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T 2212/18 21-11-2023
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Innenbeschichteter Liner
iMPREG GmbH
RELINEEUROPE AG
Brandenburger Patentverwertung GbR
Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerdeschrift
Zulässigkeit der Beschwerde - Antrag in dem Beschwerdegegenstand festgelegt wird
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichter Hilfsantrag 1 - Antrag identisch mit dem im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassenen Hilfsantrag 1 - zugelassen (ja)
Zurückverweisung (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 573 442 ("das Patent") zu widerrufen.
In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags angesichts einer Kombination der Druckschriften A9 und A4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (siehe Punkt 13.4 der Entscheidungsgründe). Ferner hat sie den ihr vorliegenden, während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 1 mit Verweis auf Regel 80 EPÜ und Regel 116 (2) EPÜ nicht in das Verfahren zugelassen (siehe Punkt 14. der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung).
II. Die Beschwerdeschrift vom 4. September 2018 wurde ohne Angabe der Anschrift der Beschwerdeführerin am 6. September 2018 beim EPA eingereicht und die gemäß Artikel 108 Satz 2 EPÜ erforderliche Beschwerdegebühr wurde am 11. September 2018 entrichtet.
Die Beschwerdeschrift enthielt folgende Erklärung:
"Gegen die Entscheidung über den Widerruf des Patentes vom 31. Juli 2018 wird hiermit namens und im Auftrag der Patentinhaberin Beschwerde eingelegt."
III. In Beantwortung einer Mitteilung der Geschäftsstelle der Kammer vom 12. September 2018 wurde die Angabe der Anschrift der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. September 2018, das am 19. September 2018 beim EPA einging, nachgereicht.
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 10. Dezember 2018, die am selben Tag beim EPA einging, reichte die Beschwerdeführerin Ansprüche gemäß einem Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 sowie die Dokumente A16 und A17 ein. Sie setzte sich mit den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung auseinander und legte dar, warum aus ihrer Sicht der Hauptantrag und die Hilfsanträge gewährbar seien.
Der letzte Absatz der Beschwerdebegründung lautet:
"Es wird darum gebeten, der Beschwerde abzuhelfen. Nur hilfsweise wird eine mündliche Verhandlung beantragt."
V. Die Beschwerdeerwiderungen gingen jeweils am 15., 18. und 24. April 2019 beim EPA ein. Die Beschwerdegegnerinnen II (Einsprechende 2) und III (Einsprechende 3) erhoben Einwände gegen die Zulässigkeit der Beschwerde und trugen u.a. vor, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung mit der Vorlage des neuen Hilfsantrags 2 den Verzicht auf alle weiteren Anträge erklärt habe und dass insoweit die am 31. Juli 2018 versandte Niederschrift über die mündliche Verhandlung in diesem Punkt die vom Vertreter der Beschwerdeführerin abgegebene Erklärung nicht korrekt wiedergebe.
VI. Die Beschwerdegegnerin III beantragte mit Schreiben vom 21. Juni 2021 eine Korrektur der am 31. Juli 2018 an die Beteiligten versendeten Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung. Die Einspruchsabteilung wies diesen Antrag in einer Mitteilung vom 31. Mai 2022 zurück und führte aus, sie gehe davon aus, dass das Protokoll den Verlauf der Verhandlung korrekt widerspiegle.
VII. In einer Mitteilung vom 15. September 2023 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung den Beteiligten mit.
VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 21. November 2023 statt.
Die Beschwerdegegnerin II reichte folgende Frage zur Vorlage an die Große Beschwerdekammer ein:
"Ist es im Lichte der Regel 99(2) zulässig, einen in der Beschwerdebegründung explizit gestellten Antrag (hier Antrag auf Abhilfe) dahingehend auszulegen, daß [sic] ein nicht-gestellter Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in bestimmtem Umfang als Erfüllung der Voraussetzungen der Regel 99(2) angesehen wird."
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags und, hilfsweise, des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 1, des mit Schreiben vom 21. September 2023 eingereichten Hilfsantrags 1a, des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 2, des in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2023 eingereichten Hilfsantrags 2a, des mit Schreiben vom 21. September 2023 als Hilfsantrag 2 eingereichten Hilfsantrags 2b, des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 3, des mit Schreiben vom 14. November 2023 eingereichten Hilfsantrags 3a, des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 4, des mit Schreiben vom 14. November 2023 eingereichten Hilfsantrags 4a, des mit Schreiben vom 21. September 2023 eingereichten Hilfsantrags 5 oder des mit Schreiben vom 14. November 2023 eingereichten Hilfsantrags 5a.
Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) und die Beschwerdegegnerin III (Einsprechende 3) beantragten die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig oder die Zurückweisung der Beschwerde.
Zudem beantragte die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) die Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Beschwerde. Sie beantragte außerdem die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung im Falle einer Zulassung des Hilfsantrags 1 der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren.
IX. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern angegeben):
"[1.1] Imprägnierter Faserschlauch zur Innenauskleidung von Kanälen und Rohrleitungen, der folgendes aufweist:
[1.2] a. eine Außenschicht,
[1.3] b. eine harzgetränkte Faserschlauchschicht,
[1.4] c. eine Verankerungsschicht, und
[1.5] d. eine innenliegende Polymerschicht mit mindestens einer Barrierelage, und
[1.6] wobei die innenliegende Polymerschicht mindestens eine Längsnaht aufweist und [1.7] wobei die Dicke der Verankerungsschicht in einem Bereich von 30 bis 500 mym liegt,
[1.8] wobei sich ganz innen zur Rohrmitte hin eine Schicht aus Polyethylen, Polypropylen oder Polyurethan als außen liegende Lage der innenliegenden Polymerschicht befindet, daran anschließend sich die Barrierelage als Lage der innenliegenden Polymerschicht befindet und zwischen der Verankerungsschicht c. und der Barrierelage eine Schicht aus Polyethylen oder Polypropylen als weitere Lage der innenliegenden Polymerschicht vorgesehen ist, und [1.9] wobei die Barrierelage eine Dicke im Bereich von 10 bis 500 mym aufweist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag im Wesentlichen darin, dass zwischen den Merkmalen 1.7 und 1.8 das folgende Merkmal 1.7a eingefügt ist:
"[1.7a] wobei die Außenschicht nicht für UV Strahlung durchlässig ist",
dass das Merkmal 1.9 gestrichen ist und am Ende des Anspruchs die folgenden Merkmale 1.10 und 1.11 eingefügt sind:
"[1.10] wobei die Barrierelage aus Polyamid, Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer, PBT, PET, halogenierten Polymeren oder Mischungen derselben besteht, und
[1.11] wobei zumindest die Verankerungsschicht und die innenliegende Polymerschicht stoffschlüssig oder kraftschlüssig durch Kaschierung oder Laminierung miteinander verbunden sind."
X. Die folgenden Druckschriften werden in dieser Entscheidung zitiert:
A4:|DE 10 2009 041 841 A1|
A9:|US 2010/0075078 A1 |
XI. Das für diese Entscheidung relevante Vorbringen der Beteiligten lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulässigkeit der Beschwerde und Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer
i) Beschwerdeführerin
Die Beschwerde sei zulässig. Die Erfordernisse der Regel 99 (2) EPÜ seien erfüllt. Am Ende des ersten Absatzes auf Seite 1 der Beschwerdebegründung werde eindeutig formuliert, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung angefochten werde. Es seien zu diesem Zweck mit der Beschwerdebegründung ein Hauptantrag und vier Hilfsanträge vorgelegt worden. Die Anfechtung der Entscheidung der Einspruchsabteilung und die Vorlage der Anträge könnten nur so interpretiert werden, dass beantragt werde, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und ein Patent auf Basis des Hauptantrags und hilfsweise eines der Hilfsanträge aufrechtzuerhalten beziehungsweise zum Zwecke der Aufrechterhaltung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, falls die Beschwerdekammer dies für sachdienlich erachten sollte. Es gebe keine andere sinnvolle Auslegung der Beschwerdebegründung. Die Beschwerdebegründung gebe auch an, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1, 2, 3 und 4 aufgehoben werden solle und in welchem Umfang sie abzuändern sei. Regel 99 (2) EPÜ erfordere nicht, dass in der Beschwerdebegründung ein Antrag gestellt werde. Es bestehe keine Notwendigkeit, der Großen Beschwerdekammer Rechtsfragen vorzulegen.
ii) Beschwerdegegnerinnen II und III
Die Beschwerde sei unzulässig. Regel 99 (1) c) EPÜ verlange, dass die Beschwerdeschrift und nicht etwa erst die Beschwerdebegründung einen Antrag enthalte, mit dem der Beschwerdegegenstand festgelegt werde. Zwar sei nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern dieses Erfordernis erfüllt, wenn in der Beschwerdeschrift lediglich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt werde, ohne weiter konkretisierte Anträge vorzulegen, doch enthalte die Beschwerdeschrift im vorliegenden Fall nicht einmal einen Antrag, der diesen Mindesterfordernissen der Regel 99 (1) c) EPÜ gerecht werde. Nach der Beschwerdeschrift werde Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, ohne dass jedoch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung - in welchem Umfang auch immer - beantragt werde. Die Beschwerdeschrift erfülle daher nicht einmal die in der grundlegenden Entscheidung T 358/08 und den diese Entscheidung zitierenden Entscheidungen beschriebenen Minimalvoraussetzungen. Die Rechtsprechung, wonach eine Erklärung, dass "Beschwerde eingelegt wird" die Mindesterfordernisse der Regel 99 (1) c) EPÜ erfülle, sei im Lichte des Wortlauts der Regel 99 (1) c) EPÜ nicht nachvollziehbar.
Auch sei in der Beschwerdebegründung entgegen Regel 99 (2) EPÜ nicht angegeben, in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung abgeändert werden solle. Zwar seien mit der Beschwerdebegründung Ansprüche gemäß einem Hauptantrag und vier Hilfsanträgen eingereicht worden. Doch fänden sich in der Beschwerdebegründung keinerlei explizite oder implizite Anträge, die sich auf diese vorgelegten Ansprüche beziehen würden. Der erklärte explizite Wille der Beschwerdeführerin sei lediglich der Antrag auf Abhilfe, über den entsprechend zu entscheiden wäre. Nur wenn man die Beschwerdebegründung unzulässigerweise entgegen dem erklärten Willen der Beschwerdeführerin, d.h. ihrem Antrag auf Abhilfe, auslege und interpretiere, könne man zu dem Schluss kommen, dass die Beschwerdeführerin angegeben habe, in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung abgeändert werden solle. Der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung gestellte Antrag auf Abhilfe sei darüber hinaus im Einspruchsbeschwerdeverfahren unzulässig, da eine Abhilfe der Beschwerde nach Artikel 109 EPÜ im zweiseitigen Verfahren weder vorgesehen noch zulässig sei. Daher sei die Beschwerde mangels eines zulässigen Antrags nach Regel 101 EPÜ als unzulässig zu verwerfen. Sollte die Beschwerdekammer dieser Auffassung nicht folgen, sei der Großen Beschwerdekammer die eingereichte Rechtsfrage vorzulegen und das Verfahren vor der hiesigen Technischen Beschwerdekammer bis zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer auszusetzen, da es sich um ein Problem grundlegenden rechtlichen Interesses handle.
Außerdem sei die Beschwerde auch deshalb unzulässig, weil sich aufgrund des von der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren erklärten Verzichts auf den damaligen Hauptantrag und Hilfsantrag 1 und der fehlenden Zulässigkeit des Hilfsantrags 2 im Beschwerdeverfahren nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 kein zulässiger Antrag im Beschwerdeverfahren befinde, der innerhalb der Beschwerdefrist von der Beschwerdeführerin geltend gemacht und begründet worden wäre.
b) Hauptantrag der Beschwerdeführerin
i) Beschwerdeführerin
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe angesichts einer Kombination der Druckschriften A9 und A4 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Druckschrift A9 offenbare nicht die Merkmale 1.4, 1.8 und 1.9. Der Fachmann verstehe den Begriff "Verankerungsschicht" in Merkmal 1.4 aufgrund seines allgemeinen Fachwissens und im Lichte der Beschreibung (siehe Absätze [0014] und [0029]) so, dass diese Schicht zwei andere Schichten fest miteinander verbinde. Im Zusammenhang des Anspruchs 1 des Hauptantrags folge daraus, dass die innenliegende Polymerschicht fest mit der harzgetränkten Faserschlauchschicht verbunden sei und daher nach der Installation des Faserschlauchs im Rohr verbleibe und nicht nach der Installation abgezogen werde. Dies sei auch dem Absatz [0007] des Streitpatents zu entnehmen. Eine Verankerungsschicht sei in der Druckschrift A9 weder offenbart noch technisch möglich, da eine Vliesschicht nicht mit einer Silikonschicht verbunden werden könne. Die in der Druckschrift A9 offenbarte "first intermediate layer" 210 sei nicht aus Vlies und auch keine eigene Schicht, da es sich um einen Teil des Faserschlauchs handle. Eine Kaschierung könne nicht erkannt werden. Das Ausführungsbeispiel der Figuren 4A, 4B und 4C offenbare keine Dicke der Verankerungsschicht. Eine objektive technische Aufgabe liege darin, den Faserschlauch besser vor mechanischen Einflüssen zu schützen. Zur Lösung dieser Aufgabe müsse die innenliegende Polymerschicht nach der Aushärtung im Liner verbleiben. Ein Schutz der innenliegenden Polymerlage vor mechanischen Einflüssen werde in den Druckschriften A9 und A4 nicht thematisiert, da dort gar nicht davon ausgegangen werde, dass es vorteilhaft sein könnte, die dort beschriebenen Folien nach dem Aushärten im Liner zu belassen. Durch die Merkmale 1.8 und 1.9 ergäben sich ferner weitere technische Vorteile wie beispielsweise eine Barrierewirkung gegenüber Styrol, eine erhöhte Flexibilität und Dehnfähigkeit der Folie und ein Schutz der Barrierelage vor Feuchtigkeit und bestimmten Chemikalien wie beispielsweise biogener Schwefelsäure. Der Fachmann habe angesichts der Druckschriften A9 und A4 keinen Hinweis gehabt, zum Erreichen dieser weiteren technischen Vorteile die Merkmale 1.8 und 1.9 vorzusehen.
ii) Beschwerdegegnerinnen
Es bestünden keine Einwände gegen die Zulassung des Hauptantrags der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe angesichts einer Kombination der Druckschriften A9 und A4 jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich von dem Inhalt der Druckschrift A9 lediglich durch die Merkmale 1.8 und 1.9. Das Merkmal 1.4 sei hingegen in der Druckschrift A9 offenbart. Die Vliesschicht 210 in der Figur 2C der Druckschrift A9 sei eine Verankerungsschicht, da sie durch das Harz mit der Faserschlauchschicht 215 verbunden und somit an dieser verankert sei. Weder das allgemeine Fachwissen noch das Patent als Ganzes stützten die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Verankerungsschicht zwingend zwei andere Schichten fest miteinander verbinden müsse. Die objektive technische Aufgabe liege darin, den Faserschlauch besser vor mechanischen Einflüssen zu schützen. Die weiteren von der Beschwerdeführerin geltend gemachten technischen Vorteile ergäben sich nicht zwingend aus den Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags. Die Druckschrift A4 betreffe die genannte objektive technische Aufgabe (siehe Absatz [0071]) und schlage hierzu eine innenliegende Mehrschichtfolie mit den Merkmalen 1.8 und 1.9 vor. Der Fachmann wäre somit in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelangt.
c) Zulassung des Hilfsantrags 1 der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren
i) Beschwerdeführerin
Der Vertreter der Patentinhaberin könne sich nicht mehr daran erinnern, den Wortlaut "zurückgenommen" oder "verzichtet" in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung benutzt zu haben.
Der Hilfsantrag 1 sei in das Beschwerdeverfahren nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 zuzulassen. Der Beschwerdeführerin sei in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, um Argumente vorzutragen, dass die Regeln 80 und 116 (2) EPÜ nicht greifen würden. Dieser Hilfsantrag räume auch die zuvor in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diskutierten Einwände nach Artikel 84 und 123 (2) EPÜ aus. Dies habe die Einspruchsabteilung bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt. Der Hilfsantrag 1 konvergiere zwar nicht im Hinblick auf den Hauptantrag. Dies sei jedoch nicht das alleinige Kriterium. In der Entscheidung T 945/12 habe die Kammer bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt, dass sowohl die Kammer als auch der ehemalige Einsprechende Zeit gehabt hätten, den Hilfsantrag I zu prüfen, da dieser mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden sei.
ii) Beschwerdegegnerinnen
Der Hilfsantrag 1 der Beschwerdeführerin sei nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, da der Vertreter der Beschwerdeführerin nach der Unterbrechung der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung um 18:15 Uhr mit der Vorlage des neuen Hilfsantrags 2 erklärt habe, dass auf alle weiteren Anträge verzichtet werde. Der in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärte Verzicht auf alle weiteren Anträge außer dem kurz zuvor vorgelegten Hilfsantrag 2 gelte somit auch für den zu diesem Zeitpunkt geltenden Hilfsantrag 1, der nunmehr von der Beschwerdeführerin wieder als Hilfsantrag 1 vorgelegt worden sei.
Es werde auch beantragt, die handschriftliche Mitschrift des Berichterstatters über die mündliche Verhandlung als weiteren Nachweis dafür heranzuziehen, dass es sich um eine Verzichtserklärung und nicht um eine Rücknahmeerklärung über die im Verfahren befindlichen Anträge gehandelt habe.
Der Hilfsantrag 1 sei auch nicht nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 in das Verfahren zuzulassen. Er sei erst spät in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden. Er konvergiere auch nicht im Hinblick auf den Hauptantrag. Die Ermessensausübung der Einspruchsabteilung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Eine Zulassung des Hilfsantrags 1 durch die Kammer würde, wenn ihr eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung folge, zu einer Verfahrensverzögerung führen. Dies sei der Verfahrensökonomie abträglich.
d) Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Die Beschwerdegegnerin II beantragte die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung im Falle einer Zulassung des Hilfsantrags 1 der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren, da die Einspruchsabteilung bislang keine Prüfung dieses Antrags vorgenommen habe. Die Beschwerdeführerin befürwortete eine Zurückverweisung. Die Beschwerdegegnerinnen I und III sprachen sich angesichts der bisherigen Verfahrensdauer und einer mit einer Zurückverweisung einhergehenden weiteren Verfahrensverzögerung gegen eine Zurückverweisung aus.
1. Zulässigkeit der Beschwerde (Artikel 108 i.V.m. Regel 99 EPÜ)
1.1 Beschwerdeschrift
Artikel 108 Satz 1 EPÜ i.V.m. Regel 99 (1) EPÜ legt den Inhalt der Beschwerdeschrift fest, die innerhalb der in Artikel 108 EPÜ genannten Zweimonatsfrist einzureichen ist. So muss die Beschwerdeschrift Folgendes enthalten: den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers (Regel 99 (1) a) EPÜ), die Angabe der angefochtenen Entscheidung (Regel 99 (1) b) EPÜ) und einen Antrag, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt wird (Regel 99 (1) c) EPÜ). Die Regel 99 (1) EPÜ beinhaltet somit zum Großteil die Erfordernisse der bis zum 13. Dezember 2007 geltenden Regel 64 a) und b) EPÜ 1973. Das Erfordernis der Regel 64 b) EPÜ 1973, dass der Beschwerdeführer schon in der Beschwerdeschrift angeben musste, in welchem Umfang die Abänderung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird, wurde in die Regel 99 (2) EPÜ überführt, die den Inhalt der Beschwerdebegründung festlegt.
1.1.1 Die gemäß Regel 99 (1) a) EPÜ erforderliche Angabe der Anschrift der Beschwerdeführerin enthält die Beschwerdeschrift zwar nicht, aber dieser Mangel wurde in zulässiger Weise mit der Angabe der Anschrift in dem Schreiben vom 17. September 2018 behoben (Regel 101 (2) EPÜ).
1.1.2 Da die Beschwerdeschrift eine Erklärung enthält, in der die angefochtene Entscheidung angegeben ist, erfüllt sie auch die Voraussetzungen der Regel 99 (1) b) EPÜ.
1.1.3 Im vorliegenden Fall erklärte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift, dass gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt wird.
Die Beschwerdeschrift muss nach Regel 99 (1) c) EPÜ einen Antrag enthalten, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt ist. Die Beschwerdeschrift ist eine an das EPA gerichtete Erklärung mit der Absicht, eine konkrete Entscheidung mit der Beschwerde anzufechten. Die Absicht, Beschwerde einzulegen, muss darin klar und eindeutig erklärt werden (siehe z.B. die Entscheidungen T 371/92, ABl. EPA 1995, 324, Punkt 3.5 der Entscheidungsgründe und T 551/15, Punkt 2.2.1 der Entscheidungsgründe mit Verweis auf weitere frühere Entscheidungen der Beschwerdekammern). Das Erfordernis der Regel 99 (1) c) EPÜ trägt der Tatsache Rechnung, dass der erste Antrag des Beschwerdeführers gemäß der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer G 9/92 und G 4/93 (ABl. EPA 1994, 875) und G 1/99 (ABl. EPA 2001, 381) den Gegenstand der Beschwerde und damit den Rahmen des Beschwerdeverfahrens festlegt. In der Regel sollte bereits die Beschwerdeschrift klarstellen, ob die angefochtene Entscheidung im Ganzen oder nur teilweise angegriffen wird, und den Umfang der im Beschwerdeverfahren aufgeworfenen Punkte abstecken. Nach der Rechtsprechung ist dieses Erfordernis erfüllt, wenn die Beschwerdeschrift einen Antrag (der auch implizit sein kann) auf die vollständige oder (gegebenenfalls) nur teilweise Aufhebung der Entscheidung enthält, da durch diese Erklärung der Beschwerdegegenstand dahingehend festgelegt wird (siehe T 358/08, Punkt 5 der Entscheidungsgründe und weitere bestätigende Entscheidungen in der "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 10. Auflage 2022 (im Folgenden "Rechtsprechung"), V.A.2.5.2 c)). Dafür ist es nach der einschlägigen Rechtsprechung ausreichend, wenn in der Beschwerdeschrift erklärt wird, dass "Beschwerde eingelegt wird". Durch diese Erklärung wird der Beschwerdegegenstand dahin gehend festgelegt, dass die rechtlichen Wirkungen, die von der Entscheidung ausgehen, rückgängig gemacht werden sollen. Die konkrete Fassung, in der ein Patentinhaber sein Patent aufrecht erhalten wissen will, kann dann noch im Rahmen der Beschwerdebegründung nach Regel 99 (2) EPÜ beantragt werden, die die Gründe für die Aufhebung bzw. den Umfang der beantragten Abänderung enthalten soll (siehe z.B. die Entscheidungen T 358/08, Punkt 5.1 der Entscheidungsgründe, T 1777/14, Punkt 1.2 der Entscheidungsgründe, T 424/15, Punkt 1.3 der Entscheidungsgründe und T 2561/11, Punkt 2.5 der Entscheidungsgründe).
Die Beschwerdegegnerinnen II und III halten die oben dargelegte Rechtsprechung, wonach eine Erklärung, dass "Beschwerde eingelegt wird" die Mindesterfordernisse der Regel 99 (1) c) EPÜ erfüllt, im Lichte des Wortlauts der Regel 99 (1) c) EPÜ für nicht nachvollziehbar. Nach Ansicht der Kammer mag es zwar sein, dass angesichts des Wortlauts der Regel 99 (1) c) EPÜ auch eine andere Auffassung als die der Beschwerdekammern in der obengenannten Rechtsprechung denkbar sein könnte. Die Kammer schließt sich jedoch der Auffassung und der dazu angegebenen Begründung in der obengenannten einschlägigen Rechtsprechung an. Die Kammer weist ferner darauf hin, dass die Beschwerdekammern unter Berücksichtigung des Wortlauts der Regel 99 (1) c) EPÜ die Beschwerde von Patentinhabern gegen eine Entscheidung über den Widerruf des Patents wiederholt als Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang ausgelegt haben und dass daher die Patentinhaberin im vorliegenden Fall davon ausgehen durfte, dass ihre Erklärung in ihrer Beschwerdeschrift die Erfordernisse der Regel 99 (1) c) EPÜ erfüllt. Auch aus diesem Grund hält es die Kammer nicht für geboten, von der obengenannten Rechtsprechung abzuweichen.
Aus den vorstehenden Gründen erfüllt die vorliegende Beschwerdeschrift auch die Erfordernisse der Regel 99 (1) c) EPÜ.
1.2 Beschwerdebegründung
Für die Zulässigkeit einer Beschwerde ist es gemäß Artikel 108 Satz 3 EPÜ auch erforderlich, dass die Beschwerde innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung nach Maßgabe der Ausführungsordnung begründet wird. Nach Regel 99 (2) EPÜ muss die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung darlegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel sie ihre Beschwerde stützt. Wenn die erforderliche Angabe, in welchem Umfang die Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird, nicht ausdrücklich in der Beschwerdebegründung enthalten ist, dann genügt es, wenn der erforderliche Antrag auch durch sachgerechte Auslegung der Beschwerdebegründung aus dem objektiven Erklärungswert entnehmbar ist, um das entsprechende Erfordernis der Regel 99 (2) EPÜ zu erfüllen (siehe "Rechtsprechung", V.A.2.5.2 c) hinsichtlich des vorgenannten Erfordernisses der Regel 64 b) EPÜ 1973, das in die geltende Regel 99 (2) EPÜ überführt wurde; siehe auch z.B. die Entscheidungen T 85/88, T 32/81, ABl. EPA 1982, 225; T 7/81, ABl. EPA 1983, 98; T 1/88).
1.2.1 Die Beschwerdegegnerinnen II und III beanstandeten, dass in der Beschwerdebegründung entgegen dem Erfordernis der Regel 99 (2) EPÜ nicht angegeben sei, in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung abgeändert werden solle, da sich in der Beschwerdebegründung keinerlei explizite oder implizite Anträge fänden, die sich auf die Ansprüche gemäß dem Hauptantrag und der Hilfsanträge, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden seien, beziehen würden. Der einzige erklärte explizite Wille der Beschwerdeführerin sei der auf der letzten Seite der Beschwerdebegründung gestellte Antrag auf Abhilfe. Nur wenn man die Beschwerdebegründung unzulässigerweise entgegen diesem erklärten Willen der Beschwerdeführerin auslege und interpretiere, könne man zu dem Schluss kommen, dass die Beschwerdeführerin angegeben habe, in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung abgeändert werden solle. Im Übrigen sei die Abhilfe im vorliegenden Fall unzulässig.
1.2.2 Dieser Ansicht der Beschwerdegegnerinnen II und III kann die Kammer nicht zustimmen.
Die Beschwerdeführerin erklärte auf der ersten Seite ihrer Beschwerdebegründung, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung mit ihrer Beschwerde angefochten werde. Der Beschwerdebegründung ist weiter zu entnehmen, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 und 2, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen, erneut mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden und dass die Hilfsanträge 3 und 4 erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden. In der weiteren Begründung bezieht sich die Beschwerdeführerin zunächst auf die Entscheidungsgründe in der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zum damaligen und jetzigen Hauptantrag und führt aus, warum ihrer Meinung nach dieser Antrag die Erfordernisse der Artikel 123 (2), (3), 84, 54 und 56 EPÜ erfülle und warum die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch sei, nicht zutreffend sei. Damit geht aus der Beschwerdebegründung eindeutig hervor, dass die Beschwerdeführerin die erstinstanzliche Entscheidung zumindest bezüglich des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags angreift und aus welchen Gründen sie die angefochtene Entscheidung diesbezüglich für falsch hält. Bei einer sachgerechten Auslegung der Beschwerdebegründung ergibt sich deshalb aus dem objektiven Erklärungswert, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß ihrem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag erreichen wollte.
1.2.3 Diese Auslegung der Beschwerdebegründung wird auch nicht durch die Tatsache widerlegt, dass die Beschwerdeführerin im letzten Absatz ihrer Beschwerdebegründung folgende Formulierung verwendete: "Es wird darum gebeten, der Beschwerde abzuhelfen." Nach Ansicht der Kammer kann dieser Formulierung bei verständiger Würdigung keine andere Bedeutung beigemessen werden, als dass die Beschwerdeführerin die Stattgabe ihrer Beschwerde beantragt hat. Selbst wenn, wie die Beschwerdegegnerinnen II und III dies vorgetragen haben, diese Formulierung so zu verstehen wäre, dass damit eine Abhilfe i.S.v. Artikel 109 (1) Satz 1 EPÜ gemeint war, so würde dies nur bedeuten, dass die Beschwerdeführerin beantragt hat, dass die Einspruchsabteilung der Beschwerde nach Artikel 109 (1) Satz 1 EPÜ abhilft, d.h. ihre Entscheidung aufhebt, wenn sie die vorliegende Beschwerde für zulässig und begründet hält. Eine Beschwerde ist i.S.v. Artikel 109 (1) EPÜ begründet, wenn die Einwände, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung und etwaiger Änderungen eindeutig ausgeräumt sind. Ein Antrag auf Abhilfe kann daher keine Auswirkungen auf den Inhalt der Beschwerdebegründung selbst haben, auch wenn sie gegebenenfalls auszulegen ist. Auch die Tatsache, dass gemäß Artikel 109 (1) Satz 2 EPÜ eine Abhilfe im vorliegenden Fall nicht zulässig wäre, da der Beschwerdeführerin die Einsprechenden als Beschwerdegegnerinnen gegenüberstehen, kann keine Auswirkung auf den Inhalt der Beschwerdebegründung oder die Zulässigkeit der Beschwerde haben. Ist in einem Fall eine Abhilfe gemäß Artikel 109 EPÜ von vornherein rechtlich nicht möglich, kann dies die Zulässigkeit der Beschwerde nicht in Frage stellen. Vielmehr ist die Beschwerdesache in einem solchen Fall unverzüglich der Beschwerdekammer vorzulegen, wie dies im vorliegenden Fall auch unmittelbar nach Einreichung der Beschwerde geschehen ist (siehe Formblatt EPA Form 2701 mit Datum vom 6. September 2018).
1.2.4 Aus den oben genannten Gründen kann der Umfang der vorliegenden Beschwerde aus dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerin zumindest hinsichtlich ihres Hauptantrags ermittelt werden, auch wenn die Beschwerdebegründung keinen ausdrücklichen Antrag enthält, in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung abzuändern ist. Die Beschwerde ist auch zumindest hinsichtlich des Hauptantrags ausreichend begründet worden, da die Beschwerdeführerin dargelegt hat, aus welchen Gründen sie die angefochtene Entscheidung hinsichtlich ihres Hauptantrags für nicht richtig hält. Die Erfordernisse der Regel 99 (2) EPÜ sind somit auf jeden Fall zumindest hinsichtlich des Hauptantrags der Beschwerdeführerin erfüllt. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist es ausreichend, die erstinstanzliche Entscheidung bezüglich eines einzigen Antrags, hier des Hauptantrags, in Frage zu stellen und dies zu begründen, denn die angefochtene Entscheidung wäre aufzuheben, wenn dieser Begründung zu folgen wäre. Ob die vorgebrachten Gründe tatsächlich überzeugen, ist für die Zulässigkeit der Beschwerde nicht von Belang, sondern vielmehr eine Frage ihrer Begründetheit.
1.2.5 Hinsichtlich des Arguments der Beschwerdegegnerinnen II und III, dass sich angesichts des von der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren angeblich erklärten Verzichts auf den damaligen Hauptantrag und Hilfsantrag 1 und der fehlenden Zulässigkeit des Hilfsantrags 2 kein zulässiger Antrag im Beschwerdeverfahren befinde, der innerhalb der Beschwerdefrist oder Beschwerdebegründungsfrist von der Beschwerdeführerin geltend gemacht und begründet worden wäre, weist die Kammer darauf hin, dass die Zulassung von Anträgen nicht eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde ist. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist auf der Grundlage aller von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdeschrift oder Beschwerdebegründung eingereichten Unterlagen zu prüfen, auch wenn sie nicht für die Prüfung der Beschwerde in der Sache zugelassen werden (siehe dazu auch Dokument CA/3/19, Abschnitt VI, Erläuterungen zu Artikel 12 (4), 2. Absatz, letzter Satz). Eine Beschwerde kann daher auch dann zulässig sein, wenn keiner der in der Beschwerdeschrift oder Beschwerdebegründung gestellten Anträge bei der Prüfung der Begründetheit der Beschwerde in das Beschwerdeverfahren zugelassen wird. Im Übrigen erklärten die Beschwerdegegnerinnen I, II und III in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass sie keine Einwände gegen die Zulassung des Hauptantrags der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren hätten und dass die diesbezüglich schriftlich erhobenen Einwände zurückgenommen würden. Folglich gibt es keine Einwände mehr gegen die Zulassung des Hauptantrags der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren.
1.2.6 Aus den vorstehenden Gründen erfüllt die vorliegende Beschwerdebegründung die Erfordernisse des Artikels 108 Satz 3 EPÜ i.V.m. der Regel 99 (2) EPÜ.
1.3 Da auch die übrigen Erfordernisse für eine form- und fristgerechte Einreichung der Beschwerdeschrift und der Beschwerdebegründung gemäß Artikel 108 EPÜ und Regel 99 EPÜ unstreitig erfüllt sind, ist die Beschwerde im vorliegenden Fall zulässig.
2. Antrag der Beschwerdegegnerin II auf Vorlage einer Frage an die Große Beschwerdekammer (Artikel 112 (1) a) EPÜ)
2.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdegegnerin II, der Großen Beschwerdekammer die folgende Frage vorzulegen:
"Ist es im Lichte der Regel 99(2) zulässig, einen in der Beschwerdebegründung explizit gestellten Antrag (hier Antrag auf Abhilfe) dahingehend auszulegen, daß [sic] ein nicht-gestellter Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in bestimmtem Umfang als Erfüllung der Voraussetzungen der Regel 99(2) angesehen wird."
2.2 Gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ befasst die Kammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält.
2.3 Wie oben unter Punkt 1.2.2 ausführlich dargelegt, ergibt sich im vorliegenden Fall bei einer sachgerechten Auslegung der gesamten Beschwerdebegründung aus dem objektiven Erklärungswert, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß ihrem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag erreichen wollte. Der Umfang der vorliegenden Beschwerde kann daher zumindest hinsichtlich ihres Hauptantrags aus dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerin ermittelt werden, auch wenn die Beschwerdebegründung keinen ausdrücklichen Antrag enthält, in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung abzuändern ist.
2.4 Für diese Auslegung hat die Kammer den in der Beschwerdebegründung explizit gestellten Antrag auf Abhilfe nicht herangezogen und die Auslegung dieses Antrags hat somit keine Rolle für die Frage gespielt, ob das entsprechende Erfordernis der Regel 99 (2) EPÜ im vorliegenden Fall erfüllt ist (siehe Punkt 1.2.3 oben). Die Kammer ist daher der Ansicht, dass die von der Beschwerdegegnerin II formulierte Frage keine für den vorliegenden Fall relevante Rechtsfrage enthält. Damit jedoch eine Frage der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden kann, muss sie für die Entscheidung des betreffenden Falles relevant sein (siehe die Entscheidung G 2/04, ABl. EPA 2005, 549 und "Rechtsprechung", V.B.2.3.3). Da dies hier nicht der Fall ist, muss der Antrag der Beschwerdegegnerin II auf Vorlage einer Frage an die Große Beschwerdekammer schon aus diesem Grund zurückgewiesen werden.
3. Hauptantrag der Beschwerdeführerin: erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Die Beschwerdegegnerinnen hatten keine Einwände gegen die Zulassung des Hauptantrags der Beschwerdeführerin in das Beschwerdeverfahren. Sie sind jedoch der Ansicht, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe angesichts einer Kombination der Druckschriften A9 und A4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.2 Es ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die Druckschrift A9 nicht die Merkmale 1.8 und 1.9 offenbart. Die Kammer teilt diese Auffassung.
Die Beschwerdeführerin ist außerdem der Ansicht, dass die Druckschrift A9 nicht das Merkmal 1.4 offenbare. Sie hat jedoch nicht nachgewiesen, dass der Fachmann den Begriff "Verankerungsschicht" aufgrund seines allgemeinen Fachwissens zwingend so verstehen würde, dass diese Schicht zwei andere Schichten fest miteinander verbindet. Ein derart eingeschränktes Verständnis dieses Begriffs folgt auch nicht zwingend aus der Beschreibung des Patents. Die von der Beschwerdeführerin darin angegebenen Absätze [0014] und [0029] geben keine Definition des Begriffs "Verankerungsschicht" an. Selbst wenn die Beschreibung des Patents diesbezüglich Ausgestaltungen offenbaren sollte, die mit dem von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Verständnis dieses Begriffs im Einklang stünden, wäre dieses Verständnis nicht zwangsläufig in den Anspruch 1 des Hauptantrags hineinzulesen. Im Verfahren vor dem EPA, in dem der Patentinhaber die Möglichkeit hat, seine Ansprüche so zu beschränken, dass sie mit den in der Beschreibung genannten engeren Grenzen übereinstimmen, sollte der Umfang eines Anspruchs nicht dadurch beschränkt werden, dass Merkmale impliziert werden, die nur in der Beschreibung vorkommen, da Ansprüche damit ihrer gewollten Funktion beraubt würden (siehe "Rechtsprechung", II.A.6.3.4).
Die Verankerungsschicht ist daher im Zusammenhang des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht darauf eingeschränkt, dass diese Schicht die harzgetränkte Faserschlauchschicht und die innenliegende Polymerschicht zwingend fest miteinander verbindet. Weder aus dem Merkmal 1.4 für sich genommen noch aus dem Anspruch 1 des Hauptantrags als Ganzem ergibt sich zwingend, dass die innenliegende Polymerschicht nach dem Aushärten im Rohr verbleiben muss.
Die Kammer folgt vielmehr der Ansicht der Beschwerdegegnerinnen, dass die in der Figur 2C der Druckschrift A9 gezeigte Vliesschicht 210 eine Verankerungsschicht darstellt, da sie durch das Harz mit der Faserschlauchschicht 215 verbunden und somit an dieser verankert ist. Die Druckschrift A9 offenbart damit das Merkmal 1.4.
Die Beschwerdeführerin führt ferner aus, dass die in der Druckschrift A9 offenbarte "first intermediate layer" 210 nicht aus Vlies und keine eigene Schicht sei, da es sich um einen Teil des Faserschlauchs handle. Eine Kaschierung könne nicht erkannt werden. Das Ausführungsbeispiel der Figuren 4A, 4B und 4C offenbare keine Dicke der Verankerungsschicht.
Die Kammer vermag diesen Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen, ob sie weitere Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber der in Figur 2 der Druckschrift A9 dargestellten Ausgestaltung erkennt, die über die Merkmale 1.8 und 1.9 hinausgehen. Anspruch 1 des Hauptantrags sieht jedenfalls ebenso vor, dass die in den Merkmalen 1.2 bis 1.5 definierten Schichten Bestandteil eines Faserschlauchs sind (siehe Merkmal 1.1: "... Faserschlauch ..., der folgendes aufweist:"). Die Druckschrift A9 offenbart in Absatz [0041] außerdem, dass die Schicht 210 ein Vlies aufweist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von dem Inhalt der Druckschrift A9 somit darin, dass die innen liegende Polymerschicht zusätzlich zu der Barrierelage noch eine außen liegende Lage und eine weitere Lage aufweist und dass die Barrierelage eine Dicke im Bereich von 10 bis 500 mym aufweist (Merkmale 1.8 und 1.9).
3.3 Es ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die im Hinblick auf die Unterscheidungsmerkmale 1.8 und 1.9 gelöste objektive technische Aufgabe darin zu sehen ist, den Faserschlauch besser vor mechanischen Einflüssen zu schützen.
Die Kammer schließt sich dieser Ansicht an. Als technische Wirkung der außen liegenden Lage und der weiteren Lage der inneren Polymerschicht ist in Absatz [0025], letzter Satz des Patents angegeben, dass die innenliegende Polymerschicht noch besser vor mechanischen Einflüssen schützt. Die Kammer hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass dieser bessere Schutz nur nach dem Aushärten des Harzes und nach der Installation des Faserschlauchs in dem Rohr erreicht würde. Vielmehr schützt eine innenliegende Polymerschicht mit den Merkmalen 1.8 und 1.9 des Anspruchs 1 des Hauptantrags den Faserschlauch beispielsweise auch bei der Installation. Diese Auffassung steht im Einklang mit Absatz [0007] des Streitpatents. Dort heißt es unter anderem, dass die Aufgabe der Erfindung darin bestehe, einen Faserschlauch zur Innenauskleidung von Kanälen und Rohrleitungen bereitzustellen, bei dem beim Aushärten Verletzungen der Schlauchinnenfolie besser vermieden werden können.
3.4 Die Druckschrift A4 befasst sich mit der technischen Aufgabe, wie innenliegende Schlauchfolien eines Kanalsanierungssystems (siehe Absatz [0070]) besser vor mechanischen Belastungen geschützt werden können (siehe Absatz [0071]), und somit mit der oben genannten objektiven technischen Aufgabe. Absatz [0071] bezieht sich zwar auf die Belastungen bei der Handhabung des Kanalsanierungsschlauches, insbesondere beim Aufblasen im Kanalsystem, und nicht auf einen Schutz des Faserschlauchs nach der Installation. Dies ist jedoch unbeachtlich, da die objektive technische Aufgabe aus den oben genannten Gründen in dieser Hinsicht nicht eingeschränkt ist. Zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe sieht die Druckschrift A4 vor, dass die Barriereschicht der innenliegenden schlauchförmigen Mehrschichtfolie des Schlauches auf jeder ihrer Oberflächen eine weitere Kunststoffschicht trägt (siehe Absätze [0078] und [0080]), für die beispielsweise Polyethylen oder Polypropylen verwendet wird (siehe Absatz [0081]). Das Merkmal 1.9 ist ferner unstrittig in Bezug auf die in der Druckschrift A4 offenbarten Beispiele mit einer Barrierelage aus Polyamid oder Copolyamid offenbart.
Dass die innenliegende Schlauchfolie gemäß Absatz [0077] der Druckschrift A4 nach der Aushärtung vom sanierten, aus Kunststoff und Trägermaterial gebildeten Kanalrohr abgezogen wird, bedeutet darüber hinaus nicht, dass die in den Absätzen [0080] und [0081] der Druckschrift A4 offenbarten Kunststoffschichten die Barrierelage nicht vor der Installation im zu sanierenden Kanalrohr vor mechanischen Belastungen schützen könnten.
Selbst wenn der Fachmann angesichts der Kombination der Druckschriften A9 und A4 zu einem Verfahren gelangt wäre, bei dem die innenliegende Schlauchfolie nach dem Aushärten entfernt wird, wäre dies für die Frage der erfinderischen Tätigkeit unbeachtlich. Zum einen ist Anspruch 1 des Hauptantrags auf einen imprägnierten Faserschlauch und nicht auf ein Verfahren zu seiner Verwendung gerichtet. Zum anderen definiert Anspruch 1 des Hauptantrags keine zwingenden strukturellen Merkmale des beanspruchten imprägnierten Faserschlauchs, die ein Entfernen der innenliegenden Polymerschicht nach dem Aushärten ausschließen würde. Dies folgt aus den oben genannten Gründen insbesondere nicht allein aus dem Begriff "Verankerungsschicht" in Merkmal 1.4.
Der Fachmann wäre daher in Anbetracht einer Kombination der Druckschriften A9 und A4 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelangt.
3.5 Zwischen den Beteiligten ist ferner strittig, ob sich bezüglich der Merkmale 1.8 und 1.9 zwingend weitere technische Vorteile ergeben. Diese Frage kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben. Wie oben dargelegt, wäre der Fachmann ausgehend von der Druckschrift A9 und angesichts der Druckschrift A4 zur Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe auf naheliegende Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelangt. Eine zusätzliche technische Wirkung, die dem Fachmann aufgrund dieser naheliegenden Überlegungen zwangsläufig in den Schoß fallen würde, könnte keine erfinderische Tätigkeit begründen (siehe auch "Rechtsprechung", I.D.10.8).
3.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags der Beschwerdeführerin beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
4. Zulassung des Hilfsantrags 1 der Beschwerdeführerin: Zulassung in das Beschwerdeverfahren
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten aus verschiedenen Gründen, den Hilfsantrag 1 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
4.1 Angeblicher Verzicht der Beschwerdeführerin auf den Hilfsantrag 1 in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung
Die Beschwerdegegnerin III beantragte, die handschriftliche Mitschrift des Berichterstatters der Einspruchsabteilung über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als Nachweis für den vermeintlich durch die Beschwerdeführerin erklärten Verzicht heranzuziehen. Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass es auf die handschriftliche Mitschrift eines Mitglieds der Einspruchsabteilung über die mündliche Verhandlung nicht ankommt, da die Kammer weder über den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung noch über die Ablehnung des Antrags auf Berichtigung dieser Niederschrift zu entscheiden hat. Aus diesem Grund sah die Kammer keine Veranlassung, dem Antrag der Beschwerdeführerin III zu folgen.
Die Einspruchsabteilung wies auch den Berichtigungsantrag der Beschwerdegegnerin III zurück und führte aus, sie gehe davon aus, dass das Protokoll den Verlauf der Verhandlung korrekt widerspiegle (siehe Punkt VI oben). Die Kammer geht bei der geschilderten Sachlage davon aus, dass die Niederschrift den Verlauf der Verhandlung korrekt wiedergibt.
In Punkt 4 der Niederschrift ist Folgendes ausgeführt:
"Die Patentinhaberin reichte einen neuen Hilfsantrag 2 ein, welcher inhaltlich dem ursprünglichen Hilfsantrag 4 entspricht und die Änderungen aus dem Hauptantrag beinhaltet. Alle weiteren Hilfsanträge wurden zurückgezogen." (Unterstreichung durch die Kammer)
Der vorliegende Hauptantrag und der vorliegende Hilfsantrag 1 werden hingegen in der angefochtenen Entscheidung erörtert (siehe Punkt 13 und 14 der Entscheidungsgründe). Die Kammer versteht den Punkt 4 der Niederschrift über die Verhandlung vor der Einspruchsabteilung daher dahingehend, dass die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diese beiden Anträge nicht zurückgenommen hat. Es gibt in der Niederschrift auch keinerlei Anhaltspunkte für einen Verzicht der Beschwerdeführerin auf den Hilfsantrag 1 in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung.
4.2 Zulassung nach Artikel 12 (4) VOBK 2007
Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdebegründung vor dem 1. Januar 2020, also vor dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK, ABl. EPA 2023, A103), eingereicht. Deshalb ist gemäß Artikel 25 (2) VOBK nicht Artikel 12 (4) bis (6) VOBK anzuwenden, sondern stattdessen ist Artikel 12 (4) VOBK in der Fassung von 2007 (VOBK 2007, siehe ABl. EPA 2007, 536) weiterhin anwendbar.
Nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 berücksichtigt die Kammer grundsätzlich das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Artikel 12 (1) VOBK 2007, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK 2007 erfüllt. Der Artikel 12 (4) VOBK 2007 nennt jedoch auch die Befugnis der Kammer, Tatsachen, Beweismittel und Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind.
4.2.1 Die Beschwerdeführerin hat den vorliegenden Hilfsantrag 1 mit ihrer Beschwerdebegründung eingereicht. Diesen Antrag, der bereits während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden war, hat die Einspruchsabteilung nach Regel 80 EPÜ und Regel 116 (2) EPÜ nicht in das Verfahren zugelassen (siehe Punkt 14 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung). Daher hat die Kammer die Befugnis nach Artikel 12 (4) VOBK 2007, diesen Antrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
4.2.2 Die Beschwerdeführerin trägt zunächst vor, ihr sei in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, um Argumente vorzutragen, dass die Regeln 80 und 116 (2) EPÜ nicht greifen würden.
In Punkt 3.1.3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ist Folgendes ausgeführt:
"Die Einsprechende 1 beantragte, dass der geänderte Hilfsantrag 1 als verspätet eingereicht, zurückgewiesen wird. Die weiteren Einsprechenden schlossen sich der Meinung der Einsprechenden 1 an.
Die Patentinhaberin begründete die Änderung mit einem möglichen Erweiterungsproblem in einer möglichen Nichtigkeitsklage vor einem nationalem [sic] Patentgericht."
Die Kammer entnimmt dieser Passage der Niederschrift, dass die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht nur Gelegenheit erhalten hat, zur Frage einer möglichen Verspätung des Hilfsantrags 1 und einer damit im Zusammenhang stehenden möglichen Nichtzulassung dieses Antrags Stellung zu nehmen. Vielmehr hat sie diese Gelegenheit auch genutzt und den Grund für die im Hilfsantrag 1 enthaltenen Änderungen genannt. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, ist daher nicht durch die Niederschrift gestützt. Die Kammer hat damit keinen Anlass zu der Annahme, dass das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 (1) EPÜ in dieser Hinsicht verletzt worden wäre.
In einer Vielzahl von Entscheidungen haben die Beschwerdekammern festgestellt, dass die Beschwerdekammer ihr Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 eigenständig ausüben und dabei das zusätzliche Vorbringen im Beschwerdeverfahren gebührend berücksichtigen muss. Dabei übt die Beschwerdekammer nicht das Ermessen der erstinstanzlichen Abteilung basierend auf der damaligen Sachlage nochmals aus, sondern berücksichtigt vielmehr zusätzliche Tatsachen und geänderte Umstände und macht von ihrem eigenen Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 Gebrauch (siehe z.B. die Entscheidungen T 971/11, Punkt 1.2 der Entscheidungsgründe und T 2219/10, Punkt 3.1 und 3.2 der Entscheidungsgründe). Es kann bei der Ausübung des eigenen Ermessens der Beschwerdekammer dann dahingestellt bleiben, ob die Ermessensausübung der erstinstanzlichen Abteilung im Ergebnis zu beanstanden ist.
Die Kammer versteht die Entscheidungsgründe hinsichtlich der Nichtzulassung des Hilfsantrags 1 in Punkt 14 der angefochtenen Entscheidung dahingehend, dass es ein zentraler Punkt für diese Entscheidung gewesen ist, dass nach Ansicht der Einspruchsabteilung die Voraussetzungen der Regel 80 EPÜ nicht erfüllt gewesen waren. Daher spielt diese Frage für die Kammer beim Ausüben ihres eigenen Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 eine wesentliche Rolle. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Regel 80 EPÜ bei einer Änderung des Patents erfüllt sind, ist auf das erteilte Patent abzustellen und nicht auf einen höherrangigen Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung. Die Kammer folgt der Entscheidung T 750/11, Punkt 2.3.2 der Entscheidungsgründe, in der dargelegt wurde, dass eine Änderung nach Regel 80 EPÜ dann formal zulässig sei, wenn sie als ernsthafter Versuch zu werten sei, einem Einspruchsgrund zu begegnen, und dass die Frage, ob eine solche Änderung tatsächlich einen Einspruchsgrund behebe, erst bei der materiellrechtlichen Prüfung zu klären sei. Es ist dem oben wiedergegebenen Punkt 3.1.3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eindeutig zu entnehmen, dass die Änderung im 1. Hilfsantrag vorgenommen wurde, um einen Einwand der unzulässigen Erweiterung und damit die Geltendmachung des Einspruchsgrunds gemäß Artikel 100 c) EPÜ zu vermeiden. Die Kammer kommt deshalb hinsichtlich der Regel 80 EPÜ zu einer anderen Wertung als die Einspruchsabteilung und sieht die formalen Voraussetzungen der Regel 80 EPÜ als erfüllt an. Angesichts dieser abweichenden Wertung hinsichtlich der Regel 80 EPÜ ist die Frage der Verfahrensökonomie, der Verfahrensdauer und der Konvergenz im vorliegenden Fall von untergeordneter Bedeutung. Deswegen hat die Kammer den Hilfsantrag 1 in Ausübung ihres eigenen Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
5. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung (Artikel 111 (1) EPÜ, Artikel 11 VOBK)
Nach Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ steht es im Ermessen der Kammer, entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig zu werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückzuverweisen. Der gemäß Artikel 25 (1) VOBK hier anzuwendende Artikel 11 VOBK besagt, dass eine Kammer die Angelegenheit nur dann zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückverweist, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Besondere Gründe liegen in der Regel vor, wenn das Verfahren vor diesem Organ wesentliche Mängel aufweist. Ob "besondere Gründe" vorliegen, ist von Fall zu Fall zu entscheiden (siehe Erläuterungen zu Artikel 11 VOBK 2020, Zusatzpublikation 2, ABl. EPA 2020).
Im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (siehe auch Artikel 12 (2) VOBK), hält es die Kammer bei der vorliegenden Sachlage nicht für zweckmäßig, im Rahmen der Zuständigkeit der Einspruchsabteilung tätig zu werden und die Prüfung, ob das Patent in der geänderten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 die Voraussetzungen des EPÜ erfüllt, erstmalig selbst durchzuführen. Da also besondere Gründe im Sinne des Artikels 11 VOBK vorliegen, hält es die Kammer für angebracht, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ), zumal sich die Beschwerdeführerin mit einer Zurückverweisung einverstanden erklärt hat und die Beschwerdegegnerin II dies sogar ausdrücklich beantragt hat. Die Kammer hat beim Ausüben ihres Ermessens auch berücksichtigt, dass die Beschwerdegegnerinnen I und III angesichts der bisherigen Verfahrensdauer und einer mit einer Zurückverweisung einhergehenden weiteren Verfahrensverzögerung gegen eine Zurückverweisung waren. Die Kammer hielt diese Kriterien im vorliegenden Fall jedoch für weniger relevant als die Prüfung der Gewährbarkeit des Hilfsantrags 1 in zwei Instanzen, wie von der Beschwerdegegnerin beantragt und von der Beschwerdeführerin befürwortet.
Die Kammer hält daher in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ und unter Berücksichtigung des Artikels 11 VOBK eine Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz im vorliegenden Fall für gerechtfertigt. Die Kammer weist darauf hin, dass die Einspruchsabteilung damit die Befugnis hat, nicht nur über den vorliegenden Hilfsantrag 1, sondern gegebenenfalls auch über weitere Anträge der Patentinhaberin unter Beachtung des Artikels 111 (2) EPÜ zu entscheiden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.
3. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
4. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.