Sachlage für sich und die Einsprechende durchaus für zumutbar, sich in der mündlichen Verhandlung mit den erteilten Verfahrensansprüchen auseinanderzusetzen, die bereits Gegenstand des Hauptantrags der Patentinhaber waren. Die Einsprechende beantragte ihrerseits jedoch eine Vertagung der mündlichen Verhandlung und hielt eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung von z.B. zwei Stunden zur Vorbereitung einer Diskussion über die Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche für nicht ausreichend.
11.4 Was das weitere Argument der Einsprechenden betrifft, dass eine anderweitige Kostenverteilung auch gerechtfertigt sei, da die Patentinhaber nunmehr (wiederum wenige Tage vor der zweiten anberaumten mündlichen Verhandlung) durch Rücknahme ihrer Beschwerde doch wieder auf eine Weiterverfolgung des Hilfsantrags verzichtet hätten, so dass der gesamte durch die Einreichung des Hilfsantrags und die Vertagung erzeugte Aufwand in jedem Fall überflüssig geworden sei, möchte die Kammer darauf hinweisen, dass die Patentinhaber nach der Rücknahme ihrer Beschwerde zu Beschwerdegegnern in diesem Beschwerdeverfahren wurden und erst die Rücknahme beider Beschwerden das Beschwerdeverfahren in der Sache selbst beendet hat."
XI. Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2022 einen gegen das juristische Kammermitglied gerichteten (dritten) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ gestellt. Sie gab an, dass sich der Antrag für den Fall, dass die Mitteilung der Kammer vom 29. September 2022 die Auffassung sämtlicher Kammermitglieder wiedergebe, gegen alle drei Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung richte.
XII. Mit Mitteilung der ursprünglichen Kammer vom 13. Dezember 2022 wurden die Beteiligten darüber informiert, dass gemäß Artikel 24 (4) EPÜ der Vorsitzende durch seinen Vertreter ersetzt werde; dieser werde sich mit der Zusammensetzung der Kammer im Ablehnungsverfahren befassen und die entsprechenden Verfügungen treffen.
XIII. Für alle drei Mitglieder der ursprünglichen Kammer wurde sodann mit Verfügung des Vertreters des Vorsitzenden vom 9. Januar 2023 für die Prüfung nach Artikel 24 (3) EPÜ in Anwendung von Artikel 24 (4) EPÜ in Verbindung mit Artikel 5 und Artikel 2, Abschnitt "Beschwerdekammer 3.X.X", des Geschäftsverteilungsplans für 2023 ("GVP 2023", Stand 1. Januar 2023; Zusatzpublikation 1, ABl. EPA 2023, Seiten 17 ff.) eine Ersatzkammer gebildet (im Folgenden: "die erkennende Kammer").
XIV. Die abgelehnten Mitglieder der ursprünglichen Kammer haben jeweils eine Stellungnahme gemäß Artikel 3 (2) VOBK 2020 abgegeben, welche den Beteiligten zur Kenntnis gebracht wurde. In diesen Stellungnahmen haben sie übereinstimmend angegeben, dass sie keinen Grund erkennen könnten, warum sie als befangen angesehen werden müssten.
XV. Gegen das zur Ersatzkammer gehörende Mitglied Y stellte die Einsprechende sodann einen (vierten) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ. Für die Entscheidung über diesen Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (4) EPÜ wurde als Vertreter von Y gemäß Geschäftsverteilungsplan 2023 X bestimmt. Gegen X stellte die Einsprechende sodann einen (fünften) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ. Für die Entscheidung über diesen Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (4) EPÜ wurde als Vertreter von X gemäß Geschäftsverteilungsplan 2023 Z bestimmt.
XVI. Auf Antrag der Patentinhaber fand am 23. Juni 2023 eine mündliche Verhandlung mit verschiedenen Ersatzkammerbesetzungen statt, die aufgrund Entscheidungen der jeweiligen Ersatzkammern gemäß Artikel 116 (4) EPÜ nichtöffentlich war. Es wurde zunächst in der jeweiligen Ersatzkammerbesetzung nacheinander über die Befangenheitsanträge gegen X und Y verhandelt. Nachdem die jeweiligen Ersatzkammern entschieden hatten, dass der fünfte und der vierte Befangenheitsantrag unbegründet waren, wurde in der ursprünglichen Ersatzkammerbesetzung (siehe oben Ziffer XIII.) über den dritten Befangenheitsantrag verhandelt. Die Einsprechende beantragte abschließend, die Mitglieder gemäß der ursprünglichen Kammerbesetzung wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Patentinhaber beantragten abschließend, den Befangenheitsantrag der Einsprechenden als unzulässig zu verwerfen.
XVII. Die Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die ursprüngliche Kammer habe in der Mitteilung vom 29. September 2022 im Hinblick auf die Frage der Kostenauferlegung Argumente für die Patentinhaber vorformuliert, welche von diesen selbst nicht vorgebracht worden seien. Dies lasse den Verdacht der Parteilichkeit entstehen. Eine Kammer könne nur dann zulässigerweise von sich aus Argumente vorbringen, wenn es um inhaltliche Fragestellungen gehe, da die Kammer auch die Interessen der Öffentlichkeit vertrete. Vorliegend gehe es aber nur um die Kostentragungspflicht zwischen den beiden Beteiligten. Die ursprüngliche Kammer habe auch nicht lediglich die Argumente der Einsprechenden behandelt, sondern neue (Gegen-)Argumente eingeführt. Die im Protokoll der Verhandlung vom 21. Januar 2021 festgehaltene Äußerung der Patentinhaber (siehe oben Ziffer III.) sei im Zusammenhang mit der Frage gefallen, ob die Kammer ein Ermessen habe, den Hilfsantrag I zuzulassen, und nicht im Zusammenhang mit der Frage der Kostentragungspflicht.
b) Die ursprüngliche Kammer argumentiere in dieser Mitteilung im Hinblick auf die Frage der Kostenauferlegung ferner, dass sie mit der Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht etwa ihren Pflichten zu einer ordnungsgemäßen Verfahrensführung nachgekommen sein wolle, sondern der Einsprechenden quasi als Gnadenakt einen Gefallen getan habe. Dies stünde in einem offensichtlichen Widerspruch sowohl zu der bisherigen Begründung der Kammer im Hinblick auf die Vertagung als auch zu den Äußerungen des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 und sei mit einer an Recht und Gesetz gebundenen Verfahrensführung auch sonst nicht vereinbar. Eine Vertagung ohne Notwendigkeit gebe es nicht. Die ursprüngliche Kammer wolle durch diese Begründung dem offensichtlich begründeten Antrag der Einsprechenden auf Kostenverteilung die Grundlage entziehen. Als einzige mögliche Erklärung für dieses Verhalten bleibe lediglich das Vorliegen einer Befangenheit.
c) Die Argumente der ursprünglichen Kammer zur Kostenauferlegung beruhten zudem auf der Behauptung der Patentinhaber, sie hätten zu dem obiter dictum aus der Entscheidung der Einspruchsabteilung in der Beschwerdebegründung Stellung genommen. Die Einsprechende hätte jedoch bereits ausführlich dargelegt, dass diese Behauptung noch nicht einmal im Ansatzpunkt zutreffe. Dennoch werde diese nachweislich falsche Behauptung in der Mitteilung als Tatsache in den Raum gestellt.
d) Der Vortrag der Einsprechenden werde dagegen in der Mitteilung vollkommen ignoriert.
e) Im Hinblick auf die Entscheidungsbefugnis der ursprünglichen Kammer über die Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags der Einsprechenden habe die ursprüngliche Kammer in der Mitteilung zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sei, sich mit den rechtlichen Argumenten der Einsprechenden auseinanderzusetzen oder eine auf dem EPÜ fußende Begründung aufzuzeigen. Hierin liege eine eklatante Verletzung des Anspruchs der Einsprechenden auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ.
f) Jeder einzelne der gerade genannten Punkte begründe schon für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit; erst recht gelte dies für die massive Häufung der Gründe.
g) Mit Abgabe des Verfahrens an die erkennende Ersatzkammer anlässlich des dritten Befangenheitsantrags sei diese nicht nur für diesen Befangenheitsantrag zuständig geworden, sondern auch für den ersten Befangenheitsantrag. Insofern verwies die Einsprechende auf die entsprechende Festlegung gemäß der Entscheidung T 1028/96.
XVIII. Die Argumente der Patentinhaber lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Der Befangenheitsantrag sei unzulässig, da er auf rein subjektiven, unbegründeten Zweifeln in der Vorstellung der Einsprechenden beruhe.
b) Es treffe sehr wohl zu, dass die Patentinhaber in ihrer Beschwerdebegründung zu dem obiter dictum aus der Entscheidung der Einspruchsabteilung Stellung genommen hätten.
c) Die Entscheidung über die Kostenverteilung stünde im pflichtgemäßen Ermessen der Kammer. Ob eine anderweitige Kostenverteilung zu Recht angeordnet werde oder nicht, sei daher (nur) eine Frage des Ermessensfehlgebrauchs. Die Notwendigkeit der Verhandlungsvertagung sei außerdem lediglich eines von mehreren Ermessenskriterien gemäß Artikel 16 (1) VOBK 2020 und führe nicht zwingend zu einer anderweitigen Kostenverteilung. Die Vertagung der mündlichen Verhandlung sei letztlich eine Konzessionsentscheidung der ursprünglichen Kammer gewesen, damit die Einsprechende in Ruhe zum Hilfsantrag I habe vortragen können. Eine Vertagung habe ohnehin wegen der fortgeschrittenen Zeit und des absehbaren Diskussionsbedarfs im Raum gestanden.
d) Die Hinweise der ursprünglichen Kammer in der beanstandeten Mitteilung seien sinnvoll gewesen, damit sich die Beteiligten für die mündliche Verhandlung gezielt vorbereiten konnten. Den Beteiligten sei es unbenommen, Probleme in der mündlichen Verhandlung zu thematisieren, wenn diese in der Mitteilung nicht angesprochen worden seien. Da die in der Mitteilung geäußerte Auffassung einer Kammer nur vorläufig und nicht bindend sei, könne eine Kammer stets anders als in der Mitteilung eingeschätzt entscheiden.
e) Für die Frage, ob die erkennende Ersatzkammer nicht nur für den dritten, sondern auch für den ersten Befangenheitsantrag zuständig sei, sei die von der Einsprechenden herangezogene Entscheidung T 1028/96 nicht einschlägig. Dort seien mit einem Befangenheitsantrag verschiedene Befangenheitsgründe gegen dieselbe Person vorgebracht worden, so dass ein anderer Sachverhalt im Vergleich zur hiesigen Konstellation vorgelegen habe.
1. Umfang des dritten Befangenheitsantrags
1.1 Der dritte Befangenheitsantrag der Einsprechenden richtet sich gemäß ihrer Erläuterung im Schriftsatz vom 7. Dezember 2022 gegen das juristische Mitglied als Verfasser der vorläufigen Meinung beziehungsweise, sollte die Mitteilung die bereits abgestimmte Auffassung der Kammer wiedergeben, gegen alle Mitglieder der ursprünglichen Kammer (siehe oben Ziffer XI.).
1.2 Aus dem Umstand, dass der Vorsitzende der ursprünglichen Kammer zwecks Bestimmung der Mitglieder der Ersatzkammer durch seinen Vertreter ersetzt wurde (siehe oben Ziffer XII.), folgt, dass die Mitteilung der ursprünglichen Kammer vom 29. September 2022 - wie in aller Regel (vgl. Artikel 5 (4) VOBK 2020: "Der Berichterstatter entwirft ... Mitteilungen im Namen der Kammer ..."; Artikel 15 (1) VOBK 2020: "Um in der mündlichen Verhandlung die Konzentration auf das Wesentliche zu erleichtern, erlässt die Kammer eine Mitteilung ..."; Hervorhebung hinzugefügt) - die bereits abgestimmte Auffassung der Kammer (und nicht nur die des juristischen Mitglieds) wiedergeben sollte. In der Konsequenz ist der dritte Befangenheitsantrag als gegen alle drei Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung gerichtet anzusehen.
2. Zulässigkeit des dritten Befangenheitsantrags
2.1 Eine zentrale Rolle im Rahmen der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden spielt die Frage, ob gemäß Artikel 24 (3) EPÜ als befangen abgelehnte Kammermitglieder bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des gegen sie gerichteten Befangenheitsantrags mitwirken dürfen (so die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Aufl. 2022 ("RSBK"), III.J.3.1), oder ob - so die Auffassung der Einsprechenden - hierfür stets gemäß Artikel 24 (4) EPÜ eine Ersatzkammer ohne die abgelehnten Mitglieder gebildet werden muss.
2.2 Diese Frage kann vorliegend offen bleiben. Deren Beantwortung hätte nämlich nur dann eine praktische Auswirkung auf den weiteren Verfahrensverlauf in Bezug auf einen Befangenheitsantrag, wenn eine Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung sowohl ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Befangenheitsantrags bejaht, als auch dessen Zulässigkeit im Anschluss verneint. Andernfalls kommt es stets zur (von der Einsprechenden als notwendig erachteten) Bildung einer Ersatzkammer, die über den Befangenheitsantrag im Ergebnis entscheidet. Letzteres ist vorliegend der Fall, da gemäß Artikel 24 (4) EPÜ eine Ersatzkammer ohne die mit dem dritten Befangenheitsantrag abgelehnten Kammermitglieder gebildet wurde (siehe oben Ziffer XIII.).
2.3 Es entspricht dabei ständiger Rechtsprechung (vgl. RSBK, III.J.3.1), dass die Ersatzkammer die Frage der Zulässigkeit des Befangenheitsantrags von Amts wegen und damit unabhängig von der (etwaigen) vorangegangenen - gegebenenfalls inzidenten - Entscheidung hierüber durch die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung zu prüfen hat.
2.4 In Artikel 24 (3) Sätze 2 und 3 EPÜ sind zwei ausdrückliche Zulässigkeitskriterien enthalten (der den Ablehnungsantrag stellende Beteiligte darf keine Verfahrenshandlungen vorgenommen haben, obwohl er bereits den Ablehnungsgrund kannte; die Ablehnung darf nicht mit der Staatsangehörigkeit der Mitglieder begründet werden), welche vorliegend offensichtlich erfüllt sind.
2.5 Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern verlangt darüber hinaus als ein weiteres, ungeschriebenes Zulässigkeitskriterium unter anderem, dass eine Ablehnung ausreichend substantiiert sein muss und nicht auf rein subjektiven, unbegründeten Zweifeln basieren darf (vgl. RSBK, III.J.3.3).
2.6 Die Patentinhaber stützen sich auf dieses Kriterium und sind der Auffassung, dass die Einsprechende lediglich solche rein subjektiven, unbegründete Zweifel vorgebracht habe.
2.7 Die Einsprechende hat jedoch vorliegend ihren Befangenheitsantrag ausführlich und sachlich begründet und sich hierbei auf Umstände gestützt, die sich aus dem Inhalt der Mitteilung der ursprünglichen Kammer vom 29. September 2022 ergeben. Die erkennende Kammer kann hierin nicht auf den ersten Blick ein Vorbringen von rein subjektiven Zweifeln erkennen. Ebenso wenig kann auf den ersten Blick gesagt werden, dass die Begründung der Einsprechenden den Befangenheitsantrag nicht trägt und dieser damit offensichtlich unbegründet ist. Tatsächlich bedarf es einer eingehenden Prüfung, ob die vorgebrachten Gründe überzeugen; dies ist nicht eine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.
2.8 Im Ergebnis erachtet daher die erkennende Kammer den dritten Befangenheitsantrag als zulässig.
3. Begründetheit des dritten Befangenheitsantrags
3.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe RSBK, III.J.1.5) ist die Frage der Befangenheit eines abgelehnten Mitglieds anhand folgender zwei Prüfungen zu bestimmen:
- Erstens ist eine "subjektive" Prüfung durchzuführen, die Beweise einer tatsächlichen Befangenheit des betreffenden Mitglieds erfordert.
- Zweitens ist eine "objektive" Prüfung durchzuführen, bei der die Kammer beurteilt, ob die Umstände des Falls Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben.
3.2 Die Einsprechende hat keinen Beweis für eine tatsächliche Befangenheit der abgelehnten Mitglieder vorgebracht. Vielmehr stützt sie sich auf Umstände, die ihrer Ansicht nach eine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit begründen. Letztere ist daher im Rahmen einer objektiven Prüfung zu beurteilen, für die die nachfolgend dargestellten Grundsätze gelten.
3.2.1 Es ist zu fragen, ob eine vernünftige, objektive und informierte Person angesichts der Sachlage mit gutem Grund befürchten würde, dass der Richter den Fall nicht unvoreingenommen behandeln wird; ein vernünftiger Betrachter müsste somit unter Berücksichtigung der Umstände des Falls zu dem Schluss gelangen, dass der Beteiligte die Unbefangenheit des abgelehnten Mitglieds mit gutem Grund in Zweifel ziehen könnte (vgl. G 1/05 vom 7. Dezember 2006, ABl. EPA 2007, 362, Gründe 20).
3.2.2 Eine den Ausschluss rechtfertigende Befangenheit setzt dabei voraus, dass ein an der Entscheidung mitwirkendes Kammermitglied einem Beteiligten gegenüber voreingenommen ist, also ein Beteiligter bewusst begünstigt wird, indem ihm Rechte eingeräumt werden, die ihm nicht zustehen, oder wenn die Rechte des anderen Beteiligten absichtlich missachtet werden. Mängel, Fehlverhalten oder Verfahrensfehler, so schwerwiegend sie auch sein mögen, können eine Ablehnung wegen Befangenheit nicht begründen, soweit sie nicht auf Voreingenommenheit oder Vorsatz zurückzuführen sind (vgl. RSBK, III.J.5.3.2).
3.2.3 Soweit eine Mitteilung der Kammer Gegenstand eines Befangenheitsantrags ist, so ist die darin erfolgte Äußerung einer vorläufigen Auffassung vor dem Hintergrund, dass die Meinungsbildung zu den wichtigsten Aufgaben einer Kammer zählt, grundsätzlich nicht als parteiisch anzusehen; ein Befangenheitsantrag kann folglich hierauf nicht erfolgreich gestützt werden (vgl. RSBK, III.J.5.3.1 und III.J.6.2.3).
3.2.4 Etwas anderes gilt nach Auffassung der Ersatzkammer gemäß ihrer im hiesigen Verfahren getroffenen Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 (vgl. dort Gründe 4.3.1) nur, wenn die vorläufigen Aussagen in der Mitteilung
- einen Beteiligten bevorzugen, etwa indem die Kammer Hinweise gibt, die nicht von Artikel 114 (1) EPÜ gedeckt sind,
- nicht sachlich gehalten sind, also etwa abwertende Bemerkungen im Hinblick auf einen Beteiligten oder dessen Vertreter enthalten, oder
- eine Rechtsanwendung darstellen, welche so grob falsch ist, dass sie den Schluss auf Willkür zulässt.
3.2.5 Die erkennende Kammer stimmt letzteren Ausführungen grundsätzlich zu. Sie merkt aber hinsichtlich des drittgenannten Kriteriums (grob falsche und damit willkürliche Rechtsanwendung) an, dass letztlich immer die konkreten Umstände des Einzelfalls entscheidend sein müssen und stets festzustellen ist, dass eine solche willkürliche Rechtsanwendung die berechtigte Befürchtung zulässt, dass sie Ausdruck gerade von Voreingenommenheit gegenüber einem Beteiligten ist. Letzteres erscheint zum Beispiel fraglich, wenn die Kammer in der am Ende getroffenen Entscheidung von der noch in der Mitteilung geäußerten willkürlichen Rechtsanwendung abrückt (was sich freilich erst nachträglich feststellen lässt). Insofern könnte die immanente Vorläufigkeit der in einer Mitteilung geäußerten Auffassung gegen das drittgenannte Kriterium sprechen. Eine grob falsche Rechtsanwendung kann außerdem auch auf andere Gründe als auf Voreingenommenheit gegenüber einem Beteiligten zurückzuführen sein, etwa die schlichte Überzeugung der Kammer von der Richtigkeit der tatsächlich grob falschen Rechtsansicht. So ist es auch denkbar, dass sich solche grob falschen Rechtsansichten im selben Verfahren einmal zulasten des einen Beteiligten und einmal zulasten des anderen Beteiligten auswirken; in einer solchen Konstellation scheint ein Schluss auf die Voreingenommenheit der Kammer gegenüber einem Beteiligten schwierig. Schließlich weist die erkennende Kammer darauf hin, dass die Beurteilung, wann eine Rechtsanwendung bereits "grob falsch" oder "willkürlich" oder aber nur "falsch" oder "kaum vertretbar" ist, in der Praxis selten trennscharf getroffen werden kann.
3.3 In Anwendung der in Ziffer 3.2 ausgeführten Grundsätze ist im Folgenden die Begründetheit des dritten Befangenheitsantrags zu prüfen.
3.3.1 Die Einsprechende wirft der ursprünglichen Kammer zunächst vor, sie habe in der streitgegenständlichen Mitteilung hinsichtlich der Frage der Kostenauferlegung Argumente für die Patentinhaber vorformuliert und hierdurch den berechtigten Verdacht der Parteilichkeit entstehen lassen (siehe oben Ziffer XVII.a)).
a) Die von der Einsprechenden beanstandeten, von der ursprünglichen Kammer in der Mitteilung als "zu berücksichtigende Aspekte" bezeichneten Umstände sind in den Ziffern 11.3 und 11.4 der Mitteilung enthalten (siehe oben Ziffer X.) und lauten wie folgt:
i) Im Hilfsantrag I seien im Vergleich zum erteilten Patent lediglich erteilte Ansprüche gestrichen worden und er umfasse ausschließlich die erteilten Verfahrensansprüche. Zu letzteren gebe es ein obiter dictum der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung und dazu hätten die Patentinhaber in ihrer Beschwerdebegründung Stellung genommen.
ii) Angesichts dieser besonderen Sachlage habe es die ursprüngliche Kammer in der mündlichen Verhandlung für sich und die Einsprechende durchaus für zumutbar gehalten, sich in der mündlichen Verhandlung mit den erteilten Verfahrensansprüchen auseinanderzusetzen, die bereits Gegenstand des Hauptantrags der Patentinhaber gewesen seien. Die Einsprechende habe jedoch ihrerseits eine Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragt und eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung von z.B. zwei Stunden zur Vorbereitung einer Diskussion über die Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche für nicht ausreichend gehalten.
iii) Die Einsprechende habe argumentiert, dass eine anderweitige Kostenverteilung auch gerechtfertigt sei, da die Patentinhaber durch Rücknahme ihrer Beschwerde auf eine Weiterverfolgung des Hilfsantrags verzichtet hätten und daher der gesamte durch die Einreichung des Hilfsantrags und die Vertagung erzeugte Aufwand in jedem Fall überflüssig geworden sei. Diesbezüglich wies die ursprüngliche Kammer darauf hin, dass die Patentinhaber nach der Rücknahme ihrer Beschwerde zu Beschwerdegegnern geworden seien und erst die Rücknahme beider Beschwerden das Beschwerdeverfahren in der Sache selbst beendet habe.
b) Die erkennende Kammer merkt zunächst an, dass die Patentinhaber bis zur Mitteilung der ursprünglichen Kammer keinerlei schriftliche Ausführungen zu ihrem Kostenauferlegungsantrag gemacht haben. Insofern war es der ursprünglichen Kammer von vornherein nicht möglich, in der Mitteilung auf solche Ausführungen einzugehen. Soll die Kammer aber gleichwohl in einer Mitteilung - wie in Artikel 15 (1) Satz 4 VOBK 2020 vorgeschrieben - auf Punkte hinweisen, die für die zu treffende Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden, muss sie zwangsläufig die aus ihrer Sicht für die Kostenentscheidung relevanten Umstände benennen, auch wenn die Patentinhaber sich diesbezüglich nicht geäußert haben. Eben dies hat die ursprüngliche Kammer in der Mitteilung gemacht.
c) Darüber hinaus stellt sich allgemein die Frage, inwieweit sich in einem zweiseitigen Verfahren eine Kammer zu einem Antrag eines Beteiligten positionieren darf, wenn der andere Beteiligte hierzu keine Stellung genommen hat. Zwar ist es zutreffend, dass eine Kammer in einem zweiseitigen Verfahren aufgrund dessen kontradiktorischer Natur grundsätzlich zurückhaltender sein muss mit eigenen Einwänden als in einem einseitigen Verfahren. Dies bedeutet aber nicht, dass bei Schweigen der Gegenseite die den Antrag stützenden Argumente des vortragenden Beteiligten unbesehen gutgeheißen werden müssen und damit automatisch durchdringen. Vielmehr gebietet der auch für zweiseitige Verfahren gemäß Artikel 114 (1) EPÜ grundsätzlich anwendbare Amtsermittlungsgrundsatz in diesem Fall, die vorgebrachten Argumente von Amts wegen auf ihre Richtigkeit zu untersuchen. Dies gilt nicht nur für materiell-rechtliche Fragen der Patenterteilung oder -aufrechterhaltung, wie aber die Einsprechende geltend macht; eine solche Einschränkung sieht nämlich Artikel 114 (1) EPÜ nicht vor, siehe dessen allgemeinen Wortlaut "In Verfahren vor dem Europäischen Patentamt ..." und nicht etwa sinngemäß "In Fragen der Patenterteilung ...". Zudem haben die Patentinhaber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kammer bei der Entscheidung über eine anderweitige Kostenverteilung ausweislich des Wortlauts von Artikel 16 (1) VOBK 2020 ein Ermessen hat ("Vorbehaltlich des Artikels 104 Absatz 1 EPÜ kann die Kammer auf Antrag anordnen, dass ein Beteiligter die Kosten eines anderen Beteiligten teilweise oder ganz zu tragen hat. Unbeschadet des Ermessens der Kammer gehören dazu ..."; Hervorhebung hinzugefügt). Im Rahmen ihrer Ermessensausübung muss aber eine Kammer auch eigene Erwägungen anstellen können, warum sie dem Kostenantrag stattgibt oder nicht.
d) Untersucht man nun konkret die beanstandeten Aussagen der ursprünglichen Kammer in ihrer Mitteilung, ist Folgendes festzustellen:
i) Der oben in Ziffer 3.3.1 a) i) wiedergegebene Aspekt gibt lediglich den Sachverhalt hinsichtlich des Hilfsantrags I wieder, wie ihn auch die Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 bereits vorgetragen haben und worin ihnen die ursprüngliche Kammer gefolgt ist (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021, Seite 5, letzter Absatz, sowie Seite 9, viertletzter Absatz). Insofern stellt dies kein "von der Kammer vorformuliertes Argument" zugunsten der Patentinhaber dar, wie aber von der Einsprechenden behauptet (zur Frage der Richtigkeit dieses Sachverhalts siehe unten Ziffer 3.3.3).
ii) Sodann hat die ursprüngliche Kammer einen weiteren Aspekt vorgebracht (siehe oben Ziffer 3.3.1 a) ii)), der ihre eigene Ansicht widerspiegelt ("Die Kammer hielt es [...] für sich und die Einsprechende durchaus für zumutbar, sich in der mündlichen Verhandlung mit den erteilten Verfahrensansprüchen auseinanderzusetzen") und somit ebenfalls kein für die Patentinhaber vorformuliertes Argument darstellt. Im Übrigen hat die ursprüngliche Kammer hier eine Position eingenommen, die ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 (siehe oben Ziffer III.) bereits während dieser mündlichen Verhandlung von den Patentinhabern vertreten wurde. Dass sich aber eine Kammer einer von einem Beteiligten vertretenen Auffassung anschließt, ist keineswegs Ausdruck von Voreingenommenheit oder Parteilichkeit, sondern ein normaler Vorgang im Rahmen der Entscheidungsfindung. Den hier von der Einsprechenden vorgebrachten Einwand, dass die Patentinhaber ihre gerade genannte Auffassung nicht im Zusammenhang mit dem Antrag auf anderweitige Kostenverteilung, sondern im Zusammenhang mit der Frage der Zulassung des Hilfsantrags I in das Verfahren geäußert haben, sieht die erkennende Kammer als unerheblich an: Es spricht nichts gegen die Berücksichtigung eines Arguments, wenn es auch in einem anderen Zusammenhang als ursprünglich vorgebracht seine Relevanz behält. Der Umstand, ob eine Vertagung der mündlichen Verhandlung für die Kammer und einem Beteiligten zumutbar ist, kann aber sowohl für die Frage der Zulassung eines Antrags von Belang sein als auch für die Frage der anderweitigen Kostenverteilung.
iii) Soweit die ursprüngliche Kammer schließlich in der Mitteilung darauf hingewiesen hat, dass erst die Rücknahme der Beschwerde der Einsprechenden das Beschwerdeverfahren in der Sache selbst beendet habe (siehe oben Ziffer 3.3.1 a) iii)), hat sie entgegen der Ansicht der Einsprechenden tatsächlich lediglich deren Argument behandelt. Dies muss ihr aber, wie oben in Ziffer 3.3.1 c) ausgeführt, möglich sein.
e) Im Ergebnis lässt also das Aufführen der oben genannten Umstände in der Mitteilung keinen objektiven Schluss darauf zu, dass die ursprüngliche Kammer gegenüber der Einsprechenden voreingenommen war.
3.3.2 Die Einsprechende wendet sich ferner inhaltlich gegen die mitgeteilte Ansicht der ursprünglichen Kammer, dass eine Behandlung des Hilfsantrags I in der mündlichen Verhandlung für sie und die Einsprechende zumutbar gewesen sei. Hieraus folgert die Einsprechende, dass die ursprüngliche Kammer eine Vertagung nicht als notwendige Konsequenz einer ordnungsgemäßen Verhandlungsführung angesehen habe, sondern lediglich als Gefallen oder "Gnadenakt" gegenüber der Einsprechenden. Dies stünde im Widerspruch zu der bisherigen Begründung der ursprünglichen Kammer und ihres Vorsitzenden zur Frage der Vertagung und sei "mit einer an Recht und Gesetz gebundenen Verfahrensführung auch sonst nicht vereinbar" (siehe oben Ziffer XVII.b)). Die Einsprechende scheint hier also einen Meinungswechsel der ursprünglichen Kammer hinsichtlich der Notwendigkeit einer Vertagung zu erkennen, der den Rückschluss auf Parteilichkeit der Kammer zuließe, sowie eine Vorgehensweise bzw. Rechtsanwendung, die willkürlich sei.
a) Die erkennende Kammer kann zunächst dem - hinsichtlich des tatsächlichen Geschehens allein relevanten - Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 keine Feststellung entnehmen, derzufolge die ursprüngliche Kammer oder deren Vorsitzender die rechtliche Notwendigkeit der angeordneten Vertagung zum Ausdruck gebracht hätte. Deutlich wird aus dem Protokoll an zwei Stellen (siehe den Seiten 7 und 8 überbrückenden Absatz und Seite 9, viertletzter Absatz) lediglich, dass die Kammer eine Zulassung des Hilfsantrags I im Rahmen ihres Ermessens auch dann für möglich hielt, wenn dies zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung führe. Diese Feststellung weist aber nur auf den Fakt einer Vertagung hin und lässt offen, ob sie von der Kammer auch als notwendig erachtet wurde.
b) Auch der von der Einsprechenden (freilich nicht im Protokoll festgehaltene) geschilderte Sachverhalt, wonach das juristische Mitglied in der mündlichen Verhandlung andiskutiert habe, ob eine Vertagung auch ohne Notwendigkeit möglich sei, der Vorsitzende die Diskussion aber mit dem Hinweis unterbunden habe, dass die Kammer in jedem Fall ein Ermessen gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 habe, ändert hieran nichts. Auch hieraus ergibt sich nämlich nicht, dass die ursprüngliche Kammer die Vertagung für notwendig erachtet habe.
c) Es ist weiterhin zwar richtig, dass die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie eine Behandlung des Hilfsantrags I in der mündlichen Verhandlung für unzumutbar halte und daher für diesen Fall deren Vertagung für notwendig erachte; aus dem Umstand aber, dass dann tatsächlich vertagt wurde, ergibt sich kein logischer Schluss, dass die ursprüngliche Kammer die Vertagung ebenfalls für notwendig erachtet habe.
d) Die Patentinhaber hatten nämlich in der mündlichen Verhandlung dagegen argumentiert und die Ansicht vertreten, dass eine Vertagung nicht eine Notwendigkeit, sondern ein Entgegenkommen der ursprünglichen Kammer darstelle (siehe oben Ziffer III.). Es erscheint daher aus Sicht eines objektiven Dritten ohne Weiteres möglich, dass die Kammer den Patentinhabern hierin gefolgt ist und die Vertagung auch ohne rechtliche Notwendigkeit angeordnet hat.
e) Entgegen der Auffassung der Einsprechenden ist eine Vertagung der mündlichen Verhandlung außerdem aus Sicht der erkennenden Kammer auch dann ohne weiteres denkbar und zulässig (und damit nicht willkürlich), wenn sie nicht aus rechtlichen Gründen, etwa zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, notwendig ist. In der Konsequenz sind auch die entsprechenden Ausführungen der ursprünglichen Kammer hierauf in der beanstandeten Mitteilung nicht als willkürlich anzusehen.
i) Vorschriften, die die Voraussetzungen für eine Vertagung einer begonnenen mündlichen Verhandlung explizit regeln, existieren nicht. Wie bereits ausgeführt, behandelt Artikel 13 (3) VOBK 2007 lediglich die Frage, ob Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten zuzulassen sind, wenn die Behandlung der hierdurch aufgeworfenen Fragen ohne Vertagung der Kammer oder anderen Beteiligten nicht zuzumuten ist (siehe zur Frage, ob eine Kammer diesbezüglich ein Ermessen hat, RSBK, V.A.5.5.1).
ii) Anwendbar ist dagegen im Zusammenhang mit der Frage, wann eine begonnene mündliche Verhandlung vertagt werden kann, die Vorschrift gemäß Artikel 15 (4) VOBK 2020, wonach der Vorsitzende die "faire, ordnungsgemäße und effiziente Durchführung" der mündlichen Verhandlung sicherstellt. Was aber eine faire, ordnungsgemäße und effiziente Verhandlungsführung ist, liegt im freien und grundsätzlich nicht überprüfbaren Ermessen der Kammer beziehungsweise des Vorsitzenden als Verhandlungsleiter. So mag eine Kammer in einer Situation, in der sie die Fortführung der mündlichen Verhandlung zwecks Behandlung eines spät im Verfahren gestellten Antrags auch gegen den Willen eines Beteiligten für zumutbar hält, die Verhandlung gleichwohl vertagen, weil zum Beispiel
- die Kammer die Vertagung angesichts der konkreten Umstände zwar nicht für notwendig, aber für fair(er) hält, etwa weil ein Beteiligter ein entsprechendes Bedürfnis geäußert und nachvollziehbar begründet hat,
- eine Vertagung aus Sicht der Kammer einen wohlvorbereiteten und besser geordneten Vortrag der Beteiligten ermöglicht und damit das Verfahren im Ergebnis effizienter erscheint,
- die mündliche Verhandlung bereits lange andauert und absehbar ist, dass eine Beendigung am selben Tag nur unter Zeitdruck möglich ist,
- die Fortführung der Verhandlung aus Sicht der Kammer zu Konflikten zwischen den Beteiligten und der Kammer führen könnte, die durch eine Vertagung vermieden werden würden, oder etwa umgekehrt, weil
- eine Vertagung einer aufgeladenen Atmosphäre zwischen den Beteiligten untereinander und/oder zur Kammer die Spannung nehmen soll.
iii) Aus welchem konkreten Grund sich die Kammer vorliegend zur Vertagung der mündlichen Verhandlung entschlossen hat, steht nicht fest, da sie sich insofern bisher nicht geäußert hat. Dass die Vertagung ein Gefallen gegenüber der Einsprechenden gewesen sei, ist lediglich der Schluss der Einsprechenden aus den Ausführungen der Kammer in der beanstandeten Mitteilung. Der erkennenden Kammer erscheint es aber durchaus als möglich, dass tatsächlich ein solches Entgegenkommen aus Fairnessgründen der Grund für die Vertagung war; dies wäre, wie gerade ausgeführt, ohne Weiteres durch Artikel 15 (4) VOBK 2020 gedeckt. Gleiches gilt, wenn die Vertagung als Konzessionsentscheidung gegenüber der Einsprechenden erfolgt sein sollte, wie von den Patentinhabern vermutet (siehe oben Ziffer XVIII.c)).
f) Zu trennen von der Frage, ob eine Vertagung vorliegend notwendig war oder nicht, ist die Frage, ob die Vertagung zu einer anderweitigen Kostenverteilung führt. Gemäß Artikel 16 (1) c) VOBK 2020 kann hier berücksichtigt werden, ob die Kosten durch Handlungen entstanden sind, die die "rechtzeitige und effiziente Durchführung der mündlichen Verhandlung beeinträchtigen". Die erkennende Kammer kann nicht nachvollziehen, wie die Einsprechende diesbezüglich auf Grundlage der beanstandeten Mitteilung zu dem Schluss kommt, dass die Kammer sich hier bereits zum Nachteil der Einsprechenden festgelegt habe (vergleiche ihren Schriftsatz vom 7. Dezember 2022, Seite 8: "Nun aber die Vertagung als uns entgegenkommende Geste darstellen zu wollen, um unseren offensichtlich begründeten Antrag auf Kostenverteilung damit die Grundlage zu entziehen, ..."). Unabhängig davon, dass eine in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 geäußerte Auffassung stets vorläufig ist und revidiert werden kann, ist insofern nämlich darauf hinzuweisen, dass die Kammer gemäß Ziffer 11.3, erster Absatz, der Mitteilung ausdrücklich nur die ihrer vorläufigen Ansicht nach zu berücksichtigenden Aspekte aufgeführt hat, ohne ausdrücklich eine vorläufige Auffassung zu äußern (siehe oben Ziffer X.). Wie die Kostenentscheidung tatsächlich lauten wird, steht also in keiner Weise fest; diese wird vielmehr erst am Ende der anzuberaumenden mündlichen Verhandlung getroffen werden.
3.3.3 Die Einsprechende hat weiterhin gerügt, dass die ursprüngliche Kammer in ihrer Mitteilung eine "nachweislich falsche Behauptung [...] als Tatsache in den Raum gestellt" habe (siehe oben Ziffer XVII.c)): Es treffe "noch nicht einmal im Ansatzpunkt" zu, dass die Patentinhaber zu dem obiter dictum aus der Entscheidung der Einspruchsabteilung in der Beschwerdebegründung Stellung genommen hätten, wie die Einsprechende ausführlich dargelegt habe. Gleichwohl habe die ursprüngliche Kammer diese falsche Behauptung der Patentinhaber in der beanstandeten Mitteilung als Tatsache übernommen.
a) Auch hier ist der Einsprechenden - wie bereits festgestellt (siehe oben Ziffer 3.3.1 d) i)) - entgegenzuhalten, dass sich die ursprüngliche Kammer in der Mitteilung offensichtlich einer bereits in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 geäußerten Ansicht der Patentinhaber angeschlossen hat, was die ursprüngliche Kammer im Übrigen schon in der damaligen mündlichen Verhandlung kundgetan hatte. Dass sich aber eine Kammer einer von einem Beteiligten vertretenen Auffassung anschließt und bei dieser Auffassung trotz Gegenargumente des anderen Beteiligten vorläufig bleibt, ist keineswegs Ausdruck von Voreingenommenheit oder Parteilichkeit, sondern ein normaler Vorgang im Rahmen der Entscheidungsfindung. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Einsprechende den Vortrag der Patentinhaber für falsch hält und insofern offensichtlich die Interpretationshoheit für sich in Anspruch nimmt.
b) Ohne dass es daher noch darauf ankommt, weist die erkennende Kammer darauf hin, dass die Patentinhaber in den Punkten II.4 und IV.2 bis IV.4 ihrer Beschwerdebegründung explizit auf das (zuvor von ihnen zusammengefasste) obiter dictum der Einspruchsabteilung eingehen und begründen, warum die Ausführungen der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Verfahrensansprüche aus ihrer Sicht nicht zuträfen. Es ist daher nicht erkennbar, was an der beanstandeten Aussage der ursprünglichen Kammer in der Mitteilung ("Zu den erteilten Verfahrensansprüchen gab es ein obiter dictum der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung und dazu hatten die Patentinhaber in ihrer Beschwerdebegründung Stellung genommen.") falsch sei. Die Einsprechende wendet diesbezüglich offensichtlich ein, dass die Stellungnahme der Patentinhaber inhaltlich völlig unzureichend wäre und auf die das obiter dictum tragenden Gründe der Einspruchsabteilung nicht eingehe (siehe die Ausführungen der Einsprechenden im Schriftsatz vom 7. Dezember 2022, Seite 10, erster voller Absatz, im Schriftsatz vom 24. Dezember 2021, Seite 15, zweiter Absatz, und im Schriftsatz vom 12. April 2021, Seite 15, dritter voller Absatz). Die Frage aber, ob die Ausführungen der Patentinhaber überzeugen oder inhaltlich unzureichend sind, ist von der Frage zu trennen, ob die Patentinhaber überhaupt Stellung genommen haben und daher der Einsprechenden eine Befassung mit den Verfahrensansprüchen sowie der Stellungnahme der Patentinhaber hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 zumutbar gewesen wäre.
3.3.4 Darüber hinaus wirft die Einsprechende der ursprünglichen Kammer vor, diese habe in der beanstandeten Mitteilung jede Auseinandersetzung mit den weiteren Argumenten der Einsprechenden aus ihren Schriftsätzen vom 12. April 2021 oder vom 24. Dezember 2021 vermissen lassen und hierdurch den Vortrag der Einsprechenden "vollkommen ignoriert" (siehe oben Ziffer XVII.d)).
a) In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß Artikel 15 (1) Satz 4 VOBK 2020 eine Kammer eine Mitteilung zu erlassen hat, "in der sie auf Punkte hinweist, die für die zu treffende Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden"; dies erfolgt, um "in der mündlichen Verhandlung die Konzentration auf das Wesentliche zu erleichtern". Die Kammer "kann auch eine vorläufige Einschätzung mitteilen" (Hervorhebung hinzugefügt), siehe Artikel 15 (1) Satz 5 VOBK 2020, muss dies aber nicht. Eine Mitteilung ist daher von vornherein nicht auf Vollständigkeit ausgelegt und muss daher nicht auf sämtliche Argumente eines Beteiligten eingehen. Aus der Unvollständigkeit einer Mitteilung kann daher grundsätzlich nicht auf die Parteilichkeit der Kammer geschlossen werden.
b) Die ursprüngliche Kammer hat in der beanstandeten Mitteilung, Ziffer 11.1, zweiter Absatz, außerdem tatsächlich einige der von der Einsprechenden vorgebrachten Argumente wiedergegeben, warum den Patentinhabern die durch die verspätete Einreichung des Hilfsantrags I entstandenen Kosten aufzuerlegen seien. Hieraus ergibt sich zwanglos, dass genau diese Argumente beziehungsweise der ihnen zugrunde liegende Sachverhalt aus Sicht der ursprünglichen Kammer für die zu treffende Kostenentscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden. Mehr musste die ursprüngliche Kammer in der Mitteilung nicht tun. Hieraus kann daher aus der Sicht eines objektiven Dritten nicht gefolgert werden, dass die weiteren Argumente, deren Behandlung die Einsprechende in der Mitteilung vermisst, von der ursprünglichen Kammer aufgrund ihrer vermeintlichen Voreingenommenheit gegenüber der Einsprechenden ignoriert wurden.
3.3.5 In eine ähnliche Richtung geht der weitere Vorwurf der Einsprechenden, die ursprüngliche Kammer habe in der beanstandeten Mitteilung die Argumente der Einsprechenden bezüglich der Frage, ob als befangen abgelehnte Mitglieder über die Zulässigkeit des gegen sie gerichteten Befangenheitsantrags entscheiden dürften, bewusst ignoriert und hierdurch den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ "eklatant" verletzt (siehe oben Ziffer XVII.e)).
a) Soweit hierin die Unvollständigkeit der Mitteilung gerügt wird, ist auf die gerade gemachten Ausführungen in Ziffer 3.3.4 a) zu verweisen: Die ursprüngliche Kammer war gerade nicht gehalten, in der Mitteilung auf sämtliche Argumente der Einsprechenden einzugehen. Die ursprüngliche Kammer hat in ihrer vorläufigen Einschätzung vielmehr als wesentlichen Gesichtspunkt angesehen, dass die Entscheidungsbefugnis abgelehnter Mitglieder über die Zulässigkeit des gegen sie gerichteten Befangenheitsantrags von der herrschenden Rechtsprechung der Beschwerdekammern und auch von der Großen Beschwerdekammer getragen werde (siehe den in Ziffer X. oben wiedergegebenen Punkt 9.1 der Mitteilung). Mehr musste die ursprüngliche Kammer in der Mitteilung nicht tun, so dass aus objektiver Sicht eines vernünftigen Betrachters aus der vorgeworfenen Unvollständigkeit der Mitteilung kein Schluss auf die Voreingenommenheit der Kammer gezogen werden kann.
b) Die Einsprechende sieht außerdem in der aus ihrer Sicht unvollständigen Äußerung der vorläufigen Auffassung der ursprünglichen Kammer zu der streitgegenständlichen Frage eine "eklatante" (und damit wohl vorsätzliche) Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ. Aus einer vorsätzlichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör könnte grundsätzlich auf die Voreingenommenheit einer Kammer geschlossen werden (siehe oben Ziffer 3.2.2).
c) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann jedoch durch den Inhalt einer Mitteilung, die eine vorläufige Meinung der Kammer enthält, von vornherein nicht begangen werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Artikel 113 (1) EPÜ, wonach "Entscheidungen des Europäischen Patentsamts [...] nur auf Gründe gestützt werden [dürfen], zu denen die Beteiligten sich äußern konnten" (Hervorhebung durch die Kammer). Eine Mitteilung mit der vorläufigen Meinung der Kammer soll vielmehr (unter anderem) auch und gerade die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Beteiligten sichern. Entgegen der - im Zusammenhang mit dem fünften und vierten Befangenheitsantrag geäußerten - Auffassung der Einsprechenden genügt es auch nicht, dass die ursprüngliche Kammer in ihrer Mitteilung - so die Behauptung der Einsprechenden - bereits angekündigt habe, den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör durch Ignorieren ihrer Argumente zu verletzen. Ob nämlich tatsächlich später in der zu treffenden Entscheidung eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör begangen wird, steht in keiner Weise fest. Die Einsprechende wird vielmehr während der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit haben, erneut ihre Argumente vorzubringen sowie insbesondere auf die aus ihrer Sicht drohende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinzuweisen. Sie ist daher in der Tat gehalten, die mündliche Verhandlung sowie die Entscheidungsgründe abzuwarten.
3.3.6 Als letztes Argument für die Befangenheit der ursprünglichen Kammer hat die Einsprechende vorgebracht, dass nicht nur jeder einzelne der von ihr genannten Punkte für sich genommen schon die Besorgnis der Befangenheit begründe, sondern dass dies erst recht gelte für die massive Häufung der Gründe (siehe oben Ziffer XVII.f)). Da jedoch, wie oben in den Ziffern 3.3.1 bis 3.3.5 geprüft, keines der von der Einsprechenden ins Feld geführten Argumente Anlass für die objektive Besorgnis der Befangenheit gibt, kann dies auch nicht für ihre Gesamtheit gelten.
3.3.7 Die erkennende Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass der dritte Befangenheitsantrag der Einsprechenden gegen die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung unbegründet ist.
4. Zuständigkeit der erkennenden Ersatzkammer für die Entscheidung über den ersten Befangenheitsantrag
4.1 Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Ersatzkammer hat die Einsprechende ihre Auffassung kundgetan, dass die erkennende Ersatzkammer mit Stellung des dritten Befangenheitsantrags und der Abgabe des Verfahrens an sie nicht nur für die Behandlung dieses Antrags, sondern auch für den noch anhängigen ersten Befangenheitsantrag der Einsprechenden zuständig geworden sei und daher auch über letzteren entscheiden müsse. Für diese Auffassung verwies die Einsprechende im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Entscheidung T 1028/96.
4.2 Aus dem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Stellung des dritten Befangenheitsantrags und der Bestellung der erkennenden Ersatzkammer (siehe oben Ziffern XI. bis XIII.) wird jedoch deutlich, dass das am 13. Dezember 2022 eingeleitete Verfahren im Sinne von Artikel 24 (3) und (4) EPÜ lediglich den dritten Befangenheitsantrag betraf. Dagegen ist die Einleitung eines Verfahrens zwecks Bestimmung derjenigen Mitglieder der Ersatzkammer, die den ersten Befangenheitsantrag der Einsprechenden zu behandeln haben, noch nicht erfolgt. Vielmehr ist dieser Antrag noch vor der ursprünglichen Kammer anhängig, welche sich konsequenterweise in ihrer Mitteilung vom 29. September 2022 sowohl zur Frage ihrer Zuständigkeit für die Beurteilung der Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags als auch zu dessen Zulässigkeit geäußert hat. Die ursprüngliche Kammer hat ferner in Ziffer 10 der Mitteilung (siehe oben Ziffer X.) zum Ausdruck gebracht, dass diese Fragen in der anberaumten mündlichen Verhandlung zu diskutieren seien und in Abhängigkeit von der hierüber zu treffenden Entscheidung durch die ursprüngliche Kammer gegebenenfalls das Verfahren gemäß Artikel 24 (4) EPÜ anzuwenden sei.
4.3 Die Zuständigkeit der erkennenden Ersatzkammer umfasst daher lediglich die Entscheidung über den dritten Befangenheitsantrag der Einsprechenden; nur zu diesem Zwecke wurde die Ersatzkammer gebildet. Würde die erkennende Ersatzkammer dagegen auch ihre Zuständigkeit für den ersten Befangenheitsantrag bejahen, würde sie damit gleichzeitig auch die Frage faktisch entscheiden (und verneinen), ob die ursprüngliche Kammer zuständig für die Prüfung der Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags war. Die Ersatzkammer würde also unzulässigerweise in die Kompetenz der ursprünglichen Kammer eingreifen, welche ja über die genannte Frage, wie oben ausgeführt, noch nicht entschieden hat.
4.4 Ohne Erfolg verweist die Einsprechende in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in der Entscheidung T 1028/96 vom 15. September 1999, ABl. EPA 2000, 475. Wie nämlich zu Recht von den Patentinhabern argumentiert, entspricht die dort entschiedene Fallkonstellation nicht der hier relevanten Sachlage und ist damit nicht vergleichbar:
4.4.1 Die im Verfahren T 1028/96 ursprünglich zuständige Kammer hatte zunächst die Frage der Zulässigkeit des Befangenheitsantrags der dort Einsprechenden gegen den Vorsitzenden geprüft; der Antrag war dabei auf zwei unterschiedliche Gründe (der erste auf Artikel 24 (1) EPÜ, der zweite auf Artikel 24 (3) EPÜ) gestützt, die beide während der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden waren. Diese Prüfung erfolgte unter Mitwirkung des als befangen abgelehnten Vorsitzenden, bevor dann (offensichtlich nach Bejahung der Zulässigkeit durch die ursprüngliche Kammer) das Verfahren nach Artikel 24 (4) EPÜ eingeleitet und eine Ersatzkammer gebildet wurde, welche sodann über Zulässigkeit und Begründetheit des auf die beiden genannten Gründe gestützten Befangenheitsantrags entschieden hat (vgl. T 1028/96, Sachverhalt und Anträge VII sowie Entscheidungsgründe 1, letzter Absatz).
4.4.2 Die Einsprechende geht offensichtlich zunächst davon aus, dass ein Befangenheitsantrag, der in einer mündlichen Verhandlung erhoben und auf zwei Gründe gestützt wurde (so in T 1028/96), mit zwei Befangenheitsanträgen vergleichbar ist, die ebenfalls auf unterschiedliche Gründe gestützt sind, aber zu unterschiedlichen Verfahrenszeitpunkten gestellt wurden (so im hiesigen Verfahren der erste und der dritte Befangenheitsantrag).
4.4.3 In einem nächsten Schritt rekurriert die Einsprechende sodann auf Abschnitt 4.4 der Entscheidung T 1028/96, der wie folgt lautet:
"Ist wie im vorliegenden Fall die Ablehnung nach Artikel 24 (3) EPÜ im Antrag der Beschwerdegegnerin zulässig, so erstreckt sich diese Zulässigkeit auch auf den gesamten Antrag, also auch auf die erste Ablehnung nach Artikel 24 (1) EPÜ, die allein darauf beruhte, daß der ursprüngliche Vorsitzende in der Kammer mitgewirkt hatte, die die Entscheidung über die Patenterteilung getroffen hat."
Hieraus folgert nun die Einsprechende, dass eine Ersatzkammer, "ist sie erst einmal mit dem Fall befasst", für die Entscheidung über die Ablehnung insgesamt zuständig sei und nicht nur im Hinblick auf einen diesbezüglichen Antrag, welcher zu ihrer Befassung führte (vgl. Schriftsatz vom 18. März 2022, Ziffer A.2, Seite 10 letzter Absatz).
4.4.4 Die gerade zitierte, von der Ersatzkammer im Fall T 1028/96 getroffene Feststellung hatte jedoch zur Voraussetzung, dass diese Ersatzkammer für die Behandlung von Zulässigkeit und Begründetheit des auf beide Gründe gestützten Befangenheitsantrags aufgrund der vorangegangenen Einleitung des Verfahrens nach Artikel 24 (4) EPÜ zuständig wurde. Hieran fehlt es aber im vorliegenden Fall für den auf einen ersten Grund gestützten (ersten) Befangenheitsantrag der Einsprechenden, wie in Ziffern 4.2 und 4.3 oben ausgeführt. Mit diesem Befangenheitsantrag ist die hier erkennende Ersatzkammer gerade (noch) nicht befasst.
4.5 Im weiteren Verfahren wird daher noch über den offenen ersten Befangenheitsantrag der Einsprechenden zu entscheiden sein.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag der Einsprechenden vom 7. Dezember 2022, die Mitglieder gemäß der ursprünglichen Kammerbesetzung wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.